Interview mit dem Bochumer Intendanten Elmar Goerden
"Ich bin kein Siegelwahrer"
von Christian Rakow
Bochum, 5. November 2008. Das Treffen findet im Malersaal des Bochumer Schauspielhauses statt. Zwischen halbfertigen Requisiten tritt Elmar Goerden hervor, in unfitted Jeans und weißem T-Shirt, die Hände sind noch mit Farbe befleckt. Sein Lächeln ist entspannt: "Wenn es die Zeit erlaubt, bin ich gern hier und arbeite an meinen Bildern." Eines sehen wir uns an. "transport of summer/verpackungsplan", eine Ferienerinnerung an Italien, 2 mal 3 Meter groß, in flächigem Weiß, durch das an manchen Stellen der rote Grund hervorbricht. "Ich arbeite auf Holz, weil es grob ist. Ich brauche beim Malen einen Widerstand." Es sind abstrakte, expressive Künstler, mit denen er sich auseinandersetzt: Cy Twombly, Mark Rothko oder Anselm Kiefer. Wir wechseln in einen kleinen Aufenthaltsraum. Nein, "nachtkritik" habe er selbst noch nicht besucht. "Aber unsere jüngeren Schauspieler lesen sie viel und erzählen davon."
Wie das deutschsprachige Theater das Verhältnis von Geschichte und Gegenwart behandelt
Im Klammergriff des Für und Wider
von Dirk Pilz
Oktober 2008. Es gibt in Nicolas Stemanns Inszenierung Die Räuber eine prägnante Szene, in der vier verschwitzte Männer an der Stahlblechrampe thronen und im Chor "Freiheit!" skandieren. Die vier Herren leihen ihre Körper hier dem revoltierenden Karl Moor, der unter Freiheit die Lossagung von jeglicher Tyrannei begreift. Die nächste Sequenz dieses im Sommer bei den Salzburger Festspielen herausgekommenen und jetzt ans Hamburger Thalia Theater übernommenen Abends ist dagegen ein wildes Stimmen-Wirrwarr desselben Chorquartetts, das sich um den Satz "Ich will alles um mich her ausrotten" windet. Es ist ein Wutausruf des Karl-Bruders Franz, der Freiheit als Freibrief zur grenzenlosen Selbstdurchsetzung begreift.
Zur versuchten Wegschaffung des Intendanten Stephan Märki aus Weimar
Ein Märchen aus Thüringen
von Nikolaus Merck
Berlin, 8. Oktober 2008. Wir lieben Weimar!
Kaum hat die Stadt das Haus der Frau von Stein (Goethe! Lotte! Werther!) an einen spanischen Kunsthändler verkauft, der dort angeblich Salvador Dali ausstellen will, was zweifelsfrei der Stadt von Klassik, Bauhaus und Buchenwald gerade noch gefehlt hat, kaum also hat sich das geistige Butzenscheibenstädtchen den Zorn der Bildungsbürger links und rechts von Elbe und Ilm zugezogen, stampft es in den nächsten Fettnapf rein.
Reichlich Faust-Inszenierungen in der zu Ende gehenden Ballsaison
Im Strudel der Leistungsgesellschaft
von Dirk Pilz
Juli 2008. Als im Juni 1797 Schiller eine frühe Fassung von Goethes "Faust" liest, wird ihm schwindelig. Denn für die "hoch aufquellende Masse" dieses Stoffes, schreibt er an den Freund, wüsste er "keinen poetischen Reif", der ihn zusammenhält. Goethe bedankt sich für die "Bemerkungen" und verspricht, dafür Sorge zu tragen, dass beide Tragödienteile "anmutig und unterhaltend sind und etwas denken lassen". Er hat sein Versprechen gehalten: Der "Faust" ist auch ein im besten Sinne unterhaltendes Stück Theaterliteratur.
