Kultur ist keine Handelsware

11. Juni 2014. Burkhard C. Kosminski, Schauspielintendant des Nationaltheaters Mannheim, warnt in einem Offenen Brief an die Spitzen der deutschen Kulturpolitik vor den Auswirkungen der Schuldenbremse ab 2020 und ruft zu einem Gespräch über die "Sicherung der Kulturnation Deutschland" und der deutschen Theaterlandschaft auf.

Verbunden mit einer Einladung zu Diskussionen am Mannheimer Nationaltheater schreibt Kosminski an die Bundesministerin für Bildung und Forschung Johanna Wanka, die Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters sowie die Baden-Württembergischen LandesministerInnen Theresia Bauer (Wissenschaft, Forschung und Kunst) und Andreas Stoch (Kultus, Jugend und Sport) über die aktuelle Lage: "Die Kultur erlebt einen Bedeutungsschwund in erschreckendem Ausmaß; die öffentlichen Diskussionen sind von Fatalismus geprägt; die Demokratie scheint auf diese Herausforderungen nur schleppend zu reagieren. Die Schuldenbremse, die es Bund und Ländern zwingend vorschreibt, von 2020 an keine Schulden mehr zu machen, wird die fatalen Konsequenzen der jetzigen Entwicklung schlagend deutlich machen: Es gibt keine Ziele mehr jenseits des Sparzwangs."

Für eine neue Wertedebatte

Die Situation werde "für viele Theater lebensbedrohlich", schreibt Kosminski und stellt die Existenzbedrohung in den Kontext einer allgemeineren Krise der Öffentlichkeit, zu der auch die "dramatische Krise der Printmedien" gehöre, die sich gerade in der größten Entlassungswelle in der Presse seit Kriegsende manifestiere. "Theater, Kunst und Zeitung sind Refugien kritischer Selbstreflexion, ohne die es keine Meinungs- und Willensbildung geben kann, ohne die die Demokratie selbst ihren Wert verliert", schreibt Kosminski und lädt die Politiker ein, gemeinsam "eine neue Wertedebatte zu führen, jenseits der zynischen Finanz- und Rentabilitätsdiskussion". In dieser Debatte seien Bildung und Kultur nicht voneinander zu trennen: "Der Rückzug der Schulen in den 80er Jahren aus dem musischen und kulturellen Fächerkanon schlägt jetzt als kulturelles Defizit in diesen Generationen zurück."

Einige Vorschläge stellt Kosminski bereits vorab zur Diskussion, etwa die Umwidmung des Solidaritätszuschlags zur künftigen Verwendung für Bildung und Kultur und die Einbeziehung der Printmedien in den Rundfunkbeitrag. "Diese Steuer sollte kritischem Journalismus und der Medienvielfalt nutzen und nicht nur den Sendeanstalten und ihren Rentenempfängern." Zudem fordert er, die Kultur aus dem angebahnten Freihandelsabkommen mit den USA herauszulösen (siehe hierzu auch die nachtkritik.de-Berichterstattung). "Kultur ist keine Handelsware", so Kosminski.

Hier der Offene Brief im kompletten Wortlaut.

(chr)

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