Studenten besetzen die Hinterbühne des Maxim Gorki Theaters Berlin
Bis die Technik das Licht ausmacht
Berlin, 1. April 2013."Aufstand proben" ist gleichermaßen das Spielzeit-Motto des Maxim Gorki Theaters (MGT) und Claim für das 6. Osterfestival der Kunsthochschulen, das gestern und heute in dem kleinen Staatstheater nahe der Straße Unter den Linden in Berlin-Mitte läuft. Aber statt nur zu proben haben Studenten der Angewandten Theaterwissenschaften Gießen den Aufstand gleich auch vollzogen – und zwar den Aufstand gegen die Arbeitsbedingungen im zeitgenössischen Theaterbetrieb.
Mit ihrer Arbeit unter dem Titel "Leaving the 21st Century – sozialistische Schauspieler waren schwerer von der Idee eines Regisseurs zu überzeugen (ist jetzt aber nicht mehr so!) Boycotts are much easier now" besetzten die Studenten die Hinterbühne des Hauses. Ihr Protest richtet sich gegen die Produktionsverhältnisse des Festivals, die gleichsam repräsentativ für die "Prekarisierung" von Künstlern im heutigen Theaterbetrieb seien, so die Studenten.
Selbstporträt des Theaternachwuchses als Galgenmännchen © Daniel Kovalenko"Laut Eigendarstellung bietet das Festival erneut dem 'Nachwuchs' die Möglichkeit 'ohne Druck' und 'innerhalb eines professionellen Rahmens' Theaterarbeiten zum Thema 'Aufstand proben' einem 'weit gefächertem Publikum' zu zeigen", heißt es in einer Erklärung der Studenten. "Damit versucht das MGT scheinbar ein Image als Ort des subversiven, gar politischen Theaters zu pflegen, das selbstlos jungen aufstrebenden Theaterschaffenden eine Chance im etablierten Kulturbetrieb bietet. Jedoch bedeutet ohne Druck und innerhalb eines professionellen Rahmens für die
Verantwortlichen des Maxim Gorki Theaters in diesem Fall ohne Beteiligung an jeglichen
Kosten (Anfahrt, Unterkunft, Produktion, etc.) und ohne Bezahlung der Arbeit des
dankbaren Nachwuchses", so die Erklärung weiter.
Mit ihrer Besetzung forderten die Gießener 1.000 Euro für jede Festivalproduktion. Diese Summe entstamme einer eher knappen Kalkulation, nach der jeder der zehn Gießener von 100 Euro Aufwand ausgehe, bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Gage, so die Gießener Studentin Ola Stankiewicz gegenüber nachtkritik.de. Für ihre eigene Anreise nach Berlin hätten die Studenten selbstständig Finanzmittel ihres Gießener Instituts sowie der Hessischen Theaterakademie eingeworben.
Da die Studenten die Hinterbühne nach ihrem einstündigen Auftritt ab 16 Uhr nicht mehr freigaben, fielen die Inszenierungen der nachfolgenden Gruppen an diesem Spielort aus. Man hätte den Kollegen allerdings angeboten, ihre Aufführungen im Rahmen der Besetzung zu realisieren, so Stankiewicz weiter. Während der Boykott-Aktion seien Suppe und Freigetränke ausgeschenkt worden – um die Solidarisierung mit den Kollegen und den etwa 70 verbliebenen Zuschauern zu stärken. Wie diskutiert wurde, lässt sich auf der Facebook-Seite www.facebook.com/groups/osterfestival nachlesen. Die Aktion endete um 23.00 Uhr, pünktlich mit dem Arbeitsschluss der Bühnentechniker des Maxim Gorki Theaters.
Hier geht's zur Festivalübersicht des Maxim Gorki Theaters.
