Club Inferno - Für die Berliner Volksbühne umspielen Signa Dante und laden ihr Publikum ins Séparée
Die Toten ficken die Lebenden
von Matthias Weigel
Berlin, 8./9. März 2013. Vom Wodka benebelt liege ich auf dem Bett, als Marcy vor mir zu tanzen anfängt. Ob sie für mich strippen kann, frage ich. Wortlos fängt sie an, im Séparée ihr Kleid herunterzuziehen, in der Enge reiben ihre Knie an meinen. Neben mir auf dem Bett sitzt eine andere Tänzerin, sie hat die Eieruhr mit den fünf Minuten in der Hand. Fünf Minuten lang wird Marcy alles machen, was ich sage. Ich habe sie beim Glücksrad gewonnen, für einen lächerlichen Euro Einsatz.
Was wäre, wenn ...?
Etwas zaghaft lässt Marcy ihren BH fallen. Ob ich ficken will, werde ich gefragt. Sie könne mir auch einen blasen. Ich glaube, sie würde es machen. Aber irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, dass ich es danach bereuen würde. Dann, wenn ich den "Club Inferno" wieder verlassen und wieder auf die trostlose Straße in Berlin-Wedding treten würde, wo gerade die Bullen ein paar Halbstarke vor einer Bar filzen. Dann würde ich mich verkatert umdrehen, und müsste damit klarkommen, dass ich gerade in einer von der Volksbühne veranstalteten Performance-Installation Oralsex mit einer Darstellerin gehabt hätte, neben der auf dem Bett sitzenden Signa Köstler, der Namensgeberin der Künstlergruppe Signa.
Welche Konsequenzen es wohl hätte, wenn ich jetzt ja sagen würde, wo Marcys Hände schon in Nähe meines Reißverschlusses sind. Und wie es damit zu vereinen wäre, dass ich über den Abend schreiben muss. Aber nach diesen Gedanken ist die Stimmung eh dahin. Auf einmal ist es ganz erbärmlich, wie sie da tanzt. Sie soll sich wieder hinsetzen. Die Eieruhr klingelt, die Zeit ist abgelaufen.
Prügelnde Clowns
Ich lasse mich durch die Räume des Club Inferno treiben, ein Nachtclub, in dem – so geht die Geschichte – Prostituierte und Ausgestoßene Nacht für Nacht die Hölle nach Dantes "Inferno" nachspielen müssen. Es wird der Terror der Toten gespielt, die Verstorbenen machen den Hinterbliebenen das Leben zur Hölle. Da sind schlechtgelaunte Schwule, proletenhafte Ägypterinnen, ein dicker Glatzkopf, und der Chef Herbert Godeux, der seiner großen Liebe nachtrauert, seiner Mutter. Ihr Geist lebt weiter in Form von sadistischen Clowns, die auf die Darsteller einprügeln oder sie rannehmen. Die Toten ficken die Überlebenden.
Ich höre mir die Geschichtchen an, die brav aufgesagt werden. Eine Zuschauerin im Wald der Selbstmörder fragt sich, warum wir die Welt und uns selbst nicht so akzeptieren können, wie wir sind. Zwei Männer knutschen. Ein Kollege erzählt, dass er unter falschem Namen unterwegs ist und ich ihn Lukas nennen soll. Bei den Ketzern im sechsten Höllenkreis wird geraucht. Mir tut die Schauspielerin Siri Nase leid, die sich als Semiramis schon ein paar blaue Flecken geholt hat. Die Clowns verprügeln sie besonders gern.
Mit 'nem Joker ins Séparée
Man sagt mir, dass ich feige bin. Kann man Feigheit daran messen, ob ich mich mit Essig taufen oder mich ausziehen lassen will? Welche Vorstellung von Mut wird bei Signa-Performances eigentlich eingefordert, und was hätte man davon, sie bedingungslos zu erfüllen?
Irgendwann später, ein paar Darsteller liegen schon fertig in der Ecke, pumpe ich Johannes an und kaufe mir von meinen letzten zehn Euro einen Joker. Was ich mit diesem goldenen Ding machen kann, weiß ich nicht, aber man sagt mir, ich solle ihn mit Bedacht einsetzen. Irgendwas zieht mich wieder in die Ecke von Signa Köstler und ich drücke ihr den Joker in die Hand. Ich bin gespannt, was passiert, aber sie schiebt mich nur erneut in die Kammer aufs Bett und stellt die Eieruhr. Wir reden, ich kann Fragen stellen. Dafür hätte ich nicht den Joker kaufen müssen. Ich hatte mir mehr erwartet, also stecke ich ihn unbemerkt wieder in meine Tasche.
Draußen erwischt sie mich und schreit mich an. Sie hätte sich bemüht, der Joker wäre ihre einzige Bezahlung und ich sei ein scheiß Dieb, ein verfickter. Ich gebe ihn zurück. Aber sie gibt keine Ruhe, holt ihren Chef. Was kann mir hier eigentlich schlimmstenfalls passieren? Sie schreien auf mich ein, ich soll mich entschuldigen. Mache ich. Auf dem Bauch robben, ihr die Füße küssen, ich mache alles mit, dann endlich ist Ruhe. Vom Adrenalin werde ich langsam nüchtern, habe Durst und bin müde. Außerdem will ich ihr keine Zeit geben, sich noch mehr Strafen auszudenken. Ich haue ab, aus dem schönen Budenzauber. Am nächsten Morgen riecht mein Pullover noch nach Club Inferno.
Club Inferno
von Signa
Konzept und Leitung: Signa Köstler, Arthur Köstler, Thomas Bo Nilsson.
