"Es gibt keine künstlerische Krise"

Düsseldorf, 2. Februar 2014. Die Belegschaft des Düsseldorfer Schauspielhauses wehrt sich in einem offenen Brief gegen Führungs-Spekulationen, kulturpolitische Verfehlungen und negativistische Berichterstattung. Man habe den Eindruck, die Presse wolle "eine Krise regelrecht herbeischreiben und kulturpolitische Machtkämpfe auf dem Rücken des Düsseldorfer Schauspielhauses austragen". Es gebe aber keine künstlerische Krise, sondern vielmehr eine kulturpolitische, verursacht durch zögerliche Kulturpolitik auf Stadt- und Landebene.

Rücktritt, Nachfolge-Spekulationen und Millionen-Defizit

Seit dem überraschenden Rücktritt des Intendanten Staffan Valdemar Holm im November 2012 aus gesundheitlichen Gründen hat der Düsseldorfer Geschäftsführer Manfred Weber die Interimsleitung inne. Die zeitnahe Nominierung eines Nachfolgers durch eine vertraulich tagende Findungskommission platzte, nachdem vorzeitig vier Namen potentieller Kandidaten an die Öffentlichkeit gelangten. Die Findungskommission löste sich daraufhin auf, da sie "lokalpolitische Interessen lanciert", "Kandidaten beschädigt" und "weitere Gespräche sabotiert" sah. Seitdem tauchte in Spekulationen auch der Name des Schauspielchefs der Salzburger Festspiele, Sven-Eric Bechtolf, auf; ein Dementi folgte postwendend.

In einem nächsten Paukenschlag wurde im Dezember 2013 von einem Millionen-Defizit im Theaterhaushalt berichtet. Laut Welt (1.2.2014) sei seitdem das Vertrauensverhältnis zwischen Kultusministerin Ute Schäfer und Interimsintendant Manfred Weber stark belastet, Schäfer werfe Weber öffentlich "Finanztricks" vor. Der Interimsintendant solle nun für ein Jahr durch einen anderen Interimsintendanten ersetzt werden, bis ein regulärer Nachfolger für Holm antritt. Als Interims-Interimsintendant wird wiederum der 75-jährige Günther Beelitz genannt, der in den 70ern das Schauspielhaus leitete.

Rasche Entscheidung versäumt

Die Belegschaft des Theaters macht nun darauf aufmerksam, dass die kommende Saison längst geplant sei und von einem weiteren Interimsintendanten "bestenfalls verwaltet werden" könne. Auch seien die Ursachen und Verantwortlichen für finanzielle Defizite von unabhängigen Wirtschaftsprüfern noch nicht benannt worden.

Die ganzen Vorgänge empfinde man als "in höchstem Maße destabilisierend, störend und hinderlich", man arbeite "täglich mit Freude und Engagement daran, für die Bürger und Besucher dieser Stadt Theater zu machen". Die Politik habe nur versäumt, "durch eine rasche Entscheidung Zeichen zu setzen". "Wir fordern darum, die Auseinandersetzung um die Neuausrichtung des größten Sprechtheaters in NRW nicht mehr durch die Presse und auf dem Rücken von uns und unserem Publikum auszufechten."

(mw / Welt / rp-online.de)

 

 

Der offene Brief der Mitarbeiter des Düsseldorfer Schauspielhauses im Wortlaut:

 

Wir, die Mitarbeiter des Düsseldorfer Schauspielhauses, arbeiten täglich mit Freude und Engagement daran, für die Bürger und Besucher dieser Stadt Theater zu machen, das gesellschaftlich relevant und dabei unterhaltend ist. Das Programm unseres Hauses wird in seiner Bandbreite von Publikum wie Presse zunehmend positiv aufgenommen; die Auslastungszahlen sind spürbar gestiegen, und auch bei Festivals oder auf Gastspielen sind unsere Produktionen erfolgreich. Darüber freuen wir uns sehr, schien doch die schwierige Situation, in der unser Theater sich durch Burnout und Rücktritt Staffan Valdemar Holms befand, überwunden.

Mit wachsender Besorgnis beobachten wir daher seit einigen Wochen die Darstellung unseres Theaters in Presse und Öffentlichkeit, die den Eindruck erweckt, man wolle eine Krise regelrecht herbeischreiben und kulturpolitische Machtkämpfe auf dem Rücken des Düsseldorfer Schauspielhauses austragen. Es gibt keine künstlerische Krise. Die Krise ist eine der Kulturpolitik der Stadt Düsseldorf und der Landesregierung, die es versäumt haben durch eine rasche Entscheidung Zeichen zu setzen.

Missstände sollen und müssen geprüft und öffentlich thematisiert werden!

Aber die Ursachen und Verantwortlichen für finanzielle Defizite sind von den unabhängigen Wirtschaftsprüfern noch nicht benannt worden. Und die Spekulationen und kürzlich erschienenen Falschmeldungen und Dementi betreffend einen neuen Intendanten sorgen nur für Irritation.

Die Situation gipfelt nun in Meldungen, dass der ehemals als adäquat gehandelte Interimsintendant Manfred Weber an der Spitze des Theaters abgelöst werden soll. Die Spielzeit 2014/15 ist bereits geplant und könnte von einem – weiteren – Interimsintendanten bestenfalls verwaltet werden.

