Ulrich Khuon protestiert gegen Kürzungen in Sachsen-Anhalt
In der Substanz getroffen
21. Juni 2013. Ulrich Khuon, Vorsitzender der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein und Intendant des Deutschen Theaters Berlin, hat sich wegen der drohenden Kürzungen bei den ab 2014 geltenden Theater- und Orchesterverträgen in Sachsen-Anhalt zu Wort gemeldet und sich in einem Offenen Brief an den Kultusminister und den Ministerpräsidenten des Landes gewandt.
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Kultusminister Stephan Dorgerloh, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff,
fassungslos bin ich angesichts Ihrer Ankündigungen, die Landesförderung in Sachsen-Anhalt für Theater und Orchester um ca. 20 % von ca. 36 auf 29 Mio. Euro zu reduzieren. Diese überraschende und von keinerlei Dialog oder Erklärung begleitete Entscheidung ist doppelt unverständlich: zum Einen wissen Sie – "die Politik" – ja selbst um die von der Politik verhandelten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, die folgerichtig eine Erhöhung der Zuschüsse und keine tief einschneidenden Reduzierungen erfordern würden. Zum Anderen haben Sie selbst einen Kulturkonvent ins Leben gerufen, um nun dessen Empfehlungen zu ignorieren. Sie wissen, dass im Falle der Umsetzung Ihrer Ankündigung die Theater in Halle und Dessau in ihrer Substanz getroffen sind. Ihre Entscheidungen sind ein Schlag ins Gesicht der Städte und ihrer politisch Verantwortlichen, die ihre Theater erhalten wollen, weil sie wissen, wie sehr die Theater zur Ausstrahlung der Städte nach innen und außen beitragen. Dass das Theater Eisleben quasi zerstört wird, scheint Sie nicht zu berühren.
Ich fordere Sie auf, die Trennung von Kulturgesellschaft und Kulturpolitik zu beenden, mit den Theatern in einen konstruktiven Dialog einzutreten und die selbst in Erwägung gezogene Erhöhung des Kulturetats auf 100 Mio. Euro doch noch in die Tat umzusetzen!
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Khuon
Intendant Deutsches Theater Berlin, Vorsitzender der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein
(Quelle: Deutsches Theater Berlin)
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Liebe Mitbürger der Lutherstadt Eisleben, des Landkreises Mansfeld-Südharz, liebe Freunde des Theaters, liebe Mitarbeiter, liebe Mitstreiter
Es gibt in Magdeburg und Ziegelrode Politiker, die einzig ihre Sparziele hochhalten und uns dafür opfern wollen. Jens Bullerjahn, unser Mansfelder Finanzminister erklärte seine Sparziele am 7. Oktober 2011 so: „Wir wollen Sachsen-Anhalt zu einem modernen, attraktiven und selbstbewussten Land gestalten! Sachsen-Anhalt soll ein Magnet sein gerade auch für junge Leute, auch außerhalb unseres Landes. Das Land müsse so attraktiv werden, dass mindestens genauso viele Menschen zu uns kommen wie uns verlassen. Dieser Aufgabe müsse sich alles andere unterordnen!“
Darauf können wir nur antworten: Ja, wir unterstützen Sie mit ganzer Kraft unser Land attraktiver zu gestalten, aber, Nein, wir werden uns nicht unterordnen, Herr Bullerjahn! Denken Sie lieber über Sinn und Unsinn ihrer Sparziele nach.
Bei einem Gesamtetat von rund 10 Milliarden Euro in Sachsen-Anhalt würden Sie, Herr Bullerjahn mit der Schließung des Theaters eine Einsparung von 0,013 % erzielen. Wir gratulieren Ihnen zu diesem großen Wurf! Kleinvieh macht beim sparen bekanntlich auch Mist. Aber wir sehen uns nicht als Kleinvieh und werden uns auf diesem Sparaltar nicht schlachten lassen.
Wir haben uns heute hier versammelt, um das deutlich zu machen und das hier ist erst der Anfang.
Hier, vor diesem Sarg, liegen drei Kränze stellvertretend für unseren Finanzminister Jens Bullerjahn, unseren Kultusminister Stephan Dorgerloh und unseren Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Auf den Bändern steht eine Auswahl ihrer Zitate, die für unser Haus durchaus vielversprechend waren und jetzt getrost als Heuchelei bezeichnet werden können.
