Diskussion mit Thilo Sarrazin im Berliner Ensemble nach Protesten abgebrochen
"Wir sind die Gebärmaschinen"
Berlin, 2. März 2014. Demonstranten haben in Berlin ein geplantes Gespräch mit dem umstrittenen Bestsellerautor und Ex-Politiker Thilo Sarrazin verhindert. Mehrere Besucher hätten Protestschilder hochgehalten und Sprechchöre skandiert, twitterte das Magazin Cicero, das für Sonntagvormittag zu der Veranstaltung im Berliner Ensemble eingeladen hatte, bei der es unter dem Titel "Die Grenzen der Meinungsfreiheit" um Sarrazins Buch "Der neue Tugendterror" gehen sollte. Schon im Vorfeld hatte es Proteste gegen die Sarrazin-Lesung im Berliner Ensemble gegeben.
Nach Polizeiangaben versammelten sich um die 100 Menschen vor dem Gebäude zu Protesten. Einige gingen auch hinein, um ihren Unmut zu äußern. Wie die Berliner Morgenpost berichtet, verschafften sich zehn Sarrazin-Gegner Zutritt zum Foyer des Berliner Ensembles, in dem Sarrazin aus seinem Buch lesen wollte.
Als Sarrazin die Bühne betrat, hätten die Demonstranten Schilder in die Höhe gehalten mit Slogans wie "Wir sind die Gebärmaschinen" oder "Wir sind die Gemüsehändler" und riefen "Hau ab!". Nachdem es zunächst zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Sarrazin-Gegnern und -befürwortern gekommen sei, habe die Geschäftsleitung des Berliner Ensembles entschieden, die Veranstaltung für eine halbe Stunde zu unterbrechen.
"Während dieser Pause eskalierte die Situation aber. Es kam zu Rangeleien zwischen Störern und Besuchern", schreibt die Berliner Morgenpost weiter. Daraufhin habe die Geschäftsleitung die Veranstaltung abgebrochen. Die Zeitung zitiert BE-Direktorin Jutta Ferbers mit den Worten: "Wir beugen uns dem Meinungsterror der Demonstranten. Wir wollen aber nicht, dass irgendein Mensch mit Polizeigewalt aus dem Berliner Ensemble geschafft wird." Sarrazin habe währenddessen die ganze Zeit regungs- und sprachlos auf der Bühne gesessen.
(Berliner Morgenpost / geka)
Mehr dazu: Presseschau vom 4. März 2014
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Die Schuldigen an dieser Affäre sind aber nicht wirklich die Demonstranten, sie sind vielmehr im Berliner Ensemble zu suchen, die Sarrazin am völlig falschen Ort ein Podium geboten haben. Nicht jede Meinung muss überall gehört werden. Wer der Ansicht ist, dass die Amerikaner die Ukrainer in eine faschistische Revolution getrieben haben, muss solches vielleicht nicht auf Einladung einer amerikanischen Botschaft zum Besten geben. Wer Putin als lupenreinen Demokraten bezeichnet, sollte diese Ansicht nicht in einer Russland-Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung herausposaunen dürfen. Und wer sagt, dass Hitler nur das Gute gewollte habe, aber die falschen Berater hatte, sollte keinen Vortrag am historischen Seminar einer Universität halten. Ja, man sollte auch solche Abstrusitäten äußern dürfen, aber man muss sich an öffentlichen Einrichtungen nicht damit schmücken (und am Ende noch Geld dafür ausgeben), dass man den Verzapfern solchen Unsinns noch Raum gibt. Das alles hat mit Meinungsfreiheit nur bedingt zu tun. Jeder, der seine Meinung äußern will, muss sich dafür auch sein Forum suchen (versuchen Sie mal, Ihre Meinung über Angela Merkel wirksam zu Gehör zu bringen). Warum - so muss sich Herr Peymann fragen lassen – hat er Herrn Sarrazin so billig und willig sein Forum, das BE, geboten? Welche Absicht hat er damit verfolgt?
vielleicht sollte man generell mal über einen boykott des be unter dieser direktorin nachdenken.
@4: wie kannst du etwas klar segen, wenn du in einer diktatur lebtest? Da steht doch nebel gegen sonne. Ich meine, wie bringst du das zusammen?
