Türenknallen, Übelkeit, Absetzung

10. Mai 2013. Die Rheinoper in Düsseldorf hat, laut der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post (8.5.2013), die Tannhäuser-Inszenierung von Burkhard C. Kosminski nach "massiven Protesten" abgesetzt. Weil der Regisseur die Abänderung einzelner Szenen "aus künstlerischen Gründen" abgelehnt habe, wird die Oper nur noch konzertant aufgeführt.

Als eigentlichen Grund nannte die Opern-Leitung ihre Sorge um die Gesundheit der Zuschauer: "Mit allergrößter Betroffenheit reagieren wir jedoch darauf, dass einige Szenen, insbesondere die sehr realistisch dargestellte Erschießungsszene, für zahlreiche Besucher sowohl psychisch als auch physisch zu einer offenbar so starken Belastung geführt haben, dass diese Besucher sich im Anschluss in ärztliche Behandlung begeben mussten." Intendant Christoph Meyer zur Rechtfertigung der Absetzung: "Ich muss die menschliche Gesundheit über die künstlerische Freiheit stellen."

Tatsächlich hatten sich dem Vernehmen nach mindestens zehn, laut anderen Quellen zwölf Zuschauer nach oder sogar während der Premiere des "Tannhäuser" am Samstag, den 4. Mai in ärztliche Behandlung begeben müssen. Die Darstellung von Nazi-Morden und Tötungen in Gaskammern hatte Empörung bei vielen Zuschauern ausgelöst, 42 Besucher sollen die Oper unter Türenknallen verlassen haben. Die jüdische Gemeinde in Düsseldorf, die die Inszenierung als "geschmacklos" kritisiert, aber keine Absetzung verlangt hatte, habe sich mit Meyers Entscheidung zufrieden gezeigt.

Dabei hatte auch die Opern-Leitung die Inszenierung zunächst noch verteidigt.
"Die Inszenierung nutzt die furchtbaren Verbrechen des Nationalsozialismus nicht als Staffage oder zur Skandalisierung als Selbstzweck, sondern zeigt die umstrittenen Szenen als Beleg für eine unfassbare Schuld. Damit verhöhnt sie keine Opfer, sondern beklagt sie", hatte Intendant Christoph Meyer, laut Rheinischer Post (6.5.2013), noch zwei Tage nach der Premiere erklärt.

(Rheinische Post / Frankfurter Rundschau / Spiegel Online / jnm)

 

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Kommentare  
Tannhäuser abgesetzt: konzeptueller Bockmist
Was für ein affiger Grund. Wenn sie wenigstens so ehrlich gewesen wären, zuzugeben, dass die Inszenierung einfach Kappes ist, dann wäre das ja wenigstens noch nachvollziehbar. So aber kann sich Kosminski mit seinem Quatsch noch als Märtyrer sehen, dessen Kunst den Befindlichkeiten einzelner Übersensiblen geopfert wird. Nee, dann doch bitte einfach offen zugeben: Das war konzeptueller Bockmist, den wir da verzapft haben, sorry, können wir Euch nicht antun. So hingegen ebnet man doch nur den Weg für all jene, die auch bei großartigen Inszenierungen nach Absetzung kreischen, weil ihnen mal eine Szene zu brutal ist.
Tannhäuser abgesetzt: Zensur mit Attest
Das zeigt wieder einmal die Feigheit des Düsseldorfer Opernintendanten.
Hat er nicht Monate vorher von dem Konzept erfahren? Nein? Dann hätte er seinen Job nicht gemacht.
War bei der Klavierhauptprobe noch nicht abzuschätzen welche Wirkung so eine Inszenierung hätte?
Kann in Zukunft jeder Zuschauer mit einem ärztlichen Attest die Zensur eines Kunstwerkes verlangen?
Tannhäuser abgesetzt: Zweifel geschürt
Was für ein unglaublich jämmerliches Bild gibt Christoph Meyer hier als Intendant ab! Es gibt dutzende von Möglichkeiten mit so einer Situation umzugehen. Er wählte die schwächste und fatalste. Peinlich für den ganzen Berufsstand. Allerdings fragt man sich auch: Waren eigentlich alle Nachtkritiker auf der so fundamental wichtigen Netzkonferenz, dass hier so eine Meldung erst mit so einer Verspätung auftaucht? Da wäre es fast besser gewesen, sie gar nicht mehr zu bringen. So schürt es Zweifel an der Professionalität dieser Seite.
Tannhäuser abgesetzt: schändlicher Umgang mit Kunst
und da geht das Geld dahin! Was für ein schändlicher Umgang mit dieser Kunst. Schade... Gerade dafür sitzen Dramaturgen und Intendanten in Proben.... um das Schlimmste zu verhindern. Aber die hohe Kosten der Inszenierung bleiben. Das Theater geht dahin.
Tannhäuser abgesetzt: fatale Entscheidung
Fatale Entscheidung für das Theater! Spielt doch am besten nur noch romantische Musicals mit der Musik von Elton John. Obwohl...danach müsste ich mich in ärztliche Behandlung begeben.
Tannhäuser-Absetzung: hinweis an Intendant der Rheinoper
Deswegen, Herr Meyer, läuft z. B. "der Tatort" ja auch erst nach 20 Uhr.
Tannhäuser-Absetzung: künstlerische Freiheit ist hohes Gut
ich bin kein Wagneranhänger, aber ein Verfechter der freien Meinungsäußerung und vor allem für den Erhalt der künstlerischen Freiheit. Wenn ein Opernhaus mit einem hochdotierten Intendanten, einer künstlerische Leitung nahezu ein dreiviertel Jahr eine Inszenierung akzeptiert und dann nach einer hochexplosiven Premiere, sich aus der Verantwortung stiehlt, indem es physische und psychische Diagnosen ins Feld führt, müsste aus meiner Sicht nicht das Stück, sondern die Leitungsinhaber abgesetzt werden.
Der Film 120 Tage von Sodom war für mich genau 15 Minuten erträglich, danach habe ich das Kino fluchtartig verlassen - und natürlich nicht den Regisseur, die Produktionsfirma oder gar den Kinobetreiber angeprangert. Mir war schlecht und ich habe nachgedacht über Faschismus, Ausgrenzung und Abwertung und das Grauen...............darüber denke ich heute immer noch nach.
In diesem Sinne - Freiheit auch auf der künstlerischen Ebene ist ein hohes Gut!
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