Der Nicht-mehr-Billeteur

Wien, 18. Oktober. Dem Billeteur Christian Diaz, der seit zwei Jahren im Publikumsdienst des Burgtheaters tätig war, wurde nach seiner Protestrede beim Jubiläumskongress des Wiener Burgtheaters, in der er gegen seine Arbeitsbedingungen protestierte – er ist als Platzanweiser nicht beim Burgtheater, sondern bei dem britisch dänischen Securityunternehmen G4S angestellt – von G4S gekündigt. Dies bestätigte Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann in einem Interview mit nachtkritik.de, in dem er zu den von Diaz beklagten Verhältnissen Stellung nahm.

Aus einer Presseaussendung des G4S-Zentralbetriebsrates geht hervor, dass sich dieser von der Rede des Angestellten distanziert. Diaz habe "ausschließlich seine persönliche Meinung kundgetan und keinesfalls für die Gesamtheit der G4S-Mitarbeiter/innen gesprochen". Mit G4S bestehe "eine vertrauensvolle und korrekte Arbeitsbasis. Alle Mitarbeiter/innen werden korrekt nach kollektivvertraglichen Vereinbarungen entlohnt und entsprechend aller sozialrechtlicher Vorgaben beschäftigt." Für den Betriebsrat "ist es nicht akzeptabel, dass ein seriöses Unternehmen und mit ihm die gesamte Belegschaft in Misskredit gebracht werden", derlei Aktionen gefährdeten zudem über 300 Arbeitsplätze.

Mittlerweile haben sich mehrere künstlerische Organisationen mit Diaz solidarisiert, so die österreichische IG Bildende Kunst sowie die IG Freie Theaterarbeit. Die IG Bildende Kunst fordert in ihrem Offenen Brief vom 17. Oktober das Burgtheater auf, sich gegen das Unternehmen G4S zu positionieren und gratuliert Diaz zu seinem "mutigen öffentlichen Statement". Es sei irritierend, "dass das Burgtheater den ausgesprochenen Protest bislang als Einzelposition abtut und die inhaltliche Kritik ignoriert". Die IG Freie Theaterarbeit beklagt die Auslagerung der "Arbeitgeber_innenverantwortung": "Zum wachsenden Gefälle zwischen wenigen Spitzenverdiener_innen und einer abnehmenden Zahl 'Normalverdiener_innen' schaffen derartige Auslagerungen strukturell eine dritte – wachsende – Ebene der 'Working Poor' im Segment der Hochkulturförderungen." Die IG Freie Theaterarbeit wendet sich "gegen eine Finanzierung von Firmen wie G4S mit öffentlichen Kulturmitteln" und fordert die "Mitarbeiter_innen des Burgtheaters zur Solidarität auf".

In einem offenen Brief der IG Autorinnen Autoren, den auch die Grazer Autorinnen Autorenversammlung und der österreichische P.E.N.-Club unterzeichnet haben, wird gefordert, dass der österreichische Bundestheaterverband die Zusammenarbeit mit der G4S sofort beendet. G4S stehe für eine Welt, die am Theater keinen Platz habe, heißt es in dem Brief, "G4S dient dazu, Gesetze zu unterlaufen, Löhne zu drücken und Sozialleistungen auszuhebeln. G4S wird in Anspruch genommen, um sich der eigenen Verantwortung und Verpflichtung zur Einhaltung von gesetzlichen und rechtlichen Standards zu entledigen." Und weiter: "Wir fordern die zuständige Gewerkschaft auf, energisch und unmißverständlich gegen die Aushöhlung der in Jahrzehnten bis Jahrhunderten mühselig erkämpften Rechte des künstlerischen Dienstleistungspersonals einzutreten."

(ots.at / www.igbildendekunst.at / www.freietheater.at / ape)

 

Hier kann man die am 14. Oktober abgegebene Erklärung des Burgtheaters zur Rede des Billeteurs nachlesen. Und hier gibt es einige ausgewählte Hinweise zur Pressestimmen dazu.

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