Meat - Thomas Bo Nilsson eröffnet an der Berliner Schaubühne Luka Magnottas Lebenswelten
If you like the reflection
von Georg Kasch
Berlin, 3. April 2014. Angel sehe ich zum ersten Mal im Spiegel. Er wiegt sich geschmeidig, zeigt seine sonnenstudiogebräunten Muskeln, lächelt mir zu, probiert meine Brille aus, grinst. In einer Ecke des Zimmers liegt apathisch ein Typ mit absurder Frisur auf einem Bett, wo sich die Kuscheltiere stapeln. Angel preist meine Augen, ich plaudere mit ihm über das Woher und Wohin. Auf Facebook heißt er Jimmy Johnson, wir sind dort jetzt Freunde.
Befreundet bin ich auch mit Daniello, jenem Gogo-Tänzer aus dem Stripclub mit den wahnsinnig kräftigen Beinen, der mich irgendwann ins Separee schleppt, mir ziemlich tiefsinnige Fragen über mich stellt und mit mir rumknutscht, bevor er mir bedeutet, dass jede weitere Minute einen Euro kostet. Womit er übrigens genauso teuer ist wie die Massage, die man im Nagelstudio buchen kann. Wenn man für all das noch ein Zimmer braucht: Im Hotel kostet die halbe Stunde zehn Euro.
Nippesparadiesische Verwahrlosung
Das Geld ist wie eine unsichtbare Wand in "Meat", der 240-Stunden-Performance, die das Festival Internationale Neue Dramatik F.I.N.D. an der Berliner Schaubühne begleitet: Überall in dieser Parallelwelt wird man umworben und beflirtet, hineingesogen und angemacht, aber immer dann, wenn es interessant zu werden beginnt, soll man blechen. Was ja im richtigen Leben auch nicht anders ist: Kapitalismus auf der Vorspultaste, sozusagen.
@ Matt LambertThomas Bo Nilsson, bis vor Kurzem Co-Leiter und Bühnenbildner des Künstlerkollektivs SIGNA, hat im kleinen Schaubühnen-Studio geschickt ein Labyrinth aus Miniatur-Konsumhölle und nippesparadiesischen Privaträumen gebaut. Eine Welt, in der sich der Geruch nach China-Food, beißenden Nagelstudio-Chemikalien und billigen Parfüms mischt und in ihrer Detailfreude sogar noch den Club Inferno übertrifft. Durch einen Späti voll mit Süßigkeiten und Hello-Kitty-Fanartikeln gelangt man in die Shoppingmall mit "Goldener Drache"-Imbiss, Dessous-Shop und Nagelstudio, Eckkneipe, Hotel und Nachtclub. Dahinter öffnen sich übergangslos Zimmer von ausgesuchter Geschmacklosigkeit und Verwahrlosung: Poster und Bravo-Schnipsel von Britney, Justin und Madonna verdecken die ausgeblichenen Kinderzimmertapeten, in einer Ecke daddelt ein bleicher Typ Computerspiele, in einer anderen filmen sich Leute dabei, wie sie wortlos die rechten Arme strecken und finden das unglaublich witzig; eine Transe sitzt mit einem Dildo vor ihrer Webcam und aktualisiert ihr Profil auf Chaturbate.
Magnottas Katzen und Spiegel
Katzen(babys) und Spiegel sind Leitmotive dieses fleischgewordenen Vorabend-Trash-Pornos. "Meat" kreist um die Lebenswelten von Eric Clinton Newman alias Luka Rocco Magnotta, jenes kanadischen Pornodarstellers und Escorts, mutmaßlichen Mörders und Kannibalen, der 2012 einen chinesischen Studenten zerstückelte, die Tat als Video ins Netz stellte und die Leichenteile an Politiker verschickte. Zuvor soll er Katzen gequält, getötet und die Taten virtuell verbreitet haben.
Wochen später wurde er in einem Neuköllner Internetcafé verhaftet. So eines, wie es sich zwischen Späti und Mall zwängt, während das porzellanpuppenhafte Manga-Paar vom China-Imbiss, das sich stumm füttert und auch sonst auf synchrone Gesten achtet, wie schon nicht mehr von dieser Welt wirkt. Von Magnotta stammt übrigens auch das Zitat: "If you don't like the reflection. Don't look in the mirror. I don't care."