(chr)
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Ich selbst schrieb bereits vor Wochen einen öffentlichen Brief an zwei meiner Professoren, der wie folgt lautete:
Hildesheim, d. 30.01.2013
Lieber Herr Prof. Dr. Schneider, lieber Herr Prof. Dr. Roselt,
eine heute über den Verteiler unserer Institussekretärin Frau Barthauer geschickte so genannte „Stellenausschreibung“ ist für mich der jetzige Anlass, ihnen diesen öffentlichen Brief zu schreiben.
Der Inhalt dieser „Stellenausschreibung“ - eine farce, dass dies so genannt wird – ist das Angebot des Theaters Ulm, an dessen Haus ein einjähriges Praktikum in der Theaterpädagogik und Dramaturgie zu absolvieren – für ein Bruttogehalt von 400 Euro pro Monat.
„Angebote“ dieser Art bestehen seit langem und häufen sich in letzter Zeit – Jahrespraktika, das FSJ- Kultur, 12monatige Volontariate an festen Häusern für einen Lohn, von dem niemand leben kann – selbstverständlich mit flexiblen Arbeitszeiten und vollem Einsatz; am besten natürlich noch mit einem abgeschlossenen Studium.
Sie beide wissen, wie die Arbeitssituation – gerade junger Theaterberufseinstiger_innen – ist. Passenderweise titelt auch „Theater heute“ in seiner Februarausgabe „Welche Gage ist gerecht?“ - und auch wenn sich dies in erster Linie auf die Intendant_innengehälter beziehen möge, so ist doch hieraus auch viel für die komplette Theaterlandschaft abzuleiten. Ich selbst habe die Erfahrung machen dürfen/ müssen wie es ist, umgerechnet für etwa 3 Euro brutto die Stunde für ein Staatstheater zu arbeiten; natürlich ebenfalls mit einer voll flexiblen Arbeitsbereitschaft von 7Tagen/ Woche und für ein Gesamtgehalt, von dem man nicht leben kann.
Mit diesem Schreiben appelliere ich an sie – äußern sie sich öffentlich zu diesen Ausbeutungsangeboten, deren Veröffentlichung und Verteilung die Universität mitträgt! Geben sie den Angebotsteller_innen, die sich direkt an ihre Universität/ ihr Institut wenden eine ebenso direkte Rückmeldung auf ihre sogenannten „Angebote“ - stellen sie klare Forderungen an Kulturpolitik und „Häusermanagement“ - und vertiefen sie die Vorbereitung auf den status quo in der heutigen Theaterlandschaft innerhalb ihres Lehrangebots!
Mit freundlichen Grüßen,
Nora Graupner
Wie wärs mal mit einer richtig fiesen Theatergewerkschaft?
Der deutsche Dramatiker ist ein scheues Reh. Er unterliegt dem Jagdrecht, was ihm egal sein kann, wenn er tot ist. Doch wie geht es dem lebenden Dramatiker?
Was frisst er? Wohin läuft er? Und wie hält er es mit der Metapher?
Ist es nicht mal wieder Zeit für ein Symposium über die zeitgenössische Dramatik? Oder eine Autorentheaterwoche in Dinkelsbühl, mit dem Schwerpunkt Nordkorea. Brauchen wir nicht mal wieder eine Autorengruppe mit ganz viel Wut? Oder einen Artikel in der taz, der die Forderung nach Welthaltigkeit bejaht und verneint. Wir brauchen eine Ausschusssitzung des deutschen Bühnenvereins, in der ein Chor von Intendanten nach einer Verbesserung der Lage des deutschen Dramatikers ruft. Und wir brauchen eine vierte Oper in Berlin. Vor allem brauchen wir jene Unterspezies namens Nachwuchstalent. Wie zieht man es auf und was steht ihm bevor?