Mit: Alexander Senner, Ana Valeria Gonzalez, Andreas Schneiders, Anne Hartung, Arthur Köstler, Dominik Klingberg, Emil Groth Larsen, Helga Sieler, Irma Wagner, Jenny Steenken, Johannes Köhler, Judith Fraune, Mareike Wenzel, Markus Klauk, Michael Behrendt, Mona el Gammal, Olga Sonja Thorarensen, Petra Gantner, Sebastian Sommerfeld, Signa Köstler, Silvia Petrova, Simon Steinhorst, Siri Nase, Steven Reinert, Thomas Bo Nilsson und Alexander Iwanov, Alexandra Koknat, Alexandra Zoe, Andrea Pani Laura, Annika Stadler, Bikash Chatterjee, Borghildur Indriðadóttir, Carolin Seidl, Eli Ingvarsson, Eva Costa, Georg Bütow, Gonny Gaakeer, Judith Seither, Kerstin Pollig, Marco Wiersch, Martin Heise, Rahel Schaber, Raphael Souza Sà, Özlem Cosen, Stefanie Mühlhan.
Dauer: bis zu 6 Stunden, keine Pause
www.volksbuehne-berlin.de
signa.dk
Signa arbeiten site-specific und sind bekannt für ihre Parallelwelt-Installationen, in denen das Publikum aufgefordert ist, die Zuschauer-Position aufzugeben und aktiv an den Inszenierungen teilzunehmen. Bekannt geworden ist die Gruppe im deutschsprachigen Raum mit der Stadt-Simulation Erscheinungen der Martha Rubin für das Schauspiel Köln, mit der sie auch zum Berliner Theatertreffen 2008 eingeladen wurden.
Die "glitschig-grobe Atmosphäre aus Einladung und Abstoßung, Höflichkeit und Anmaßung, Geheimniskrämerei und Verhör", die Doris Meierhenrich von der Berliner Zeitung (11.3.2013) beim Empfang ihrer "Einladung" empfunden hat, "wird auch zwei Tage später im Club vorherrschen". Und dieser Club werde eine Qual "für jeden – nicht körperlich, aber psychisch. Denn wer sich einmal in die klaustrophobischen Parallelwelten von Signa begibt, der wird nicht ohne Blessuren davonkommen. Denn Signa spielen kein Theater, sie bauen mit größter Genauigkeit hyperrealistische, hermetische Lebensräume auf und lassen Spieler wie Zuschauer darin miteinander "Erfahrungen" machen. Auch das ist natürlich nichts anderes als Theater, doch da diese Spiele von fünf, sechs, Stunden gedanklich keine Ausgänge lassen, steckt man in ihnen so fest, wie die Verdammten in Dantes Höllenkreisen." Doris Meierhenrichs Bewunderung indes gilt der Ausstattung: Wenn man eintrete "in den rot-goldenen Empfangssaal, ist alles so reich und detailverliebt auswattiert, dass man sich die Augen reibt."
Das Signa-Team arbeite "nicht mit Räumen, die aus sich selbst heraus bereits aufgeladen sind", schreibt Katrin Pauly in der Berliner Morgenpost (11.3.2012). "Was hier entsteht, entsteht erst zusammen mit den Zuschauern. Und zwar mit einer hermetischen Perfektion, die ebenso einmalig wie faszinierend ist. Es sind vollkommen in sich geschlossene Systeme." In denen müsse man sich als Zuschauer "ständig überlegen, was man tut oder besser lässt." Im konkreten Fall des "Club Inferno" gerate "alles aus dem Ruder, Nacktheit greift um sich. Und Gewalt." Und Pauly berichtet: "Ständig werde ich in den Po gekniffen, von nackten Füßen berührt, zimperlich darf man hier nicht sein. Je später der Abend, desto schwüler, schmutziger und erbärmlicher wirkt das alles."
Das Projekt bleibe immer kenntlich "als theatralische Behauptung", findet Michael Laages im Deutschlandfunk (11.3.2013). "Vielleicht ist das sogar die stärkste Schwäche." Ob es Signa gelungen ist, durch all die Höllenkreise des Klubs hindurch "das Bewusstsein des Abgrunds zu wecken bei dieser und jenem", weiß Laages nicht zu sagen. "Die Szenerie will stark sein, ist aber oft bloß ruppig und rüde. Der große Moment der Berührung, der Bruch mit der Natur in der Aufhebung aller Grenzen, die Kunst und Theater naturgemäß setzen, bleibt rar."
"Wohlfühlzone? Ist hier nicht", konstatiert Udo Badelt im Tagesspiegel (11.3.2013). Die Rahmenhandlung um den Spielcasinobesitzer Herbert Godeux sei überflüssig, Dantes neun Höllenkreise seien es nicht. "Das Ganze ist Geisterbahn und Party zugleich. Die Beklemmung hört nie auf." Der Terror des interaktiven Theaters werde hier in Reinform verübt.
"Wüssten wir nicht, dass Sörensen/Köstler selber in den Hauptrollen auftreten und das Ganze sowieso nur so tut, als ob es ernst sei, fühlten wir uns in Anbetracht der dargestellten Demütigungen zu Einspruch verpflichtet. Und schon haben sie uns erwischt – exakt diese Reaktion erfüllt, was Signa beabsichtigt", schreibt Barbara Villiger Heilig von der Neuen Zürcher Zeitung (12.3.2013). "Club Inferno" sei jedoch leider "hauptsächlich bemühend. Abgesehen vom hübschen Dekor (...) (so viel Aufwand, so wenig Ertrag, seufzt man halb gerührt), nervt hier alles", der schmierige Gastgeber, die Animierdamen und Toy Boys, die Dante-Figuren, die "brav" Mythologie aufsagten. "Einzig aus Höflichkeit ihnen gegenüber tut man hier so, als langweilte man sich nicht fürchterlich." Fragt sich am Ende: "Wieso überhaupt das ganze Theater? Gibt es in Berlin denn keine echten Nachtklubs?"
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Ein Swingerclub in Dethmold ist genauso gruselig und das Gegenteil von "Besonders".
(Bitte, werte Kommentatoren, es wäre sehr dienlich, wenn Sie Ihre abschätzigen Zwischenrufe gelegentlich mit einem Argument unterfütterten.
Freundliche Grüße aus der Redaktion, Anne Peter)
Und sowieso. Eine Frau beim Glücksrad zu gewinnen. Wie bescheuert ist das denn? Gab es denn im Gegenzug auch einen Mann zu gewinnen? Übrigens, so ein Glücksrad, das habe ich auch schonmal bei Alexander Karschnias "Hamletmaschine" auf der Hinterbühne des Gorki-Theaters gesehen.