Bedrohlich – jedenfalls an diesen ersten vier der insgesamt 240 Stunden – fühlt sich hier nichts an, aber natürlich habe ich keine Ahnung, wer sich hinter all den Identitäten verbirgt, hinter dem schnurrenden Typen mit der Katzenmaske und dem großen Teddybären, und als ich mit einem weiteren Typen vor seinem Computer – alle sind sie hier vernetzt über irgendein soziales Netzwerk – über sein Profil auf dem Datingportal Gayromeo fachsimple, setzt sich, wie schon vorher auf Facebook, die Durchkreuzung von realer und gefakter Welt auch virtuell fort.
Selbstbespiegelung
© Matt Lambert
Was dann – ähnlich wie die Geschichte mit dem Geld – ziemlich viel über uns erzählt. Über mich. Weil die Gespräche und Begegnungen mit den Fake-Charakteren immer nur mich reflektieren, meine Interessen und Begierden auf mich zurückwerfen. Dieser Text läse sich vollkommen anders, wenn ihn, wie ursprünglich geplant, eine Kollegin geschrieben hätte. Und bestimmt kann man sich zum Beispiel auch mit den Frauen ganz wunderbar unterhalten, aber irgendwie zündet es nicht so richtig zwischen mir und Rita Bauer, der matronenhaften Sängerin, die von ihren einstigen Erfolgen in Regensburg faselt und von mir einen Drink ausgegeben haben will. Oder zwischen mir und Miami, der Gogo-Tänzerin, die sich eine Weile halbherzig um mich bemüht und der ich dann schließlich einen Sekt bezahle. Bei den drei dicken Blondinen, die Aussehen wie eine Kreuzung aus Barbie und den Jacob Sisters, versiegt der Gesprächsstrom noch schneller. Bei den zwei Freaks, die da stumm in der Sitzecke hocken – er mit rasiertem Kopfmittelstreifen, ihr quillt der Bauch zwischen Oberteil und Jogginghose hervor – hätte wohl auch niemand sonst eine Chance. Plötzlich flüstern sie, schauen, lachen – über mich.
Irgendwann sind die vier Stunden um, neue Leute strömen herein. Niemand bittet mich zu gehen, aber ich fühle mich müde, hatte auch schon früher den Impuls zu gehen, weil es auch anstrengend ist, sich ständig auf neue Menschen, neue Geschichten einzulassen. Außerdem muss ich noch an den Schreibtisch. Also mache ich eine letzte Abschiedsrunde, ich habe wirklich das Gefühl, hier und da leise Servus sagen zu wollen, insbesondere Angel. Ich würde ihm gerne erzählen, wie sehr er mich an einen Freund erinnert, den ich lange nicht gesehen habe. Aber dann stehe ich im Türrahmen zu seinem Zimmer, er textet auf Facebook rum, bemerkt mich nicht und ich komme mir unendlich albern vor, wie ich so sentimental werden kann gegenüber jemandem, der nur eine Rolle spielt.
MEAT
240-stündige Performance-Installation von Thomas Bo Nilsson
Künstlerische Leitung: Thomas Bo Nilsson, mit Borghildur Indriðadóttir, Julian Wolf Eicke und Olga Sonja Thorarenssen; Konzept, Regie, Text: Thomas Bo Nilsson, Produktion: Borghildur Indriðadóttir, Bühne: Thomas Bo Nilsson, Julian Wolf Eicke; Kostüme: Thomas Bo Nilsson, Julian Wolf Eicke, Larissa Bechtold; Video und Web: Dominik Wagner, Sound Design: Dennis Beckmann, Choreographie: Matteo Marziano Graziano, Produktionsteam: Alexandra Tivig, Angela Roudaut, Carolina Duarte, Cecilia Helsing, Christian Kleemann, Dóra Hrund Gísladóttir, Egor Kirpichev, Emanuele Capissi, Ermina Apostolaki, Florian Schneider, Francisca Villela, Halla Mía Ólafsdóttir, Hauke Vogt, Hélène Vergnes, Hrefna Hörn, Ivan Ivanov, Julia Berndt, Kate Jones, Kathrin Mergel, Laurent Pellissier, Lena Stihl, Madeleine Edis, Magdalena Emmerig, Maria Trinka Lat, Matthias Karch, Miren Oller, Ole Schmidt, Órla Fiona Wittke, Rimma Starodubzewa, Sabine Sellig, Tristen Bakker, Vivian Kvitka.
