Müdigkeitsgesellschaft / Versuch über die Müdigkeit - Stefan Otteni sorgt in Karlsruhe mit Byung-Chul Han und Peter Handke für philosophische Tiefenentspannung
Müdigkeit hält in Bewegung
von Steffen Becker
Karlsruhe, 2. März 2013. Der Beruf eines Nachtkritikers ist der Inbegriff einer neoliberalen Tätigkeit. Eine Arbeit, für die man sich gerne selbst ausbeutet, weil sie einem das Gefühl von Freiheit und Initiative verleiht. Im besten Falle erzeugt sie die Befriedigung, kluge Gedanken schon formuliert zu haben, bevor die Kollegen von den Printmedien überhaupt die Chance hatten, sie schreibend zu entwickeln. Dieses "Ich kann" ist nach Meinung des Philosophen Byung-Chul Han der innere Zwang, der uns effektiver in den Burn-Out treibt als die äußere Kraft von Anordnungen. So liegt man denn auf einer Matratze im Studio des Staatstheaters Karlsruhe, hört drei Schauspielern zu, wie sie Hans Essay über die Müdigkeitsgesellschaft bearbeiten und fühlt sich ertappt.
Gemeinschaft stiften
Was diese Leute zitieren (mit Mikro) und debattieren (einfach so), beschreibt viel von der eigenen Realität: Wer in Projekten denkt, ist nur vordergründig sein eigener Herr, letztlich aber immer selber schuld, wenn es nicht klappt. Das überforderte Leistungssubjekt reagiert mit Hyperaktivität, die in der Reaktion auf jeden Impuls im Grunde passiv agiert. Kennt man von vielen so genannten kreativen Berufen. Die der Regisseure und Schauspieler zählen auch dazu. Umso gespannter durfte man sein, ob und wie Stefan Otteni und sein Team ihre eigene Erschöpfung ausstellen – mit Han als Analyst der depressiven Müdigkeit und Peter Handkes "Versuch über die Müdigkeit" als Gegenpol einer befreienden Müdigkeit, eines Gemeinschaft stiftenden Zustandes.
Das Setting dieser Inszenierung der Reihe "philosophisches Theater" versucht indes, jede Anspannung vom Publikum abfallen zu lassen. Helfer versichern, dass schlafen in Ordnung ist. Sie liefern Vitamine und Kekse, bieten eine Rückenmassage an und geleiten in der Pause zur Toilette. Anne Neuser (Bühne) spannt über die Besucher eine Art Zelt, das verklärte Pfadfinder-Erinnerungen wachrufen.
Das fühlt sich wohlig-entspannt an – und ist eine Wurzel des Dilemmas, das Otteni seinem Publikum zur individuellen Lösung darreicht. Während man sich in der Decke wälzt, wird man aufgewirbelt von den Schauspielern Ursula Grossenbacher, Thomas Halle und Gunnar Schmidt. Sie diskutieren lautstark über die philosophischen Fragen der Müdigkeit, demonstrieren Accessoires für den Power-Nap (flauschige Vogel-Strauß-Masken) und veranschaulichen die Oberflächlichkeit von Multitasking mit Affeneinlagen. Ihre Haupttexte von Handke und Han fordern Konzentration, ebenso die Schlenker zu Platons Höhlengleichnis, zu Herman Melvilles Anwaltsgehilfen Bartleby, griechischen Göttersagen und Friedrich Nietzsche.
Quell von Erkenntnis
Man muss sich entscheiden, nach welchem Prinzip man der Vorstellung folgt – gibt man dem Impuls der Müdigkeitsgesellschaft nach, kann man sich der Entspannung kaum hingeben. Denn das bedeutet mit dem Prinzip eines Theaterbesuchs als Fortbildung zu brechen. Die Verunsicherung ist im Premiere-Zeltlager deutlich zu spüren. Es entsteht zumindest zu Beginn nicht das Handke'sche "Volk der Müden", dessen Müdigkeit es empfänglicher macht für den Kern einer Sache. Langeweile als Quell von Erkenntnis – eine so schöne wie fremdartige Vorstellung. Stattdessen spürt man vor Ort auch als Kritiker die Scham, die Hans Müdigkeitsgesellschaft in Bewegung hält. Darf ich einfach an die Decke starren und etwas verpassen? Kann ich mich mit dem Stück gut fühlen oder muss ich erst benennen können, warum?
