Wie das Theater ins Internet kam

19. Januar 2022. Eine neue Reihe geht auf nachtkritik.plus den historischen Anfängen von digitalen Theaterformen nach, möchte Pionier:innen befragen und diese Formen auch am Material selbst noch einmal erfahrbar machen.

Von Martina Leeker und Esther Slevogt

Sherrie Rabinowitz & Kit Galloway mit Timothy Leary, Los Angeles 1984 © The Rabinowitz & Galloway Archives

19. Januar 2022. Spätestens seit die Pandemie das Theater ins Internet zwang, werden digitale Theaterformate sowie Fragen von digitaler Liveness, wird Theater im Internet diskutiert und vor allem auf unterschiedlichste Weise – etwa auf Zoom, im Stream, in Social Media Kanälen – auch gemacht.

Aber wie hat das eigentlich einmal angefangen? Wann ging es los, dass sich im Zuge der Digitalisierung von Kommunikation, Kultur und Gesellschaft das leibliche Ereignis vom physischen Raum zu lösen begann? Auf welchen Schultern stehen die, die heute Theater und Digitalität zusammendenken und nach neuen Formaten und Wegen jenseits der physischen Bühne suchen? Welche Bedeutung hat diese Vor-Geschichte, um das Heutige zu verstehen, was erzählt sie über das Gestern und Heute? Hier einmal einen Tunnel in die Geschichte zu graben, ein "Hole in Space", um es mit einem berühmten Projekt zu sagen, das wir als Urknall dieser Entwicklung verstehen, hat diese Reihe sich vorgenommen.

Woran arbeiten wir gestern und heute?

Dabei geht sie in Zeiten zurück, als es das Internet als Massenmedium noch nicht einmal gab. Im Fahrwasser von technologischen Entwicklungsschüben zur kriegstauglichen Datenübertragung in Netzwerkarchitekturen, die durch das amerikanische Verteidigungsministerium (Arbeitsgruppe ARPA) unter dem Eindruck des Sputnik-Schocks in den 1960er Jahren ausgelöst und anschließend von Wissenschaftler:innen in ihren interaktiven und kommunikativen Potenzialen entdeckt wurden, entstanden gleichwohl seit den 1970er Jahren bereits künstlerische Projekte, die vieles von dem vorwegnahmen, was in unserer heutigen, hochvernetzten Welt mit ihren vielkanaligen Infrastrukturen für Kommunikation und Datentransfer gang und gäbe ist.

Wir wollen Zeitzeug:innen und Pionier:innen aus der Frühzeit der digitalen telekommunikativen Kunst und Performance befragen, exemplarische künstlerische Arbeiten zeigen und diskutieren, aber auch ästhetische, philosophische und politische Fragen von Theater und Digitalität erörtern, mithin einen Austausch von Wissenschaft und künstlerischer Praxis anstiften. Zudem sollen sich die Macher:innen von gestern und die von heute begegnen, um die unterschiedlichen Anliegen und Ästhetiken ihrer Konzepte und Performances zu diskutieren. "Woran arbeiten wir gestern und heute?“, wenn wir mit Digitalität, digitaler Liveness sowie in virtuellen Environments performen und von diesen performt werden, ist dabei unsere Leitfrage.

Das Bild als Ort der Versammlung

Wir starten mit der Vorstellung des visionären Medienkünstlerpaars Sherrie Rabinowitz und Kit Galloway und ihren Arbeiten "Satellite Arts Project" (1977), "Hole in Space" (1980) und "Electronic Café" (1984). Sie nahmen bereits das Internet als Infrastruktur für Telepräsenz vorweg, als es das allgemeinverfügbare Internet, wie z. B. in Gestalt des WWW (Tim Berners-Lee, 1989), noch lange nicht gab.

 HOLE IN SPACE Matched set 300dpi Kopie

Sie haben es zudem in der Geschichte der Telekommunikation ermöglicht, zum ersten Mal ein technisch erzeugtes Bild nicht nur Fernseh-like zu senden, sondern vielmehr zum Ort der simultanen Versammlung sowie der Interaktion und Kollaboration zu machen. Gezeigt werden Dokumentationen der Projekte. Zum Auftakt berichtet Kit Galloway in einer Lecture von den wegweisenden Arbeiten, die er in den 1970er und 1980er Jahren mit seiner 2013 verstorbenen Frau Sherrie Rabinowitz schuf.

 

Performing Internet oder: Wie das Theater ins Netz kam.
Eine Reihe zu Geschichte und Gegenwart von Theater und Liveness im Internet
Kuratiert von Martina Leeker und Esther Slevogt

www.nachtkritik.plus 

 

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