Presseschau vom 12. März 2013 – Gespräch mit Peter Stein und Klaus-Maria Brandauer in der Zeit

"Ich gehe bei der Premiere ins Kino"

"Ich gehe bei der Premiere ins Kino"

12. März 2013. Für die aktuelle Ausgabe der Zeit (7.3.2013) hat Peter Kümmel Peter Stein und Klaus Maria Brandauer interviewt, die gerade gemeinsam "Krapp's Last Tape" von Samuel Beckett inszenieren.

Stein spricht dort einmal mehr über seine Faszination durch die Schauspieler. Auch die Theatergeschichte beweise es: "Der Regisseur ist relativ spät aufgetaucht; die Schauspieler kamen auch ohne ihn aus." Brandauer beschreibt das Wesen des Theaterspiels so: "Ich bin's am Ende immer selbst, ja. Aber natürlich bilde ich mir etwas ein, was überhaupt nicht geht: nämlich der zu sein, den ich vorgebe zu spielen." Für ihn soll das Spiel "ein Rätsel bleiben. Darauf bin ich penibel bedacht: dass es ein Geheimnis bleibt." Ja, klar sei da Hochstaplerei im Spiel: "Ich gebe an und lasse es die anderen wissen, dass ich angebe. Was soll es denn sonst sein? Es gehört eine ordentliche Chuzpe dazu, zu sagen: Ich will in die Öffentlichkeit. Aber ich tue es deshalb, weil ich was erreichen will. Ich möchte, dass es uns gut geht in den paar Stunden, die wir zusammensitzen im Theater. Ich will, dass dort was los ist. Ich will den Menschen ein bisschen die Zeit stehlen, ihnen andere Wege zeigen. Und ich will, dass ihre Lebensqualität sich verbessert". Natürlich sei er mal "als Weltverbesserer" angetreten und ganz aufgegeben habe er das noch nicht. "Zunächst soll's mir aber selber gut gehen in der Arbeit."

Über die Kritik sagt Stein: "Was man mir kritisch angetan hat in meiner sogenannten Karriere, ist geradezu lächerlich gegen das, was ich mir selber andauernd antue. Es grenzt an Selbstzerstörung. (...) Ich geh bei der Premiere ins Kino. (...) Ich finde, Premieren sind obszöne Veranstaltungen. Ich seh mir nie Premieren meiner Arbeiten an. Da sind meine Feinde drin, nämlich die Kritiker – und Mutti: Verwandte der Beteiligten." Jenseits der Stadttheaterstruktur arbeite er, weil er sich nicht arrangieren will "mit irgendwelchen Leuten, die ein Theater leiten. (...) Und zwar deshalb: Man sagt mir immer, die Theaterleiter hätten alle Angst vor mir. Die würden sich in meiner Anwesenheit verkrampfen. Und ich will nicht zusammenarbeiten mit Leuten, die sich vor mir fürchten." Vielleicht liege das an seiner "etwas ruppigen Art". Die habe er "aus dem einfachen Grund, dass ich mich langweile, wenn man sich nicht ein bisschen streitet, wenn nicht irgendwas los ist. Aber eigentlich bin ich gar nicht so ein böser Mensch, im Gegenteil, ich bin ein absolutes Schaf."

Befragt nach seiner Wahlheimat Italien seufzt Stein: "Mit Berlusconi wurde die primitivste und dämlichste Form des raffgierigen Kapitalismus als Staatsreligion propagiert, es wurde einfach mitgeteilt: Kunst ist vollkommen sinnlos, denn sie bringt ja nichts. Auch das künstlerische Erbe – 18 Prozent des Weltkulturerbes befinden sich in diesem Land – lässt man verfallen. Das ist Wahnsinn. Die Italiener sind keine Clowns, die sind vollkommen geistesgestört!"

(ape)

 

Mehr zu Peter Stein im Lexikon. Gemeinsam mit Klaus Maria Brandauer als Dorfrichter Adam erarbeitete Stein schon Kleists Zerbrochnen Krug (Berliner Ensemble, 2008), den Ödipus auf Kolonos (Salzburger Festspiele 2010) und 2007 war Brandauer in Berlin Steins Wallenstein.

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