Die Ausstattung war fantastisch, schon deshalb lohnt ein Besuch.
Und sich mal durchzufragen und hinter die Sex-Fassade zu schauen und dabei an einem Mordfall zu rätseln, Schicksale Einzelner als Geheimnisse zu entlüften oder die ganze Systematik des Aufbaus der Höllenkreise zu durchschauen - ist das nicht einen (oder sogar mehrere) "Theater"-Besuch(e) wert? Ich habe mehr Dante's Göttliche Komödie hier erlebt als in anderen Inszenierungen dessen. Es wird original zitiert, es werden Details dargestellt - wenn man es also mal mit "normalem" Theater vergleicht, steht der Club Inferno diesem in nichts nach.
Und bietet dabei so viel mehr (eigene Grenzerfahrungen, moralische Dilemmata, schöne Gespräche, ach...).
Ich habe noch nicht alle Rätsel gelöst und komme wieder.
Und zur Kritik: ich schließe mich Heiko an! Schön!
Wir haben also gestern unser Einladung abgeholt. Dazu mussten wir uns vor dem Pavillon für 35 Minuten anstellen. Es waren 20 Leute angestellt und einige mussten sich von "Pennern" (Schauspielern der Truppe) unflätig anpflaumen lassen. Ein 60jähriger wurde als Arschloch beschimpft, weil er dem Penner seine Eintrittskarte nicht zeigen wollte. Ein junger Mann (Besucher, kein Schauspieler) mit grosser Nase wurde Nasenarsch gerufen, ein anderer Besucher wurde angeschrien "Was schauste so blöd, Arschloch!". Eine Pennerin begann plötzlich in den Schnee vor den Besuchern zu pullern. Wir kamen ohne Beileidigung durch, mussten uns nur dem Kontrollritual eines der Penner vor dem Eingang unterziehen und und dann an ihm vorbei durch die Türe quetschen. Drinnen wartet man dann auf einem Sofa sitzend. Wir unterhielten uns leise bis eine ältere Dame in Dessous mich schroff belehrte "Hier wird nicht gesprochen!" Da wir uns auf diese Weise nicht vom leise Sprechen abhalten liessen, raunte sie zunächst meiner Begleiterin zu "Diesen Mann wollte ich nicht haben". Als das auch nicht half, quetschte sie sich zwischen uns auf das Sofa. Dann wird man aufgerufen, kriegt nach einem mysteriösen Ritual gnädig seine Eintrittskarte und questscht sich aus der Tür wieder an dem Penner vorbei.
Wer sowas interessant findet, soll das geniessen.
Ich persönlich kann das gratis von echten Pennern, in Läden, von Beamten, in der S-Bahn und bei unzähligen anderen Gelegenheiten in Berlin bekommen, echt real, gar nicht nachgespielt. Und ins Bordell kann ich auch so und hab vermutlich ein angenehmeres Erlebnis als im Club Inferno.
Zur Theaterkritik Herrn Weigels, ich sehe das ganz ähnlich wie Heiko Michels, müßte vielleicht noch einmal nachgehakt werden, wie weit sie sich der Besonderheit des Signa-Formates verdankt, denn auch das kann als Qualität aus so einem Abend hervorgehend diskutiert werden. Ein wenig erinnerte sie mich an "Erweiterung der Kampfzone". Der Kritiker hat spezielle "KritikerInnenprobleme"
nicht ausgespart, auch wenn zu bezweifeln ist, daß die "Eieruhrszene" ohne Schreibauftrag für nachtkritik de. ansonsten ganz anders gelaufen wäre. Überhaupt wird es für den schriftlichen Nachvollzug der Sache schwer, wenn man nun zB. ausführen müßte "Das Blasen war gut", denn hierbei droht wieder das Problem der nicht nachweisbaren Behauptungen etcpp., andererseits ist das auch schon ein Indiz, daß dies nicht im Vordergrund steht. Zeilen wie "Tote ficken Lebende" in Parallele zu "Bullen filzen zwei Jugendliche"
machen neugierig. Ganz trostlos ging es im Club offenbar nicht zu, immerhin heißt es ja von den Straßen Weddings: trostlos. Herr Weigel hatte sogar noch den Schwung, sich nen Joker zuzulegen und auf mehr als nur ein Gespräch zu spekulieren: einen glatten Verriß kann er so nicht geschrieben haben im Grunde, wer immer diese Spesen bezahlt ! Kollegen nennen sich plötzlich "Lukas"; KritikerInnen haben es halt wohl wirklich speziell in derlei Gefilden. Von der Anlage der Höllenkreise, siehe Posterin 10, hätte ich allerdings gerne noch mehr erfahren..
Bleiben die Reaktionen der BILD ! Beziehungsweise Einschätzungen darüber, warum BILD und BZ an dieser Stelle so gesondert bedacht wurden.
(Anm. der Redaktion:
BZ und Berliner Zeitung sind nicht identisch.)
Den von SIGNA erzählten Geschichten (siehe § 10) traut er dabei zwar weniger über den Weg, sieht aber durchaus Einmaliges realisiert qua der 4. Wand, die sich sozusagen mit jeder Spielsituation neu zwischen den SIGNAs und den Besuchern auftue. Man komme hiernach zurück auf die Straße und beginne das Erlebte zu verarbeiten und teilweise auch zu bewerten: "Wo fängt die Hölle an, wo hört sie auf ?", endet er seinen Beitrag..
Sie schreiben, der Abend biete "eigene Grenzerfahrungen, moralische Dilemmata, schöne Gespräche". Das sind so typische, kulturkapitalistische PR-Floskeln, welche man im Grunde über jede Signa-Performance drüberstülpen könnte.
Und welche Rätsel wollen Sie noch lösen? Der Mensch ist aller Rätsel Lösung. Und/oder der der Natur getreue Affe. Am Ende bringt nur die Musik - Amor, Minne (Wo ist die hier?! Gibt's die hier?!) - Erlösung. Wenn überhaupt.
