Katastrophengebiet Welt

von Verena Großkreutz

Stuttgart, 23. März 2013. Angst geht um in Europa: Angst vor Europa. Irrationale Angst, ausgelöst durch die Finanz-, Euro- und Schuldenkrise, deren Zusammenhänge offenbar nicht einmal Experten wirklich erklären können. Das mühsam Ersparte droht neuerdings sogar, Opfer von Enteignung zu werden, um den Staat und damit die Banken zu retten. Oder umgekehrt? Dabei sollte es doch eigentlich das Altern sichern, riet einst der Staat, der Renten und Löhne schmelzen lässt. Was bleibt, ist hilflose Wut, die kaum ein Ventil findet.

Über die Angst, die Europas fremdbestimmte BürgerInnen derzeit lähmt, gibt es jetzt ein aktuelles Stück. Das ist gut. Sibylle Berg, die kluge, bissige Analytikerin gesellschaftlichen Niedergangs und der Vergeblichkeit aller menschlichen Mühen, hat es geschrieben und am Staatsschauspiel Stuttgart, in der Interimsspielstätte Nord, zusammen mit dem scheidenden Intendanten Hasko Weber in Szene gesetzt: "Angst reist mit", heißt es. Und im Untertitel ironisch: "Ein Reiseoperepos". Keine guten Aussichten verspricht uns das Stück, das die derzeitige Stimmung sinnbildlich zu fassen sucht.

angst reist mit1 560 sonja rothweiler uFremder, karger Planet Welt mit Menschen obendrauf  © Sonja Rothweiler

Da beginnt das leise Grauen ...

Es geht um vier bisher noch wohlstandsverwöhnte europäische Touristen, die auf einer Insel der "Dritten Welt" Urlaub machen wollen: Die beiden Journalisten Kevin und Ansgar, Anfang 30, auf der Suche nach einer "Preisträgergeschichte". Dann ist da das körperlich und emotional längst auseinandergerückte Lehrerehepaar Karl und Karla, Mitte 50. Er: hält Ausschau nach der "einheimischen Frau", sie: die Weltverbesserin, will "mit eingeborenen Kindern tanzen" und "Brunnenbauprojekte" besichtigen.

Aber die Realität macht der kleinen Reisegruppe einen Strich durch die Rechnung. Was der Reiseveranstalter versprach – "heilsame Quellen inmitten unberührter Natur" und "ein politisch unbedenkliches Umfeld", in dem man "die romantischsten Ferien des Lebens verbringen" kann – entpuppt sich als Lüge. Romantisch – zumindest im Sinne von: die Sehnsucht des Romantikers nach dem Ganzen erfüllt sich vor allem im Tod – ist nur der "Unterwelt"-Chor, der das Geschehen auf der Bühne kommentiert: "Da beginnt das leise Grauen", singt er melancholisch, "allein mit sich in tiefer Nacht. / Da beginnen sie zu ahnen, / was sie auf dieser Erde sind."

Lauerndes Kannibalentum

In der Tat sind die vier Reisenden auf sich selbst zurückgeworfen, auf ihre Nichtigkeit, ihre innere Hohlheit, ihre sexuelle Frustration, ihre Gefühllosigkeit. Ein Albtraum erwartet sie: die Insel wüst und leer. Sie ist Projektionsfläche für die Ängste vor dem Fremden und vor sich selbst. Das Unbewusste stülpt sich nach außen. Dort lauert fieses Kannibalentum, und die vier werden Opfer einer brutalen Geiselnahme. Geiselnehmer ist das zweiköpfige Insel-Empfangskomitee: diktatorische Animateure, die in der Stuttgarter Inszenierung weiß gekleidet sind wie Psychiatrie-Personal; weiße Schminke im Gesicht deutet auf Zombietum. Angst auf allen Ebenen.

angst reist mit2 560 sonja rothweiler uIst die Welt eine Scheibe oder doch die Höllle? © Sonja Rothweiler