Besonders eindrucksvoll demonstriert Otteni diese Ambivalenz von Müdigkeit, als ein Junge eine Matratze entert, weil er allein nicht schlafen kann. Es wirkt wie eine ungewollte Unterbrechung und die Schauspieler stellen ihn mit dem Kinderlied "LaLeLu" und aggressivem Ton ruhig. Zum Schluss gehen sie dann einfach, ihr Gute-Nacht-Gesang verhallt und das Publikum schaut eine Weile in den künstlichen Sternehimmel. Nach zwei Stunden siegt dann doch das körperliche Verlangen nach Spannungsabfall und es hat sich wohlige und als Gemeinschaft empfundene Ermattung breit gemacht.
Arbeitsverweigerung vermeiden
Für den Nachtkritiker ist der Ausstieg schwieriger. Man hat sich das Nichtstun jetzt verdient – gefühlt und von Philosophenverstand bestätigt. Oder zumindest die Muße, über das Gehörte schlafen zu dürfen. Man fühlt sich ermutigt durch die Aufforderung der Schauspieler, einmal laut den "schönen (!) Satz" zu sagen: Nein, ich möchte lieber nicht. Um Arbeitsverweigerung zu vermeiden, muss man sich doch zurückziehen auf das Beispiel neoliberalen Künstlerdaseins. Schauspieler Thomas Halle hatte berichtet, wie er nach Proben erschöpft durch die Straßen streift und mit Herablassung auf Menschen mit Berufen schaut, die so eine königliche Müdigkeit nicht hervorrufen. Mit diesem Gefühl klammert man sich an den Kritikerlaptop. Die Handke'sche Utopie verfliegt im Geklapper der Tasten. Zum Glück wird es der normale Zuschauer einfacher haben mit dem Genuss dieses Stücks.
Müdigkeitsgesellschaft / Versuch über die Müdigkeit (UA)
von Byung-Chul Han / Peter Handke
Regie: Stefan Otteni, Dramaturgie: Kerstin Grübmeyer, Bühne/Kostüme: Anne Neuser.
Mit: Ursula Grossenbacher, Thomas Halle, Gunnar Schmidt.
Dauer: 2 Stunden, eine Pause
www.staatstheater.karlsruhe.de
Für Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten (4.3.2013) ist dieser Abend "bemerkenswert", weil er "selbst umsetzt, was er fordert: eine Unterbrechung des Alltags, eine Entschleunigung des Produktivitäts-Hamsterrades". Anders als in anderen Kunstaufführungen werde das Wegdämmern hier geradezu gefördert. Die Text-Collage sei "bewusst unaufdringlich gehalten" und werde "auf Dauer angenehm beruhigend" durch das "unaufgeregte Sprechen" der Akteure vorgebracht, "ab und zu unterbrochen durch Gute-Nacht-Lieder".
Ein "interessanter Abend", von dem insbesondere Handkes Erzählungen "im Gedächtnis" blieben, so schätzt es Georg Patzer in der Stuttgarter Zeitung (4.3.2013) ein. Wobei es den Schauspielern zu verdanken sei, dass Texte und Gedanken hier "zum Leben erwachen und Handkes häufig schwer erträgliches Pathos ein wenig gemildert wird". Regisseur Stefan Otteni gelinge es, "aus den widerspenstigen – vor allem bei Hans auch manchmal konfusen, dogmatischen – Textfragmenten eine interessante, aber fragile Mischung herzustellen, die den Zuschauer nicht einschläfert, sondern mit Gedankenanstößen in einen Zustand erhöhter Gedankenempfänglichkeit versetzt".
Im Badischen Tagblatt (5.3.2013) aus Baden-Baden schreibt Ute Bauermeister: mit einem "außergewöhnlich intensiven und intimen Theaterabend" versetze Stefan Otteni die Zuschauer in eine angenehme "Wir-Müdigkeit", in einen entspannten Zustand des "Sich-rundum-Wohlfühlens". Meisterhaft gelinge es Otteni aus theoretischen Texten von Han und Handke einen Theaterabend zu machen, Sprache werde "Erlebnis", Gedanken und Theorien würden "sinnlich wahrnehmbar". Die Schauspieler rezitierten Passagen aus Büchern, plapperten über eigene Erfahrungen, sängen oder kommentierten "hitzig" die Texte – ein "Spitzenmüdigkeitsteam".
