"Hängst du immer noch an der Litfaßsäule rum?"

von Matthias Weigel

Berlin, 8. November 2013. Als der Film Der Baader Meinhof Komplex 2008 erschien, klagte die Familie Ponto gegen die Darstellung des Mordes an Jürgen Ponto. Die Tat sei anders als im Film abgelaufen, begründete die Witwe Ignes Ponto, sie habe die Schüsse direkt mitverfolgt und sei nicht nichtsahnend am Telefon gehangen. Der Film brachte den Mord erstmals in Bilder, und erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit spricht die Familie Ponto überhaupt über das 1977 von der RAF begangene Verbrechen am Familienvater und Bankvorstand Jürgen Ponto.

Opfer- und Täter-Familien

Zu dieser neuen, öffentlichen Verarbeitung gehört auch das Buch Patentöchter (2011) von Julia Albrecht und Corinna Ponto. Es ist ein Zeugnis der (Wieder-)Annäherung von Corinna Ponto, der zum Tatzeitpunkt 20-jährigen Tochter, und Julia Albrecht, der kleinen Schwester von Susanne Albrecht. Die Albrechts waren mit der Familie Ponto befreundet und nur mit Susanne Albrechts Hilfe konnten Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar ins Haus gelangen, um den Mord zu begehen.

Mirko Böttcher hat das Buch für die Bühne entdeckt und daraus eine Theaterfassung gemacht, die dieses denkwürdige Verhältnis von Opferangehörigen und Täterangehörigen untersucht. Nach jahrzehntelanger Funkstille zwischen beiden Familien war es Julia Albrecht, die Corinna einen ersten Brief schrieb – und prompt Antwort erhielt. Womit sie nicht unbedingt gerechnet hatte, schließlich lag der Vorwurf in der Luft, Albrechts Eltern hätten von der politischen Radikalisierung ihrer Tochter gewusst und trotzdem für sie die Übernachtungsmöglichkeit bei Pontos arrangiert.

Patentoechter1 560 TheateruntermDach uJulia Albrecht (Claudia Wiedemer) und Corinna Ponto (Silke Buchholz) © Theater unterm Dach

Nur noch kleine Schwester

Mit zwei Schauspielerinnen geht Böttcher den schnörkellosen, auf den Inhalt konzentrierten Abend an, lässt die Protagonistinnen erst die Tat erzählen, bevor es um ihre persönlichen Geschichten dazu geht. Die Inszenierung des Textes, der vor allem aus Briefwechseln besteht, wird nach der Premiere im Berliner Theater unterm Dach Premiere auch im koproduzierenden Schlosstheater Celle zu sehen sein.

Julia Albrecht war 13 Jahre, als ihre ältere Schwester den Mord mitplante. "Ab dem Zeitpunkt war ich nur noch die Schwester von Susanne." Eine Zeit der Scham, der Bloßstellung, aber auch des Vermissens beginnt. "Irgendwann begannen wir, das Fahndungsplakat auf der Litfaßsäule zu begrüßen: 'Hallo Schwesterlein, wie geht's? Hängst du da immer noch rum?'".

Es sollte 13 Jahre dauern, bis die untergetauchte Susanne Albrecht festgenommen wird und der kleinen Schwester beim ersten Wiedertreffen sagt, sie habe völlig vergessen dass es sie gebe, sie sei ja noch so jung gewesen damals. Meist zum Publikum gerichtet, manchmal Blicke austauschend, selten interagierend und doch unsichtbar verbunden, tragen beide Frauen die sich anverwandelten Biographien vor.

Interessant per Schicksalsschlag

Natürlich sind diese Anekdoten und Innenansichten per se interessant. So wie es per se – quasi per Schicksalsschlag – immer interessant wäre, die Geschichte eines brasilianischen Favela-Bewohners, eines Word-Trade-Center-Überlebenden oder eines Lottogewinners zu hören. Die Inszenierung, die zu keinem Zeitpunkt etwas falsch macht, muss sich aber gerade deshalb die Frage gefallen lassen, warum dieser Stoff im Theater behandelt werden muss. Was die Bühnenpräsentation zum Beispiel einem Dokumentarfilm oder dem Lesen des Buches voraus hat.