So auch auf der Bühne: eine kalte Kunstwelt baut sich auf, ein fremder, karger Planet. Die runde, leere, angeschrägte Spielfläche dreht sich zuweilen, und gibt an der angehobenen Seite dann den Blick frei in einige skurril gefüllte Räumchen: Strandgut, ein Bärenkopf, ein Haufen blutiger Organe. Und hier zwängt sich auch gelegentlich der skurril verkleidete Chor hinein und glotzt die Zuschauer aus allerlei fantastischen Sehorganen an. Ein schönes Bild! Über der Drehbühne: Videoprojektionen und die "Schaltzentrale" der beiden Zombies.

Letztere sind offenbar Teil eines globalen geheimnisvollen Plans, der mit einem Schlag an verschiedenen Orten der Welt eine Milliarde Touristen unter Kontrolle bringen soll: "Menschen, die freiwillig zur Masse werden, um bewusst den eignen Willen aufzugeben". Das gefällt den Männern: "Ich muss gestehen, dass ich mich in der versorgten Abhängigkeit nicht unwohl fühle", sagt Ansgar. Derweil die beiden Zombies im Hintergrund eine Leiche ausweiden, aus den Gedärmen Würstchenketten und ein Skateboard ziehen.

angst reist mit 560 sojnarothweiler uVier Menschenmarionetten: Jens Winterstein (Karl), Marietta Meguid (Karla), Christian Schmidt (Kevin), Marco Albrecht (Ansgar) © Sonja Rothweiler

... und der Chor singt vom letzen Abendmahl

Sextourismus, Tourismus in Katastrophengebiete und Diktaturen, der zerstörerische Umgang mit der Natur, die völlige Natur- und Selbstentfremdung, Ehehöllen – all das spießt Berg auf in ihrem Stück, das unterhält, wenn man hineinhört in den entlarvenden Wort- und überhaupt Witz. Schlag auf Schlag geht es mit Sprüchen wie: "Das sind keine Schlangen, das sind mehrfach verwendete Kondome", "Die Dritte Welt ist mitunter eine Zumutung" oder "Nur weil ich nachts ein Schlafshirt trage, habe ich doch nicht mit meinen Leidenschaften abgeschlossen". Es ist viel und muss erst nachwirken – weshalb der Applaus in der Premiere wohl verhalten, wenn auch freundlich ausfiel.

Auf der kargen Bühne bewegen sich die Menschen wie Marionetten. Am Ende springt Karla ins Wasser und verbrennt. Die Männer essen Kokosnüsse, und auf der Leinwand sieht man einen Atompilz aufsteigen. Die beiden Zombies rezitieren Heidegger, und der Chor singt elegisch: "Schau an, da sind die klaren Flüsse, / der Wald, der Greif, der neue Aal. / Für euch, ihr traurigen Gestalten, / kommt nun das letzte Abendmahl." Die bessere Welt wäre vielleicht die ohne Menschen, denkt Sibylle Berg, und hat offenbar keine Angst davor.

 

Angst reist mit (UA)
von Sibylle Berg
Regie: Hasko Weber, Co-Regie: Sibylle Berg, Komposition und musikalische Einrichtung: Sven Helbig, Video- und Raumgestaltung: Heta Multanen, Kostüme: Anette Hachmann, Chorleitung: Markus Ehmann, Videomischung: Ragnar Hüneke, Dramaturgie: Jörg Bochow.
Mit: Marietta Meguid, Jens Winterstein, Marco Albrecht, Christian Schmidt, Minna Wündrich, Jonas Fürstenau, Sängerinnen des Extrachors der Staatstheater Stuttgart.
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause

www.schauspiel-stuttgart.de

Zuletzt befasste sich am Staatsschauspiel Stuttgart Andres Veiel in seinem Stück Das Himbeerreich mit der verworfenen Wirtschaftswelt und Ulrich Rasche zeigte Die Apokalypse.