Mit: Adela Bravo Sauras, Anton Perez, Ardian Hartono, Benjamin Mangelsdorf, Borghildur Indriðadóttir, Carolin Mylord, Cesare Benedetti, Charles Lemming, Christian Wagner, Claudia Kandefer, Danilo A. Sepulveda Cofre, Daniel Merten, Dennis Kwasny, Dolly, Dominik Hermanns, Dorothee Krüger, Elisabeth Kudela, Emanuele Capissi, Emiria Snyman, Eva Maria Jost, Eva Marie Bargfeld, Gianni v. Weitershausen, Glenn Crossley, Gregor Biermann, Jens Lassak, Jiwoon Ha, Joanna Nutall, Johannes Frick, Juan Corres Benito, Judith Seither, Julia Effertz, Julia Stina Schmidt, Julian Wolf Eicke, Karsten Zinser, Kay Minoura, Kirsten Burger, Lara Mándoki, Larissa Bechtold, Larissa Offner, Lina Axelsson, Lodi Doumit, Luca Angioi, Marcus Wagner, Maria Polydoropoulou, Marie Polo, Matteo Marziano Graziano, Maximilian Rösler, Mayla Arslan, Mia May, Ming Poon, Nils Malten, Nina Weniger, Olga Sonja Thorarensen, Peter Groom, Peter Sura, Rachel Foreman, Regula Steiner-Tomic, Ria Schindler, Safira Robens, Sophie Reichert, Stuart Meyers, Susana Abdulmajid, Taneshia Abt, Thomas Bo Nilsson, Tim-Fabian Hoffmann, Tomomi Tamagawa, Ute Reintjes, Ya-Hui Kuan, Yoni Downs.
Dauer: Je Slot 4 Stunden, insgesamt 240 Stunden
www.schaubuehne.de
Wenig kann Dirk Pilz in der Neuen Zürcher Zeitung (7.4.2014) mit dieser "detailfreudig" auftretenden Inszenierung anfangen. "Man flaniert zwischen Nagelstudio und seltsamen Maskenmenschen umher, wird angemacht und in Gespräche verwickelt und soll für die vielen offerierten Liebesdienste immer kräftig zahlen: eine Simultanwelt, die so tut, als wüsste man nicht, dass man in einer Spielhölle ist." Das "aufdringliche Bemühen dieser 240-Stunden-Performance darum, den Besucher in Verwirrung zu stürzen, verpufft schnell: Überall schreit einem die Künstlichkeit entgegen."
Als "Brutstätte der Schrumpfstufe 'Online-Mensch'" beschreibt Doris Meierhenrich "Meat" in der Berliner Zeitung (8.4.2014). Nichts sei in der Shopping-Mall seinen Preis wert, genauso wenig, wie in dem Labyrinth aus Darkrooms und Folklorekneipe dahinter, "in dem sich viele kleine Magnottas und Display-Junkies feil bieten". "An die 60 Darsteller in leichten Nachtclubfetzten geistern durch die sprechende Architektur." Leider nur hätten sie selbst außer Pornosucht und Stumpfsinn wenig darzustellen.
"Die Dauerinstallation 'Meat' vom früheren Signa-Szenografen Thomas Bo Nilsson ist ein zwar aufwendiger und liebevoll gestalteter, performativ aber müder Versuch, das Umfeld des mutmaßlichen Mörders und Kannibalen Luka Rocco Magnotta nachzustellen", macht es Tom Mustroph in seinem F.I.N.D.-Rundblick in der taz (9.4.2014) kurz.
