Presseschau vom 9. März 2014 – Der Standard zieht eine Zwischenbilanz und versucht Verantwortlichkeiten zuzuordnen

"Hartmann wusste, was auf ihn zukommt"

"Hartmann wusste, was auf ihn zukommt"

9. März 2014. In einem umfangreichen Artikel im Standard (8.3.2014) zieht Thomas Trenkler eine Zwischenbilanz des Finanzskandals am Burgtheater: die entlassene Silvia Stantejsky "soll für ein Defizit von 2,7 Millionen Euro verantwortlich sein. Es drohen bis zu fünf Millionen Euro Steuernachzahlungen. Zudem ergebe sich aufgrund einer geänderten Abschreibungspraxis ein Minus von 5,6 Millionen Euro. Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten betrugen im Herbst 2012 rund 6,74 Millionen Euro".

Trenkler rekonstruiert die Geschichte des Defizits und fragt: "Wusste jemand über die "dolosen Handlungen" von Stantejsky Bescheid? Die "Mutter der Kompagnie" war schließlich viele Jahre die Stellvertreterin von Thomas Drozda, dem Geschäftsführer bis zum Sommer 2008. Warum hat niemand zeitgerecht reagiert? Und wer trägt eigentlich die Verantwortung?"

Die Direktion Bachler

Matthias Hartmann, so Trenkler, glaube, dass er die Probleme von seinem Vorgänger, Klaus Bachler, geerbt habe. Doch Bachler und sein damaliger Geschäftsführer Thomas Drozda - dessen Stellvertreterin damals: Silvia Stantejsky – würden jede Verantwortung ablehnen. [zu den Praktiken der von Thomas Drozda geleiteten Vereinigten Bühnen Wien siehe hier].
Trenkler blendet zurük auf das Jahr 2006: Bei Vertragsabschluss zwischen Matthias Hartmann und dem "damaligen Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP)" sei vereinbart worden, dass Hartmann auch "die Verpflichtung zur wirtschaftlichen, zweckmäßigen und sparsamen Gebarung unter Bedachtnahme auf die verfügbaren, dem Burgtheater zur Erfüllung seiner Aufgaben zugewiesenen Mittel" habe. Die vorgesehene Entlohnung für den Direktoren-Posten sollte 217.000 Euro betragen. Für jede Regiearbeit sollte Hartmann zusätzlich mit maximal 40.000 Euro bezahlt werden. "Claus Peymann, sein Vorvorgänger, hatte pro Saison zwei Stücke gratis zu inszenieren."

Bis zum Juli 2008, dem Abgang von Thomas Drozda als Geschäftsführer, habe die Bilanz passabel ausgesehen. "Die Verbindlichkeiten betrugen 6,97 Millionen Euro (davon gegenüber Kreditinstituten lediglich 1,72 Millionen Euro), die Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln 45,9 Millionen Euro." Anfang 2009 prognostizierte die Holding, rasant steigende Verluste für die Burg in den kommenden zwei Jahren. "Hartmann wusste, was auf ihn zukommt". Und tatsächlich hätten sich die Verbindlichkeiten der Burg 2008 / 2009, im letzten Bachler-Jahr, auf 13,62 Millionen Euro verdoppelt. "Als Jahresfehlbetrag wurden 2,55 Millionen Euro ausgewiesen. Um eine schwarze Null zu erzielen, wurden Kapitalrücklagen aufgelöst." Bachler behaupte, schreibt Trenkler, die hohen Vorbereitungskosten für die Direktion Hartmann hätten das Ergebnis verschlechtert. "Wie hoch diese Kosten waren, ist derzeit nicht bekannt."

Hartmanns Einkünfte

Während dieser Vorbereitungszeit verwahrte Silvia Stantejsky nicht nur Hartmanns Honorare und zahlte sie ihm bei Bedarf bar aus, weil er angeblich kein Konto in Österreich besessen habe, Stantejsky half ihm auch beim Ausfüllen seiner ersten Steuererklärung und erhöhte von sich aus im März 2009, ein halbes Jahr vor Hartmanns Amtsantritt, seine Regiehonorare von 40.000 Euro pro Inszenierung auf "zumindest 52.500 Euro". Begründung: seit 2006 hätten sich die Marktkonditionen verändert.