Ein Stückemarkt ist eine gute Gelegenheit, so ein Talent einzufangen. Am besten das Siegerexemplar. Sein Name überzeugt nun auch die Jury der niederbayrischen Theatergemeinden und reist zu einem Stipendium in einer Klosterzelle in Ostpolen, wo es Flöhe kriegt und einen Preis aus Würzburg. Dann fährt es auf einem Frischfleischtransport nach Freiburg, wo eine junge Regisseurin es versteht und sein neues Stück so umarbeitet, daß auch der Ost-West-Konflikt darin zum Ausdruck kommt. Auf einem Autorenseminar findet das Talent endgültig seine ganz eigene Stimme und schreibt in dieser Machart gleich drei Stücke. Die drei Uraufführungen innerhalb von zwei Wochen enden für das Talent aus unbekannten Gründen in der Psychiatrie. Dann macht es ein erfolgreiches Radiofeature über das Scheitern und kriegt ein Kind. Weil es nicht mehr verstanden werden will, führt es jetzt selbst Regie in Cottbus oder schreibt zum Geldverdienen Nachrufe in der Lokalzeitung. Es erhält eine Hausautorenstelle in Frankfurt, die aber vor Antritt aus Geldmangel gestrichen wird. Dann darf es in der „Deutschen Bühne“ schreiben, wie es ihm geht. Gut, schreibt es, gut geht es, gut.
Wie lange ist ein Autor ein Talent? Und was, wenn ein Talent plötzlich Autor wird? Die Schwierigkeit ist dann nicht mehr, dass der Markt den Autor kennenlernt oder dass er den Theatermarkt kennenlernt, diese Erfahrungen sind gemacht. Die Schwierigkeit und auch das Spannende dieser Phase ist, auf dem Markt zu bleiben und weiter zu schreiben. Bedeutet es zu scheitern, wenn Texte dieser Phase nicht mehr vom Theater gespielt werden? Wie viel in Euro ist der Kontakt zu einem Hausregisseur in Detmold wert? Für eine Autorin oder einen Autor dieser Phase würde Scheitern bedeuten: Das Schreiben entwickelt sich nicht weiter, sie oder er liefert seine vom Theater bereits akzeptierte Stimme routiniert ab. Wie viel Prozent Selbstzweifel sind gut? Beginnt die dritte Stufe des Dramatikers hinter diesen Zweifeln, hinter dieser Suche?
Und plötzlich ist sie da. Die dritte Stufe. Und auch der Autor ist noch immer da. Er weiß jetzt, was er tut und staunt selber darüber. Seine Haare werden langsam grau, er hat die 40 überschritten und zwei Kinder und bekommt Angebote für 2000 Euro ein Stück zu schreiben. Premierentermin in 3 Monaten, Thema: Industrielle Schweinefleischproduktion. Zwischendurch darf er auf Einladung für einen Autorenwettbewerb umsonst ein Exposé, eine Szenenfolge und drei Szenen schreiben. Zur Premiere seines Auftragsstücks fährt er nicht, weil das Theater Übernachtung und Fahrtkosten nicht übernehmen will. Es bietet ein paar Gutscheine in der Theaterkantine. Ob er nicht noch einen Artikel fürs Programmheft schreiben könnte? Auch eine Anthologie sei geplant. Keine Honorare, aber Ehre und Nachruhm und zwanzig kostenlose Bände. Und der Autor wird 45, dann 50. Versehentlich wird er bereits jetzt für sein Lebenswerk ausgezeichnet. In seinem nächsten Stück läßt er sich selbst auftreten und sterben. Oder auch nicht.
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Wie es den Autorinnen und den Autoren geht? Und wie der neuen Dramatik? Von welcher Dramatik wollen wir reden? Von der gespielten, der ungespielten oder von der nie geschriebenen? Was sich durch unsere „Battle-Autoren“-Initiative vielleicht kurzfristig verändert hat, ist das Wissen um die missliche Lage der Autoren.