Wir, die Mitarbeiter des Düsseldorfer Schauspielhauses, empfinden diese Vorgänge als in höchstem Maße destabilisierend, störend und hinderlich für unsere Arbeit. Wir fordern darum, die Auseinandersetzung um die Neuausrichtung des größten Sprechtheaters in NRW nicht mehr durch die Presse und auf dem Rücken von uns und unserem Publikum auszufechten.

 

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Kommentare  
Düsseldorfer protestieren: Chefdramaturgin
Die Chefdramaturgin hat schon hingeschmissen. Auch so kann man sparen. Das kann noch heiter werden...
Düsseldorfer protestieren: nach erfolgtem Aussterben
… mit der Berufung dieses angeblichen Altmeisters zieht anscheinend nicht nur der autoritäre Gestus des Theaterpatriarchen wieder in Düsseldorf ein (doch eine Kündigungswelle wie in den 70ern), sondern es scheit sich auch ein inhaltlicher Rollback zu vollziehen, zurück in die Wohlfühlzone. Theater für Zuschauerschichten, die in zehn Jahren zum großen Teil nicht mehr leben. Alles progressive, in die Zukunft weisende, vor allem die Jugendsparte wird zurück gestutzt. Am Ende kann dann nach erfolgtem Aussterben der durch Beelitz angesprochenen Klientel das Theater endlich ganz dicht gemacht werden. Bin gespannt wie das noch weiter geht...
Düsseldorfer protestieren: vernünftig
@2: soso, "progressiv". wenn's keiner sehen will, dann ist es progressiv...
hört sich alles sehr vernünftig an, was man bisher von beelitz so hört.
Düsseldorfer protestieren: zum Jungen Schauspielhaus
@3 Lieber reaktionär, was genau will keiner sehen? Die zuletzt mit Publikumszuspruch, Festivaleinladungen und guten Kritiken bedachte Arbeit von Barbara Kantel im Jungen Schauspielhaus? Das scheint laut Presseberichten die nächste auf der Abschussliste des neuen CHefs zu sein. Und wenn jemand in Düsseldorf für progressives Theater steht, dann sie. Lesen Sie den aktuellen Artikel zum Thema in der rp. Gibt's im Internet.
Düsseldorfer protestieren: gute Zahlen!
(...)

In der Krise hilft nur eines: gute Zahlen! Das weiss auch der alte Fuchs Beelitz, ein volles Haus ist ein gutes Haus. Und dann, ja dann kann man sich gerne wieder irgendwelchen Randprojekten widmen, die fürs Renommee des Hauses wichtig sein können. Progressives Theater gibt es nicht, gut oder schlecht, und gutes Theater findet fast ausnahmslos seine Zuschauer! Ist alles nicht ganz so kompliziert!
Düsseldorfer protestieren: ist das vernünftig?
ach tatsächlich, hyperion und reaktionär? vernünftig ist, dass menschen, die verträge haben, nach düsseldorf gezogen sind, da seit jahren einen guten job oder seit einem jahr eine gute vorarbeit gemacht haben, durch missachtung ihrer arbeit in die kündigung und arbeitslosigkeit getrieben werden? vernünftig ist, dass zusagen an regisseure und ihre teams, die auch ihr arbeitsjahr planen, zurückgezogen werden? (...) vernünftig sind äusserungen wie: orpheus gehört in die oper - sind an dem mann 20 jahre theaterentwicklung vorbei gegangen? nebenbei gehörte ein figaro zu den grossen publikumserfolgen der letzten jahre in düsseldorf. und qualität? mal in letzter zeit eine inszenierung von beelitz gesehen? ich empfehle einen ausflug nach regensburg. und seine grosse zeit in düsseldorf wurde gefolgt von sehr tristen zeiten in münchen, weimar und heidelberg.
Düsseldorfer protestieren: über Leichen gehen?
also gute Zahlen ankündigen kann ich auch. Und selbst wenn die zu bewerkstelligen wären, über die Leichen der eigenen Mitarbeiter und Gastkünstler sollte dabe man lieber nicht gehen wollen...
Düsseldorfer protestieren: Salto rückwärts
Der alte Fuchs Beelitz!
Das ist der Salto rückwärts, der Glaube an die alten Zeiten, die niemals wiederkehren, die Hoffnung auf Rezepte, die seit 15 Jahren nicht mehr funktionieren.
Weimar und Heidelberg lassen Grüssen!
Theater für ein Publikum, das in 15 Jahren tot ist.
Liebe Kulturpolitiker an der Düssel, soviel Dussel wie ihr bräuchtet um mit Herrn Beelitz den Aufstieg zu schaffen gibt es nicht.
Düsseldorfer protestieren: schon lange tot
@8 bzw. ein Publikum, das schon seit 15 Jahren tot ist, und daher auch nicht mehr kommen wird.... die Leute sind ja nicht blöd!
Düsseldorfer protestieren: Sparen
es wird wohl übersehen, dass unser neuer Intendant vor allem zu Sparzwecken engagiert wurde. Wer will da interessantes Theater erwarten? Zumal der sich ja auch erstmal mit sicherlich sehr sparsamen Baumassnahmen beschäftigt... das sollte sich die Politik vielleicht auch mal ansehen...
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