Kampf des Negers und der Hunde - Roger Vontobel inszeniert Bernard-Marie Koltès in den Kammerspielen des Schauspielhauses Bochum
Afrika als Metapher
von Gerhard Preußer
Bochum 19. Mai 2017. Eigentlich ein Skandal, dass das Stück immer noch so heißen darf! Aber es geht ja nicht um die Hautfarbe. Afrika sei hier nur eine Metapher, hat Bernard-Marie Koltès über sein Stück gesagt. Eine Metapher wofür? Für das Leben. Genauer: für das Leben in Unsicherheit und Einsamkeit. Alle wollen darin anders, besser, schöner leben, keinem gelingt es.
Das Fremde
Dass das 1981 uraufgeführte Stück zwar berühmt, seit Ende der 80er Jahre aber kaum noch inszeniert wurde, lag vor allem an einem Besetzungsproblem. Wie besetzt man diese Titelfigur: authentisch oder stereotypenkritisch? Ein freundlicher Dunkelhäutiger oder ein sich demonstrativ schwarz schminkender Spezialist für Fieslinge? In Bochum nichts davon: der N*** ist eine Frau. Das ist aber keineswegs eine feministische Umdeutung des Stückes. Die Besetzung des rätselhaften Afrikaners mit Jana Schulz dient der Neutralisierung der Figur: Alboury, das geschlechtslose Wesen ohne Hautfarbe, der oder die oder das unfassbare Fremde.
Spielbar ist das Stück vor allem deshalb, weil es neben der überbordenden Weltbejammerungslyrik und schwiemeliger Einsamkeitspoesie eine handfeste Handlung hat: Ein Schwarzer wird auf einer afrikanischen Baustelle eines französischen Straßenbaukonzerns von einem weißen Ingenieur erschossen. Als ein Dorfbewohner die Herausgabe der Leiche fordert, versucht der Baustellenleiter den Mord zu vertuschen. Als dies nicht gelingt, will er den lästigen Frager umbringen lassen. Aber stattdessen wird der mörderische Ingenieur von den schwarzen Wachen erschossen. Ein richtiger Baustellenkrimi also, garniert mit einer Frau. Die Geliebte des Baustellenleiters wird eingeflogen, vom Ingenieur erfolglos unter Druck gesetzt, wirft sich in stupider Afrikabegeisterung dem Schwarzen an den Hals, ebenso erfolglos, und wird wieder abgeschoben.
Im Kabelwald
Exotische Atmosphäre gibt es in Roger Vontobels Bochumer Inszenierung nur in abstrahierenden Zeichen. Afrika ist ein Lianengewirr aus schwarzen Kabeln: zwei Metaphern in einer, Baustelle und Dschungel, der fremde, gefährlich faszinierende Erdteil und der hässliche, globalisierte Kontinent der Schufterei (Bühne: Fabian Wendling). Akustisches Afrika gibt es auch: Grillengezirpe und Papageiengeschrei, fabriziert am Mikrophon. Dazu Live-Musik mit Cello und Elektronik von Matthias Herrmann.
Vor dem dunklen Kabelwald haben der Ingenieur Cal und sein Chef Horn ihre schäbigen Metallstühle und jeder seinen Vorratskasten: Cal einen verdreckten Minikühlschrank voll Bier, Horn eine schicke Kiste voll Whiskyflaschen. Bevor Alboury auftritt, reibt er sich weißen Staub ins Gesicht. Ganz anders der Auftritt Léones. Sie steckt in einem riesigen Schrankkoffer und steckt nur den Kopf heraus. Cal sieht sie, rülpst, schleudert Bierschaum von sich, rülpst, stiert, kann es nicht fassen: eine Frau, plötzlich in dieser Männerwüste.
Dieser Cal ist es, mit dem die Inszenierung das Stück erträglich macht: Er ist der Clown, nicht der nervöse, triebhafte Bösewicht, sondern ein zappelnder Zyniker, unsicher und aggressiv, aber immer lächerlich. Max Mayer spielt ihn zwei Stunden lang unter Volldampf. Ganz souverän differenziert dagegen Werner Wölbern als Horn. Erst wenn weder Whisky noch Geld noch heuchlerische Freundschaftsangebote fruchten, legt er seine doppelbödige Bonhomie ab, wird scharf und leise und gibt den Auftrag zum Mord. Die junge Luana Velis als Léone ist bei aller demonstrativen Verlegenheit ein Energiepaket, das dann auch einmal im wilden Tanz explodieren darf, bevor sie sich den Oberkörper schwärzt. Nackt und schwarz, das ist Léones Ideal: selbstzerstörerische Selbstbefreiung durch falsche Liebe.