@3: ja, ich hab diese sorgen auch. Ein apparat, der die nsu-morde offensichtlich mitorganisiert zu haben scheint, akten vernichtet(soweit bekannt hat sich das ein deutscher geheimdienst zuletzt 1989 geleistet), ... Dann diese merkwuerdige edathy-geschichte ... Was ist eigentlich jetzt mit dem fritsche? ... Und dann dieser disparate tagesschau beitrag letzte woche, ein bus bringe kaempfer aus lwiw nach kiev, "wanderreisen" stand als slogan drauf, in deutscher sprache ... RT brauchte heut die story, dass auch deutsche auf dem maidan kaempften (npdler?) ... Kurzum, der apparat ist mir nicht ganz koscher... Dieser sarrazin mit seim Stoecker-anno1878-thesen, der passt ja auch irgendwie ganz semantisch in diese praxis. Aber der paymann ja nicht, warum aeussert er sich nicht? Stattdessen schickt er frau ferbers vor und sie vom meinungsterror schwadronieren. Dabei heisst ja terror erstmal, gewaltanwenung gegenunschuldige dritte zum zwecke eines ziels gegeg eins. Da teater ein oeffentlicher ort ist, darf hier alles gesagt werden. Der sophist oder vielleicht eher eklektizist sarrazin, aufmunitioniert am deutschnationalen diskurs von vor hundert jahren, untertan laesst gruessen, sitzt schweigsam auf der tribuene, soll er doch reden, aber soll er argumentieren und auf widerrede treffen, dialog und erkenntnis, das wesen von oeffentlichkeit, theater - war das das ziel frau ferbers, oder gings um die ukraini, implizit ... Keine ahnung, erwarte stellungnahme vom be, zu diesen, ganz recht herr steckel, sehe sehr deutschen zustaenden
für Ihre Standhaftigkeit gegen den Gutmenschenterror!
(...)
Nachdem die Veranstaltung abgesagt wurde, konnte man das Foyer auch ohne Karte betreten und so trat ich ein, weil ich mir ein eigenes Bild von der Situation dort verschaffen wollte.
Im Foyer wurde ich von einem Herrn angegangen, dass er sich hier informieren wollte, was der Herr Sarrazin denkt, und dass dies nun verhindert sei. Es war sehr laut in dem Foyer, er war ein wenig aggressiv-gereizt und ich gebe zu, ich war schockiert von so viel Dummheit im ehemaligen Hause Brechts, so dass ich -durchaus vom Temperament her kein militanter Protestant- ihm lautstark entgegnete, dass er dazu wohl nicht zu einer derartigen Veranstaltung gehen müsse, da der Herr Sarrazin mit seinem letzten Buch voller rassistischer Ressentiments und auf Veranstaltungen wie diesen sich eine goldene Nase verdient habe.
Was dann passierte geht mir nicht mehr aus dem Kopf: Eine eigentlich unbeteiligte ältere Dame mischte sich ein und keifte mir entgegen, dass ich doch erst einmal richtig Deutsch lernen solle, bevor ich mich äußere. Ich hatte einen kleinen grammatikalischen Fehler gemacht, weil es mir im ersten Moment meine (Mutter-)Sprache verschlagen hatte. Dann hörte ich, wie ein Mann schräg hinter mir sagte: "Du musst sie doch nicht gleich schlagen." und bemerkte darauf, dass sie mich am Arm festhielt und mit ihrem anderen Arm auf meiner Schulter rumtrommelte.
Das BE unter Peymann hat nicht nur Sarrazin, sondern auch solchen Menschen ein Forum und Bestätigung geboten!
Fragt sich
Um bei dem Beispiel zu bleiben : das BE ist für Sie anscheinend das Botschaftsgebäude / die Bundeszentrale / das Universitätsinstitut der Tugendhaften ? Ich habe geglaubt es ist ein Theater in dem auch nicht nur eigene Meinungen ein Forum finden.
... ich möchte doch noch eine Beobachtung von gestern hinzufügen. Die Aussage in der Morgenpost (siehe oben) "Sarrazin habe währenddessen die ganze Zeit regungs- und sprachlos auf der Bühne gesessen." stimmt nicht!