Beim Symposium „Schleudergang neue Dramatik“, das die Berliner Festspiele im Herbst 2009 veranstaltet haben, waren sich Autoren, Dramaturgen, Kritiker und Intendanten erstaunlich einig: Von „Flirträumen“ war die Rede, von mehr „Liebe“ zwischen Autoren und Theatern, von kontinuierlichen Arbeitszusammenhängen und besserer Einbindung der Autoren in die Arbeitsprozesse. Wunderbar. Als wir in Folge ein Konzept für einen neuen Fonds bei der Bundeskulturstiftung zur Co-Finanzierung von 50 bis 100 Hausautorenstellen am Stadt- und Staatstheater, sowie in der freien Szene entwickelt haben, ergab die Prüfung der Bundeskulturstiftung allerdings, dass Theater keine Notwendigkeit für ein solches Förderprogramm sehen.
Zum andern könnten Autoren versuchen, mit Druck auf die Kulturpolitik etwas zu verändern. Aber ist das der richtige Weg? Dass die Kulturpolitik die Theater zwingt, anders mit Autoren zu arbeiten?
Wir wollen die Theater als Partner und als Gegenüber gewinnen, um die Frage nach der heutigen und zukünftigen neuen Dramatik gemeinsam anzugehen. Unsere Initiative war und ist eine Einladung. Aber es zeigt sich, solange die Autoren das fünfte Rad am Theaterkarren bleiben, ist es schwer, sich wirklich auf Augenhöhe zu begegnen. Und die Autorinnen und Autoren sind im Theater bei weitem nicht die einzigen, die man sich möglichst billig hält. Man spielt Brecht, gibt sich sozialkritisch und offen, aber am Theater selbst herrscht Klassengesellschaft. (2011)
... Die Aktion endete um 23.00 Uhr, pünktlich mit dem Arbeitsschluss der Bühnentechniker des Maxim Gorki Theaters. Am Ende wirkt dann vieles leider nur wie ein guter Aprilscherz.
Nun, sechs Jahre später. Hat sich was wirklich grundlegendes geändert? Vielleicht sollte man es nicht "Schleudergang Dramatik" nennen, sondern "Schleudergang Theater". Es würden sicher viele wieder kommen, die schon mal mit dabei waren. Man könnte mal wieder Kaffee miteinander trinken. Später wird das eh wieder alles nur kalter Kaffee sein. Also, trinkt! Solange alles noch heiß ist. Im Moment.
Hatte dieser Osterstreik irgendwelche Ergebnisse? Danke für eine Antwort.
Was bei Gießen wohl nicht geklappt hat, ist einen Rahmen zu setzen, in dem alle igleichberechtigt hren Beitrag leisten können. Aber das so ziemlich alle anderen Gruppen über die Weltrevolution, soziale Ungerechtigkeit und kuriose Ansätze für Gegenbewegungen sprechen ohne für sich selber faire Bedingungen fordern zu können, ist schlichtweg albern. Das Gießen (vielleicht aus einem generellen Uni-Streik Kontext) hier exemplarisch, und nicht einfach nur gegen das Mgt den Mund aufgemacht hat, scheint heutzutage mehr als notwendig. After all ... Das Theater hätte sich auch auf die Seite der Studenten stellen können und über anständige fördermodelle und die Unmöglichkeit, ein Haus zu führen, das nicht auf (Selbst-)Ausbeutung beruht, reden können.
Unter anderen Voraussetzungen hätte diese Aktion eine gute Sachen werden können, an der sich wirklich jedes Ausbildungsinstitut beteiligt und mit solidarisiert hätte. Somit bleibt leider nur ein lauwarmer Furz, der sehr sehr zu stinken beginnt. Idee: 1-2 Durchführung: 6
Th. Wieck
Dass es nach der Besetzung noch eine mehrstündige Diskussion gab, die auch hier und bei fb weitergeführt wird, zeigt zumindest, dass es sich nicht um einen "lauwarmen Furz" handelt. Außerdem gibt es konkrete Vorschläge, die die Beteiligten an ihr Ausbildungsinstitut mitnehmen.