Durchlüftet mit Humor
Im zweiten Teil steigern sich die Effekte. Cal, der in der Jauchegrube vergeblich nach der Leiche gesucht hat, wirkt noch komischer, wenn er schlammbeschmiert mit Brille und Gewehr bei jeder Bewegung Fäkalienpampe verspritzt. Der tropische Donner grollt wild. Leonie bespringt barbrüstig den immer grimmiger schweigenden Schwarzen. Der immer noch blendend weiß gekleidete Horn besteht auf seinem letzten Feuerwerk, nur für sich selbst. Zum Schluss: maximale Licht- und Lautstärke, Heavy-Metal-Musik und Feuerwerk im Gewitter. Gleißende Schönheit und dröhnende Katastrophe sind nicht mehr unterscheidbar.
Koltès’ Forderung, auch in Deutschland müssten die Körper von Schwarzen und Arabern auf der Bühne stehen, wird hier mal wieder nicht erfüllt. Aber indirekt wird die Inszenierung Koltès gerecht: Sie durchlüftet das Stück mit einer steifen Brise von Humor und treibt so den existenzialistischen Pathosmuff der frühen 1980er aus.
Kampf des N**** und der Hunde
von Bernard-Marie Koltès, aus dem Französischen von Simon Werle
Regie: Roger Vontobel, Bühne: Fabian Wendling, Kostüme: Tina Kloempken, Musik: Matthias Herrmann, Licht: Denny Klein, Dramaturgie: Claudius Lünstedt.
Mit: Werner Wölbern, Jana Schulz, Luana Velis, Max Mayer, Matthias Herrmann.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause
www.schauspielhausbochum.de
Kritikenrundschau
Ulrike Gondorf schreibt auf der Website von Deutschlandfunk Kultur (20.5.2017): Koltès' "rätselhaftes Drama" erzähle "überraschend aktuell über Angst und Unsicherheit einer Gesellschaft, die plötzlich konfrontiert ist mit Menschen, die nicht dazugehören und auch nicht wieder verschwinden". "Panik, die in Gewalt umschlägt, Pragmatismus, der zunächst den Ausgleich sucht und dann auf eine harte Linie einschwenkt", hätten die Diskussionen der "letzten zwei Jahre geprägt". Vontobel arbeite das spannend heraus. Doch inszeniere er keinen "Crashkurs über Migrationsprobleme", vielmehr eine "Expedition ins 'Herz der Finsternis'", wo "Angst und Einsamkeit" regierten. Die vier Darsteller seien ein "großartig interagierendes Ensemble". Ganz wesentlich würden Atmosphäre und "böse Krimispannung" durch die Musik von Matthias Herrmann kreiert.
Sven Westerströer schreibt auf dem Webportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (21.5.2017): "Der Abend ist ein Schlag in die Magengrube." Den "ohnehin bitterbösen Text" färbe Vontobel noch "abgründiger". "Selbst für Vontobels Verhältnisse ist das finster: diese Wucht, diese Härte."So "geradlinig und abgeklärt" wie hier als Alboury habe man Jana Schulz zuvor selten gesehen. Während der souveräne Wölbern sich "immer krampfhafter am Whisky-Glas fest kralltI, vollbringe Max Mayer als "grenzdebiler Zappelphilipp" Cal die "irrwitzigsten Auftritte" des Abends.
Ähnlich angetan zeigt sich Achim Lettmann, er schreibt auf wa.de, dem Webportal des Westfälischen Anzeigers (21.5.2017): Roger Vontobel inszeniere "kühl" und mit "gutem Timing" eine "Eskalation". Das Bochumer Ensemble biete einmal mehr "exzellente Spielkunst". Dabei überrasche Jana Schulz, "die für ihr expressives Spiel bekannt ist", damit, dass sie "unaufdringlich abwartet und ihre Chance sucht". Die Inszenierung kulminiere "vor allem im wuchtigem Cellospiel, das die Kraft eines Requiems" gewinne.
