Zoff nach der Firmenübernahme

von Harald Raab

Mannheim, 17. Juli 2013. Ein riesiges Plastikungetüm wälzt sich auf der violett beleuchteten Bühne hin und her und malträtiert die darunter liegenden Menschen. Sie schreien, wollen sich von der Last befreien. Rettung naht: Terminator 1 ist Danton, Terminator 2 Robespierre. Sie durchlöchern den Monstersack der Aristokratie. Die Luft entweicht. Das Volk hat die schwere Bürde los – die Revolutionäre freilich an der eigenen Gurgel. Der Blick ist nun frei auf eine gigantische Lego-Landschaft, Blau, Weiß, Rot. In ihr hampeln die Menschlein und spielen Dantons Tod, das Drama von der Revolution, die ihre Kinder frisst: Sommertheater am Mannheimer Nationaltheater.

Nach den Schiller-Tagen mit ihren Maßstäbe setzenden Aufführungen, muss man erst einmal mithalten können. Robert Teufel, bislang Regieassistent am Haus, erhielt die Chance, Georg Büchners Erstlingswerk fürs Hier und Heute spielbar zu machen. Statt Historiendrama ein Psychothriller. Statt Rattern des Räderwerks der Geschichte mit sausendem Messer der Guillotine und Revolutionsgedöns eine Analyse der Charaktere. Statt Opfer des Ausnahmezustands: Täter allesamt. Vor persönlicher Verantwortung möchte man sich drücken, entkommt ihr aber nicht. Business as usual bei der feindlichen Übernahme des Konzerns Frankreich. Wer bleibt in der Vorstandsetage der Sieger?

Französische Männer unter sich

Wie das gelingen kann? Teufel lässt Büchners Figurenkonstellation und seine Sprachgewalt wirken. Leider nicht konsequent genug bis zum Schluss. Danton und Robespierre im Business-Outfit, zwei alerte Manager. Glatte Yuppie-Gesichter, fitnessgestählte Körper. Dreck am Stecken haben sie beide. Der Zweck heiligt die Mittel. Das neue Firmenkonzept muss durchgesetzt werden. Sascha Tuxhorns Danton ist eine gespaltene Persönlichkeit, der große Macher, der die abgewirtschaftete royalistische Firmenleitung abserviert hat, großspurig, Frauenheld und begnadete Führungspersönlichkeit. Andererseits steckt er in einer dicken Sinnkrise. Burn-out hat ihm am Wickel. Er ging über Leichen. Und wofür das alles? Er ist Lebemann, der Grausamkeiten sind ihm genug geschehen. Er will das Erreichte genießen und die Belegschaft daran teilhaben lassen.

dantonstod4 560 hans joerg michel hMüde Revolutionäre © Hans-Jörg MichelMartin Aselmanns Robespierre ist smarter Bürokrat, eigentlich ein etwas gehemmtes Weichei, der Typ, der sich besonders prinzipientreu und hart geben muss. Die alte verlotterte Firmenunkultur muss ausgemerzt werden - mit Stumpf und Stil. Wer sich von den Kampfgenossen dem entgegenstellt, muss auch einen Kopf kürzer gemacht werden. Sorry, geschieht ja alles nur um das neue Unternehmensziel Republik zu erreichen.

Freundschaft zu Feindschaft

Regisseur Teufel lässt die Stärken und Schwächen dieser beiden Charaktere sehr plastisch herausarbeiten, ihre suggestive Überzeugungskraft, aber auch ihre Ängste, ihr schlechtes Gewissen. Ihr freundschaftliches Gespräch, um vermeintliche Missverständnisse auszuräumen, wird zum Zusammenprall zweier Führungsphilosophien. Das hinterlässt Blessuren, persönliche Verletzungen gar.

Sascha Tuxhorn und Martin Aselmann geben dieser Szene etwas sehr Persönliches, ja Kameradschaftliches. Das Gefühl der Feindschaft wird erst danach zur Gewissheit. Als böser Geist gießt St. Just den Brandbeschleuniger Intrige ins Feuer der Konkurrenz. Als eine Art diabolischer Propagandachef im türkisfarbenen Mäntelchen hastet und krakelt David Müller durch das Spielzimmer der Revolution. Florian Etti (Bühnenbild) hat mit den überdimensionalen, immer wieder neu zusammengesetzten Lego-Elementen dem heutigen Drama einen Rahmen von kindlicher Naivität gegeben. Die Spielgesellschaft konkurriert sich zu Tode.

