Theaterkönig

14. Juli 2014. Der Schauspieler Gert Voss ist tot. Wie das Burgtheater mitteilt, dessen Ensemble er seit 1986 angehörte, starb Voss gestern, Sonntag, den 13. Juli, nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren in Wien.

Geboren am 10. Oktober 1941 in Shanghai, verbrachte Gert Voss seine Kindheit und Jugend am Bodensee und studierte Germanistik und Anglistik. Von 1964 bis 66 nahm er privaten Schauspielunterricht bei Ellen Mahlke; nach ersten Engagements in Konstanz, Braunschweig und München (Residenztheater) und bei Hans-Peter Doll in Stuttgart ging Voss mit Claus Peymann erst nach Bochum, dann 1986 nach Wien, wo er im selben Jahr als Richard III. auf die Bühne trat.

gert-voss 280Gert Voss © Reinhard Kraasch/Wikipedia"Gert Voss eroberte vor 28 Jahren mit dem Griff nach der Krone als Richard III. die Burg und aus dieser Eroberung wurde sofort eine Leidenschaft, eine Leidenschaft zwischen dem Theaterkönig und dem Wiener Publikum", wird Burg-Interims-Intendantin Karin Bergmann in der Pressemitteilung zu Voss' Tod zitiert, und weiter: "In den folgenden Jahrzehnten trug Gert Voss diese Krone immer, egal ob er Könige oder Bettler, Shakespeare oder Beckett, Bernhard oder Handke, Tschechow oder Tabori spielte. Der Spieler-Titan war im Theaterolymp angekommen. Mit Gert Voss verliert das Burgtheater einen virtuosen Charakterdarsteller mit phänomenaler Strahlkraft."

"Richard III." wurde 1987 zum Berliner Theatertreffen eingeladen, gemeinsam mit Claus Peymanns Inszenierung von Thomas Bernhards "Ritter Dene Voss" für Ilse Ritter, Kirsten Dene und Gert Voss. Voss erhielt im Lauf seiner langen Karriere zahlreiche Auszeichnungen wie den Gertrud Eysoldt Ring 1988, den Fritz Kortner Preis 1992, den Nestroy Preis 2000; er war außerdem Träger des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse, des Goldenen Ehrenzeichens der Stadt Wien und des Goldenen Verdienstzeichens der Stadt Salzburg. In der jährlichen Kritikerumfrage der Fachzeitschrift "Theater heute" wurde er sechs Mal zum "Besten Schauspieler" gewählt.

Enge Zusammenarbeiten verbanden ihn insbesondere mit Peter Zadek und George Tabori – im Mai 2014 stand er anlässlich des 100. Geburtstages von Tabori in einem von seiner Frau, der Dramaturgin Ursula Voss, eingerichteten Abend gemeinsam mit Ignaz Kirchner zum letzten Mal auf der Bühne (des Wiener Akademietheaters), meldet das Burgtheater. "Der Abend hätte im September wiederholt werden sollen."

In einer Pressemitteilung seines Berliner Ensemble schreibt Claus Peymann am Montagnachmittag zum Tod von Gert Voss: "Mit ihm ist der wichtigste Weggefährte meiner Theaterarbeit verschwunden." Das europäische Theater habe einen seiner ganz Großen verloren. "Möge er sich im Theaterhimmel zusammen mit Josef Kainz, Orson Welles und den anderen Auserwählten von den Anstrengungen und der Unruhe seiner unstillbaren Leidenschaft erholen. (...) Ich könnte heulen. Farewell!"

(Burgtheater Wien / sd)

Mehr lesen? Ein Nachruf auf Gert Voss von Dirk Pilz.