So richtig schlecht wurde mir gestern, als ich sah, dass im Rahmen dieser Cicero-Veranstaltung -im BE- die Jünger von Sarrazin zu ihm pilgerten, um sich ihr Buch signieren zu lassen, in dem sie bescheinigt bekommen, dass das Schüren von Rassismen wieder salonfähig sein muss. Die Auswirkungen habe ich gestern am eigenen Leib erfahren dürfen (siehe Bericht oben).
Leider sind solche Praxen offenbar heutzutage auch vom BE toleriert. Wie naiv kann man denn sein, zu glauben, dass bei so einer Veranstaltung nach dem ganzen Medienrummel um "Deutschland schafft sich ab" kritische und weltoffene Geister sich ein kritisches Urteil über Sarrazin bilden möchten? Und ganz nebenbei läuft die Gelddruckmaschine mit! Wenn Sie vom BE Sarrazins Äußerungen einer kritischen Reflexion unterziehen wollen, dann verlangen Sie doch bitte nicht auch noch 12 Euro Eintritt dafür...
Es geht mir darum, dass bestimmte Institutionen für bestimmte Haltungen einstehen. Diese Haltung setzt gewissermaßen einen Rahmen dafür, was als Meinung akzeptiert wird und wo Abwegigkeit oder gar Diffamierung anfängt. Am BE mit einer Tradition, die ja immer noch auf Brecht verweist, sollten Sätze, wie Sarrazin sie geäußert hat, daher nicht als zulässige Meinung protegiert werden. Ich meine Sätze wie: "Natürlich beobachten wir, dass sich viele Völker und Ethnien in typischer Weise unterschiedlich verhalten" (woran die FAZ übrigens die berechtigte Frage anschloss: "Die Frage, wie sich ganze Völker überhaupt beobachten lassen, stellt er sich nicht.") Oder, ein verschärfteres Beispiel: "Die kulturelle Fremdheit muslimischer Migranten könnte relativiert werden, wenn diese Migranten ein besonderes qualifikatorisches oder intellektuelles Potential verhießen. Das ist aber nicht erkennbar. Anzeichen gibt es eher für das Gegenteil, und es ist keineswegs ausgemacht, dass dies ausschließlich an der durchweg bildungsfernen Herkunft liegt." Warum, bitte, soll man so etwas im Berliner Ensemble diskutieren? Weil es eine Meinung ist? Würden Sie auch wollen, dass man am BE diskutiert, ob in den "Protokolle der Weisen von Zion" die Wahrheit über die Weltverschwörung niedergelegt ist?
Es ist weder sinnvoll noch überhaupt denkbar, dass jede Meinung überall diskutiert wird. Eine Meinung muss sich gewissermaßen auch für einen bestimmten Ort qualifizieren. Sarrazins Meinungen mögen sich für den Stammtisch qualifiziert haben, am BE sind sie - ich bleibe dabei - fehl am Platze.
PS Es wird ja gerne argumentiert, es dürfe keine Denkverbote geben. Ich sehe das etwas anders. Bestimmte Dinge dürfen vielleicht gedacht werden, aber eben nicht als zulässige Meinung akzeptiert werden. Eine Meinung wie: "Einge rassische Gruppen sind minderwertig, daher ist ihr Lebenswert nicht hoch zu veranschlagen, ob sie leben oder sterben, darauf kommt es nicht an" ist für mich etwas, das man zwar denken kann (sonst könnte ich es nicht hinschreiben), aber man sollte es nicht behaupten dürfen. Jemand, der die Nähe zu solchen Behauptungen sucht, darf sich im meinen Augen nicht darüber wundern, wenn man seinen Meinungen kein Gehör schenken will.
ABER als ich vor wenigen Tagen in Berlin war, ging ich mehrfach an dem vollkommen unbeachteten (großen) Schaufenster des Kulturkaufhauses Dussmann vorbei, das mit -zigfachen Exemplaren dieses Buches überhäuft war. In Erinnerung welche Zerstörungen erst kürzlich der Protest gegen einen Burschenschaftsball in Wien an Schaufenstern, Autos bis zu Polizeistationen in Millionenhöhe hinterlassen hat, war ich über die Reaktionslosigkeit über diese Auslage erstaunt.
Wo liegt der (für mich nicht erkenntliche) Unterschied zwischen Präsentation im Kulturkaufshaus Dussmann und dem Berliner Ensemble?