In der Süddeutschen Zeitung (5.3.2013) schreibt Christine Dössel: mit Handke gesagt, sei sie in Karlsruhe in einen "Horizont der Müdigkeit" eingetreten, auf den T-Shirts der Helfer stünde: 'It"s okay if you sleep'. Womit schon das Problem beginne, die Liegeposition sei der Konzentration nicht förderlich, auch sehe man schlecht und überhaupt sei es anstrengend, den Texten der Herren Han & Handke und gleichzeitig der "Wellness-Auflage des Regisseurs" zu folgen. Man habe es mit einer "verordneten Als-ob-Müdigkeit" zu tun. Der Abend sei eigentlich interessant, wenn die Schauspieler bloß nicht "unter permanentem Hochdruck, mit aufgekratzter Diskursfreudigkeit, einem schmissigen Motivationstrainer-Impetus und diesem (reichlich verlogenen) Bescheidwisser-Gestus" die Erkenntnisse von Han & Handke zum Besten gäben. Dössel vermisst den "Leidensdruck", die "Überforderung" "Erschöpfung, Ermüdung und Erstickung' angesichts eines 'Zuviel", welches Byung-Chul Han unserer Zeit attestiere.
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"Ich habe eine solche Depressionsschau satt. Ich glaube nicht, daß wir im Reich der Gleichheit und Freiheit leben, und auch nicht, daß die Souveränität vorhanden ist - an ein solches republikanisches Märchen kann nur ein Soziologe, und erst recht ein französischer [Alain Ehrenberg. Oder auch Byung-Chul Han] glauben. Ich gehe aber davon aus, daß das Individuum handeln kann. Sei es nur, wenn er dem, der ihm eben jegliche Handlungsmöglichkeit verweigert, eins auf die Fresse haut. Kampf ist angesagt!
Mit Kampf meine ich keineswegs Kriegshetzerei und großartige Strategien a la Clausewitz, sondern das, was die alten Völker Asiens und Südamerikas unter 'kämpferischem Geist' verstanden."
(Guillaume Paoli)
Wieso wählen sie hier die männliche Form?
Aber es geht ja im Text von Guillaume Paoli auch noch weiter, nicht dass hier Missverständnisse aufkommen. Am Ende schlägt er ebenfalls eine Art passiven Widerstand vor. Alle Arbeitslosen sollten sich auf eine Wiese legen, mit oder ohne Getränk, und einfach dort liegenbleiben, ohne sich von Leuten stören zu lassen, die sie zwanghaft "politisch engagieren" oder zwanghaft "in Arbeit bringen" wollen. Erst dann würde wieder bewusst, wie sehr "unsere Chefs" von der Masse der "Arbeiter und Angestellten" abhängig sind. Wenn "wir" an der Basis alle streiken würden, dann würde das kapitalistische System zusammenbrechen. Tja.
Ich kam mir vor wie auf den Entspannungsinseln eines Kirchentages.
Vollkommen humor- und gedankenfrei.
Eine im RES000882-1167 Fall übergriffige Inszenierung, absolut hinfällig , ob da ein Handke oder sonstwas verhandelt wird.
Wohlgemerkt: Ihr neuerliches Zitat bezieht sich keineswegs auf die oben besprochene Inszenierung. Was daran macht es für Sie zu einer solchen "Depressionsschau" ?
Und unterschlagen Sie nicht gleichsam den Handke-Anteil des Abends ?? Der Handketext ist mitnichten eine Depressionsschau. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß Guillaume Paoli etwas mit dieser polaren Inszenierungsanlage anfangen könnte; vielleicht bedarf es sogar ein wenig jenes "kämpferischen Geistes", um redlich müde sein zu können und empfänglich zu werden für die Gemeinschaft stiftenden Müdigkeiten und um den "Schlaf der Gerechten" möglicherweise schlafen zu können.
Wird "Macbeth" (siehe Nachbarthread) nicht auch mit Schlaflosigkeit geschlagen und einer isolierenden Müdigkeit. Wieviel von "unseren" Müdigkeiten ähnelt eher solcher Macbeth-Müdigkeit ?? Das wäre durchaus ein Ansatz hin zur Steckel-Lesart via Müdigkeitsthema. Am 13.3.2013 geht es in den Sophiensälen im übrigen ("Turbo Pascal" , nachtkritik de. wird berichten) los mit einem Müdigkeitsabend für Berlin.
liebe Inga,
sie haben den Abend wohl wie so oft nicht gesehen. Den Text von Han haben Sie aber scheinbar auch nicht gelesen, denn er ist das Gegenteil von privatisierend sondern entwirft ja genau eine scharfe politische Sicht auf das Thema. Also vielleicht auch mal eins ihrer geliebten Zitate hinterfragen, bevor Sie es einfach brav nachbuchstabieren. Reproduzieren Sie durch Ihr Nachplappern nicht eigentlich die-medialen-kapitakisischen-Strukturen-welche-eigentlich-aufgelöst-gehörten?
dieser fürchterliche und theaterfeindliche Satz erklärt leider so vieles auf nachtkritik...