Erfahrungen bei der Arbeit in der Jury des Berliner Theatertreffens
Am besten Bemerkenswert
von Hartmut Krug
Berlin, Juni 2008. Berichte von der Juryarbeit für das Theatertreffen gleichen nicht selten folkloristisch-ethnographischen Schilderungen. Da ist von überfüllten Zügen und einsamen Hotelaufenthalten, von Termin-Hetze und Reise-Stress, von Publikumsirritation oder (natürlich falschem) Abonnentenjubel die Rede. All das aber unterscheidet sich nicht vom Alltag eines reisenden, normalen Theaterkritikers. Was die Reisearbeit der Theatertreffen-Juroren besonders macht, das ist vor allem der auf jedem einzelnen Juror lastende Erklär- und Rechtfertigungsdruck. Er droht nicht nur von der gesamten Fachszene, die die endgültige Auswahl kommentiert, kritisiert und analysiert, sondern jeder Juror empfindet ihn von Anfang an, gegenüber sich selbst und gegenüber den Jurykollegen.
Beim Stuttgarter Symposium "Theaterkritik heute" wurde über Kritiker- und Kritikenmangel diskutiert
Gebt ihm mehr Platz, dem Hund!
von Andreas Jüttner
Stuttgart, 30. Mai 2008. "Schlagt ihn tot, den Hund, er ist ein Rezensent" – das ist von Goethe, aber eindeutig von vorgestern. Zwar mögen mitunter noch heute Künstler mit ihren Kritikern hadern. Theaterpragmatiker hingegen jammern weniger darüber, dass die Kritik sie zu hart anfasst, sondern darüber, dass der Kritik in vielen Medien immer weniger Platz eingeräumt wird. So kam es zu einem seltenen Schulterschluss zwischen Kritikern und ihren Gegenübern aus den Pressestellen und Dramaturgien beim Stuttgarter Symposium "Theaterkritik heute".
Pressekonferenz im Schauspielhaus Bochum – Elmar Goerden übernimmt die Verantwortung
Kammerspiel mit Mikrophon
von Regine Müller
Bochum, 30. Mai 2008. Ein fatalistischer Schicksalston war schon im Einladungstext zu diesem Pressegespräch auszumachen: "Das Bochumer Schauspielhaus ist immer größer als der amtierende Intendant", ließ Elmar Goerden sich darin zitieren. Die Einladung zum Pressegespräch flatterte am Morgen nach der abendlichen Kurzmeldung herein, in der nur kurz bekannt gegeben worden war, dass Goerden sich entschieden habe, für eine Vertragsverlängerung über die Spielzeit 2009/2010 hinaus nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Elmar Goerdens Erklärung im O-Ton
Wie es ist
von Elmar Goerden
Bochum, 30. Mai 2008. Die Entscheidung war schwer. Die Gründe sind einfach, wiegen darum aber nicht weniger schwer. Die Personalie Goerden wirft einen zunehmend großen Schatten auf das Bochumer Schauspielhaus. Weder der Intendant noch der Regisseur werden seinem künstlerischen Ruf gerecht. Im Gegenteil, meine Arbeit schadet augenscheinlich der Reputation der Theaterstadt Bochum. Ich muss Sie von diesem Befund nicht erst überzeugen, stammt er doch größtenteils von Ihnen. Ich bin lang genug am Theater, um zu wissen, dass Kritik und Objektivität zweierlei sind.
Theater ohne Autoren: Ist die Zukunft dramatisch? – Vortrag zur Eröffnung des tt08-Stückemarkts
Stockhausens Schrei
von Joachim Lux
7. Mai 2008. Theater ohne Autoren: Ist die Zukunft dramatisch? – Die Frage klingt schon wieder nach Krise, Untergang und Waldsterben. Keine Angst und auch keine Hoffnung: ich mache hier nicht die Kassandra für den angeblich oder wirklich vom Untergang bedrohten Autor. Im Gegenteil: ich möchte aufräumen und die Fenster aufreißen. Denn die Debatte um das Theater und seine angeblich immerwährenden Krisen ist weitaus verblödeter als das Theater in seinen Hervorbringungen. Sie klebt immer noch an Vorgestern. Die Klischees, mit denen Theaterleute und ihre sich antilobbyistisch gerierende kritische Lobby gern hantieren, ermüden seit langem.
Flamings oder Genießen Sie das Puppenspiel in Internetforen solange es noch geht
Nische oder Netiquette!
von Andreas Horbelt
2. April 2008. Ein berühmter Cartoon aus dem Magazin The New Yorker, schon 1993 erschienen, zeigt zwei Hunde vor einem Computer. Der eine sagt zum anderen: "On the internet, nobody knows you're a dog."