Liebe Dritte,
die von Ihnen beschriebene Szene erinnert mich an die keifenden Österreicher in der Dokumentation zu Schlingensiefs Wiener "Ausländer Raus"-Aktion.
Insofern kann man sich fragen, ob Sarrazin nicht ein kleinbürgerlicher Schlingensief-Epigone ist. Jedenfalls finde ich es besser, wenn der braune Sumpf laut und vernehmlich rülpst und pfurzt, als wenn er im Verborgenen dumpf und unbeachtet fruchtbar ist. Immerhin wird das Problem dann sichtbar. Es hört ja nicht auf zu existieren, wenn man es nicht sieht.
Interessant finde ich den Begriff "Tugendterror". Bei Robespierre lag der Akzent auf dem Terror und die Tugend war bloß das propagandistische Schutzmäntelchen. Bei Sarrazin liegt der Akzent auf dem Begriff der Tugend, die zum Feindbild wird und der Terror ist nur der Affektverstärker.
Tugend war mal der Stolz, mit dem das Bürgertum sich vom moralisch abgehalfterten Adel absetzte. Die preußischen Tugenden wurden noch vor 10 Jahren von Konservativen bewundert. Nun wird der Begriff zum Schimpfwort. Ja, Deutschland schafft sich als Kulturnation wirklich ab. Sarrazin repräsentiert die Krankheit, für deren Heilmittel er sich ausgibt.
Ein Theater ist ein „Tendenzbetrieb“, wie beispielsweise eine ebenfalls mit öffentlichen Geldern subventionierte Parteizentrale, in der die öffentliche Propagierung von den Zielen der Partei zuwiderlaufenden Inhalten ausgeschlossen ist. Ein Theater verfolgt bestimmte künstlerische Ziele, deren Verfolg es erlaubt, die Meinungsfreiheit zu beschränken, vor allem auch dann, wenn mit seinem Betrieb nicht unbedingt oder nicht nur Geld verdient werden soll. (Die Frage stellt sich schwieriger bei öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Bei Zeitungsmonopolen und Buchverlagen haben wir uns an die weltanschauliche Ausrichtung gewöhnt – die DVA, bei der Sarrazins Buch erscheint, gehört Random House, und Random House gehört seit Ende der neunziger Jahre Bertelsmann und Bertelsmann gehört der stockreaktionären Familie Mohn usw.)
Liebe Frau Peschina – ein „Kulturkaufhaus“ ist eine contradictio in adjecto und ein Unwort, insofern „Kultur“, also das Verhältnis der Menschen einer gegebenen Gesellschaft zu der ihnen erfahrbaren Welt, nicht käuflich ist, allenfalls bestimmte gegenständliche Ausdrucksformen dieses Verhältnisses, wie Bilder, Schriften, theaterförmige Vorführungen etc. Insofern macht der Umstand allein, daß Sie eine Karte für eine Vorstellung im „Berliner Ensemble“ erwerben können, dieses Theater noch nicht zu einem Kunstkaufhaus. Bedenklicher wird es, da haben Sie Recht, wenn unabhängig von der künstlerischen Produktion zu Buchpräsentationen gegriffen wird, deren Zusammenhang mit der politisch/ästhetischen Ausrichtung des Hauses nicht erkennbar ist.
Und schließlich: der Preis der Meinungsfreiheit besteht in der Bedeutungslosigkeit der Meinung, ebenso wie der Preis der Kunstfreiheit in der Bedeutungslosigkeit der Kunst besteht. Meinungen entscheiden so gut wie nichts mehr, Handlungen entscheiden, Handlungen, die vorspiegeln, im Einklang mit gewissen unverrückbaren Gegebenheiten anthropologischer, sozialer oder ökonomischer Natur zu stehen – was natürlich Meinungen sind (siehe Sarrazin), aber eben solche, bei denen es nach Ansicht ihrer Inhaber eigentlich nichts zu argumentieren gibt, da sie evident sind. Dieser Sachverhalt führt zu dem Paradox, daß derjenige eine Meinung ernst nimmt, der sie unterdrückt.
Verehrter Herr Steckel,
so lange der Begriff "gerecht" nicht allgemeinverbindlich definiert ist, gibt es keine moralische Rechtfertigung für "terreur".