Die Frage ist insofern schwer zu beantworten, als der Erzählung keine weitere Ebene hinzugefügt wird, die sich – beispielsweise! – der Geschichtsschreibung oder der Funktion von kollektiver Erinnerung widmet. So ist es kein Wunder, dass der Abend gerade in den Momenten der anklagenden Corinna Ponto – sie zeigt Verbindungen von RAF zum KGB auf und das damit verbundene Versagen des Bundeskriminalamtes – am Genre der Empörungs-Aufklärung entlangschrammt. Die beliebteste Reaktion auf empörte Aufklärung ist ja bekanntlich das gemeinsame, ernste Kopfschütteln: Tssss, schlimm, das da draußen, die anderen, das Böse, der Staat, das Schicksal.

Wenn sich nur der Spagat schaffen ließe – kuschelige Einigkeit zu vermeiden, aber freilich ohne dabei den Respekt und die Würde der Sache zu verraten. Dann könnte man diese wissenswerte Hintergrundvermittlung vielleicht so nur im Theater erleben.

 

Patentöchter (UA)
Theaterfassung des gleichnamigen Buches von Corinna Ponto und Julia Albrecht
Regie und Textfassung: Mirko Böttcher, Ausstattung: Anja Kreher, Musik: Michael Kessler, Dramaturgie: Katja Kettner.
Mit: Silke Buchholz, Claudia Wiedemer
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause

www.theateruntermdach-berlin.de
www.schlosstheater-celle.de

 

Kritikenrundschau

"Dieser Theaterabend ist eine Herausforderung", schreibt Jörg Worat in der Celleschen Zeitung (18.11.2013). Zu Beginn agiere jede der beiden Spielerinnen mehr für sich, und es dauere eine Weile bis zur echten Begegnung. Diese Vorgänge theatral zu gestalten, erweise sich als schwierig und glücke auch nicht immer – eine sehr stimmige Inszenierungsidee sei allerdings der Einsatz von Live-Instrumenten. Ganz eindringlich werde es dann bei der Erinnerung an die Festnahme von Susanne Albrecht 1990 in Berlin-Marzahn. "In solchen Momenten erreicht das Theater eine Unmittelbarkeit, die ein Buch nie einlösen kann."