Und zu Gießen und ihrer kollegialen Stimmung. Ich habe einmal ein studentisches Festival organisiert, da wurden die Fahrtkosten bezahlt, wir hatten Gießen eingeladen, sie kamen, schlossen sich in der Garderobe, die für alle Künstler des Festivals war, ein und aßen das Buffett allein auf ...
Es wäre tatsächlich traurig und auch fatal, wenn das wirklich so wäre. Wenn die Bühne nicht als durchlässiger bzw. öffentlicher Kunst- bzw. Spiel-Zeit-Raum betrachtet werden würde, über welchen die Zuschauer als Bürger horizontal, plural und prozessorientiert miteinander kommunizieren können - vor, während und nach einer Vorstellung. Ich frage mich bei solchen Aktionen auch immer, in welcher Weise man die Situation bzw. Interessen der Künstler mit ähnlichen, aber anders gelagerten Interessen der politischen Gemeinschaft insgesamt verknüpfen könnte. Denn letztlich geht es um die Lebensgrundlagen für alle, nicht nur für Schauspieler.
Mir fiel das neulich auch bei der Inszenierung "Ein Volksfeind" von Jorinde Dröse auf. Dort sollte die Protagonistin nicht auf der Bühne weiterdiskutieren, sondern letztlich im Pausen-Foyer. Ich empfand das in dem Kontext als positiv, weil die Guckkastenbühne eine passive Rezeption befördert, das Zuhören in einem wuseligen Foyer dagegen ein aktives Zuhören-Wollen, ein Sich-begeistern- bzw. Überzeugen-lassen-Wollen. Aber vielleicht täusche ich mich da auch. Denn am Ende der Pause wurde die Protagonistin in den Innenhof des Gorki ausgegrenzt, und alle Zuschauer liefen wie die Schafe an ihr vorbei in den Zuschauerraum zurück. Manche Menschen werden offenbar ausgeschlossen bzw. gehasst, weil sie nicht von dieser Welt sind, sondern zurück in die Zukunft sehen können bzw. nach dem Prinzip Hoffnung den Traum nach vorn träumen. Ein Sturm weht vom Paradiese her.
ich kann und möchte nicht mit schiller und shakespeare verglichen werden. in diesem berufsfeld arbeiten, heißt: zu arbeiten: wir nennen es arbeit. es hat nichts mit privilegien zu tun. aber: kultur ist nicht abrechenbar. und deshalb sitzen wir oft vor einem großen fragenberg und wissen nicht, wir wir uns einstufen sollen, wir wissen nur, die dimension muss stimmen. doch es ist zu oft eine dumme summe:
DIVIDING FICTION FROM REALITY!
ich bin entsetzt ueber Ihre platte Stammtischrhetorik an dieser Stelle.
wie können Sie so etwas schreiben? ein beruf hat doch immer etwas mit berufung zu tun und vor allen sollte er so bezahlt sein, dass man von leben kann, ansonsten ist es ein hobby. vielleicht gehören Sie zu der in den künsten mittlerweile überbordenden kinderlosen erbengeneration, die Ihre "berufung" aus zeitvertreib und langeweile ausübt, genauso sehen die resultate dann im übrigen auch aus. ich weigere mich, so zu arbeiten und mich mit sozialen verhältnissen aus dem mittelalter verglichen zu sehen. zu schillers zeiten wurde die kloake der menschen noch auf die strasse geleitet, super oder? die aktion der studenten ist absolut unterstützenswert, weil genau darum geht es: um die prekarisierung ganzer berufsgruppen und die ausnutzung von energien junger berufseinsteiger, die einfach nur hoffnung haben. im großen und ganzen sollte sich das gorki schämen für so eine peinliche aktion.
boykott2013.blogsport.de/
trotzdem, fakt ist, dass die gießener studenten durch die aktion ihre kollegen, die anderen studenten, irgendwie missachtet haben. protest ist spitze, aber warum lässt man sich betroffene schuldig fühlen?! warum hat man nicht im vorfeld die anderen schauspielstudenten über den geplanten boykott informiert? DAS wäre doch viel kraftvoller gewesen.
natürlich geht eine riesendiskussion los dabei.
ich würde mich wirklich freuen, mögliche antworten auf meine fragen zu erhalten, das thema interessiert mich sehr. wichtig ist, dass ich niemanden angreife/verurteile, sondern die durchdachtheit und den sinn dieses boykotts wirklich nachvollziehen will.
