Bis die Technik das Licht ausmacht

Berlin, 1. April 2013."Aufstand proben" ist gleichermaßen das Spielzeit-Motto des Maxim Gorki Theaters (MGT) und Claim für das 6. Osterfestival der Kunsthochschulen, das gestern und heute in dem kleinen Staatstheater nahe der Straße Unter den Linden in Berlin-Mitte läuft. Aber statt nur zu proben haben Studenten der Angewandten Theaterwissenschaften Gießen den Aufstand gleich auch vollzogen – und zwar den Aufstand gegen die Arbeitsbedingungen im zeitgenössischen Theaterbetrieb.

Mit ihrer Arbeit unter dem Titel "Leaving the 21st Century – sozialistische Schauspieler waren schwerer von der Idee eines Regisseurs zu überzeugen (ist jetzt aber nicht mehr so!) Boycotts are much easier now" besetzten die Studenten die Hinterbühne des Hauses. Ihr Protest richtet sich gegen die Produktionsverhältnisse des Festivals, die gleichsam repräsentativ für die "Prekarisierung" von Künstlern im heutigen Theaterbetrieb seien, so die Studenten.

GorkiBesetzung DanielKovalenkoSelbstporträt des Theaternachwuchses als Galgenmännchen © Daniel Kovalenko"Laut Eigendarstellung bietet das Festival erneut dem 'Nachwuchs' die Möglichkeit 'ohne Druck' und 'innerhalb eines professionellen Rahmens' Theaterarbeiten zum Thema 'Aufstand proben' einem 'weit gefächertem Publikum' zu zeigen", heißt es in einer Erklärung der Studenten. "Damit versucht das MGT scheinbar ein Image als Ort des subversiven, gar politischen Theaters zu pflegen, das selbstlos jungen aufstrebenden Theaterschaffenden eine Chance im etablierten Kulturbetrieb bietet. Jedoch bedeutet ohne Druck und innerhalb eines professionellen Rahmens für die
Verantwortlichen des Maxim Gorki Theaters in diesem Fall ohne Beteiligung an jeglichen
Kosten (Anfahrt, Unterkunft, Produktion, etc.) und ohne Bezahlung der Arbeit des
dankbaren Nachwuchses", so die Erklärung weiter.

Mit ihrer Besetzung forderten die Gießener 1.000 Euro für jede Festivalproduktion. Diese Summe entstamme einer eher knappen Kalkulation, nach der jeder der zehn Gießener von 100 Euro Aufwand ausgehe, bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Gage, so die Gießener Studentin Ola Stankiewicz gegenüber nachtkritik.de. Für ihre eigene Anreise nach Berlin hätten die Studenten selbstständig Finanzmittel ihres Gießener Instituts sowie der Hessischen Theaterakademie eingeworben.

Da die Studenten die Hinterbühne nach ihrem einstündigen Auftritt ab 16 Uhr nicht mehr freigaben, fielen die Inszenierungen der nachfolgenden Gruppen an diesem Spielort aus. Man hätte den Kollegen allerdings angeboten, ihre Aufführungen im Rahmen der Besetzung zu realisieren, so Stankiewicz weiter. Während der Boykott-Aktion seien Suppe und Freigetränke ausgeschenkt worden – um die Solidarisierung mit den Kollegen und den etwa 70 verbliebenen Zuschauern zu stärken. Wie diskutiert wurde, lässt sich auf der Facebook-Seite www.facebook.com/groups/osterfestival nachlesen. Die Aktion endete um 23.00 Uhr, pünktlich mit dem Arbeitsschluss der Bühnentechniker des Maxim Gorki Theaters.

Hier geht's zur Festivalübersicht des Maxim Gorki Theaters.

(chr)

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