Presseschau vom 24. Juni 2014 – Die Süddeutsche Zeitung feiert das Berliner Prime-Time-Theater, das vor zehn Jahren gegründet wurde, als neue Art des Volkstheaters

Gute Zeiten im Wedding

Gute Zeiten im Wedding

24. Juni 2014. Vor zehn Jahren gründeten Constanze Behrends und Oliver Tautorat im Berliner Wedding das Prime-Time-Theater, dessen 91. Folge von "Gutes Wedding Schlechtes Wedding" derzeit läuft und von der Süddeutschen Zeitung gefeiert wird.

"Erfunden hat die Kunst der gut gelaunten Hipster-Schmähung vor ziemlich genau zehn Jahren das kleine Berliner Prime-Time-Theater". Seitdem könne man in diesem nicht übertrieben subtilen, aber ausgesprochen menschenfreundlichen Volkstheater zuverlässig sehen, wie die Stadt so tickt, schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (24.6.2014).

Zum Jubiläum, zehn Jahre und drei Umzüge später, habe das Theater 230 Plätze und rund 50000 Zuschauer im Jahr, und "schmückt die meistens ausverkaufte Bühne mit einem Banner, das sich recht schamlos ans Publikum rankumpelt: 'Janz lieben Dank für Eure Treue!' Das passt, schon weil dieses Publikum entschieden heterogener und entspannter ist als etwa das der Volksbühne. Die Prime-Time-Zuschauer haben zu einem erheblichen Teil ihre Liebe zum Theater gerade erst hier entdeckt."

Das Prime-Time-Theater mache sehr witzig und charmant Theater mit Fernsehformaten, Vorstellungsbeginn um 20 Uhr 15, eben zur Primetime. Alle sechs Wochen habe eine neue Folge der Endlos-Theater-Soap "Gutes Wedding Schlechtes Wedding" Premiere. Das Figurenpanoptikum spiele lässig mit Klischees, die fünf Schauspieler wechseln rasant ihre Rollen. "Aber weil die Boulevard-Profis ihre Pappenheimer offenbar genau kennen, entsteht ein Berliner Mikrokosmos, eine Art Stadtsoziologie mit Mitteln des Entertainments."

Gegründet haben Constanze Behrends und Oliver Tautorat das Theater in einem winzigen Gewerberaum, "ohne Geld, ohne Subventionen, ohne reiche Eltern, komplett auf eigenes Risiko. Künstler-Allüren kann man sich da nicht leisten, aber die hatten die beiden ohnehin nie nötig." Und weil sie sich keine Aufführungsrechte leisten konnten, schrieb Constanze Behrends die Stücke. Das mache sie immer noch.

So charmant und bodenständig ihr Theater daherkomme, Behrends und Tautorat wissen, was sie wollen und nicht wollen. "Die Haltung: Selbstbewusstsein statt Sozialkitsch, trotziger Optimismus statt Larmoyanz." Fazit: "Das Prime-Time-Theater hat sich mit nicht viel mehr als Spielfreude, Talent und jeder Menge Arbeit sein eigenes Genre, sein eigenes Publikum und seine eigenen Stilmittel geschaffen. Theaterkrise? Woanders vielleicht, nicht bei ihnen. Wie es aussieht, ist im Wedding, zwischen Pfandleihen, Dönerbuden, zwei Automaten-Spielsalons und dem Zweckbau der Berliner SPD-Zentrale ein kleines, tolles Theaterwunder entstanden. Das hat viel mit der Haltung der Macher zu tun."

(sik)

 

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