Kritikenrundschau

Als "sehr elegant geschriebene Einladungskarte zu einer sehr förmlichen Geburtstagsparty, auf der nichts Unvorhergesehenes sich ereignet und garantiert niemand ausflippt" beschreibt Elske Brault den Stücktext von Sibylle Berg im Deutschlandradio Kultur Fazit (23.3.2013). Der Text bleibe ein statisches Konstrukt, die Protagonisten begegneten einander nicht, obwohl sie doch als Figuren gemeinsam in dieses Drama gestellt seien. "Regisseur Hasko Weber fährt allen möglichen teuren Budenzauber auf, um Sybille Bergs in rein denunziatorischer Haltung geschriebene kleine Hass-Kolumne zu einem Theaterabend aufzublähen." Das Geschehen auf drei Videoleinwänden hinter der Drehbühne stehle dem Spiel auf der Bühne die Schau. "Aber wenn der Film so überlegen ist, warum dann nicht gleich ins Kino gehen statt ins Theater und zum Tourismus-Thema sich Ulrich Seidls 'Paradies: Liebe' anschauen?" Da sei auch von Ängsten die Rede, und von Hoffnung und Sehnsucht und Begehren. "Aber es gibt eine Entwicklung, Seidls Film lebt. Im Gegensatz zu Sybille Bergs Stück."

Bei dieser Robinsonade von Sibylle Berg bestünden die Dialoge nur aus den verbalen Tweets plappernder Klischeefiguren, deren Weltbild bequem in jede Strandtasche passt, schreibt Christopher Schmidt in der Süddeutschen Zeitung (25.3.2013). Den Clash der Kulturen verhandelte etwa unter den jüngeren Autoren ein Kevin Rittberger weitaus intelligenter und ohne jede Larmoyanz. "Sibylle Berg dagegen taucht den moralischen Zeigefinger lediglich in schwarze Galle. Ihr Stück ist eine Pauschalreise in den Posthumanismus mit Zeitgeist-Rabatt."Auch die Inszenierung von der Autorin und Hasko Weber kommt nicht gut weg. "Die Ausstattung (Video und Bühne: Heta Multanen) ist mal wieder Trash vom Feinsten, wirkt aber so überinstrumentiert, als solle sie die Schwächen des Textes kaschieren." Dem Zuschauer böte der Horrortrip "Grund für Reklamationen beim Veranstalter".

"'Angst reist mit' ist eine geistreiche, aber eher unterkomplexe Tourismus-Satire: Das Leben ist sinnlos, auf einer Insel noch mehr als im Büro, und der Tod ist eh gewiss", schreibt Martin Halter in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (25.3.2013). "Wie bei René Pollesch oder Elfriede Jelinek sind alle Figuren diskurstheoretisch reflektierte Kunstfiguren, die ihr Unbehagen in der Kultur in einer teils gereimten, teils ungereimten Kunstsprache ausdrücken." Der All-inclusive-Hohn über Tourismus, Sexismus, Journalismus und Globalkapitalismus mache aber "nicht mal Pauschalreisenden" Angst, und die existentialistische Endzeitlyrik reiße auch niemand vom Strandhocker. "Angst reist mit" sei eine Sammlung von Zynismen, Aphorismen und steilen Thesen, aber eher kein Theaterstück. "Ein restlos aufgeklärter Urlauberwitz, bei dem das Lachen im Kopf steckenbleibt." Hakst Weber wolle es zum Abschied noch einmal krachen lassen, Berg bei ihrem Debüt als Co-Regisseurin auch keine Spaßverderberin sein, und so fehle es dem Abend nicht an "Schauwerten", Videos und Musik. "Als kleine, dreckige Satire weggespielt, hätte 'Angst spielt mit' vielleicht funktioniert; zum großen, bösen Science-Fiction-'Reiseopernepos' aufgedonnert, verpufft das Pointengewitter für fortgeschrittene Studiosus-Reisende wie ein Strandfeuerwerk im Urlauberparadies."

