Presseschau vom 29. Januar 2014 – taz-Interview mit dem Co-Leiter Jens Hillje vom Gorki Theater Berlin
Wütend und liebevoll
Wütend und liebevoll
29. Januar 2014. Fast drei Monate nach dem Neustart am Berliner Gorki Theater hat Barbara Behrendt für die tageszeitung (29.1.2014) mit Co-Leiter Jens Hillje gesprochen. Für ihn findet sich "etwas von der Heterogenität der Stadt im Publikum" wieder: "Alt, jung und wild gemischt in Haarfarben und Haartrachten." Es gehe nicht darum, "dass jetzt nur noch 'die Anderen' im Publikum sitzen". Die hohen Auslastungszahlen (ca. 98% auf der großen Bühne) seien auch keinem "Anfangshype geschuldet". "Das Publikum merkt: Hier wird etwas verhandelt, was es interessiert." "Unsere Schauspieler sind so wie diese Stadt und die ist mit jedem Jahr mehr eine Ansammlung von sehr unterschiedlichen Minderheiten", beschreibt er das Ensemble, in dem die meisten Schauspieler einen Migrationshintergrund haben. "In der Minderheitserfahrung steckt auch die Fähigkeit, von Konflikten zu erzählen, die mit Identitäten und ihren Zuschreibungen zu tun haben, mit Macht und Ohnmacht."
Eine der "größten Überraschungen" ist für Hillje, "wie inhaltlich die Presse sich mit uns auseinandersetzt", und geht auf die beiden umstrittensten Inszenierungsmomente ein, zwei Monologe im Kirschgarten und in Small Town Boy: "Beides Momente, die ästhetisch kompliziert und politisch sehr aggressiv sind. Ausdruck von Wut, gerichtet von einer Minderheit an eine Mehrheit." Solche Momente seien wichtig, prägten aber bei Weitem nicht alle Inszenierungen, "viele Abende sind sehr liebevoll". Den Vorwurf, dass das Theater am Gorki weniger "ein Ort der kritischen Selbstbefragung" als vielmehr "eine Veranstaltung zur kollektiven Selbstvergewisserung" sei, weist Hillje weit von sich: "Ich teile Ihre Wahrnehmung überhaupt nicht. (...) Eigentlich beklagen wir uns unaufhörlich darüber, dass es keine politischen Haltungen mehr gibt bei den Bürgern, und wenn sie bei uns im Publikum sichtbar werden, werfen sich einige Theaterkritiker schützend vor die Mächtigen." Auch "Manöverkritik" etwa angesichts der bei den Kritikern rundum durchgefallenen "Übergangsgesellschaft" sei nicht nötig: "Da gibt es absolut nichts zu revidieren."
(ape)
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