Dass er nicht allgemeinverbindlich definiert ist, zeigen die Debatten um den "gerechten" Krieg 2000ff. u.ä.
Wozu Ihre These führt, hat Brecht 1930 in der "Maßnahme" dargestellt. Ich möchte darum bitten, dieses Stück in aller Härte mal wieder aufzuführen, damit wir den Begriff "Liberalismus" wieder schätzen lernen - ohne das Pejorativ "Neo" davor zu setzen und so zu tun, als würde er durch kriminelle Banker definiert. Lieber Peymann, lassen Sie das (die Maßnahme-Inszenierung) Calixto Bieito besorgen, damit ordentlich Blut bis in die Ränge spritzt und niemand tun kann, als gäbe einen sauberen, gerechten Terror, der nur die Anderen betrifft und mich als Zuschauer mich am warmen Vorschein der Humanität das Herz wärmen lässt.
Oder suchen Sie sich einen Regisseur aus der Ukraine, Syrien, Nordkorea, China, Kuba, Venezuela...
P.S.: Ihre etymologischen Ableitungen geben Ihren Ausführungen etwas Seriöses, sind aber trotzdem falsch. In der römischen Staatslehre wurden "virtus" und "terror" beileibe nicht so nett definiert.
P.P.S: 2. Absatz: Welche "Tendenz" hätte Peymanns BE denn, wenn nicht die, "dass mit seinem Betrieb Geld verdient werden soll"? Sind nicht die monatlichen Auslastungszahlen nicht die vernehmlichsten Botschaften, die das Haus regelmäßig aussendet? Welche Tendenz-Botschaften senden hingegen Inszenierungen wie "Frühlings Erwachen", "Dantons Tod" oder "Mutter Courage" aus?
3. Absatz: Im Jahre 2014 ist Kultur eine Ware, also käuflich. Wenn sie dem bürgerlichen Kultur-Begriff des späten 18. Jahrhunderts im Sinne der Selbsterziehung des Menschen dagegen wieder zur Geltung müssen, genügt die bloße Behauptung nicht, sondern müssen das schon begründen. In einer Zeit, in der Bildung daran gemessen wird nicht welches Buch ein Mensch liest, sondern ob er in den letzten 12 Monaten überhaupt irgendein Buch gekauft hat. Insofern ist auch das BE ein Kulturkaufhaus: es ist egal, ob man sich Mutter Courage oder Sarrazin ansieht: Hauptsache man geht ins Theater. Der "Zusammenhang mit der politisch/ästhetischen Ausrichtung des Hauses" ist durchaus erkennbar. Er besteht darin, dass Inhalte austauschbar sind. "anything goes".
Absatz 4: "der Preis der Meinungsfreiheit besteht in der Bedeutungslosigkeit der Meinung, ebenso wie der Preis der Kunstfreiheit in der Bedeutungslosigkeit der Kunst besteht." die alte Sehnsucht des Künstlers nach der Diktatur, in der sein "freies" Wort wieder lebensnotwendig war. Für ein "gutes" Leben ertrage ich lieber schlechte Kunst, statt umgekehrt. Wenn ich an Nordkorea oder die Ukraine denke, finde ich Ihren Satz obszön.
"Meinungen entscheiden so gut wie nichts mehr, Handlungen entscheiden." Das entsprich exakt dem bürgerlich-humanistischen Menschenbild, wie Goethe es z.B. im Faust II entwickelt hat: Der alte Faust, blind, störrisch, egoistisch, hat grandiose Projekte/Meinungen vom freien Volk auf freiem Boden: aber was tut er? Er bringt Philemon und Baucis (Faust II, 4. Akt) so wie er Gretchen, ihre Mutter, ihren Bruder in bester Absicht umgebracht hat und in einem netten "Heilschlaf" (Prolog, Faust II) alles zum Kollateralschaden bagatellisiert und zu hübschen Wolkenbildern ästhetisiert. Was zählt, fragt Goethe mit diesen Bildern? Fausts gute Meinungen oder seine schlechten Taten?