Gibt es euch noch? Als battleautoren? Ich meine, nicht nur theoretisch in Foren wie dieser oder der eigenen Plattform. Habt ihr euch vergrößert? Übt ihr Solidarität? Unterstützt ihr vom Theaterbetrieb misshandelte AutorInnen und andere misshandelte TheaterkünstlerInnen?
Vor 2-3 Jahren war ich mal auf zwei eurer Veranstaltungen und hatte niemals den Eindruck, dass ihr euch eine Vergrößerung eurer Bewegung gewünscht hättet. Im Gegenteil. AutorInnen, die euren Positionen nah standen und auch als DramatikerInnen spannende Texte anzubieten hatten, wurden oft eher niedergemacht statt versuchsweise integriert. Vielleicht täusche ich mich. Aber vielleicht liege ich richtig. Und alles konzentriert sich allein auf die Forderung, dass man/frau bitte auch etwas vom großen Kuchen abhaben wolle. Und dann wäre man schon zufrieden.
Sind die battleautoren also nur eine Marke?
Lieber Fafamann! Ihre Fragen kommen mir – Verzeihung – etwas blauäugig vor. Es scheint, als wären Sie Teil einer Gruppe, die aufgrund der „Boykottes und der Bühnenbesetzung“ nicht zum Zuge kamen, daher kann ich Ihre Enttäuschung verstehen.
Ein BOYkott wie der Gießener Gruppe lässt sich mit anderen Gruppen, die man nicht kennt, aber nicht gemeinsam organisieren. Irgendwer wird immer „petzen“ und sei es ein/e Dozent_in. Oder irgendwann verlangt einer eine basisdemokratische Abstimmung. Und das wars dann. NEIN. Der Protest und ihre Umsetzung stellt schon die eigene Gruppe vor keine leichte Aufgabe. Man wird permanent attackiert, weil man sich erlaubt hat, auf Missstände im System hinzuweisen. Und dafür bräuchte man eigentlich ein komplettes Büro für Öffentlichkeitsarbeit.
Mich würde interessieren, wie die anderen Gruppen die Sache verarbeitet haben? Ob es eine konstruktive Weiterentwicklung gibt zwischen allen? Und wie die anderen Gruppen und deren Dozent_innen zum Verhalten der Theaterleitung des MGT stehen?
Letztere hat unmissverständlich klar gemacht, dass sie mit Künstlern, die das Thema „Aufstand proben“ ernst nehmen, nicht reden will. Das MGT um petras/dörr hat damit wissen lassen, dass sie sozial/politische Themen nicht die Bohne interessieren.
Es ist halt ein Thema, das kommt gut an.
Aber bitte stört uns nicht mit euren Problemen.
Dein Einwand ist durchaus legitim und beschreibt ein Dilemma, das bei den Organisatoren des Boykotts bereits im Vorfeld der Aktion intensiv diskutiert wurde. So waren wir durchaus bestrebt dieser Problematik etwas entgegenzusetzen (wir versuchten kurz vor der Aktion mit den anderen Gruppen ins Gespräch zu kommen und sie über die geplante Aktion zu informieren/es wurde versucht den anderen Gruppen die Möglichkeit zum Zeigen zu bewahren - was dann aufgrund der Verweigerungshaltung des MGT leider nur durch Gewalt möglich gewesen wäre), nur leider ließ sich besagtes Dilemma nicht auflösen. Denn die Aktion sollte ja eben die bestehenden Strukturen sprengen und durfte nicht von diesen aufgesogen werden. Man muss dabei bedenken, dass bereits durch das Thema "Aufstand proben" durch das MGT ein Rahmen gesetzt wurde, der einen konsumierbaren und damit jeder politischen Kraft beraubten institutionellen Aufstand einforderte.