"O hätt ich Reime, heiser, hart und rauh,
Wie's für das Grauen ziemt in jenem Schlunde,
Auf dem sich türmt der Hölle ganzer Bau,
Noch weiter schöpft' ich aus und bis zum Grunde,
Was ich erlebt. Die hab ich nicht, und zagen
Muß drum ein jedes Wort nur meinem Munde.
Das ist kein Werk, ums nur im Scherz zu wagen,
Kund tun den tiefsten Grund vom ganzen All,
Für Zungen keins, die >Pappa, Mamma< sagen.
So helfe mir der Chor, der Thebens Wall
Amphion bauen half, auf daß dem Wesen
Nicht ungleich töne meines Liedes Hall."
"Wär ich ein Spiegel, schneller nicht
Dein äußres Bildnis könnt' ich wiedergeben,
Als ich dein Innres sehe, hell im Licht."
Und jetzt ist die Frage. Darf ich, soll ich hier eingreifen? Oder ist das in der heutigen Zeit - wir leben schließlich nicht mehr im Mittelalter - deplatziert? Vielleicht muss ich mich auch eher fragen: Erfolgen diese sexuellen Praktiken hier, im Rahmen eines Theatersettings, nicht in jedem Fall freiwillig bzw. aus einer freien Entscheidung heraus? Und muss ich das im realen Leben nicht ebenso von Fall zu Fall entscheiden bzw. ausschließen? Erzwungener Sex ist jedenfalls eine Machtdemonstration.
Das Dilemma ist klar. Ich bin hier zugleich Beobachter und Beobachtete. Darf ich - wie bei Dante - mit Nichtbeachtung strafen, was entweder ein Verbrechen ist oder den privaten Bedürfnissen und Wünschen der Signa-Darsteller entspricht?
"Mitleid muß sterben hier, soll Frommheit leben!
Wer könnte schwärzrer Frevler sein als die,
So Gottes Richterspruche widerstreben?"
Darf ich als Besucher "Gottes Richterspruch" stellvertretend vollziehen? Und wenn ich nicht an diese Verschmelzung von weltlicher und religiöser Macht glaube? Ich glaube, dass ich an die Liebe glaube. Und jeder liebt anders. Mein Weg führt durch das Dunkel der Hölle ins Licht des Sternenhimmels.
hier wird auch deutlich warum eine gruppe wie signa solche diskurse befeuert,,es hat mit machtgelüsten zu tun und mit der gewissheit beim thema sex immer noch vorne dabei zu sein.
"die lust eine macht auszuüben, die ausfragt, überwacht, belauert, erspäht,durchwühlt, betastet, an den tag bringt......und ihr gegenüber eine macht, die ihre bestätigung in der lust sich zu zeigen, einen skandal auszulösen oder widerstand zu leisten findet." ( foucault s.61)
Kann man zugleich wollen und bereuen? Dante verneint das:
"Nicht wird erlöst, wer nicht bereut die Tat,
Noch kann man wollen und zugleich bereuen:
Das widerspricht sich, schau, wie Krumm und Grad!<
Weh mir, wie schreckt' ich auf, als er mit Dräuen
Mich packt' und höhnte: >Gelt, du ahntest nicht,
Daß ich solch Logicus? Ja, meiner Treuen!
gottlob nicht theaterwissenschaftlich...theaterwissenschaften haben mit wissenschaft in etwa so viel zu tun wie die berühmte kuh mit der muskatnuss.
@Inga
Dante argumentiert im diskurs seiner epoche..
widersprüche sicherlich..das macht die sache ja so vermeintlich interessant..nur dies,in was auch immer zu formatieren (performance? theater?..ist ein teil dessen, was sich anstrengt die macht über den diskurs und somit die sog. wahrheit zu besetzen.
wenn dies jetzt nicht sex wäre, würde es weitestgehend undiskutiert im großen "rauschen" verschwinden."macher" denkt heute beim anträge schreiben..um die legitimation zur "kunst"produktion zu erhalten,,vornehmlich an die wege dem "rauschen" temporär zu entkommen.
nebenbei:
kartoffelsalat war mal ein kernrequisit einer tatsächlichen performance...allen ginsberg berichtet darüber in "howl"
Wenn es mir auch ein wenig banal vorkommt sie darauf hinzuweisen. Was macht denn Dante im Inferno der Göttlichen Komödie? Er läuft durch die Höllenkreise und fragt sich durch, lässt sich Geschichten erzählen von Morden, Intrigen, etc.
Ist es da nicht offensichtlich was nun der Signa-Abend mit Dante zu tun hat?
und um in ihrem Sinne zu bleiben noch ein paar Zeilen Blindtext:
"Weit hinten, hinter den Wortbergen, fern der Länder Vokalien und Konsonantien leben die Blindtexte. Abgeschieden wohnen Sie in Buchstabhausen an der Küste des Semantik, eines großen Sprachozeans. Ein kleines Bächlein "
Und Sie meinen das Kartoffelsalatkotzen bei Castorf? Das gab's schonmal in seiner Inszenierung "Pension Schöller: Die Schlacht". UND seit Neuestem in seiner Inszenierung von Kleists "Marquise von O...".
@ 23: Es ist schon offensichtlich. Bloß dass es bei Dantes "Göttlicher Komödie" wohl nicht allein um das Thema Sex geht, worauf die meisten Kritiken hier aber abzielen. Merk-würdig.
Sie sind lustig: "Ganz normale Berliner Ausgeherfahrung !"
Welch Erfahrungsarmut führt zu solchem Alltag ??
Dennoch: Nennen Sie Preise für Ihre Unternehmung, deuten Sie Orte
an, vielleicht zur Erkennbarkeit so manches Höllenkreises.