Das Stück ist fast so leer wie der am Ende grau dahintreibende Meteorit, findet Roland Müller in der Stuttgarter Zeitung (25.3.2013). "Denn außer der artikellos personifizierten Angst reisen nur wenige Gefühle und Gedanken mit, die nicht vorhersehbar wären." In der Uraufführung habe selbst der sarkastische Humor, mit dem die Touristenfarce gewürzt sei, keine Chance. Das Bühnenergebnis sei "beinahe humorfrei". Was da zu sehen sei, sei "ein Endzeitspektakel, das Webers Handschrift trägt und leicht missionarisch, aber schwer originell und kolossal aufwändig daherstampft." Ein "showhaft glitzerndes Nichts, das aus dem Schauspiel kommt, zum Singspiel wird und immer schon auch Lichtspiel ist". Verärgertes Fazit des Rezensenten: "Mann, Mann, Mann!"

Anders als das Epos gebe das Stück keine den Zuschauer wohlig beruhigende Welterklärung ab. Opernhaft sei das Setting, schreibt Nicole Golombek in Bezug auf den Genretitel "Reiseopernepos", den Sibylle Berg ihrem Stück gegeben hat, in den Stuttgarter Nachrichten (25.3.2013). "Große Themen – drohendes Weltende, Revolution – und ein Chor in Turnanzügen, der so fistelnd singt, dass der Text auf die Bühne projiziert wird." Die Figuren seien typisierte Vertreter ihrer Klasse, Bergs Bildungsbürger beobachteten sich ständig selbst, kommentierten distanziert ihr Denken und ihre Körper, "was zeigt, wie entfremdet sie von sich selbst sind". Das sei oft hochkomisch. Doch so grandios Bergs "Sprachattacken" seien, so schwierig seien sie zu inszenieren. Es überwögen die Rampen-Monologe. "Und wo wirkt dieser Abend gelegentlich doch lang."

Wie andere Stücke der Autorin beeindrucke auch dieses durch Pointenfülle, schreibt Peter Michalzik in der Neuen Zürcher Zeitung (26.3.2013). Aber: "Wo jeder Satz schlauer sein will als der vorhergehende, wo der Redefluss zur Pointensalve wird, wo man noch in Bermudas besorgt ist, eine Pointe könnte unter Niveau geraten, wird es eintönig." Es tue den Figuren nicht gut. Zur Inszenierung der Uraufführung schreibt Michalzik: "Es soll eine Phantasmagorie sein, Chaos, was Weber zeigt, die den Zuschauer ansaugt wie die grosse Spiralscheibe." Aber obwohl keine Vielschichtigkeit und kein Video gescheut werde, bleibe alles hübsch geordnet. "Die Schauspieler entwickeln keinen Eigenfuror. Es gibt keinen orgiastischen Moment, nie droht Auflösung." Selbst eine gewalttätige Enthauptungsszene am Ende bleibe fern. "Es ist wie Schlingensief als Schultheater."

"Viel Gedanken-Wust schüttet Sibylle Berg über die an sich winzig kleine Geschichte", schreibt Michael Laages in der Welt (26.3.2013). "Urlauber, die in der Fremde immer nur sich selbst entdecken – mehr Nullachtfuffzehn ist kaum möglich bei der Grundidee." Aber die Autorin könne halt kleine, schnelle, scharfe Dialoge schreiben, die das 80-Minuten-Spektakel halbwegs in Schwung hielten. "Doch unter der Last der Weltabschaffungsphilosophie, aufgeladen mit John Locke und Martin Heidegger, bricht das Stückchen schlicht in sich zusammen." Hasko Webers Inszenierung sei vor allem ein Rettungsversuch – "auf schräg gestellter Bühnen-Scheibe, mit Oberwelt drauf und Unterwelt drunter, beschwört die Inszenierung eine Art Science-Fiction- oder auch nur Trash-Rummelplatz." Doch die Geschichte bleibe zu miefig-piefig-harmlos, als dass dafür gleich die Menschheit abgeschafft werden müsste.