Während seiner Direktion inszenierte Hartmann, so Trenkler, pro Saison etwa vier Stücke.
"Interessanterweise" seien diese Honorare gegenüber dem Rechnungshof nicht angegeben worden. Auf Nachfrage des Rechnungshofes sei Hartmanns "Jahresbruttoeinkommen einschließlich Erfolgsprämien und den freiwilligen Sozialaufwendungen" 2012 auf 220.900 Euro beziffert worden.

In seiner ersten Saison als Direktor 2009 / 2010 habe Hartman acht eigene Inszenierungen gezeigt (darunter vier adaptierte Übernahmen aus Zürich und Bochum), statt "20 bis 22 Premieren, wie bis dahin üblich, setzte er 30 Premieren an."

Stantejsky muss bleiben

Im Februar 2010 hätte der Vertrag mit Silvia Stantejsky gekündigt werden müssen, aber laut Holding-Chef Georg Springer, habe Hartmann Stantejsky als "für das Burgtheater unverzichtbar" bezeichnet, sie sei geblieben. In seiner ersten Saison sei auch die staatliche Förderung von 45,93 Millionen auf 48,25 Millionen Euro für das erste Jahr Hartmanns und ab dem zweiten Jahr auf 46,71 Millionen Euro erhöht worden.

Die Abschreibungspraxis

Während der Direktion Harmanns sei auch die "Aktivierung von Eigenleistung", sprich der Wert der Produktionen, sprich die Bühnenbilder rasant angestiegen. Von 8,2 Millionen Euro in der letzten Saison Bachlers 2008/09, auf 14,62 Millionen Euro im zweiten Hartmann-Jahr 2010/11.

Die Praxis, die Kosten für Produktionen über fünf Jahre abzuschreiben, sofern Bühnenbilder und Kostüme noch vorhanden, habe bereits im letzten Jahr der Bachler-Intendanz begonnen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers habe dagegen keine Einwände gehabt.

Die seit 2010/11 mit der Prüfung der Jahresabschlüsse beauftragten Wirtschaftsprüfer von KPMG allerdings akzeptierten diese Methode nicht mehr, mit der das Burgtheater reicher dastand als es war. Von nun an durften die Produktionen nurmehr über drei Jahre abgeschrieben werden, sofern Kostüme und Bühnenbilder noch vorhanden. Durch diese Methodenänderung sei es im Jahresbericht 2011/12 zu einer Wertberichtigung "in Höhe etlicher Millionen" gekommen. Um eine ausgeglichene Bilanz zu erstellen, habe das Stammkapital von 13 Millionen auf 9,35 Millionen Euro reduziert werden müssen.

Allerdings seien auch zu diesem Zeitpunkt Kosten und vorhandene Werte systematisch und vorsätzlich höher gerechnet worden, Stantejsky solle von etlichen Produktionen jüngeren Datums behauptet haben, dass sie noch gespielt würden. "Wäre man bei der Erstellung der Bilanz für 2011/12 wirklich ehrlich vorgegangen, wäre das Defizit noch weit höher ausgefallen."

Grundsätzlich gelte: Pro Jahr gebe es im Durchschnitt rund 25 Premieren. In der Regel würden ebensoviele Produktionen "skartiert", weil sie abgespielt sind. Dauerbrenner, die sich auch ohne Abonnement verkaufen lassen, seien eine Rarität. Die Vernichtung der Produktionen sei aber nur zögerlich passiert. Erst im Winter 2013 habe Stantejskys Nachfolger Thomas Königstorfer 50 Produktionen – "die Hälfte aller Produktionen der vierjährigen Ära Hartmann", darunter auch einige ganz junge Produktionen aus 2012 – zur Skartierung freigegeben. Dies habe sich rückwirkend auf die Bilanz 2012/13 mit einem Minus von 1,4 Millionen Euro ausgewirkt.

(jnm)

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