Vielleicht sollte ich mir aber wirklich "Utopia" (ein Film mit
Manfred Zapatka als Kant-Straßen-Zuhälter der frühen 80er) einmal
in Gänze zu Gemüte führen, bevor ich mir den neuesten SIGNA-Abend
"antue". BZ und Berliner Zeitung, puh, eigentlich kenne ich den Unterschied, in der BZ ist der Anteil an "Alternativclubs" der Rotlichtszene immerhin größer ! Nun gut, aber bleibt die Frage nach der Privilegierung von BZ und BILD , interessiert die so garnicht ?, und dem, was dort so geschrieben wurde zu SIGNA..
werden (auch wenn solche Hinweise offenbar nicht jeder liebt in diesen "Kann ja selber lesen"-Zeiten). Wir erfahren darin so mancherlei Detail zB. über den Höllenkreis der
"Völlerei", wo einem schon einmal Marshmallows mit Schokoladensauce angeboten werden gegen den erklärten Willen und es dann heißt "Schokolade tropft auf meine Hose". Da ich desletzt die spezielle "kritikerInnen"-Situation in einer solchen Performance befragte (was auch § 13 andeutet) und im oben erwähnten Audio-Beitrag schon von "vierter Wand" gesprochen wurde, fand ich allerdings bei Udo Badelt folgende Absätze spannender als das hier von nachtkritik de. Zusammen-
gefaßte. "Dieses Theater geht auf die Kleidung - und unter die Haut. Es kriecht in dich hinein und der Rezensent wird nun zum Ich-Erzähler." (sic !) "Vierte Wand ?
Keiner reißt die zur Zeit so konsequent ein wie Signa und ihr gleichnamiges Kollektiv, keiner macht den Zuschauer so radikal zum Teil des Spektakels." Was zunächst einerseits den "Alleinstellungsmerkmalsbefund" der BR 2-Kritik bestätigt, andererseits zur "Vierten Wand" anders anklingt (ich hatte die BR 2-Kritik im übrigen auch erwähnt, weil sie erstens einen Audiobericht darstellt und zweitens immerhin als
BR einigen Abstand zum Ort des Geschehens aufweist im Grunde). Allerdings wird Udo Badelt späterhin feststellen: "Sie ist ja doch noch da, die Vierte Wand, wenn auch hauchdünn."
Udo Badelt hatte offenbar keine regelrechten Skrupel, nach Aufforderung eine der
Signa-Frauen zu küssen, worauf es dann wohl nur hieß "Du Schwein, Du hast mich geküßt !"
Was einem da widerfährt, was man zu hören bekommt und erlebt, hat sehr viel damit zu tun, was man sucht und was man selbst zu produzieren in der Lage ist. Sicher gibt es "langweilige" Momente und Stereotypen -aber liegt es nicht gerade auch am Besucher und Teilhaber der Performance selbst, diese Momente zu kippen?
Wovor man nicht ganz so geschützt ist, das sind die Verhaltensweisen der anderen Besucher -aber auch hierbei ist nicht uninteressant, wie weit sich erwachsene Menschen in Spiele verstricken lassen (wollen).
Es lohnt also durchaus, sich als Neugieriger ein eigenes Bild zu machen und ohne allzu viele präformierte Erwartungen die parfümgeschwängerten Räume zu betreten.
/ ein gruselkabinett auf dem jahrmarkt ist mit verlaub innovativer...
Ja, auch das Investigative möge nur Schein sein bei Signa (wenn auch sehr passend zu Dante, wie #23 beantwortet), ist jedoch eine zusätzliche Komponente, die man an dem Abend wahrnehmen kann, wenn man denn möchte. Auf Meta-Ebene die vierte Wand durchlässig zu machen, ja, das ist eben eine andere Ebene.
Ich war sehr begeistert von Ihrem Kommentar #17, Inga, denn das war wirklich ein mehrfach verwendetes Motiv. Spiegel gab es überall, oft wurde ich angestarrt und gefragt, ob ich mich gerade spiegele oder warum ich das gerade tat. Das von Ihnen in #16 beschriebene Dilemma ist das, was ich meinte (und das ich nicht als PR-Floskel sehe - warum auch?).
Rätsel zu lösen gibt es dort - ganz platt - auf kleinen Zettelchen, die Arthur Köstler am Eingang verteilt (und ich mag gerne rätseln - da suche ich mir eben meine intellektualisierten Erfahrungen, wie Jose ganz wunderbar beschreibt).
#30 trifft nämlich den Kern der Sache. Es ist ein hortus conclusus, das hier ermöglicht wird.
Nicht geschützt war ich zum Beispiel von dem Verhalten eines Besuchers, der plötzlich realen Spaß daran hatte, Signa Köstler auszupeitschen. Das ist keine pr-Floskel, das ist eine Grenze, mit der ich konfrontiert wurde. Ein Abgrund (und nicht nur des Besuchers, sondern mein eigener, zu wenig eingeschritten zu sein) wurde sichtbar, der im Berliner Nachtleben nicht sichtbar wird, da man dort mittendrin steckt. So ein Signa-Abend ermöglicht im Gegensatz dazu auf einer Meta-Ebene das eigene und das Verhalten anderer (besser oder überhaupt erst) reflektiert zu beobachten, weil man sich dem Virtuellen permanent bewusst ist.
Und aus welchem Grund sind Sie hier dann nicht eingeschritten? Eben, wahrscheinlich deswegen nicht, weil es Ihnen offenbar doch klar war, dass das hier Kunst ist und die Künstler hier in ihren Rechten geschützt werden, innerhalb dieses geschützten Kunst-Raumes. Was also meinen Sie dann damit, dass das im Berliner Nachtleben nicht sichtbar wird, "da man dort mittendrin steckt"? Es müsste Ihnen doch auch so klar sein, auch ohne es zu sehen, dass Prostituierte in Berliner Nachtclubs mitnichten immer nur freiwillig arbeiten, sondern dass es, im Gegenteil, auch viele Zwangsprostituierte gibt. Und die sollte man nicht ignorieren und/oder bestrafen, sondern da sollte man helfend eingreifen, da sollte man/frau was tun.
"Erwache, Nordwind; Südwind, komm, durchwehe meinen Garten, daß sein Balsam träufle! Mein Freund komme in seinen Garten und esse seine herrliche Frucht!"