Die größte Gefahr für das Gelingen der Aktion war also die Integration des Aufstands in diesen pseudo-politischen Rahmen. So wurde durchaus darüber diskutiert, ob man die anderen Teilnehmer einweihen sollte und sich dann aber dezidiert dagegen entschieden. Denn die große Sorge war, dass die geplante Aktion ans MGT durchsickern würde. Die 'Produktion' hätte ja ohne weiteres ausgeladen oder - noch schlimmer - durch ein Setzen ans Ende des Festival-Spielplans sehr leicht entschärft werden können.
Die Erfahrungen beim Festival selbst haben mir diese Sorge als mehr als berechtigt bestätigt. Einmal wenn man bedenkt, wie rigoros sich die Leitung des MGT einer Diksussion entzogen hat. Zum andren denke ich da besonders an eine Gruppe aus Leipzig, die sich durch besonders harte (an körperliche Gewalt grenzende) Opposition zu der Aktion hervortat. Wie wir beim Festival erfuhren, hatte diese Gruppe im Vorfeld die Möglichkeit erhalten in Kooperation mit dem MGT ein Stück für eben das Osterfestival zu entwickeln und sollte dort dann ein Intendanten-Showing bekommen. Die steckten also bereits vollends in genau der Struktur/den Zwängen einer Verwertungslogik, gegen die sich der Boykott richten wollte. Diese (und auch andere Gruppen) hätten die Aktion - hätten sie davon im Vorfeld erfahren - niemals unterstützen können und die Nähe zum Haus hätte das Durchsickern der Aktion im Vorfeld wohl unvermeidlich gemacht.
Zu guter Letzt und vielleicht als wichtigstes Argument für das Vorgehen muss erwähnt werden, dass sich der Boykott nicht einfach gegen das MGT richten sollte. Es ging uns eben darum, genau die Strukturen/die Zwänge einer Verwertungslogik zu boykottieren, die die hier und andeswo bereits ausgiebig diskutierten prekären Verältnisse im Kunst-/Theaterbetrieb hervorbringen und erhalten. Und diese Strukturen entstehen ja nicht nur von Seiten der Institutionen, sondern nur in Verbindung mit den Künstlern, die sie bedienen und damit ständig reproduzieren.
Wir haben also nicht nur das MGT boykottiert, sondern uns selbst gleich mit. Es ist ja nicht so als wäre man in Gießen frei von diesen Strukturen. Auch hier wird für Festivals produziert, die keine Lebensgrundlage bieten. Auch hier geht es darum irgendwann einen Job zu bekommen und dafür im großen Aufmerksamkeitszirkus "Kulturbetrieb" möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen, damit man irgendwann einigermaßen und ganz vielleicht davon leben kann.
Und so haben wir uns ja selbst die Möglichkeit genommen in einem Haus mit großem Namen und "tollen" Produktionsbedingungen (Technik, Plattform, Aufmerksamkeit) unsere Kunst zu zeigen.
Leider haben wir anderen Teilnehmern diese Möglichkeit auch genommen. Aber nicht aus Gemeinheit und dem Verweis es ja besser zu wissen, sondern weil dies als die erfolgsversprechendste Möglichkeit erschien diese Logik zu durchbrechen. Denn Aufstand muss leider weh tun und diejenigen treffen, die die zu bekämpfenden Verhältnisse hervorbringen. Und das sind eben nicht nur die 'bösen' Theater. Die bereits in anderen Beiträgen gennante "Spiellust" der Theaterschaffenden bringt Häuser wie das MGT ja erst in die Position solch pervertierte "Kunst"-Rahmen zu setzen und davon zu profitieren. Wer die Strukturen bedient, wird sie nicht ändern.