"Ein grandioser Text, der eine untergründig-vibrierende Spannung erzeugt, um sich am Schluss in einem furiosen Knall aus Gewehrsalve, Donner und Feuerwerk zu entladen", schreibt Martin Krumbholz in der Süddeutschen Zeitung (24.5.2017). Die "Blackfacing-Falle" werde mit simplen Verfremdungen umgangen, "und Jana Schulz ist dank der ihr eigenen, unaufdringlichen Präsenz eine fabelhafte Besetzung für die Rolle eines Mannes, der als Einziger sich nicht zu Tode blamiert."
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Naja, also mehr als einen Hampelmann habe ich in der "Figur" Cal nicht erkennen können. Kein Tiefgang, keine Motivation, nur schablonenhaftes immitieren eines Alexander Scheers oder Marc Hoselmann oder des Volksbühnen-Styles im Ganzen... Aber Stil muss man eben haben, Mode kann man kaufen... Dieser Cal ist reine kosmetische mode... sehr schade, dass sich die Inszenierung es dermaßen leicht gemacht hat, dabei ist es ein sehr starkes Stück...
So aber ist das einzige, was keinen Sinn ergibt, ihr Kommentar.
Etwas schade fand ich, dass die Figur der Leone so arg klischiert dargestellt wurde. Ich hätte nicht dringend gebraucht, dass sie sich anfangs aus vor Angst vor dem Fremden im Koffer verstecken muss. Da wäre vielleicht weniger mehr gewesen. Ansonsten, ein wirklich starker Abend!
Lieber danish n.,
wir glauben, dass es sich hier um eine breite Diskussion handelt, deren Ausdruck unsere von Ihnen als politisch korrekt bezeichnete Schreibweise N**** ist. Eine Hilfskonstruktion, die wir einstweilen benutzen, weil uns nicht einleuchtet, dass der Ausdruck N*** weiter benutzt wird, ungeachtet der Unterdrückungsgeschichte, die sich mit ihm verbindet. Jedenfalls lässt sich eine vorhandene Dislkussion nicht dezisionistisch mit einem "Was soll das denn? Bald werden sie auch noch ...." vom Tisch wischen.
Mit freundlichem Gruß
jnm)
Und an dieser Stelle auch nicht die Redaktion.
Ich könnte es verstehen, wenn es sich um eine Schule handelt, um eine politische Einrichtung, die hier bewusst das Hilfskonstrukt benutzt, um ein deutliches Zeichen zu setzen, dass die Diskussion geführt wird, nicht zu Ende sein sollte.
Hier jedoch wirkt es ein bisschen, als hätte man hier Angst vor Kunst? Ich muss immer schmunzeln, wennn ich das so sehe - Es verträgt sich wirklich nicht mit der Kunstfreiheit in der Literatur.
Die Diskussion, wenn also das Wort in einem zeitgenössichen Theatertext vorkommt, müsste also für die Aufrechterhaltung der Diskussion dahin gehen: Ist dieser Text, der hier verwendet wird Literatur? Ist das, in dem er heute auf dem zeitgenössischen Theater verwendet wird, Kunst?
(Liebe Dorit Rust,
ich sage es mal drastisch: wenn der Stücktitel hieße "Kampf des Saujuden und der Hunde" wären Sie dann auch so kunstgewiss und plädierten jedenfalls für den Beibehalt des problematischen Wortes?
beste Grüße
jnm)
Vielen Dank für den reflektierten und fortschrittlichen Umgang mit dem sprachlichen Auswüchsen unserer mörderischen kolonialgeschichte. Das ist beispielgebend für andere Medien. An 7 und 8: bitte setzen Sie sich doch erst einmal intensiver mit dem Thema auseinander, bevor sie so aggressiv eine "Meinung" dazu propagieren. Rassismus sollte nicht derart auf die leichte Schulter genommen werden. Ein einziges Einsteiger Buch über weiße Dominanz, wie zB "Deutschland schwarz Weiß", wäre doch nicht zu viel verlangt.