Songs am Schafott

Der Regisseur hat den Text mit seinen vielen Seitenaspekten sinnvoll gestrafft, auch mit kleinen Umstellungen. Acht Schauspieler agieren in Doppelbesetzungen. Jacques Malan, in der Hauptsache Dantonist Hèrault, brilliert als eine Art Zirkusdirektor mit Mantel und Zylinder in Rot. Er thront als bestochner Richter des Revolutionstribunals auf schwarzen Legosteinen und verbiegt das Recht, um Danton und seine Gesinnungsgenossen der Guillotine überantworten zu können. Anrührend die kreatürliche Trauer, mit der Lucile (Ragna Pitoll) Abschied von ihrem Geliebten Camille (Ralf Dittrich) nimmt.

Peinlich wird es, wenn Dantons Frau Julie (Anne-Marie Lux) an die Rampe tritt und Pillen futtert, um dem Gatten im Tod zu folgen. Leider geht dann Jungregisseur Teufel noch weit unter sein Niveau. Statt der Schafottszene treten Danton und Robespierre zu einen Songwettstreit an. Auch Politkalauer wie "Die Rente ist sicher" und "Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen" unvermittelt irgendwo im Text sind nicht besonders cool oder witzig. Sieht man von solchen Fehlgriffen ab, ist diese Produktion aber durchaus gelungen.

Dantons Tod
von Georg Büchner
Regie: Robert Teufel, Bühne: Florian Etui, Kostüme: Nico Zielke, Musik: Till Rölle, Licht: Nicole Berry, Dramaturgie: Katharina Blumenkamp, Produktionsleitung: Tobias Uhl/Christian Wittmann.
Mit: Martin Aselmann, Ralf Dittrich, Anne-Marie Lux, Jacques Malan, David Müller, Ragna Pitoll, Matthias Thömmes, Sascha Tuxhorn.
Dauer: 2 Stunden 10 Minuten, ohne Pause.

www.nationaltheater-mannheim.de

 

Mehr zum Nationaltheater Mannheim: wir besprachen zuletzt Der Parasit in der Regie von Stefan Bachmann, mit dem im Juni die Internationalen Schillertage 2013 eröffnet wurden, Blind Variation #3 von machina eX als auch Jonathan Meeses Generaltanz den Erzschiller.

 

Kritikenrundschau

Ralf-Carl Langhals vom Mannheimer Morgen (19.7.2013) hat einen "dichten und konzentrierten" Abend gesehen: So wie Robert Teufel Büchners Stück sprechen und spielen lasse, sei es "ein Schauspielkrimi, der sich auf den Plätzen ereignet, wo Aufstände und Blutgerichte sich Weg bahnen: in menschlichen Seelen." Sanft sei "der Einfluss von Fremdtexten an diesem Abend, der von anspielungs- und kenntnisreicher Dramaturgie" zeuge, "sanft und klug, dann wieder kindisch auffahrend oder zynisch-cool" sei auch Sascha Tuxhorns Danton, "der sich mit dieser Rolle für das erste Fach empfiehlt". Einen "adäquaten Spielpartner" habe er in Martin Aselmann als Robespierre: "Wie sich diese beiden Revolutionäre einander nähern, ist große Schauspielkunst."

Die Erwartungen, die der action-reiche Beginn wecke, erfülle "der eher ruhige – manchmal leider auch lahmende – weitere Verlauf der jetzt ganz auf die rhetorische Auseinandersetzung konzentrierten Inszenierung nicht", schreibt Monika Frank in der Rhein-Neckar-Zeitung (19.7.2013). In der Strichfassung sei "nichts Wesentliches an zeitlosem Gedankengut verloren gegangen. Für das heutige Publikum ist das Stück so sicher durchsichtiger geworden, mit dem vermeintlich überflüssigen Ballast hat es aber auch viel Lebendigkeit eingebüßt." Um so schwerer wiege "die starke Leistung des Ensembles". Für "die großen spannenden Momente des Abends" seien nämlich die Schauspieler und "deren präzise, psychologisch überzeugende Rollen-Gestaltung ausschlaggebend".

 

 

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