Medienschau: Handelsblatt – System Theater in der Krise?
"Großstrategie des Durchwurschtelns"
"Großstrategie des Durchwurschtelns"
24. August 2024. Üppiges Steuergeld für ein Angebot, das viele gar nicht mehr annehmen wollten: Hans-Jürgen Jakobs attestiert der deutschen Theaterlandschaft im Handelsblatt ein Problem, das eine kulturpolitische Neuorientierung notwendig erscheinen lasse.
Schleichende Publikumskrise
Jakobs beruft sich dabei auf Rainer Glaaps Publikation zum "Publikumsschwund", die "über sieben Jahrzehnte hinweg statistisch Dramatisches" festhalte: Die Zahl der Theaterbesuche habe sich seit 1956 auf 18,6 Millionen fast halbiert, während die Bevölkerung Deutschlands in der gleichen Zeit von 71,4 Millionen auf 83,2 Millionen gewachsen sei.
Für "Kulturinfarkt"-Autor Dieter Haselbach weist das auf eine Krise hin, in der die Theater ihr Publikum nicht mehr erreichten. Auch für Birgit Mandel von der Universität Hildesheim, die in einer Umfrage 2020 ermittelte, dass das Stammpublikum der Theater seit seit 1989 nicht mehr gewachsen, die Zahl der Abonnenten aber weiter gesunken sei, gebe es aktuell eine "schleichende Publikumskrise".
Ende der Überförderung versus Erhalt des Erbes
Der Zuschuss der Länder und Kommunen, die jährlich insgesamt 4,6 Milliarden Euro für die staatliche Theaterförderung ausgäben, sei von 15 Euro in der Spielzeit 1956/57 um mehr als das Zehnfache auf 157 Euro in der Saison 2018/19 gestiegen. "Im Klartext", so Jakobs in seinem Artikel vom 23. August (€) : "Mit immer mehr Steuergeld wird ein Angebot aufrechterhalten, das viele in dieser Form gar nicht mehr goutieren."
Während Haselbach der staatlichen Förderung eine "Umverteilung von unten nach oben" attestiert und eine Flexibilisierung der Theaterlandschaft fordert, ruft der Bühnenverein ins Gedächtnis dass sich der Betriebszuschuss zwar verzehnfacht habe, vor allem aufgrund gestiegener Kosten für Personal und damit für die Sicherung von Arbeitsplätzen, – dass sich im gleichen Zeitraum aber auch die Höhe des Bruttoinlandsprodukts vervierzigfacht habe. Und der bayerische Minister für Kultur und Wissenschaft, Markus Blume, betont, dass eine staatlich geförderte lebendige Theaterlandschaft zu einem – qua Verfassung als Kulturstaat definierten – Bundesland wie Bayern dazugehöre.
Ein Auflösen der etablierten Strukturen, um Kosten zu sparen, versus Erhalt der Weltkulturerbe-Landschaft Theater: "Öffentlich will sich kaum jemand für eine solche Systemrevolution starkmachen", so Jakobs in seiner Bestandsaufnahme. Zu beobachten sei in der Praxis "eine Großstrategie des Durchwurstelns".
(Handelsblatt / eph)
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