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Ihr Murmeltier
Und ich muss sagen, ich kann diesen letzten Punkt total gut nachvollziehen. Man ist sehr wehmütig mit den Leuten, denen man dort begegnet, wenn man sie verlässt, obwohl man weiß, dass sie nur eine Rolle spielen. Selbst bei denen, die ich im "Real Life" kenne, werde ich die Persönlichkeiten vermissen, die sie für diesen Moment verkörpert haben. Es ist eine wundervolle Erfahrung, wenn man offen ist und sich darauf einlässt!
livemeat.tv
(und das ist dann auch garantiert kostenlos)
Denn das Rollenspiel ist das Fundament dieser Welt und da kann es kaum überraschen, dass sich der Besucher bald dabei erwischt, selbst in Rollenkategorien zu denken und sich selbst Masken aufzusetzen, Geschichten zu erfinden, Ich-Partitionen abzuspalten und in die Waagschale der Identitätstransaktionen zu legen. Denn jeder Blick, jedes gescheiterte und erfolgreiche Gespräch, jeder über das rein Verbale hinausgehende Kontakt, rückt das eigene Selbstverständnis, die Selbstdefinition als Ungeteiltes und Unteilbares, als Individuum also, in den Fokus und stellt es in Frage. Denn sind wir Internet- und Realwelt-Bewohner nicht selbst genauso fragmentierte Wesen und Rollenspieler wie diese Projektionsflächen und Abziehbilder, ist der Weg zur Welt des Luke Magnotta womöglich ein viel kürzerer, als uns lieb sein könnte? Dieser Rezensent zumindest konnte sein Fremdeln mit dieser Welt nicht ganz ablegen und fand doch mit Erstaunen und leichtem Entsetzen zurückgezogen, lange nachdem er sich ihr vermeintlich entzogen hatte. Da rattert die Möglichkeitsmaschine, türmen sich die Fragen nach dem eigenen Handeln und Nichtstun, nach freiem Willen und Sehnsüchten, nach Ich und Rolle. Es ist vielleicht die Nachwirkung, dieses Mikrokosmos, welche die Wirkung von MEAT ausmacht, der schale Nachgeschmack, das Gefühl, diesen dunklen Unterleib des Lebens jetzt irgendwie mitzuschleppen, weil man irgendwie selbst ein ganz kleines bisschen dazu gehört. Ein besonders beruhigendes Gefühl ist das nicht.
Komplette Kritik: stagescreen.wordpress.com/2014/04/07/leben-im-unterleib/
www.iheartberlin.de/2014/04/07/meat-me-at-the-mall-a-review/
Ich will nicht mitspielen müssen.
Ich will, daß die Geschichten im Theater ohne mich auskommen können. Ich finde es spießig, daß man im Theater immer nur in Spießerhöllen und schwitzige Erotikparadiese geführt wird, wenns mal verrucht und abgründig werden soll.
Scheißmittelstandstheaterleute und ihre Scheißmittelstandserotikfantasien.
danke für diesen unglaublich gute Beschreibung der Installation! Sie hat mir viele Worte gegeben, die ich nach dem Besuch nicht für mich selbst formulieren konnte.
Was Thomas Bo Nillson und sein Team dort geschaffen haben ist eine seltsame Zwischenwelt, die sich von unserer gar nicht so sehr unterscheidet und dennoch eine unglaubliche Anziehungskraft hat. Doch am erstaunlichsten ist es, wie wir selbst in diesen Räumen immer wieder auf uns selbst zurückgeworfen werden, wie wir hin und her schwanken zwischen Beobachter, Detektiv, Begehrender und Fan. Und uns dabei recht oft unwohl und albern fühlen. Immer wenn man denkt "Es ist ja eine Theaterinstallation, das ist alles nur ein Spiel" begegnen einen Performer, die so unglaublich authentisch sind wie z.B. Sascha Fuchs, der uns entgeistert anpflaumt, wie wir einfach so in sein Schlafzimmer kommen können, ohne anzuklopfen oder Situation, die einen zurückschrecken lassen, z.B. als meine Freundin eine Jacke anprobiert, damit durch die Räume läuft und plötzlich von Alexis an die Wand gedrückt wird "This is my jacket you fucking bitch. You stole it! Give it back!".
Und somit ist es doch kein Spiel: was draußen, auf den Straßen von Berlin geht, dass geht auch da drinnen. Wenn du irgendwo eine fremde Jacke anziehst, kriegst du Hausverbot. Wenn du in "meat" eine fremde Jacke anziehst, schmeißt dich der Barkeeper raus. Und somit ist "meat" nur ein Ballungsraum in dem wir uns selbst in 4 Stunden reflektiert sehen: an was und wen sind wir interessiert, was trauen wir uns, wieviel Geld sind wir bereit zu geben und wie sehr verlangt es uns nach Kommunikation, nach Vernetzung, nach Aufmerksamkeit. Und somit sehen sich auch die etwas gelangweilten Leute, die nach einer halben Stunde wieder rausgehen, reflektiert. Es sagt viel über einen Menschen aus, ob "meat" ihn anzieht oder abstößt. Was besser oder schlechter ist, vermag niemand zu sagen.