Eine kleine Auswahl: Unser Kultusminister meinte zum Beispiel: „Kulturelle Kompetenz ist der Humus auf dem unsere Gesellschaft wächst.“
Herr Bullerjahn meinte in ähnlichem Stile:“Der Kultur kommt als Wirtschafts- und Standortfaktor eine immer stärkere Rolle zu.“
Mit der Schließung des Theaters signalisieren Sie aber, meine Herren Minister, dass es sich für Sie nicht mehr lohnt, in unserer Region auf Wachstum zu setzen. Die Grubenlampe wurde uns vor Jahren genommen und dafür haben wir die „Rote Laterne“ in diesem Land bekommen und mit Ihrer Entscheidung wollen Sie diese „Rote Laterne“ im Mansfelder Land eindeutig belassen.
Herr Ministerpräsident Reiner Haseloff war zuletzt am 22. September 2011 in unserem Theater und angesprochen auf eine eventuelle Schließung meinte er: "Also zumachen fällt aus. Ich habe als Kommunalpolitiker in Wittenberg bereits eine Theaterschließung erlebt. Das war ein traumatisches Ereignis, so etwas möchte ich unbedingt vermeiden". Er fügte noch hinzu:“ Jede Theaterschließung hinterlässt eine Lücke.“
Dem, liebe Mitstreiter, ist nichts hinzuzufügen!
Befreien wir nun also unser Theater aus diesem „Magdeburger Sarg“ und begraben dafür diese Aussagen unserer gewählten Minister.
(Lied von Ismael Volk und Andreas Brockmeyer-Der Harlekin steigt aus dem Sarg mit Schild "Das Theater lebt" und die Kränze werden darin bestattet)
Die Vergangenheit ist vergangen und wir wollen unsere Aufmerksamkeit der Zukunft widmen, einer Zukunft mit einem Theater für unsere Heimat den Südharz, das Mansfelder Land und das Land Sachsen-Anhalt. Und bitte liebe Herren Minister lassen Sie sich besseres einfallen als: „Das Ende des Eisleber Theaters ist die bittere Pille, die wir schlucken müssen.“
Unser Theater lebt!
Und dass es so bleibt, zum Schluß noch eine Bitte:
Bleibt unserem Theater treu, besucht unsere Vorstellungen, tragt Euch in die Unterschriftenlisten ein, schickt die Postkarten, die heute und in den nächsten Tagen verteilt werden an Minister Dorgerloh, 45 Cent Briefmarke drauf und ab die Post.
Redet über uns in Eurem Freundeskreis, mit Euren Freunden, in der Familie, mit Euren Kollegen, bleibt wach und aufmerksam und zeigt Euer Gesicht bei den Protestaktionen, die noch kommen werden. Denn das war erst der Anfang.
Unser Theater lebt!
Nicht ohne uns!
Vielen Dank! Ich weine, wenn ich daran denke, was kaputt gemacht wird in Sachsen-Anhalt (auch leider anderswo z.T.).
Theater ist ein Medium, dem es nicht gelingt sich von der lokalen Finanzierung zu lösen. Während kranke Banken international rekapitalisiert werden, verhalten sich Theater wie Winzer oder Milchbauern, die meinen nur auf ihrem Boden könne man Wahrheit ernten.
Das Auf und Ab von Steuereinnahmen in der Provinz ist ein schwaches Klagelied für die Theaterkunst.
Das Schauspiel zitiert sich doch nur noch bemüht in die Realität hinein, die es gerne kritisieren würde, um überhaupt nachweisbar zu sein und jammert ständig, dass man nicht allerorts den Schwangerschaftstest gleich gerecht finanziert, ohne einen wirklich kritischen Einfluss auf die ökonomischen Verhältnisse, die ihre eigene Pseudokrise vermeintlich verursacht haben sollen.
Nur kann nicht die Rede davon sein, dass es sich hier wirklich um Literaturvermittlung handelt. Es ist ganz nett. Und natürlich ist es schön Kinder zu bespaßen. Aber man kann sich nicht ständig darauf rausreden. Die eigentliche Aufgabe, die mit Subventionen verbunden sein sollte, ist es Stücke zu produzieren, die aus sich selbst heraus ökunomisch nicht bestehen könnten. Es geht um den Schutz künstlerischer Arbeiten, die auf dem freien Markt keine Chance haben.