@ heureka: Warum theaterfeindlich? Theater lebt doch vor allem über die Imagination. Aber okay, man kann natürlich auch mit nacktem Unterkörper und baumelndem Pimmel durch die Zuschauerreihen laufen, wie neulich bei der andcompany ("Der [kommende] Aufstand nach Friedrich Schiller") gesehen. Das öffnet dann allerdings nichts mehr in der Imagination. Mutig war's natürlich trotzdem, wie da mit der eigenen Scham UND der (Fremd-)Scham bzw. Beschämung der Zuschauer gespielt wurde. Ansonsten war's aber irgendwie doch auch ein wenig zum Einschlafen, weil keine Geschichte mehr erzählt wurde. Man kann auch zu viel dekonstruieren.
Der Satz "Nicht gesehen, kanns mir aber vorstellen." im Hinterkopf mag schon so manchen Theaterbesucher begleitet haben, erst recht, wenn er vorher zu einer Kritik oder gar mehreren gegriffen haben sollte, denn irgendwie ist das ja wohl auch ein Kernproblem jedweder Verbalisierung von Theatererfahrung(en) (außerhalb ihrer selbst, es gibt ja allerlei Formate), daß sie selbst in der Regel kein Theater sind. Und garnicht so selten wird man dann von der eigenen Sicht auf die Sache geradezu überrascht und findet ganz eigene Zugänge bzw. die angebotenen gerade nicht; dann, gerade dann scheint mir ein Austausch über das Erlebte Chancen zu eröffnen, fruchtbar zu sein. Mitunter kommt dergleichen auf nachtkritik de. vor, mitunter ärgert man sich, daß es gerade nicht passiert: die sachliche, persönlich durchdrungene Diskussion über das Erlebte, der Austausch darüber. "heureka", ich weiß nicht, wieweit Sie Otteni-Stränge auf nachtkritik de. verfolgt haben, aber ein Thread hat beispielsweise vor einigen Monaten direkt darauf hingewiesen - eine "Karlsruherin" postete seinerzeit-, daß dieser "Versuch über die Müdigkeit/Die Müdigkeitsgesellschaft"
in Karlsruhe geplant ist und mag letztlich sogar dazu beigetragen haben, daß nachtkritk de. diesen Abend besprochen hat, so daß dieser nun einen eigenen Thread hat. Auch dieser Satz erklärt, denke ich, zum Glück so einiges auf nachtkritik de., zB. daß es durch diese Seite eher schwerer geworden sein dürfte, gutes Theater halbinformiert totzureden. Könnte ich auch "theaterfeindlich" lesen, so einen Satz, wie kann ich gutes Theater totreden ?, muß und werde ich aber nicht. Wenn man sich gerade diesen Abend so garnicht vorstellen kann, gerade weil das szenische Set-up genial ist, sollte man sich vielleicht auch ein wenig fragen, wie oft einem so das Geniale vor die Füße springt und kann dann vielleicht wieder ein wenig milder urteilen: jedenfalls so ein Theater würde keiner mehr totreden können, davon bin ich überzeugt, man kann auch das Theater des Centraltheaters in Leipzig nicht mehr totreden (dennoch kann irgendwann Schluß sein).
Doch es gibt in diesem Thread auch Gegenstimmen, §4 und §6.
Schaue ich allein in den Monatsplan für den März, so scheint es mir
nicht, daß ich da keine Stücke finde, lieber Peer, und Ottenis "Und immernoch Sturm"-Handke ist doch wohl auch eines gewesen, oder ? Es gibt schon einige Nachtkritiken zu Karlsruhe, es gibt einige "Verschnitte" und Stücke darunter; bei den "Verschnitten" fällt aber wesentlich auf, daß sie in "Doppeltiteln" wie im hiesigen Fall darauf hinweisen, daß sie "Verschnitte" sind: auch ist der Handketext hier ebensowenig ein Stück wie der Han-Text. Ich finde, daß jemand, der einen solchen Abend besucht, schon damit rechnen darf, nicht ein Stück im "herkömmlichen Sinne" zu sehen. Da Otteni auch ein Handkestück inszeniert hat, dürfte der Einwand, man traue dem Publikum in Karlsruhe offenbar zu wenig zu, nicht sonderlich verfangen: offenbar mutet man ihm sogar etwas zu, und das sollte man wohl auch nur tun können, wenn ein gewisses Zutrauen da ist..