"Ich komme zu meinem Garten, meine Schwester, meine Braut; ich pflücke meine Myrrhe samt meinem Balsam; ich esse meine Wabe samt meinem Honig, ich trinke meinen Wein samt meiner Milch. Esset, meine Freunde, trinkt und werdet trunken, ihr Geliebten!"
Sulamit und Salomo im Hohelied)
Vielleicht gar den "Andere-Besucher-Verführer" bzw. das weibliche "Komplement" dazu.
Nach den "Hundsprozessen" jedenfalls legten die Gespräche mit anderen Angeklagten sehr wohl höchst unterschiedliche Verläufe der
seinerzeitigen auch 6-Stunden-Geschichten frei. So manch Eine(r) hatte da auch Räume betreten, die ein(e) Andere(r) noch nicht einmal mit Seitenblick gestreift hatte; teilweise gab es sogar Aufständische, Gruppen von Zuschauern, die eine eigene Prozeß-Linie forcierten. Wer nicht bereit ist, irgendwie mitzuspielen, wird es schwer haben, einer solchen Performance etwas abzugewinnen; allerdings sollte nicht die Furcht regieren, soweit ich es aus meiner Erfahrung beurteilen kann, irgendetwas zu verpassen, einen Raum, irgendetwas, von dem man auch noch gehört hat. Die "Spiele" entwickeln eine gehörige Eigendynamik mitunter,
die kaum eine Chance hat, wenn man sich unter Zeit- und Termindruck setzt/gesetzt fühlt - bei den "Hundsprozessen" wurde gerade diese Spannung verschärft qua der Termine, die den Angeklagten mit auf ihren (angeblichen/vorgeblichen) Weg gegeben worden sind. Offenbar ist es in der Etage in Wedding insgesamt ein wenig enger; dafür scheint es eine so "feste" Terminstruktur nicht zu geben, von Zetteln und Rätseln geht die Rede. Ich denke allerdings, daß eine Vorfeld-Kenntnisnahme (zum Beispiel in einem Thread wie diesem) nicht notwendig einengende Spiel-Erwartungshaltungen nach sich ziehen muß, sondern auch dabei helfen kann, den Blick für eine Vielzahl von "Spielvarianten" zu eröffnen: gerade das kann auch befreiend wirken, so wie eine Textkenntnis eines Schillerstückes auch dem Genuß eines solchen nicht abträglich sein muß, auch nicht die vorherige Frequentierung einer Kritik dazu. Die eigene Erlebnisperspektive bleibt wie bei anderen Theaterbesuchen auch das Wesentliche (Unhintergehbare). Natürlich sind Fragen wie "Woran erkenne ich, daß X dabei Spaß hat zB. Frau Köstler auszupeitschen ?" garnicht so ohne, und nicht jede(r) muß die Situation ähnlich aufgefaßt haben, hat möglicherweise auch Frau Köstler selbst schon aktiver erlebt etcpp. .
Und natürlich muß nicht jede(r) BesucherIn es wirklich prickelnd finden, wenn die Schokolade über die Hose fließt, zumal wenn das möglicherweise am Anfang der Performance der Fall sein sollte (getrocknete Schokolade kann bestialisch stinken), und kann sich hier mitunter im Vorfeld befragen, ob das wirklich etwas für Sie oder Ihn ist. Das ist nicht selbstverständlich und sagt meineserachtens nichts gegen solche Personen aus, welche sich solchen "Spiel"-Möglichkeiten eher verweigern.
Ob "Milch und Honig" (§34) draus werden, wenn man sich auf Marshmallows und Schokolade einläßt, darf ein wenig bezweifelt werden. "Läuterung" und "Paradies" mögen ja bei einer ferneren Signa-Sache noch folgen (von Hamburg und dem Beginn der Beier-Intendanz her hörte ich läuten, daß da wohl auch wieder etwas von
SIGNA zu erwarten ist, mal abwarten)..
Darsteller der Signa-Gruppe machten da ja auch vor kurzem in ihrer Terre de Femmes Performance aufmerksam (http://www.youtube.com/user/TERREDESFEMMES?gl=DE&hl=de). Helfend eingreifen würde ich jetzt mal weiter fassen: aktiv werden und bewusst machen und spenden - ja.
#34: Momente der Liebe machten die Performance für mich erst erträglich, die gab es (um nur einen zu nennen: mit Orpheus für Eurydike singen) - ABER:
#35: Alles subjektiv, sowieso, ja. Als er gelacht hat, hat er vielleicht nur die Zähne zusammengebissen oder es war ein peinlich-beschämtes Lachen oder es war Unsicherheit oder was weiß ich (- Nichts! ich konstruiere nur..). Denn (und da bestätige ich nur) die Erlebnisse dort sind für jeden anders... Und das macht den Reiz von Signa-Performances aus und führt zu solch einer Forumsdiskussion.
In den Körpern ist keine Sünde, und auch derjenige hat es nicht verstanden, welcher da meint, dass "unreine Gedanken" bestraft werden müssten. Dazu noch Dante:
"Wie heißt sichs hüten doch vor seinesgleichen,
Die nicht die Tat nur sehen, deren Sinn
Im Innern die Gedanken kann beschleichen!
Er sprach zu mir:
(Werte Inga,
der Kommentar Nr. 37 kam so bei uns an. mw für die Redaktion)
@ thilotello: Sie meinen also, es geht um die kapitalistische Angebots- und Nachfrage- und nicht um die Produktionsorientierung? Wissen Sie, was ich dazu gerade gelesen habe?:
"Das System der Bedürfnisse, das kein Einzelner sich einfach ausdenken könne (obwohl es in den Willenskräften aller Einzelner in Erscheinung trete), antwortete Mälzer [marxistischer Ökonom an der Humboldt-Universität zu Berlin], sei seiner Natur nach ein ABSTRAKTUM, weil einer sein Bedürfnis in der Regel nicht kennt oder nicht benennen kann, bevor er nicht ein Produkt gesehen hat, das es befriedigt. Diese Abstraktion, die dem Kauf entgegegnwächst ('wie das Getreide dem Schnitter') STEIGT AUF ZUR KONKRETION, aber gewiß nicht über den Händler, sondern im Sprung über den Erfinder, den Konstrukteur, den Leiter der Entwicklungsabteilung. Von dort wird das Bedürfnis zur Produktion."