Die Antwort ist seine Inszenierung der katholischen Kirche im 5. Akt als gigantische Lügenmaschinerie (oder Propagandaministerium), die den Verbrecher, Imperialisten, Diktator in Reihen der Heiligen aufnimmt. Und jetzt stellen Sie, verehrter Herr Steckel, sich auf die Seite der katholischen Dunkelmänner. "Dieser Sachverhalt führt zu dem Paradox, daß derjenige eine Meinung ernst nimmt, der sie unterdrückt." Stehen Sie also auf Seiten der SED gegen Brecht und die Arbeiter vom 17. Juni 1953? Auf der Seite Stalins? Auf der Seite Janukewitschs?...
Herr Steckel, retten Sie ihr Bild in meiner Seele...
Aber sie orientieren sich an dem Brecht des "anachronistischen Marsches" und agitieren gegen "Freiheit and Democracy"...
Bon
@20: insofern danke ich ihren ausfuehrungen, moechte aber ergaenzen, dass virtue immer auch auf sg intrinsische eigenschaften in der lebensformdebatte verweist, in diesem metaphysischen nebel setzt sarrazin das wort terror ein, womit die kommende aufstandsbekaempfung semantisch vorbereitet wird. Denken wir an das trainingslager schnoeggersburg, denken wir an die entscheidung des bvg, auch die armee im inneren einzusetzen, sarrazin bringt uns auf die palme, weil er eine kathegorie schaft, in die er einordnet, wer spaeterhin entsorgt wird. Das ist dann diese wernichtfuermichististgegenmich haltung.
Tatsache ist, dass wir auf der basis von effizienz- und exelenzkriterien laengst in den kommentarapparat von nachtkritik.de abgeschoben worden. Den ton geben reaktionaere renter wie paymann und sarrazin an. Und in feuilletons schreiben so excellente typen wie dobbert (zeit.de), der etwa polen als ehemalige sowjetrepublik bezeichnet. Das ist nicht nur nichtwissen, das ist vorsaetzlich und langfristig gefoerdertes excelenzclastergedoens. Was kann ich den berichten dobberts entnehmen? Nichts! Gleiches gilt fuer sarrazin und peymann - und darin liegt das paradox, nicht im ernstnehmen einer unterdrueckten meinung (von mir aus a la massnahme) das paradox liegt im menschenrechtlichen anspruch, aber in der menschenverachtenden haltung - diese tartuffetypen sind das problem unserer zeit, da brauchen wir kein blut nordkoreanischer regisseure, da reicht ein blick in die heimischen folterkeller, von guantanamo ueber nsu bis hin zu den "britischen beratern" die, nachdem erfolgreichen sturz ghaddafis nun in der ukraine zum einsatz kommen sollen . Leute, den eigen stall putzen, und sarrazin in gespraeche verwickeln ist super wichtig. Wer auf argumente schiesst, hat verloren und, danke cremer, handgreiflichkeiten sind der beginn des sehr deutschen sadismus.
der "Kopfbahnhof" liegt darin, dass man sich nie dazu verleiten lassen sollte, Terror zu rechtfertigen. Das Recht auf Leben ist nicht diskutabel und nicht relativierbar.
2. Eben. Es gibt Varianten des Terrors. Deswegen sollte man sie auch sprachlich auseinander halten.
Aber das sind alles Intellektuellen-Bauchschmerzen. Was mich etwas beunruhigt, ist der Umstand, dass so eine große Anzahl von Menschen wieder Sehnsucht nach Deutschland, nach Nationalismus, nach genetischen (rassistischen) Nationalitätskonstrukten haben, dass sie diese Bücher massenhaft kaufen und zu diesen Veranstaltungen wie zu Scientology hinströmen. Was ist da passiert, dass das nach 1945 wieder hochkommt? Warum reagieren die derartig aggressiv?
So, und jetzt schweige ich, damit wir die comunity nicht mit unseren Privatdiskussionen nerven.
http://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article125384495/Bertolt-Brecht-war-schlimmer-als-Thilo-Sarrazin.html
Liebe(r) Tomb, rhethorisch heisst der Quatsch Strohmann oder Strohfrau, je nach Laune, und hat für den Autor/die Autorin die Funktion, sich einen Pappkamaraden aufzustellen, den er/sie dann beliebig abfackeln, anpinkeln oder was immer kann. Noch Fragen? Ach, sie Sie sehens nicht? Na dann: "wohl"! Herr Heine sagt "wohl auch für den besseren Demokraten"! Erstens setzt voraus, dass Herr Sarrazin ein Demokrat ist (Achtung kategorienfehler: politisch inkorrekt heisst die Rubrik), zweitens setzt voraus, dass die Protestanten vor der Tür Herrn Sarrazin für einen Demokraten halten, drittens verweist das Wort "wohl" auf einen Zweifel, den Herr Heine sich und den Protestanten unterschiebt ... und so weiter
Kurzum, der Artikel glänzt genauso durch Sachinkompetenz wie Sarrazins Textterror oder Steinmeiers Außenpolitik in der Ukraine - es bleibt peinlich!