Zunächst einmal wurde mir klar, dass zu keinem einzigen Moment das konkrete MEAT-Theaterangebot den Wunsch in mir wecken konnte, es wahrzunehmen, (obgleich mich die Schaubühne gerade sehr interessiert) sondern einzig und allein Kaschs Beschreibung davon, wie es auf ihn gewirkt hatte. Es hat also eher die Beschreibung einer Angebotswirkung in einen – und auch noch schwach ausgebildeten – Wunsch geführt als das Theater-Angebot, mich in einer installierten Double-Wirklichkeit aufzuhalten. Und durch Ihren Beitrag komme ich also darauf, warum das so war/ist: ich habe kein Interesse eine Wirklichkeit „drinnen“ installiert zu bekommen, die ich „draußen“ genauso wahrnehmen kann wie sie drinnen dargestellt wird. Wenn ich Theater wahrnehme, habe ich Interesse daran, eine VORSTELLUNG besichtigen zu können, eine Welt-Vorstellung anderer, die mir hilft meine eigene Vorstellung von der Welt entweder zu schärfen, oder sie ad absurdum zu führen oder überhaupt gar erst in Gang zu setzen. Das in Gang setzen hat also Kasch geschafft, es hat also indirekt durch Theater funktioniert, nicht direkt. Das heißt, durch diese Art von Theater kann Publikum reduziert werden auf zur Not einen einzigen kompetent beschreibenden Besucher um seiner Funktion gerecht werden zu können...
Ich glaube, die Kunst-Installateure hätten mit mir als Besucher große Schwierigkeiten, weil ich immer sogleich die Hand aufhalten würde und von ihnen Kohle sehen wollen würde, sobald sie mit mir interagieren wollten: dafür, dass ich mich in ihre Kunst-Räume begebe und deren genaue Wirklichkeits-Abbildung bestaune, dafür, dass ich ihre gut getarnte Echtzeit-dramaturgische Vernetzung lobe, dafür, dass sie mich ansehen, anfassen, anmachen dürfen – ich würde sie einfach spiegeln – und das wäre dem handwerklichen Aufwand gegenüber und den Besuchern, die einen Lust-Gewinn aus dem Besuch der Installation ziehen, sehr ungerecht… Meine Lust bestünde darin, dieses Theater einfach auszuschalten- Ich wollte am Ende des Besuches wenigstens meinen Einsatz (Fahrkosten/Eintritt) wieder raushaben wollen. Das geht mir wenn ich Ausstellungen oder ein Museum besuche nie so. Da bereue ich den Einsatz auch dann nicht, wenn ich mal enttäuscht bin. Beim Theater geht es mir so. Und ich möchte gern vom Theater eine Antwort darauf, warum das so ist. Also nicht an mich. Ich kenne die Antwort. Das Theater kennt sie, so glaube ich, nicht, bestenfalls sucht es danach. Herr Kasch, gehen Sie da nochmal hin?
Dieses Theaterangebot ist ein außerordentlich geglücktes und wer immer die performte Installation programmatisch zu verantworten hat, das scheint mir als Bühnenentscheidung preiswürdig. Aus folgenden Gründen:
1.MEAT ist eine 0-Punkt-Theater Installation, kein 0-Punkt-Theatertext
2.MEAT zwingt Publikum durch die installierte gedoubelte Wirklichkeit des Draußen in das Wahrnehmen eines Unbehagens am eigenen Begehren in einer durchkapitalisierten Welt
3.Es zwingt Publikum dadurch, dass es Draußen in ein umfangreiches, aber doch geschlossenes Drinnen verlagert, eine ethische Entscheidung über Ästhetik zu treffen – entweder: nehme ich (mehr oder weniger) an oder: verlasse ich (früher oder später).