Zudem steht ein Theatertext meines Erachtens erst dann im Zusammenhang mit dem Leben und der Realität, sobald er auf der Bühne gesprochen wird. Moral/Gewissen usw. entsteht demnach erst, wenn gehört wird, was verboten ist, sowohl im Sprechenden als auch im Zuhörer. Schauen Sie sich mal Kinder an, die wissen genau, was falsch oder richtig ist. Und trotzdem platzt mal was heraus. Denn erst darüber entsteht ein Gefühl für die persönliche Verantwortung für das Gesagte. Wenn es herausgeplatzt ist. Verbieten bzw. Schweigen vergrößert dagegen meines Erachtens nur die Lust, das Verbotene doch auszusprechen. Das ist ähnlich wie beim menschlichen Tun/Handeln. Eine Beziehung eröffnen, einen authentischen Dialog führen, und das ist das Wesentliche auch auf dem Theater, ist wichtiger als starre Regeln. Ich würde es jedenfalls nie wagen, einen Menschen als "N***" zu bezeichnen, wenn er sich vor mir in der Schlange eine Pizza holt. Und warum sollte ich auch. Gab ja gar keinen Anlass. Ein Mensch in der Schlange halt. DDR. Kleiner Konstruktionsscherz. Das heisst, ein Text bildet den Gegenstand, und ein Mensch ist sowieso kein Gegenstand, nicht nur ab, sondern konstruiert ihn gleich in der Vorstellung mit. Auch, wenn die Vorstellung eine andere als die Realität ist. Denn die Realität, der Mensch in der Realität, blickt und spricht zurück. Und erst da beginnt das Theater. Bloß, warum steht hier jetzt Jana Schulz für "den Schwarzen"? Inwiefern soll/ist das eine Setzung für Geschlechtslosig- bzw. "Farblosigkeit"? Anders gefragt: Was soll das bezwecken? Umgeht man damit nicht die Fragen, die Koltès erst aufgeworfen hat? Z.B. Baustelle als klassischer "Männerberuf", warum dann die Titelfigur eine Frau? Und dass Baustelle dann aber auch nicht gleich heisst "maskulin, muskulös, heterosexuell", ist auch klar. Ebenso über das Stück konstruiert ist, dass eine "weisse Frau" auf das in ihren Augen "exotische Schwarze" stehe. Ohne Gegenliebe. Diese Klischees könnte man befragen, umgeht es aber mit der Besetzung von Jana Schulz, oder nicht?
Und noch eine Frage an Gerhard Preußer, inwiefern ist ein "freundlicher Dunkelhäutiger" authentisch? Habe ich Sie da richtig verstanden? Ist authentisch bei Ihnen also gleichzusetzen mit freundlich? Würde ich bezweifeln wollen.
Fakt ist ja nun, dass es diesen Titel nicht gibt. Nicht so, dass er in unseren Literaturkanon eingegangen wäre. Und ich bin sicher, das ist kein Zufall! -
Man müsste sich also heute mit z.B. Lennon und Genet und Koltès streiten über ihre Wortwahl und das können wir nicht, weil die nicht mehr leben.
Ich bin aber sicher, sie hätten gute Argumente, warum sie das zu ihrer Zeit so benutzt haben und ich bin auch sicher, dass es sich um Kunst handelte, bei dem was die gemacht haben.
Darüberhinaus ist aber doch immer entscheidend, welch einer Figur aus welchem Grund das in den Mund gelegt wurde.
Es ist ein Unterschied, ob ich das einem Nazi, einem Neonazi, jemandem, den ich als für alle als wohlanständigen Bürger geltend, als heimlichen Antisemiten darstellen möchte.
Ich selbst würde mich nicht scheuen, das N****Wort auch heute zu benutzen, hätte ich die Erfahrungen wie Koltès sie gemacht hat z.B. Oder wie Faulkner.
Die Wahrheit ist aber, dass ich so sozialisiert bin, dass ich selten mit sogenannten - finde ich übrigens auch schrecklich! diese Wortschöpfung, die Menschen auf Hautfarbe reduziert! - People Of Colors oder mehr oder weniger gläubigen Juden in direkten Kontakt gekommen bin. Wenn ja, mir niemals dabei in den Sinn gekommen ist, sie zu Figuren zu machen (der Arno Schmidt hat mal geäußert, man brauchte ungefähr 80 ähnliche Menschen kennen, um daraus einen literarischen Typen zu schaffen, da scheint mir was dran!). Ich bin wesentlich öfter in Kontakt gekommen mit Menschen, die verächtlich bis voller Hass sich über bestimmte Weltanschauungen von jemandem geäußert haben. Oder über bestimmte Religionszugehörigkeiten. Oder über bestimmte Partnerschaftsformen. Und deshalb ist das primär in meinen Stücken. Aber dann äußern sich bestimmte Personen, deren mehr oder weniger gut verdeckten Hass ich dargestellt sehen möchte.