(Alexander Kluge, "Das fünfte Buch. Neue Lebensläufe. 402 Geschichten")
haha...was hat sie verändert? performative instellstionen, die aus der kunst kommen, gab es schon VOR signa..und die themen: sexuelle gewalt, und -übergriffigkeit, schwüle stimmungen, pseudospirituelle andeutungen, nachgestellte puffverhältnisse, mißbrauchte kinder gab es auch schon VOR signa,- und sie benutzt jede vorlage, (im gegensatz zu thalheimer, leider ist auch marthaler kein theatermensch , sondern ein musiker, der das theater als betätigungsfeld benutzt und keine ahnung von inszenatorischen und schauspielerischen vorgängen hat, wie signa, die eigentlich performancekünstlerin ist und das theater als geldquelle und betätigungsfeld benutzt und keine ahnung von theaterhandwerklichen mitteln hat, es aber einfacher ist , im theater siubventionen zu finden als in der freien kunstszene), um sie ihrem speziellen kitschigen kunststil und ihrer signa-marke einzuverleiben und ihr siegel aufzusetzen. das hat mir der revolution der theaters leider nichts zu tun, sondern ist nur eine eigene nischenform und eben auf dauer langweilig....so wie moderne kunst, die immer dasselbe zeigt, auch auf dauer eine mainstreamartige marke ist und keine künstlerische erneuerung...
alles anderee halte ich für augenwischerei.
http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Thalheimer
Er war Schauspieler, dann Schauspiel Regisseur, dann Oper. Nur am Rande.
http://www.swp.de/ulm/nachrichten/kultur/Michael-Thalheimer-Im-frueheren-Leben-Schlagzeuger-und-Schauspieler-heute-Regisseur;art4308,325641
Thalheimers Inszenierungen zeugen von einem Rhythms und einer Musikalität, die der Musik in meinen Augen mehr verwandt ist als dem klassischen Theater. Das sind eher Partituren als "Schauspielauffuhrungen".
@oh la la: sie schreiben es ja selbst: sie hat das ans Stadttheater geholt, aus welchen Gründen auch immer, die sind doch egal.
in die "Gefilde eines folgenlosen Ästhetizismus" abdriften. So unterschiedlich Marthaler, Thalheimer und SIGNA auch sind, Masche und Manier wird allen Dreien schon eine ganze Weile immer wieder vorgehalten, währenddessen ebenso vehement das immer wieder "Neugesehen", "Neuerlebt" des "Immergleichen" gerade als Qualität beschrieben und verteidigt wird (etwas was tatsächlich sehr an Diskussionen über Musik(theater) erinnert). Die Altmann- und Viebrockräume dürften zu diesen Befunden des Neuerlebten und Neugesehenen einen ganz ähnlichen Einfluß haben wie die ungeheuer assoziationsreichen Raumgestaltungen der SIGNAs. Gerade die ehemalige KFZ-Zulassungsstelle in der Kölner Herkulesstrasse (Hundsprozeß): Transfiguration of the Commonplace pur - eine wahre Meisterleistung. Es ist immer wieder meineserachtens viel zu viel der Rede von den "Bossen", "Machern", "Leitern", von Thalheimer, Marthaler, den Köstlers und ihre Marke(n), dabei werden alle ihre Abende , auch bei SIGNA, wesentlich getragen von Personen, die alles Andere als theaterfern sind: Schauspielerinnen und Schauspieler nämlich. Für meine damalige "Hundsprozeßerfahrung" waren die Köstlers eher eine Randerscheinung, andere haben sich lange und länger in den Gefilden des Malers Titorelli aufgehalten, und für meine damalige "Hundsprozeß-
erfahrung" hielten sich auch "Sex- an Crimeelemente" in Grenzen, währenddessen manche(r) noch viel nachhaltiger mit Leni zum Beispiel zu schaffen hatte; ich machte dagegen -in etwa wie "Besucherin" es oben beschreibt- Erfahrungen mit dem Singen, der Animation , der Aufforderung Wanda Leberechts (Anne Hartung) zum Singen. "Ob Wanda wohl jetzt Eurydike heißt ?", fragte ich mich sogleich, und war fast schon mitten drin im Seelenwanderungsthemenkreis bei SIGNA, mußte ulkigerweise schon wegen dieser Orpheusgeschichte an Marthaler-Theater denken,
an "Konstanten bei SIGNA", bevor jetzt der "Markenthemenkreis" so verbissen hier
aufgemacht wurde, der sich halt vor allem bei den "Bossen" aufhält. Durch "Soprane, Tenöre, Baritone, Alt- und Baßstimmen" im Wartemodus, durch Publikum, welches diese Qualität mitbringt, kann allemal "Marthalerndes" auch in so eine SIGNA-Sache
fließen, und dadurch, daß die SpielerInnen und die BesucherInnen immer wieder neu aneinandergeraten, kann das Auftreten der Köstlers sogar peripher werden für das, was so ein Abend für den je Einzelnen wird. Dazu gehört es, von diesem verklärten Ort wieder auf eine nachmitternächtliche Straße zu treten im Wedding oder in Köln-Ehrenfeld, in unmittelbarer Nachbarschaft -in diesen beiden Fällen- zu den oft erwähnten Eckkneipen bzw. Freudenhäusern (Ehrenfeld !) und in einen Zustand der Ernüchterung und gleichzeitig dennoch Kontrastunterfütterung zu geraten, der -wie bei guten Theaterabenden auch- traumaktivierend im wahrsten Sinne des Wortes ist.
Das "Symbol" kann natürlich mit guten Spielerinnen und Spielern im Zuge einer vielwöchig geprobten Inszenierung bei weitem konzentrierter umkreist und gezielt befragt werden. Nehmen wir zB. den Altmannschen Bühnenzylinder aus "Unschuld":
Ist das nicht gewissermaßen Dantescher Höllenkraterkreisel und Verklärungsberg ineins gedacht ?? Immerhin mußte ich bei der Nennung Thalheimers im Zusammenhang mit dem Dante-Abend der SIGNAs sogleich daran denken: "Unschuld" als Fegefeuer. Und kam nicht auch Thalheimer eher von Antikenprojekten hin zB. zu einer Dea Loher ?