Ja, ich habe Ottenis "Immer Noch Sturm" gesehen, es WAR ein Stück (warum ist das wichtig?), ich war begeistert und habe mich auf Karlsruhe gefreut. Nachdem ich nun die zweite Vorstellung des "Versuchs Über die Müdigkeit" gesehen habe, muß ich sagen: Ich war überrascht,es war KEIN Stück, es war etwas völlig anderes (also, daß sich dieser Regisseur wiederholt, kann man ihm nicht vorwerfen...) und nach einiger Irritation kam wieder derselbe Gedanke wie in Nürnberg: Wie sagenhaft gelassen die Schauspieler mit den Texten umgehen, gerade mit den großen Handke-Monologen, wie sehr sie diese Sprache zum Blühen bringen. Das scheint ein Merkmal von Otteni zu sein, daß er den Schauspielern und den Texten Raum lässt. Wenn ich dazu noch ein Stück Apfel bekomme - umso besser.
Und wegen gratis Äpfeln ins Theater gehen , liebe Karlsruherin , na ja , Baden liegt neben Schwaben.
Ein gelungenes Experiment nicht still sitzen zu müssen und nicht immerzu dem Geschehen mit den Augen zu folgen, vielmehr liegend in die Sterne zu schauen oder die Augen zu schließen und sich auf das Hören zu konzentrieren. Es war wie Musik mit geschlossenen Augen hören oder bei einem Konzert aufstehen und tanzen können, genauso gut!
und der versuch "etwas" besonderes zu machen wirkte auf mich insgesamt zu sehr bemüht.
aber für das karlsruher publikum scheint´s ja zu reichen ...
nette äpfel und so harmlos gefällig ... schade um die arbeit.
wenn Sie im alten Stil provoziert werden wollen (mit diesen beiden Texten??), müssen Sie wahrscheinlich hingehen, wo die Castorf-Epigonen noch wüten. Hier müsste man dann doch auch mal auf die Texte hören, scheint mir, denn alles in dieser Veruchsanordnung lief darauf hin. Die Texte dann haben genug Sprengkraft und ind alles andere als harmlos - nicht die Äpfel und die Massagen. Aber einlassen muß man sich schon...
ganz im gegenteil ...
(war vielleicht missverständlich) ...
aber die inszenierung ...
für mich hat sich das nicht verbunden ...
text und das was daraus gemacht worden ist)...
deshalb meinte ich: schade um die arbeit ...
... ps: habe nur einen text geschrieben ...
Anscheinend ist es aber den meisten Kommentarschreibern hier sowieso wichtiger sich auf dieser Seite zu profilieren, anstatt sich auf eine aussergewöhnliche Inszenierung einzulassen. Grosse Reden schwingen, teilweise ohne es selbst erlebt zu haben, wie aussergewöhnlich dieser wunderbare Theaterabend eigentlich war. Wohl zu grosse Schwierigkeiten sich darauf einzulassen. Dabei war es ein Geschenk, nicht nur für Müde, herrlich sich hinlegen oder auch sitzen zu dürfen, um den drei tollen Schauspielern, mal aufgeregt, mal ganz entspannt, auf Ihren Entdeckungen zu folgen, den spannenden Gedankengängen von Han, Handke und Arendt und und und widersprüchlich und anregend zugleich.
Es ist mir ein Rätsel, warum es für manch einen so schwierig zu sein scheint, sich auf Aussergewöhnliches einzulassen und man wohl lieber den traditionellen Theaterabenden hinterher weint, anstatt die erfrischenden Angebote, geistiger wie auch körperlicher Art wie etwa Nackenmassage, anzunehmen. Ihr braucht wohl die harte Bestuhlung und bloss keine Berührung, eure schicke Garderobe könnte wohl knittrig oder gar fettig werden.
In § 11 ging es mir um eine Richtigstellung (mindestens einen Hin-
weis) zum Paoli-Zitat und der offenbaren Anlage der Inszenierung, eine Inszenierung in der Tat, die leider weit weg ist von meinem Heimatort, nochmals: leider !
Zudem wollte ich auf einen Müdigkeitsabend in den "Sophiensälen" hinweisen (nicht jeder, der in der Märzvorschau den Titel liest, muß sich darunter schon etwas vorstellen können und überliest möglicherweise etwas sie/ihn Betreffendes).