Auf großer Bühne stand Gert Voss zuletzt in Luc Bondys Molière-Inszenierung Tartuffe, die im Mai 2013 im Rahmen der Wiener Festwochen Premiere im Burgtheater hatte.

mehr meldungen

Kommentare  
Gert Voss: entsetzliche Leere
Eine entsetzliche Leere in einer Theaterlandschaft, die ihn jetzt gerade so dringend gebraucht hätte, hinterlassend. Ein Schauspieler, der die Faszination des Theaters über die Rampe bringen konnte, der niemand von seinen Streifzügen durch die Charaktere seiner Figuren unberührt ließ. Ich bin zutiefst traurig. Es hatte nach seinem letzten Auftritt zu Taboris Geburtstag noch so positiv ausgesehen-
Gert Voss: ein ganz Großer
Ein ganz großer tritt ab.
Ich werde seine Goldberg Variationen nie vergessen!
Gert Voss: Bochumer Erinnerung
Als Student in Bochum war ich von Voss´ Kunst überwältigt. Im Zusammenspiel mit Kirsten Dene entstanden diese magischen Momente auf der Bühne, die nicht häufig vorkommen. Die Abgründe und Sehnsüchte selbst zwiespältiger oder gar negativer Figuren ließ Voss menschlich erscheinen, die Sympathieträger bekamen Risse und wurden fragwürdig. Dies alles geschah mit einer Leichtigkeit, fast so, als hätte Voss diese Wesen in sich und könnte sie freilassen, ganz nach Belieben. Ich weigere mich eigentlich, Superlative zu verwenden, aber für Gert Voss habe ich eins, das ich ihm hinterlassen möchte: Mit einer Begabung gesegnet, die nicht von dieser Welt schien. Was machen wir nun ohne ihn?
Gert Voss: groß unter den Größten
Ein Grosser unter den Grössten !! Ruhe in Frieden !!
Gert Voss: jenseits unserer Sphäre
Dass er überhaupt jemals sterben könnte, ist fern jeder Vorstellungskraft, allenfalls jener, über die Gert Voss verfügte, wenn er sich die Rollen anverwandelte und damit jenseits unserer Sphäre zu existieren schien. Also weigere ich mich, seinen Tod zu glauben, sondern erwarte ihn weiter sehnsüchtig.
Gert Voss: einfach denken
Das ist ja Scheisse! Denken wir einfach wie Kommentar 5.
Gert Voss: Stückmittschnitte?
was können diejenigen tun, die ihn nie live sehen durften? auch wenn abgefilmtes theater etwas sehr anderes als live theater ist - falls jemand einen tip hat, wo man gerd voss sehen kann, in stückmitschnitten, wäre ich sehr dankbar.
Gert Voss: prima Kerl
Nicht nur ein ganz ganz großer Schauspieler, sondern auch ein prima Kerl, was oft nicht zusammen geht. Aber, wir wissen ja, so kommts!
Gert Voss: auch im Fernsehen großartig
@7: Nicht nur im Theater, selten, aber auch im Fernsehen großartig: Gert Voss in Dominik Grafs "Dr. Knock".
Gert Voss: Aufzeichnungen
@7
Es gibt viele Aufzeichnungen seiner Arbeiten auf DVD bei HOANZLshop.
Gert Voss: Aufzeichnungen II
Suchend? In der Edition Burgtheater von Hoanzl: "Elisabeth II.", "Rosmersholm", "König Lear", "Ritter, Dene, Voss", "Othello", "Der Kaufmann von Venedig" und vor allem, unverzichtbar, Voss zivil auf "Scheitern, scheitern, besser scheitern!" mit Harald Schmidt in der filmedition suhrkamp. Voss war auf der Bühne stets präsenter als im Film, aber wenn es doch auch ein Film sein soll: Axel Cortis mehr als vierstündige Verfilmung von Joseph Roths "Radetzkymarsch" mit Gert Voss in der kleinen Rolle des Grafen Chojnicki (mit polnischem Akzent).
Gert Voss: Zu viele
Zu viele große Künstler verlassen gerade für immer die Bühne. Ich bin dankbar, dass ich Gert Voss ein paar Mal erleben durfte. Am stärksten in Erinnerung bleib sein Doppel mit Ignaz Kirchner in Taboris Endspiel-Inszenierung. Er wird vermisst. Schon jetzt.
Gert Voss: Hinweis
Das Gespräch mit Harald Schmidt wird komm. Samstag morgen auf 3sat wiederholt.
Gert Voss: Was für ein Verlust!
Der Schauspieler, der mir als Zuschaueranfänger vor Augen geführt hat, was Theater kann.
Kaufmann von Venedig, Ivanov, Othello, Goldbergvariationen, Ritter Dene Voss…
Oftmals überwältigt gewesen von diesem großartigen Bühnenkünstler.
Was für ein Verlust!
Kommentar schreiben