Kommentare  
Angst reist mit, Stuttgart: Anregung
Super! Das macht neugierig auf Hasko Webers künftige Intendanz in Weimar.
Was ganz anderes: Wahrscheinlich renne ich offene Türen ein, aber ich möchte anregen, dass NACHTKRITIK Lars Eidingers Inszenierung von "Romeo und Julia" am 17. April in der Schaubühne bespricht. Eidinger ist ein großer Schauspieler, aber ist er auch ein guter Regisseur? Man darf gespannt sein! Bisher gibt es erst eine Regiearbeit von ihm, "Die Räuber" (2010) mit Schauspiel-Studenten....
Angst reist mit, Stuttgart: Abgesang auf das Menschengeschlecht
Die Biomasse der Erde kommt auch ohne die Menschen aus, meint Sibylle Berg in ihrem Reiseopernepos "Angst reist mit" gestern uraufgeführt im Theater Nord. In rätselhaften Aufzügen begleiten wir ein Lehrerehepaar kurz vor dem Pensionsalter und zwei Journalisten um die 30 auf eine Urlaubsinsel irgendwo in der 3. Welt, dargestellt auf einer schrägen Drehbühne, die wie ein riesiger Blasebalg wirkt. Oben glatt und unten unter der Oberflche von seltsamen Gestalten bevölkert. Zwei als Animateure getarnte Geiselnehmer tun so, als hätten sie alle und alles unter Kontrolle. In Wahrheit taumelt aber der, die Erde zerstörende Meteor, breits unaufhaltsam heran und entlarvt so die Dialoge als sinnlosen Abgesang auf das Menschengeschlecht der, und das war wohl die positive Botschaft, wenigstens in Würde geschehen sollte. Aufbauend war das nicht gerade, aber fesselnd schon.
Angst reist mit, Stuttgart: Wochenendbeilage gestaltet
Sage keiner, das hätte man nicht vorher wissen können. (...). Vor Wochen bat die arglose Stuttgarter Zeitung die Autorin, die Wochenendbeilage ihrer Samstagsausgabe redaktionell zu gestalten. Die Widerlichkeit, Ignoranz, Verlogenheit und Faulheit mit der der Stadt hier begegnet wurde, war nicht zu überbieten. Schön, dass sie sich noch eine Regiegage dazuverdient hat.
Angst reist mit, Stuttgart: offen und ehrlich
@ K. Loewe: Sie polemisieren, oder? Ich jedenfalls finde die Wochenendbeilage von Sibylle Berg toll, so offen und ehrlich, auch sich selbst gegenüber. Sie sagt zu Beginn dieser Beilage nämlich, dass sie die Kultur der Stadt Stuttgart eigentlich gar nicht kenne und deshalb die Menschen ihrer Stadt selbst erzählen lassen wolle, was dann auch so abgedruckt wird.