Hallo, wo ist das intellektuelle Niveau in good old Germany hin? Alle unter Alg1-Hartz8 verschwunden? Schon alle im Lager oder wie? (Polemik kann ich nämlich auch) - den letzten Satz jetzt bitte in Finzis Volpone Intonation lesen, mit bulgarischem Akzent versteht sich - ach Mensch Mitko, ich vermisse dich so, wir brauchen dich hier auf Erden - komm zurück aus dem Hades, komm auf die Bühne und erklärs diesen Fritz!
Freiheit von Bevormundung.
Politisch gesagt: Eine Politik, die ihre Aufgabe darin sieht, diese zu garantieren.
Danke.
Das ist halt eine Frage der Perspektive.
Hat Irgendeiner, der Protest daraus gelernt? Keineswegs. Nur Empörung, reine Wut. Argumente? Fehlanzeige!
Stattdessen lieber die Keule auspacken und älteren Bürgern mit "erz"konservativer oder notfalls auch nur konservativer Denke den Kopf einhauen. Schließlich ist nicht genug NSU für alle da.
Es ist für mich erstaunlich, mit welcher sich selbst befriedigender intellektueller Lust hier teilweise "ernst" gemacht wird.
Der Protest gegen läßt sich so kampflos vor den (Marketing)-Wagen von Sarrazin spannen und treibt dem falschen Lager Leute zu.
Ach so, und wenn es stimmt: "Außerdem hätten die Protestler die Eintrittskarten regulär erworben." - haben die denn ihr Geld zurück bekommen, oder hatten Sie das ganz schlau einkalkuliert und die Veranstaltung erst nach 20 Minuten abgebrochen? WOW - Cicero und BE - echt schlaue Geschäftsleute - das bereichert auch noch das BIP - liegt das an den Genen, wie Thilo S. meint, oder ist das einfach simple deutsche Korruption (die UN-Übereinkunft hat Deutschland ja noch immer nicht ratifiziert, wie auch Sudan oder Ghana, das lupenreine hingegen Russland schon). Fasst euch mal an die eigene Nase, ihr Businessmodelle!
HERR PEYMANN! Gerade habe ich Ihr Interview in der "Welt" gelesen und bin fassungslos:
Nationalsozialisten waren Menschen, die andere Menschen wegen ihrer so deklarierten "Minderwertigkeit" in Vernichtungslagern am Ende vergast haben. Am Sonntag Vormittag haben sich Menschen dagegen gewehrt, dass einem Populisten im Jahre 2014 in Ihrem Theater ein Forum geboten wird, der über Wertigkeit und Unwertigkeit von Mitbürgern doziert und dabei die Religion und auch genetische Komponenten argumentativ angeführt hat, im Endeffekt die Identität der betroffenen Personen erheblich beschädigt hat in einem Land, in dem rassistische Diskriminierung zum Alltag vieler Migranten gehört und die Todesopfer der NSU bei Weitem nicht die einzigen Opfer rassistischer Gewalt sind. (Der moderne Antisemitismus im 20. Jahrhundert hatte im Übrigen auch seine Ursprünge im Antijudaismus des Mittelalters...)
Die Grenzen der Meinungsfreiheit lotet dieser Mensch so weit aus, um Geld damit zu verdienen und nimmt die Bestärkung rassistischer Ressentiments nicht nur vollkommen minderbemittelter bildungsferner deutscher Unterschichten in Kauf, sondern auch noch die des geneigten konservativen Bildungsbürgertums. An rassistischen Beschimpfungen und Übergriffigkeiten mangelte es seitens des Publikums der Veranstaltung offenbar nicht, wovon ich selbst auch betroffen war - absurderweise als Ur-Berliner seit mehreren Generationen, aber offenbar musste sich das Ressentiment irgendwo entladen und fühlte sich auch im Recht durch den Rahmen der Veranstaltung. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen nebenbei bemerkt, dass aus einer Diskussion die meisten Menschen bestärkt über Ihre eigene, zuvor bestehende Meinung hervorgehen, auch wenn gegenteilige Argumente geäußert wurden. Diese Untersuchung fand pikanterweise an Wissenschaftlern statt, denen man eigentlich ein Mindestmaß an Reflexionsfähigkeit zugestehen darf.