In § 17 ging es mir um ein Pauschalurteil darüber, was angeblich hier so auf nachtkritik de. vor sich geht und wollte zur Entkräftung dieses Vorwurfes noch einmal darauf hinweisen, daß dieser Thread bereits einen Vorlauf im Otteni-Thread zu seiner "Und immernoch Sturm"-Inszenierung (Nürnberg) hatte, von Totschweigen also gerade zu Otteni-Sachen (siehe auch Potsdam, "Der Eisvogel") keine Rede sein kann.
Wenn "Karlsruherin" daraus macht, ich schriebe ihr/uns die Macht zu, nachtkritik de. nach Karlsruhe zu bewegen bzw. die nachtkritik de.-Redaktion es für geboten hält zu titeln "Bemühungen ums Totreden", so kann ich da nichts zu. Tatsächlich hat nk schon verschiedentlich positiv auf ZuschauerInnenhinweise reagiert, ohne daß ich den Karlsruher Fall hier als Beispiel handeln will/wollte, denn das entzieht sich meiner Kenntnis einerseits, andererseits sind auch sonst schon diverse Otteni-Inszenierungen (ohne Hinweis) besprochen worden. Der Abend selbst spaltet offenbar die sich darauf eingelassen habende Zuschauerschaft, die sich hier ja auch schon verschiedentlich geregt hat (und ich sehe noch keinen Anlaß, hier von Profilierungen zu sprechen); das Diskussionsklima hier halte ich für gereizt, und gerade das geht mir nicht recht auf. Die Bewertungsfunktion ist hierbei aber fast (!) ein Segen, in kaum einem Thread läßt sich das Auf und Ab so verfolgen; dennoch wäre es besser, gelegentlich etwas genauer zu lesen als vermeintlich gegen die eigene Haltung Sprechendes pauschal runterzubügeln oder als Profilmache zu denunzieren.
auf außergewöhnliches muss man sich nicht "einlassen". es passiert von selbst ( oder eben auch nicht , weil es für jeden anders verläuft ) . auf jeden fall aber nicht zwangsläufig wegen matrazen und äpfeln und massage.
warum muss ich mir einen theaterabend denn als einzigartig verkaufen lassen , bloss weil einige nicht mit ihrem leben in seinen angeboten und hilfen zurechtkommen. bei allem Respekt.
Mit leichter Hand und Lust zum Text inszeniert, vielen Dank, Stefan Otteni, ich möchte bitte
mehr!
jetzt haben Sie schon so oft auf den "Müdigkeitsabend" in Berlin hingewiesen, jetzt sagen Sie mir:
Sind Sie denn mit der Produktion irgendwie verbandelt?
Waren Sie da und können berichten?
Werden jetzt die Müden Hauptstädter gegen die Müden Provinzler aus Karlsruhe streiten? (Mich wundert auch der raue Ton der Kommentare. Macht Hinlegen schon aggressiv?) Laut Programmheft geht es doch in Karlsruhe um "Ein Mehr des weniger Ich". Das wäre hier im thread auch mal schön
- Nein, ich bin nicht mit jener Produktion verbandelt.
(soviel Beiseite sei mir gestattet: Ich habe hier nicht durch-
gehend den Eindruck, daß hier ansonsten Unverbandelte sich
zu Wort melden, ist aber ihr gutes Recht und steht der eigenen
Einschätzung frei zu Gebote)
- Nein, gestern war Premiere (siehe die "Versuch über die Müdigkeit
überschriebene Nachtkritik"), ich weiß noch nicht, ob ich die
Tage noch spontan einen kleinen Berlin-Trip starte (SIGNA, F.I.N.
D., Müdigkeitsabend, es ist ja mancherlei los, was mich
anspricht)
- Hauptstädter versus Provinzler (Berliner gegen Karlsruher), alle-
mal ohne mich !
- Zur "Aggression" und zu allerlei Pauschalurteilen und der Nicht-
bereitschaft aufeinander einzugehen fiele mir schon noch etwas
ein, aber: ich werde mich zurückhalten..
(...) wieder regen sich scheinbar nur die über den Abend auf, die ihn gar nicht gesehen haben. Die Texte sind "verschnitten" weil sie sich sogar aufeinander beziehen. Man muß den Han schon auch lesen, bevor man ihn kritisiert. Das in Karlsruhe ist ein geiler Abend, und wer nicht denken will, muß schlafen.