Kommentare  
Patentöchter, Berlin: unauflöslicher Konflikt
Ich muss Herrn Weigel heftig widersprechen! Ich war gerade in der Vorstellung, und was ich erlebt habe, war so nicht nur NUR im Theater möglich, es hat mich sogar nach langem wieder an das Theater als politischen Ort glauben lassen. Vor den Augen eines Publikums, das aus lauter Nachkommen von Tätern und Opfern besteht, wird da das Verhältnis zwischen dem Kind eines Mordopfers und der kleinen Schwester der auf ganz perfide Weise am Mord Beteiligten verhandelt. Durch eine großartige Dramatisierung und zwei großartige Schauspielerinnen leistet das Theater unglaublich Wichtiges: man versteht beide Positionen, versteht was die beiden Frauen fühlen, und man wird mit voller Wucht in einen unauflöslichen Konflikt hineingezogen. Man fühlt, wie es sein muss, für immer zu einer Opferfamilie zu gehören,dadurch beschädigt zu sein, und auch wie es sein muss, wenn die über alles geliebte Schwester am Mord am Vater einer eng befreundeten Familie beteiligt war, ihn überhaupt erst möglich gemacht hat. Aber die größte Identifikation findet nicht mit einer der beiden Frauen statt, sondern mit dem, was zwischen ihnen steht, mit der riesigen Frage, die hier verhandelt wird: wie können diese beiden miteinander weiter leben? Man wünscht sich eine Katharsis und begreift auch, dass das nicht möglich ist. Und anders als bei der Lektüre des Buches- ist das KEIN deprimierendes Erlebnis! Denn dass man da nicht allein sitzt, sondern sich gemeinsam solchen Fragen aussetzt, und zwar total emotional (die Stimmung war zum Zerreissen gespannt) und trotzdem ohne jede intellektuelle Vereinfachung, schafft eine Gemeinschaft. Diese Private: Mord in der eigenen Familie- ist extrem politisch.was tun, wenn das passiert ist? Diese Frage für eine Zeit weder verdrängen noch vergissen noch abschieben, sondern gemeinsam aushalten- das geht im Theater, das kann Theater- und tut es hier. Danke an alle Beteiligten, das ist ein großer Abend.
Patentöchter, Berlin: künstliche Volte
Die Kritik, dass die Frage offen bleibe, was denn diese Inszenierung einem Dokumentarfilm oder dem Lesen eines Buches voraushabe bzw dass sie doch sinnvollerweise ganz andere Fragen(die Funktion kollektiven Gedächtnisses etc) hätte behandeln sollen, finde ich eine äußert künstliche Volte in einer Theaterkritik. Da gibt es eine Inszenierung, die es ermöglicht Inhalte des kollektiven Gedächtnisses nach Jahrzehnten nochmals neu aus einer (bzw zwei) anderen Perspektive(n) zu betrachten, die Lücken genug lässt und dabei präzis genug ist, um je nach Horizont des Betrachters eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Fragen aufzuwerfen und erstmal unversöhnlich im gemeinsam geteilten öffentlichen Raum(des Theaters) stehen zu lassen und soll dann aber irgendwie schon wieder was ganz anderes sein müssen. Warum diesen Stoff im Theater? damit die interessanten relevanten unsere Realität und unser kollektives Gedächtnis betreffenden Fragen nicht nur im Film stattfinden. und warum noch? weil man im Theater sieht um was es bei diesen Fragen eben immer auch geht, um das Lebendig(oder Tot)-Sein von Menschen, um Annäherung, Austausch, Streit, das Teilen von Zeit und Gesprächsbereitschaft, um die Frage auf welcher Basis wir eigentlich als MENSCHEN miteinander leben (können). Mir scheint die Inszenierung sehr gelungen. Man muß nicht teilen, was die Fragen der portätierten Personen sind, aber man wird durch ihre Fragen hindurch mit den eigenen konfrontiert, man wird konfrontiert mit einer grundsätzlichen Frage (der alten Frage der RAF) nach Haltung .
Patentöchter, Berlin: noch eine Kritik
Hier noch die Kritik der Berliner Morgenpost vom 16.11.:
Ein Mord kettet zwei Frauen aneinander
Mehr tragisches Familien- als Politdrama: "Patentöchter"
Von Katrin Pauly