Die populistische Praxis ist Sarrazin durchaus bewusst, wie mir am Sonntag schien - im Gegensatz zu Ihnen? Anders kann ich mir nicht erklären, warum Sarrazin mit hochrotem Kopf auf dem Podium saß, nachdem ihm reale Menschen, die seine deklassierenden Äußerungen betreffen, gegenübergetreten sind. Ein Arrangement, das im Übrigen im Rahmen der Lesung in ihrem Haus nicht vorgesehen war!
Von "nazihaftem Gepöbel" angesichts eines solchen Settings zu sprechen, finde ich mehr als "unappetitlich"!
Lieber Peymann,
es ist unglaublich!!! Das Gästebuch ist verschwunden. (...) Sie haben diese sadistische Freude, von linken Kräften angegriffen zu werden.
Nein, ich gehöre nicht zu den 25 und denen die vor Ihrem Haus standen. Dazu wäre mir die Zeit zu schade. Ich war dann doch lieber beim alten Ego in der Volksbühne und einen Abend danach beim altersweisen Wilson. Berlin bietet viel Kultur, da kann man das BE einfach rechts liegen lassen.
(...)
Als jemand auf Nachtkritik jüngst behauptete, Sie hätten in Wien dann auch Haider einladen müssen, weil es ja Ihre Meinungsfreiheit gäbe. Dem mächte ich widersprechen. Sarrazin ist nicht Haider, Sarrazin ist nicht einmal eine Fußnote. Und Berlin ist nicht Wien. Es gibt zum Glück ein paar Rebellinnen. (...)
Schade, eigentlich, ich hatte Sie immer gern reden gehört. Das will ich nun nicht mehr.
Dennoch betrete ich Ihr Haus, wenn die wahren Geister erwachen; Bondy und Müller. (...)
Zu Wien: Eingeladen hat Peymann Jörg Haider nie, aber es gab eine geplante Fernsehdiskussion (Sonntag, 22.00 Uhr) an der beide Kontrahenten ihre gegensätzlichen Meinungen diskutieren hätten sollen. Claus Peymann musste dann leider absagen, weil er einen schweren Bandscheibenvorfall hatte und Wochen im Spital lag. Ich glaube nicht nur dem großen Zuseherkreis , Jörg Haider – der dieses auch ausdrückte -, sondern vor allem Claus Peymann tat es leid, , diese Diskussion ausfallen lassen zu müssen.
Nochmals zu Wien: Ein angeblich kleines Grüppchen hat in Wien vor wenigen Wochen eine Demonstration gegen einen Burschenschaftsball zu einem glassplitternden, blutspritzenden Horror getrieben. Allein der Sachschaden war in Millionenhöhe. Mit dem verbrauchten Budget für Einsatzkräfte und Folgeprobleme für diese Performance könnte man wahrscheinlich das Burgtheater entschulden . Ein Risiko in diese Richtung wollte die Direktion offensichtlich vermeiden.
Zu Berlin: Das Kulturkaufhaus Dussmann stellt sich sichtlich unbehindert in den Dienst von Marketing und Verkauf des Buches. Das kümmert keine „bewegte Seele“.
im übrigen würde ich herrn peymann gern eine reise nach hoyerswerda spendieren damit er sich einen mob mal in echt anschauen kann.ich hatte mal das vergnügen-war eine lehrreiche begegnung mit todesangst.die jungs in hoyerswerda gehn am schlussnämlich nicht friedlich nach hause,die wollen blut sehen.und falls der herr peymann noch zeitung lesen kann,könnte er da erfahren das das im osten deutschland jede woche wieder passiert.mit krankenhaus,kaputten scheiben,brennenden briefkästen,autos...ach so geht ihn nichts an er ist ja künstler und gerade in frankreich.