4.Im Draußen kann solcher Zwang nicht bis nicht ohne große (diktatorische) Anstrengungen erzeugt werden, weil hier Publikum immer die Möglichkeit hat auf andere Orte, Milieus, Triebe auszuweichen, zwischen ihnen zu alternieren usw., um dem Unbehagen am eigenen Begehren in einer durchkapitalisierten Welt zu entgehen.
5.MEAT zwingt also Publikum, zurückgeworfen auf sich und sein Begehren, in Überlegungen entweder sich selbst oder das Draußen zu ändern. Wenigstens dort, wo es aussieht und sich anfühlt wie das installierte Drinnen.
Das erzeugt eine revolutionäre Ausgangssposition.
6. Es zwingt Leute, die normalerweise keine ästhetischen Überlegungen anstellen, welche anzustellen und Fachleute in die Disziplinierung von Ästhetik.
7.
Das alles ist aus meiner Sicht ein Ergebnis von Theater-Arbeit, das keine Wünsche an Theater-Programmatik auf momentaner Zeithöhe offenlässt. Auch dann, wenn ich es nicht selbst wahrnehme oder – aus welchen Gründen immer - wahrnehmen muss.
Dank also dem Arbeits-Team und Gratulation an die Programmatiker.
Wer irgendetwas davon zitieren will, kann es mir zur Unterschrift vorlegen, unterschreib ich gern mit meinem Namen.
(PS: War die Performance eigentlich auch von Hartmann an die Burg gebucht??? - na also)
1. keine Bezahlung
2. schlechte Verpflegung
3. kaum Rückzugsgebiete, geschweige denn Schlaf
4. nächtliche Übergriffe von angetrunkenen Besuchern
5. kaum Sicherheitsvorkehrungen
6. kaum Instruktionen, geschweige denn ein Konzept
7. die Preise bekommt der Chef
Liebes ?. ich rede hier von den Darstellern.
Ihr !
(Liebes ?, eigentlich ist ein ?-Kommentar online. Falls noch ein zweiter gepostet wurde, kam er hier nicht an. Viele Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt)
In those last minutes of the performance, where there was no longer any spectators in the room, each of us was left alone to bide our own farewells to the performance and to our characters. We understood that what we gave life to 10 days ago, must now come to an end. As I looked on Joel’s lifeless body before me, I was reminded that my own character would also become a piece of meat without life. In fact, I must now confront and come to terms with my own character’s death.
In a different room somewhere, someone is singing Donna Summer’s ‘Last Dance’. It sounded so faraway, like it was from another world. And that world could not touch me. At least not for now. While that world was singing and dancing, I was frozen within this suspended moment as I contemplated the end of things. Levin’s hand was gently stroking Joel’s body, as if to say: don’t leave so soon, stay just a while longer. I too was reluctant to let my ‘Joel’ go. I wanted to live a little longer, to continue my story a little further. If the performance were to go on, I might have found happiness, I might go away in search of a better life, I might make new friends or learn to love truly and fiercely. But obviously all this would not happen. It all had to end tonight.
60 invented lives came to an end that night. We shared a collective sense of destiny and finality. It was a tremendous feeling. There was total silence. Some cried, some stared, some stood tall, some held hands, some collapsed, some smiled. And all the while, the dancers were gyrating their hips furiously, trying to squeeze out every remaining drops of sensuality contained within their bodies. Without any outside spectators, we became the only witness to each other’s silent desires and hopes. We were the last 60 spectators. There was ultimately something touchingly beautiful about seeing each of us confront our character’s death. Perhaps because death is always a very intimate and personal affair, or perhaps because we were stripped of our vanities and superficial trappings in the face of death. In that moment, I realised that ultimately we were all just a piece of meat.
Quietly, I slipped out of the room so as not to disturb the others. I emerged feeling a little bit more human."
Ming Poon.
Find ich überhaupt nicht. Ich habe viele Signa shows in den letzten Jahren gesehen. Für mich war MEAT was ganz anderes und eine größere Herausforderung für die Zuschauer. Du bekommst nur ein Bruchstück der Geschichte und musst in deiner Aufenthaltszeit in der Installation die Puzzelstücke suchen und zusammensetzten. Ich habe insgesamt 12 Stunden in der Installation verbracht und jede Minute hat mich mehr in die Story und Dramaturgie reingezogen. Is vielleicht einfach Geschmackssache.