Für die RAF war er das System. Für sie war er der Vater. Als Jürgen Ponto am 30. Juli 1977 in seiner Villa in Oberursel erschossen wurde, war seine Tochter Corinna 20 Jahre alt. Corinnas Patenonkel Hans-Christian Albrecht, ein Jugendfreund Jürgen Pontos, hatte ebenfalls eine Tochter, Susanne. Sie war es, die Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar an diesem Nachmittag ins Haus der Pontos einschleuste. Susanne taucht danach für viele Jahre unter. Worunter ihre kleine Schwester Julia, die wiederum das Patenkind des ermordeten Ponto war, sehr litt. Erst 30 Jahre später nehmen Corinna Ponto und Julia Albrecht Kontakt auf. Sie schreiben ein Buch darüber. "Patentöchter" heißt es. Regisseur Mirko Böttcher hat es für die Bühne bearbeitet und zeigt die gleichnamige Inszenierung im Theater unterm Dach.
So weit die Fakten für die Akten. Doch die taugen nicht für individuelles Erinnern, noch nicht mal für kollektives. Weshalb sie dann auch gleich zu Beginn in geschredderten Papierfetzen nur als Geschichtsmüll auftauchen und kreisrund den Erinnerungsplatz der beiden Frauen umrahmen. Waren die Terroristen auf der Terrasse, im Esszimmer? Hat Pontos Frau während der Schüsse telefoniert oder nicht? Es ist nicht relevant, nicht für die zwei Frauen, die an diesem Tag beide ihrer biografischen Freiheit beraubt wurden. Die eine als Schwester der RAF-Sympathisantin, die andere als Tochter des Ermordeten. "Ich hasse die Täter nicht", sagt sie, "aber ich hasse die Rolle, in die sie mich gezwungen haben." Opfer sind sie beide.
Und so spielen Claudia Wiedemer und Silke Buchholz in diesem geradlinigen, feinen Kammerspiel, das eher tragisches Familien- als Politdrama ist, auch nicht die Geschichte von Schuld und Vergebung, sondern die Geschichte zweier Frauen, die ironischerweise durch die Tat aneinander gekettet sind. Unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen freilich. Über den Tag, an dem Susanne Albrecht 1990 in der DDR plötzlich wieder auftaucht, sagt die eine, die Schwester: "Ich war glücklich." Die andere, die Tochter: "Ich musste kotzen." Wiedemer und Buchholz gehen behutsam mit ihren Figuren um, stellen sie nicht dar, sondern im besten Sinne nebeneinander vor. Weshalb dieser Abend genau genommen kein Dialog ist, sondern eine Art Duett, mit wechselnden Einsätzen. Und das durchaus auch im musikalischen Sinn, denn an Cello (Wiedemer) und Klavier (Buchholz) liefern die beiden auch gleich noch musikalische Untermalung. Mit wechselnden Einsätzen, auch zweistimmig bisweilen, meist da, wo sich Erinnerungen kreuzen, an die Kindheit zum Beispiel, die, wie das bei befreundeten Familien eben so ist, zeitweise eine gemeinsame war.
Vor allem aber ist es ein Abend, der mitten in die Gegenwart reicht. Welche Rolle spielten Stasi, BND und BKA bei der Angelegenheit und warum ist bis heute manches so nebulös? Diese Fragen stellen sich beide. Und wenn ganz am Schluss dann doch noch das Stichwort Versöhnung fällt, dann ist es keine, die die Frauen miteinander aushandeln müssen. Wenn es überhaupt Versöhnung geben kann, dann müsste es die mit einer lückenhaften Geschichtsschreibung sein.
Theater unterm Dach, Danziger Straße 101, Prenzlauer Berg. Tel. 902 95 38 17. Termine: 14./15.12.; 16./17. Januar
Patentöchter, Berlin: Kriterien der Zitatwahl
Man wundert sich nicht zum ersten Mal, nach welchen Kriterien die "Nachtkritik" die Zitate für die Kritikrundschau aussucht. Eigentlich ist der Beitrag von Jörg Worat in der Celleschen Zeitung sehr positiv. Aber hier erscheinen genau die 2 Sätze - völlig zusammenhangslos - die den Eindruck vermitteln, dass der Abend nicht wirklich gelungen sei. Warum?
Leserkritik: Patentöchter, Theater unterm Dach Berlin
Das ist ein Stück für Ü40. Es berührt zutiefst die ersten Stationen der eigenen politischen Sozialisation. Man sieht sich mit Julia Albrecht vor diesen Fahndungsplakaten stehen, auf denen immer oben links Susanne zu sehen war…