Die Frage wäre doch, wenn schon X,Y,Z Theaterfremdheit attestiert wird, abgesehen von der langjährigen Arbeit mit SchauspielerInnen und Schauspielern (es gibt Marthaler- wie Thalheimer- wie SIGNA-SpielerInnen !), was es bezogen auf das jeweilige Unternehmen heißt, was die betreffende Kritikerin, der betreffende Kritiker an Inszenierungschance sieht, formulieren kann , um sie hiernach aufrichtig als "verspielt" einschätzen zu können. Dieser Aspekt fehlt mir fast zur Gänze in den bisherigen Pros und Contras und somit sehe ich für mich bislang auch keinen zwingenden Grund, der einen Art von Theater weniger abzugewinnen als
der anderen..
die sich ganz frech ausziehen
und später frech mit den performern interagieren?
Warum doch immer so negativ?
nö, nicht negativ, sondern ehrlich (!)..und kritisch (!)...es heißt hier doch: nachtKRITIK...oder??.. und wenn ich was gut finde, sage ich es auch...ganz einfach...
Finde ich auch gut, daß Sie es tun.
Ob man nun "wenige Signa-SchauspielerInnen" unterstreichen will und kann, das mag
jeder für sich prüfen (die neuverlinkten Dortmunderinnen von "Sekt und Brezeln"
haben es offenbar schon getan, siehe ihren SIGNA-HInweis), ich jedenfalls finde da so manche und manchen und habe darüberhinaus den Eindruck, daß die "Professionellen" die Sache eher "erden" , was ich mir damit erkläre, daß professionellen SchauspielerInnen in der Regel wohl bewußter ist, daß es eine Asymmetrie zwischen BesucherIn und "vergatterter Personage" weiterhin in den meisten Fällen gibt. Eine Schauspielerin/Ein Schauspieler wird vermutlich eher mit
dem "unbefangenen" Zuschauer etwas anfangen können und nicht so schnell
mit einer überironischen zuschauerbloßstellenden Schockvolte auftreten, wie es zuweilen bei SIGNA auch passieren kann, ohne daß dies viel Reibung erzeugte oder dem "Situationsaufbau" dienlich wäre. Ich kann nur von den "Hundsprozessen" reden, bin kein Experte, aber ich hatte halt schon den Eindruck, auch in den Nachgesprächen und Threads, daß diejenigen interessanten Spielsituationen, welche genannt wurden, sehr häufig sich mit vier, fünf SpielerInnennamen verbanden, und das waren durchgehend Profis. Dafür, daß ein SIGNA-Abend individuell durchaus ein eher frustrierendes Erlebnis sein kann, brauche ich nicht viel Phantasie, und der Standardeinwand "Du hast Dich nicht genug eingelassen" ist sicherlich zu einfach; insofern wäre hier vielleicht die Erwähnung des zweiten neu-verlinkten Blogs (Eva Biringers "Milchmädchenblog") ganz angebracht, wo einige Vorsichtsmaßnahmen erwogen werden gegenüber jeglichem kommenden SIGNA-Abend (man mag das aber auch als eine kritische Kritikerinnenstimme -ganz in Ihrem Sinne, oh lala, zum Kritikenspiegel hinzulesen).
Daß eine solche Installation etwas Anderes ist als zB. ein Thalheimer-Abend, ist mir schon klar; was mir nicht so klar ist, warum das "Eklatant" hier stehen muß: ich sehe das "Mitmachtheater" in einer historischen Linie von Pörtner über Augusto Boal
(Forumstheater) bishin zu heutigen Formen (SIGNA) unbedingt als Bereicherung, nicht zuletzt wird der Blick und das Hören für traditionellere Formen hier meineserachtens eher geschult (insofern sehe ich weder die "Performative Revolution" noch die "eklatante Mißachtung des Schauspiels"), auch ist eine gewisse Dynamik durch theatrale Quereinsteiger immer wieder eine gute Befragung gängiger Ausbildungsstandards und Altersbeschränkungen zur Aufnahme eines Schauspiel- oder Regiestudiums (Ähnliches gilt natürlich auch für andere Bereiche, wenn fast jeder Preis für neue Dramatik die Altersgrenze von 35 Jahren kennt). Manch ein Regisseur weiß das "Spiel mit dem Publikum" geschickt für seine Inszenierung zu nutzen (siehe das Publikum als Raskolnikows "Gewöhnlichen" beim Porfiri-Verhör ! bei Martin Laberenz),
und mancher Theatermacher macht desweiteren nicht vor der "Guckkastenbühne"
halt.
Michael Thalheimer wird ja jetzt gewissermaßen in Marthalers Fußstapfen treten
mit "Geschichten aus dem Wienerwald" , liebe(r) oh lala, lese dann gerne, wie Ihnen das bekommen ist. Wie eine professionelle Schauspielerin und/oder ein professioneller Schauspieler , der eher "klassisch" ausgebildet ist und bislang agiert hat, so einen SIGNA-Abend auffaßt, würde mich auch sehr interessieren; leider sind das sehr seltene Stimmen hier. Ich selbst werde zu diesem Thread erst wieder zurückkommen, wenn ich meinen eigenen Höllenritt durchhabe und hoffe, daß sich noch einige SIGNA-ExpertInnen hier genauer erklären bzw. wieder mehr Erlebnisschilderungen von der aktuellen Sache hier Platz halten..
Ich war schon im Dorin Chaikin Institut und fand diesen Abend wesentlich spannender und aufregender, wenn es noch möglich wäre, würde ich nochmal hingehen, weil ich nicht mal in allen Höllenkreisen gewesen bin (obwohl ich von Anfang an bis zu Schluss dabei war) und daher auch ganz andere Erlebnisse hatte als mein Partner