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Rheinisches Landestheater Neuss setzt Nazi-Komödie ab
Das Vertrauen des Publikums nicht enttäuschen
16. November 2013. Wie die Neuss-Grevenbroicher Zeitung bereits am Mittwoch gemeldet hat, hat das Landestheater Neuss einen Tag vor der Premiere am 13. November die Premiere von Katka Schroths Inszenierung von Jürgen Hoffmanns Nazi-Groteske "Noch ist Polen nicht verloren" nach Ernst Lubitschs Film "Sein oder Nichtsein" vom Spielplan genommen, "wegen unterschiedlicher künstlerischer Auffassungen der Theaterleitung und des Regieteams", wie es auf der Webseite des Theaters heißt. Intendantin Bettina Jahnke und Verwaltungsdirektor Dirk Gondesen hätten sich gemeinsam zwei Tage vor der Premiere so entschieden, "um das gewachsene Vertrauen des Publikums in die künstlerische Linie des Hauses nicht zu enttäuschen".
Im Rahmen einer Soirée, die sich mit der Rolle des Rheinischen Landestheaters Neuss in der Nazizeit auseinandersetzte (hier ein Artikel zum Thema aus der heutigen Rheinischen Post), war bereits der erste Teil der Inszenierung zu sehen gewesen, und hatte beim Publikum zu Irritationen geführt, wie die Neuss-Grevenbroicher Zeitung schreibt.
"Die Grundidee war, nicht mehr zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, zu zeigen, dass wir alle Opfer und Täter in einem sind." Das habe ihr als Konzept eingeleuchtet, sei aber aber in der Umsetzung für sie nicht mehr zu erkennen gewesen", sagte Intendantin Bettina Jahnke im Gespräch mit der Rheinischen Post. Durch die Nicht-mehr-Unterscheidbarkeit der Figuren auf der Bühne habe sie als Zuschauerin auch keine Unterscheidbarkeit mehr in den Haltungen erkennen können.
"Die Arbeit ist zu einem absolut klaren Ergebnis gekommen, hinter dem auch das komplette Ensemble steht", sagte Regisseurin Katka Schroth der Rheinischen Post. Die Absage sei für sie nicht nachvollziehbar. Es sei aus ihrer Sicht unter anderem ein Widerspruch, "dass die Leitung die herausragende Ensembleleistung, die hohe künstlerische Qualität von Konzept und Umsetzung bestätigt hat. Das Ensemble hat geschlossen dafür gekämpft, diese Aufführung zu zeigen – durchaus mit dem Bewusstsein, dass sie für Diskussionen sorgen wird."
(sle)
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Als Konzept für ein Stück über die Judenverfolgung?
In was für einem moralisch verrotteten Land wir doch Leben.
Macht die scheiß Theater dicht und baut Schwimmbäder und Kinos von dem Geld. Aber schnell.
Ob man die Dialektik zwischen Tätern und Opfern allerdings anhand dieser Komödie in Deutschland ins Zentrum eines Stadttheaterabends stellen sollte, wage auch ich zu bezweifeln. Aber auch Kunstzensur ist (hier)leider ein faschistischer Vorgang. Warum haben wir am deutschen Stadttheater nicht die Kraft unsere Kunstwerke zu diskutieren und erst recht, wenn die Bürger der Meinung sind, dass die Nazis eben böse waren und sind. Oder gibt es die Angst der Intendanten und Intendantinnen, dass sich dabei herausstellt, die Bürger sind zu einem erheblichen Teil gar nicht dieser Meinung?
Die Absetzung in Neuss hat mich auch auf die Spur des letztjährig abgesetzen Waschkau-Stückes „Nacktes Leben“ in Würzburg geführt.
http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=7026&catid=126
Von frappierenden Ähnlichkeit ist, dass die jeweilige Intendanz ihrem Ensemble eine herausragende künstlerische Leistung bescheinigt, die Gründe für die Absetzungen dann als „Publikumsschutz“ daher kommen.
Was ist das für eine neue „german angst“ im Kulturbetrieb deutscher Theater?