Lars Eidinger dagegen, um den es hier (oben) ja auch kurz ging, gab gestern der "Berliner Zeitung" ein Interview, dass mich doch sehr daran zweifeln ließ, was bzw. wessen Geschichte er jetzt eigentlich erzählen will. Es scheint, nur seine eigene, bürgerlich-westlich sozialisierte. "Den Osten" dagegen beschreibt er so: "Maste mit Kabeln dazwischen und daran hingen Leinen mit Schäferhunden dran" oder auch so: "Leute in Käffern, die in ihren Vorgärten standen und geguckt haben". Ausserdem erzählt er noch etwas über "Koks-Italiener" in Charlottenburg. Irgendwas ist hier faul.
Angst reist mit: zu kurz
Also, ganz ehrlich. Ich bin Sibylle-Berg-Leser und schätze ihre Texte. Aber in ein Theaterstück, das nur 1.20 Stunde geht, kriegt mich keiner rein. Noch dazu, wenn man anreisen müsste. Dieser Trend zu kurzen Theaterstücken (nicht nur im obigen) ist ja wirklich schlimm. Wenn ich 30 Euro für ne Karte bezahle, dann will ich auch länger unterhalten werden.
Angst reist mit, Stuttgart: Küchenfenster
Liebe Inga, sie schreiben doch selber nur über das, was sie aus ihrem Küchenfenster sehen. Was hat Lars Eidnger hier zu suchen? Und wieso polarisieren sie in iher Wahl der Zitate Ost gegen West? Spielt da das fehlende Selbstbewusstsein ihrer proletarisch-östlichen Sozialisation eine Rolle?
Angst reist mit, Stuttgart: Ohne Schablonen
@ pardon: "rudi" (Kommentar Nr. 1) erwähnte Lars Eidinger. Und so fügte ich den Zeitungsartikel hinzu, auch wenn der hier genau genommen natürlich nicht reinpasst. Mit der Wahl meiner Zitate wollte ich jedenfalls nicht Ost gegen West polarisieren, sondern vielmehr darauf verweisen, dass man HIER UND JETZT in und mit Unterschieden das Gemeinsame gestalten kann, ohne sich dabei in diesen typischen Schablonen zu sehen: Ost, West, unten, oben, links, rechts, arm, reich, schwarz, weiss usw. Kurz: Vorgärtenkucker und Hundelaufanlagen gibt es auch im Westen. Ich selbst bin bürgerlich-westlich sozialisiert, aber was hat jetzt eigentlich das Selbstbewusstsein eines Menschen mit seiner Herkunft zu tun? Es geht immer nur um die aktuelle Lebenssituation und vor allem um Bildung. Denken, sich informieren und lesen kann jede/r, wenn er nur will. Daraus entsteht wahre Überzeugung und Selbstbewusstsein.

Dagegen beschreibt Robert Pfaller die Problematik des Neids als "Kinderkrankheit emanzipatorischer Bewegungen". Er zitiert dazu Slavoj Zizek:

"Das Problematische an >Fundamentalisten< ist nicht, daß wir der Meinung sind, sie seien uns unterlegen, sondern daß sie SICH SELBST insgeheim minderwertig vorkommen (so wie sich offenkundig Hitler gegenüber den Juden minderwertig vorkam)."

Nun gilt abzuwägen, warum Menschen - und hier geht es nicht nur um Hitler - sich minderwertig vorkommen. Vielleicht, weil sie in ihrer Menschenwürde beschämt wurden und weil diese Beschämung eine (strukturelle) Machtausübung ist? Letztlich geht es - und das bereits über die Jahrhunderte hinweg - um Lebensgrundlagen und Umverteilungsfragen UND ZUGLEICH um die Frage, welche Werte wirklich zählen. Das heisst: Geld allein ist bzw. sollte nicht alles sein, und das gilt wohl vor allem auch den Verteidigern des Marktfundamentalismus. Es ist und bleibt ein komplexes Thema.
Angst reist mit, Stuttgart: Unsinn ableiten
Ein Zitat, erst recht das Zitat eines Zitats, ist noch kein Argument. Wenn es aber so unsinnig ist wie dieses Zitat dieses Raunen Slavoj Zizeks, dann kann daraus nur weiterer Unsinn abgeleitet werden. Über Sibylle Bergs Stück und Hasko Webers Inszenierung lässt sich mancherlei sagen, aber eins steht fest: mit Zizeks Zitat haben diese wie jenes absolut nichts zu tun. Bitte glauben Sie wenigstens dies einem Besucher der Aufführung.
Angst reist mit, Stuttgart: Stiel des Löffels
Inga, ich muss Ihnen widersprechen: Das Selbstbewusstsein hat sehr wohl mit der Herkunft zu tun. Bildung, Denken hat mit der Herkunft zu tun. Beschränktheit hat damit zu tun.
Schauen Sie nur aus dem Fenster in den Hinterhof.
"Die gläsernen Decken, die einen beim Fortkommen ausbremsen, gibt es nicht nur für Frauen. Es ist immer noch entscheidend, wo man herkommt, damit man wo hinkommt. (...)"
Leider hat "lebenslanges Lernen" heute eine ganz neue Bedeutung, oder wie mein Vater sagen würde: "Herkez kasik yapar ama sapini
yapamaz" - jeder kann einen Löffel herstellen, aber niemand den Stiel." (Hatice Akyün)
Angst reist mit, Stuttgart: Heideggers Angst
@ Thomas Rothschild: Vielleicht passen Pfaller und Zizek mit ihrer materialistischen Philosophie aber doch? Zumindest als Gegenpol zu Heideggers Angst, in welcher das Sein zum Tode gegenwärtig sei. Pfallers Philosophie dagegen spricht eher für das genussvolle Leben und gegen die Angst.

