Aus für das NRW-Festival Impulse?
Neukonzeption der Theaterförderung
12./13. Februar 2014. Die Kunststiftung NRW, langjährige Förderin des Festivals Impulse, zieht sich aus der Förderung des traditionsreichen Treffens des freien Theaters in NRW zurück. Das geht aus einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung der Stiftung hervor. Das fünfundzwanzigste Jubiläumsjahr nehme man zum Anlass, heißt es darin unter anderem, nun die Förderung des künstlerischen Nachwuchses in den Fokus der Förderaktivitäten zu rücken.
Diese Neuorientierung und die damit wegfallende Förderung des Festivals Impulse sei dem NRW Kultursekreariat gestern völlig überraschend mitgeteilt worden, so sein Pressesprecher Martin Maruschka. "Damit ist das Festival aus gegenwärtiger Sicht nicht mehr durchführbar." Das Festival Impulse war 1990 vom damaligen Leiter des NRW Kultursekretariats Dietmar N. Schmidt ins Leben gerufen worden, der es bis 2006 auch leitete. Von 2007 bis 2011 hatte Tom Stromberg und Matthias von Hartz gemeinsam die Festivalleitung inne. 2011 übernahm Florian Malzacher die künstlerische Leitung.
Die 200.000 Euro für das Festival Impulse werden künftig in vier andere Projekte fließen. Unterstützt wird ab 2014 das Festival Cheers for Fears in Mülheim/Ruhr. Im Rahmen dieses interdisziplinären viertägigen Festivals haben Studierende der Folkwang Universität der Künste (Schauspiel, Regie, Physical Theatre) und der Ruhr-Universität (Szenische Forschung und Theaterwissenschaft) die Möglichkeit, sich intensiv mit ihren unterschiedlichen Zugängen zum Medium Theater auseinanderzusetzen.
Die Kunststiftung NRW fördert darüber hinaus die Präsentation neuer Arbeiten des künstlerischen Nachwuchses im Rahmen des Dortmunder Theaterfestivals Favoriten 2014. Außerdem sollen Gelder zur Etablierung einer Gastprofessur für Szenische Künste bereitgestellt sowie ein Wettbewerb ins Leben gerufen werden, "der sich an alle professionell arbeitenden Produktionshäuser in NRW richtet, die über einen Theaterschwerpunkt verfügen", wie es in der Mitteilung der Kunststiftung heißt. "Mit der Neukonzeption ihrer Theaterförderung", erklärt die Stiftung weiter, "wird das langjährige Engagement der Kunststiftung für die freie Szene, u. a. auch für das Theaterfestival Impulse, in neue Formate überführt."
Am 13. Februar reagiert der Bundesverband Freier Theater mit einer Pressemitteilung, in der "die Verantwortlichen im Bund und in den Ländern" dazu aufgefordert werden, "sich schnell auf ein Konzept zur dauerhaften Sicherung des Festivals zu verständigen." Dazu werde es notwendig sein, dass auch das Land Nordrhein-Westfalen sich an dieser Aufgabe zukünftig maßgeblich weiter beteilige. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Freier Theater Alexander Opitz nennt den Rückzug der Kunststiftung NRW aus der Förderung in der Pressemitteilung "fatal" und schreibt: "Damit ist der Fortbestand des seit 1990 bestehenden Festivals gegenwärtig nicht mehr gesichert. Ein Aus des Festivals wäre jedoch ein verheerendes Signal an die Freie Tanz- und Theaterszene in ganz Deutschland."
(sle)
Mehr zum Thema: Ein Kommentar von Esther Boldt, Nachtkritikerin und einstiger Impulse-Scout.
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Einspruch, Euer Ehren. Die Idee "Impulse" habe die "freie Szene" geschaffen, wie wir sie heute kennen, ist eine Behauptung. Impulse war immer ein Sammelbecken von Produktionen des Kampnagel, Sophiensäle, FFT, Gessnerallee, Pumpenhaus, Mousonturm etc. Wanderzirkus, gespeist aus den angewandten Theaterwissenschaftlern aus Gießen und Hildesheim.
Die vielleicht grösste Leistung dieser "Performergeneration" liegt darin erstmals in der freien Szene extrem professionelles Marketing betrieben zu haben. Dazu zählt eben auch die unwidersprochene Behauptung, daß der o.a. Kreis von 10 Produktionshäusern und 2-300 Performer/innen, Kurator/innen etc schlechthin DIE freie Szene sei, verantwortlich für mindestens 90 % der Innovationen auf deutschen Bühnen. Auch wenn M.v. Hartz und andere zu jeder sich bietenden Gelegenheit die gleiche Pressemeldung auspacken wird das nicht richtiger. Rein quantitativ ist diese "Performanceszene" ein verschwindend geringer Anteil an all denjenigen, die ausserhalb des Stadt- und Stadttheatersystems arbeiten - halt eben ein Teil der geschickt auf sich aufmerksam macht.
Das Generationenproblem ist völlig richtig erkannt. Und eben auch unerwünschter Teil des eigenen Brandings von Pop, Jugendlichkeit, Anderssein als die Etablierten. Polemisch gesagt: wer mit 45 noch in Adidas Trainingsjacken rumrennt, um sein Image als junger Antiestablishment Performer zu pflegen sollte sich vielleicht wirklich etwas anderes suchen. Diese sogenannte "Freie Szene" läuft jetzt in die Falle des Pop - und Jugendlichkeitkultes, den sie selber 20 Jahre betrieben hat.
und mal ehrlich: der vor 20 Jahren bei den ersten Transeuropa-Festivals charmante Dilletantismus wirkt heute bei den Mit-Vierzigern eher ermüdend, hab leider nicht singen und tanzen und sprechen gelernt (klar: Protesthaltung gegen die etablierte Ausbildungskultur auf deutschen Bühnen)- das geht langsam ins Leere. Deshalb ist die Entscheidung des Kunstfonds nicht ganz unlogisch. Wer sich selber als Popphänomen inszeniert - muss auch hinnehmen, wenn die Förderung denjenigen zugute kommt, die heute jung sind - und POP sein könnten (theoretisch wenigstens).
@ Impulse bleibt: Ihre Defintion von Freier Szene ist eben genau das Problem. Es gibt viel mehr zwischen Himmel und Erde als ihr Freie Szene Begriff umfasst. Es braucht eine neue Riege von Theaterschaffenden, die die freie Szene und das Stadttheater überwinden, evtl sogar in der von Ulf Schmidt formulierten fünften Sparte. Deshalb ist es gut, dass die ausgedienten Formate endlich verschwinden. Es ist richtig, dass sie verschwinden: der "Call for Projects" für Impulse 2013 war nur noch Marketing: sich wichtig machen auf Kosten jeglicher Inhaltlichkeit. Es gab keine Diskussion, einzig alleine: Schickt uns Ideen, weil wir die geilen Typen der Selektion sind. Und dann: die nicht nachdiskutierte oder auch irgendwie nachreflektierte Pressemitteilung, mit dem Inhalt: Leider wurde aus dem " Call", keine Entschuldigung bei den Künstlern, keine Erklärungen. Das Ganze war nur mehr ein "Posing"..... Das schadet der Theaterszene, die ab jetzt eben nicht mehr FREIE SZENE genannt werden sollte, sondern eben: Theaterszene...