Wenn der Terrorismusforscher Walter Laqueur sagt, dass nicht selten in der Geschichte so viel über so wenige geschrieben worden, beurteilt er dabei ironisch die Flut an RAF-Literatur seit Austs „Bader-Meinhof-Komplex“. Aber dieses Stück fügt sich nicht ins Muster. „Patertöchter“ von Ponto/Albrecht in der Dramatisierung von Mirko Böttcher, unterlässt eine parteiliche Stellungnahme im besten Sinne. Die Inszenierung sprengt die bisher unversöhnlichen Haltungen jener, die mit mythischer Überhöhung und einer unangemessenen Beweihräucherung der „Gründer-Generation“ oder reaktionär-faschistoid auf die RAF reagierten. „Patentöchter“ schlägt einen neuen Ton in der Aufarbeitung des Kampfes der „sechs gegen sechs Millionen“ (Böll) an. Es lässt die Opfer zu Wort kommen.

Welch schuldlose Verstrickung in die Untiefen des international unfassbaren Terrorismus‘ haben wir denn hier auszuloten? Die Tochter von Jürgen Ponto erhält Post von der Schwester der Patentochter Susanne Albrecht. In einem sich erst allmählich erschließenden Tableau treffen zwei Polit-Opfer im „Theater unter dem Dach“ in Berlin aufeinander. Eine resolute, vom ewigen Opfersein ohne Sympathiezugewinn geprägte, wiewohl gleichsam feinnervige und empfindsame Corinna Ponto, charakterstark und durchlässig gespielt von Silke Buchholz, offenbart der Schwester der Mörderin ihres Vaters, emotional und zornig gespielt von Claudia Wiedemer, biographische und familiäre Details. Es sind die zufälligen Alltäglichkeiten und der Zeitkolorit der abgehärteten 70er und 80er Jahre, die wiederauferstehen. Nicht in ihrer Retro-Fashion-Dimension, sondern in der kaputten Solidarität mit einer zweiten und dritten Generation von RAFlern, deren politischer Impetus sich lediglich auf die Freipressung der ersten Generation bezog. Hat nicht mancher Zuschauer in der Unbedarftheit der Jugend, hat man mit der Unverletzlichkeit der Jugend tatsächlich „Isohaft ist Folter, Isohaft ist Mord. Zusammenlegung jetzt sofort“ skandiert? Kann man, wie Corinna Ponto im weichen Timbre ohne Larmoyanz schlussfolgert tatsächlich Ex-Terrorist und damit Ex-Täter, aber niemals Ex-Opfer sein? Wie soll sie ihren eigenen Kindern erklären, dass es T-shirts gibt mit dem Konterfei der Mörderin ihres Großvaters, Brigitte Mohnhaupt? Oder gehört unsere Sympathie der damals 13jährigen Julia Albrecht, deren Familie ewig stigmatisiert und zerrissen war? Welch eine Verstörung trifft die junge Frau als sie nach über 30 Jahren erstmals Kunde von ihrer Schwester Susanne bekommt und dann erfährt, dass sie all die Zeit in Ostberlin gelebt hatte- gedeckt von der Stasi? Welch ein Lebensriss entsteht, wenn die eigenen Schwester von der geliehenen Biographie überlagert, keine kleine Schwester mehr haben will, ja schlimmer noch – sich gar nicht mehr zu erinnern scheint, dass sie eine kleine Schwester hatte, bevor sie in den Untergrund der Baader-Meinhof-Bande abtauchte? Die Lebenslügen weiten sich in Verlauf des Stückes zu manifesten Staats- und Glaubenskrisen. Wenn stimmt, was Corinna Ponto in den letzten Jahrzehnten über die Zusammenhänge von Stasi und RAF recherchierte, so wäre eine letzte große Verschwörungstheorie zu Grunde legbar und der Mythos der Revolutionäre aus dem Westen, die einen Kampf der „sechs gegen sechzig Millionen“ geführt haben, völlig obsolet. Der Abend, der eine so jüngst erst verblichene Gegenwart und damit die ernsthafteste Krise unserer Republik seit der Nachkriegszeit heraufbeschwört endet mit Begeisterungsstürmen für die Hauptdarstellerinnen und den Regisseur und Autor Mirko Böttcher, der mit „Patentöchter“ einen feinen Riecher für das Politgeschehen und das Maß an Erinnerungsarbeit entwickelt hat. Hochverdienter Applaus!
Patentöchter, Berlin/Celle: das Kerngeschäft
in theater der zeit widerspricht martin linzer ganz dezidiert der nachtkritik: kurioserweise bemängele nachtkritik, dass "keine weitere Ebene hinzugefügt wird, die sich – beispielsweise! – der Geschichtsschreibung oder der Funktion von kollektiver Erinnerung widmet" und frage, "warum dieser Stoff im Theater behandelt werden muss". linzer dann: "Aber das ist ja gerade der Witz, dass der bewusste Verzicht auf punktgenaue Dokumentation und auf "kollektive Erinnerung" die Geschichte für das Theater möglich macht. Gefühle statt Fakten. Das ist das Kerngeschäft des Theaters!"
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