"Gott ist kein Demokrat"

29. Mai 2013. Am vergangenen Freitagabend ist es im "Ungarischen Theater" (Magyar Szinház) in Budapest nach der Premiere des Balletts "Die Tragödie des Menschen" zu einer Störaktion gekommen. Während sich die Tänzer und Iván Markó, der Choreograf des Abends, zum Applaus verbeugten, erhob sich im Zuschauerraum der Regisseur und Produktionsleiter des freien Budapester Theaters Krétakör Márton Gulyás mit einem Megaphon, um gegen die Sondersubventionen von umgerechnet etwa 440.000 Euro zu protestieren, die Markó im vergangenen Jahr für seine Compagnie Ungarisches Festival Ballett erhielt, während viele freie Theater nicht einmal das Geld überwiesen bekamen, das ihnen vom Staat bereits zugesichert worden war.

Bereits im vergangenen September hatte ein Zusammenschluss von vierzig ungarischen Tänzern und Choreografen aus diesem Grund einen Protestbrief an Premierminister Viktor Orbán geschrieben und gegen die "undemokratische Vetternwirtschaft" der staatlichen Subventionspolitik protestiert. In einer Kultursendung des konservativen ungarischen Senders Nachrichten TV (Hir TV) im Oktober 2012 darauf angesprochen, konterte Markó, der Brief sei weder an ihn noch an Premierminister Orbán, sondern in Wahrheit an Gott adressiert: "Aber Gott ist kein Demokrat".

Ein Teil des TV-Gesprächs ist auch einem Video vorangestellt, auf dem die Krétakör-Aktivisten ihre Intervention nach der Premiere festgehalten haben. (Hier das ganze Gespräch).

 

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Der Ballettabend entstand auf Basis eines in Ungarn hochberühmten Dramas des Nationaldichters Imre Madách von 1861. Madách gehört zu einer Dichtergeneration, die im augenblicklichen ungarischen Geschichtsdiskurs eine wichtige Rolle spielt, der speziell jene Autoren und Texte zum Humus einer neuen nationalen Identität erklärt, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in dem von Österreich beherrschten Land die ungarischsprachige Literatur begründeten. Einer der bedeutendsten Vertreter dieser ungarischen Klassiker ist der Dichter und Revolutionsheld von 1848 Sándor Petöfi, den Iván Markó im letzten Stück des Videos (nur noch als Ton) direkt mit Premierminister Viktor Orbán vergleicht.

(Krétakör / sle)

Mehr zum Theater in Ungarn im Lexikon.

 

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