Die Abmachung zwischen Kunst und Politik beruht auf gegenseitigen Lügen. So wie die einen behaupten gefährdete Kunst und Literatur zu fördern, ebenso lügt die Politik die Kunstvermittler an und behauptet die Kultur in der Region fördern zu wollen, als Standortfaktor oder wahlweise auch aus anderen fadenscheinigen Gründen, die alle vor den mangelnden Steuereinnahmen kaum mehr Bestand haben. Solche Lügengebäude brechen eben schnell einmal in sich zusammen und dann stehen sich beide Seiten gegenüber und sind geschockt von dem gegenseitigen Versagen und beklagen sich beieinander. Schnell ist der Schuldige ausgemacht. Irgendein Politiker muss her halten und schon ist die Stossrichtung ausgemacht.
Ein schäbiges Spiel voller Unehrlichkeit. Für die Theaterschaffenden gibt es ab diesem Moment immer nur eine Sprachregelung, die aber alle Merkmale des Lügengebäudes schon in sich trägt. Mir persönlich fällt es schwer für einen solchen Spielplan in Eisleben zu kämpfen. Ich bin eher bereit ein Scheitern einzugestehen und würde die Schuld auch bei den Machern suchen, die der Politk über Jahre soweit entgegen gekommen sind in ihren Auffassungen, welche Kultur vermittelt werden soll, dass sie nun allmählich unsichtbar werden, denn die obengenannten Stücke kann man überall auf dem freien Markt günstig einkaufen.
Besser scheitern heißt auch, dass eine Stadt überhaupt einen Verlustschmerz erleben muss, wenn sein Theater schließt. Dies mag für Halle und andere gelten, der Spielplan in Eisleben erscheint hingegen austauschbar und beliebig und schwer zu verteidigen in dieser Wirtschaftsform. Vor einer wirklichen Vermittlung von Kunst schreckt man dort doch eher zurück, denke ich, aus Angst den Saal leer zu spielen. Doch am Ende der Anbiederung an die Politik und das Publikum steht nun auch eine Krise. Es ist eben nicht alles richtig gemacht worden. Aber eigene Fehler sieht die Sprachregelung des Protestes nicht vor und fühlt sich von zu komplizierten Kommentaren leicht belästigt.
Nun gut, dann einmal ganz einfach. Die Eislebener Theatermacher erscheinen mir an ihrer Misere nicht unschuldig und ich zweifele an der Lebendigkeit ihrer Arbeit in dem Sinne, dass sie sich mit ihrer Stückauswahl nicht einmal ins Zentrum der gesellschaftlichen Konflikte ihrer Region begeben, geschweige denn an einer europäischen Auseinandersetzung teilnehmen.
Viva la Eisleben!
Vielleicht überlegt sich eines der Theater mal ein absolut unverwechselbares Profil in der deutschen Theaterlandschaft. Eisleben könnte ein Autorentheater eröffnen mit dem verbleibendem Geld und so neu starten. Dazu müsste es sich natürlich vollkommen neu aufstellen. Man könnte einfach mal alle Stücke des Heidelberger Stückemarkts oder der Mühlheimer Dramatikertage nachspielen mit einer kleinen Kerntruppe. Jährlich selber ein, zwei Stückaufträge vergeben. Drei spielfreie Tage einrichten, um so Kraft zu schöpfen für eine neue konzeptionelle Ausrichtung.
Stattdessen konkurriert man lieber mit den Märchenverfilmungen der ARD oder der Zieglerfilmproduktion, die auch gerade das "Weiße Rössel" verfilmt hat, mit Armin Rhode in einer der Hauptrollen, wenn ich nicht irre.
Für ein Autoren- und Uraufführungstheater ständen dann auch wieder ganz andere Töpfe beim Bund und in der EU offen, nehme ich an, falls man sein Interesse auf die EU ausweitete. Europäische Festivals gibt es ja genug auf denen man sich orientieren könnte.
Eisleben als Avantgarde, warum nicht.