Und ich frage mich auch, warum bloß Heidegger mit seinem ontologisch abgeschlossenen Geraune: das Wesen west, das Ding dingt usw. Zudem zeigt sich in Heideggers Anliegen, Sein und Zeit aus dem Dasein abzuleiten, ein anthropozentrisches Weltbild, welches bei Heidegger selbst in den Jahren 1933-34 dann auch zwangsweise in ein aktives Engagement für den Nationalsozialismus abgleiten musste? Offene Frage.
Angst reist mit, Stuttgart: Narzissmus
Ja, Inga, philosophieren sie ruhig weiter - ohne Rücksicht auf Anlaß und Situation. Wäre doch schön, wenn sie mal einen Gedanken niederbringen würden, der sich nicht als Auslegung von irgendwas zeigen würde. Ich habe den Heidegger und und und .... nämlich gerade nicht zur Hand. Sie bringen hier keinen intellektuellen Anspruch in die Diskussion, keine Kommunikation, sondern Ausgrenzung und Narzissmus - ihren eigenen.
Angst reist mit, Stuttgart: manche lieben sie
o das ist schade. manche lieben inga so
Angst reist mit, Stuttgart: nicht mehr ins Internet
Heiratet. Redet nächtelang über Haidecker und Zidschek und Pfaller. Und Hartmann! Und vergesst Hitler nicht! Nie ohne Hitler. Und liebt euch. Und pflanzt euch fort. Und seid zufriedene, glückliche Menschen, die gar nich mehr ins Internet müssen.
Angst reist mit, Stuttgart: Rat
Heiratet nicht. Aber redet nächtelang über die Liebe.
13. versteht nichts von Frauen . . .
Angst reist mit, Stuttgart: von der Liebe nur singen
@ Seltsam: Wo Sie da bei mir "Ausgrenzung und Narzissmus" sehen wollen, wird mir nicht ganz klar.
@ 13.: Sebastian oder Matthias Hartmann?
@ Amadeus: Lieber nicht zuviel über die Liebe reden. Von der Liebe kann man nur singen oder gemeinsam schweigen. Keine Ahnung von Romantik?
Angst reist mit, Stuttgart: Reden und Schweigen
Nein, ich habe keine Ahnung von Romantik und bin Realist durch und durch. Nächtelang von der Liebe singen? Gemeinsam schweigen?
Es wird doch geredet, geredet, geredet.
Aber Sie meinen wahrscheinlich das schweigende Händehalten.
Oder meinen Sie das "Schweigen im Walde" . . .

(Sehr geehrte Diskutanten, bitte haben Sie Verständnis, wenn wir die Selbstreferenzen mit diesem Kommentar beenden, um eine Referenz auf den Sibylle-Berg-Abend wieder zu ermöglichen. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Kommentar schreiben