Ich würde - das ist die Kurzform der Antwort, die Sie gewiss bevorzugen - keineswegs für diesen Stücktitel plädieren.
- Und zwar, weil ich gewiss wäre, dass sich hinter diesem Titel, heute geschrieben, keine Kunst verbirgt.
es gibt diesen Titel mit dem "Sauj***" nicht in unserem Kanon und gewiss auch nicht in den versteckten Winkeln der Bibliotheken, weil Bücher und Stücke, die solche Bezeichungen im Titel trügen, gesäubert worden wären. Was uns zwanglos dahin bringt, dass ich denke, es kommt auf die Verhältnisse an, in denen Worte blühen oder unmöglich werden. In der liberalen Demokratie ist der offizielle Gebrauch eines Schimpfwortes, um eine Gruppe von Menschen zu bezeichnen, ein No go. Gesetzlich geregelt oder durch Konvention, heute gerne auch political correctness genannt. Nun hat man herausgefunden, auch wenn das in Deutschland, zumal in Ostdeutschland noch nicht überall durchgedrungen ist, dass es sich bei dem N****-Wort um ein Schimpfwort handelt, genauso wie beim "Sauj***" oder beim "Scheißt***". Und weil das so ist, kam man auf den Gedanken, dieses Schimpfwort zu meiden und zu vermeiden. Auch wenn es in Titeln von Kunstwerken aus Epochen auftaucht, in denen die Menschen keine Idee davon hatten, dass ein Wort, das ihnen völlig gebräuchlich ist, ein Wort ist, das das Unrecht bezeichnet, an dem sie mitwirken und von dem sie profitieren.
das beruhigt mich sehr, dass man das nicht im Kanon finden kann, und auch in den versteckten Winkeln von Bibliotheken nicht zu finden ist. Ich sehe mich allerdings nicht in der Lage das prüfen, glaube jedoch Ihnen und Ihrer größeren Erfahrung zumal auch der speziellen, was ausgerechnet in Ostdeutschland noch nicht bis überall hin durchgedrungen ist, was die derzeitige - aus meiner Sicht erfreuliche - Konvention ist: dass das N***-Wort ein Schimpfwort ist und deshalb im Alltag nicht benutzt wird. Ich würde gern, wenn wir über Schimpfwörtergebrauch bzw. konventionellen Nicht-Gebrauch reden, die anderen beiden Beispiele anders als das N***-Wort behandeln. Weil diese in mehrerer Hinsicht als Schimpfwörter - oder auch nicht - benutzt wurden und werden, und da liegt der Fall aus meiner Sicht noch komplizierter und insbesondere bei dem Sch***-Wort ist die Konvention da - gerade im Hinblick auf die Verhältnisse, in denen es seine unschönen Blüten zu treiben vermag, noch nicht so abgeschlossen.
Man kann ja auch einen Menschen vernichtend besprechen und dabei kein einziges den Konventionen widersprechendes Wort von sich geben. Oder gar keines zum Beispiel. Das geht auch. Aber wenn ich in der Kunst, im literarischen Text das beachten sollte, hätte ich immer nur genau solche Figuren geschaffen, die das typisch so machen.
Und das entspricht nicht der umfänglichen Wirklichkeit so wie ich sie erfahren habe und immer noch erfahre. Ich denke aber, dass das hier den Rahmen des Auseinandersetzbaren sprengt - obwohl ich es gerade wahnsinnig interessant finde, weil es mich interessiert solche Gespräche über Sprache, ihre Auswüchse und ihre schönen Blüten zu führen. Ehrlich gesagt, interessiert mich nichts mehr als das. -Schade also, dass wir hier in einem Kommentarteil feststecken...Wie meinen Sie das eigentlich konkret in Bezug auf den Titel vom Koltès? Meinen Sie, dass er durch den Gebrauch in seinem Stücktitel an dem Unrecht mitgewirkt hätte, das er verdeutlichen/beschreiben/vielleicht auch"bannen" wollte mit dem Stück? Und dass er das getan hätte, um daraus Profit zu schlagen? Oder dass er den Titel gewählt hat, weil er keine Idee davon hatte, dass der Gebrauch des N***-Wortes auf dem Boden von Unrecht gegen Menschengruppen sprießt? Und wie meinen Sie das mit der Säuberung von Büchern mit solchen Wörtern? Dass die von solchen Wörtern gesäubert worden wären/sind? Das wäre doch dann verlegerische/dramaturgische Arbeit. Ober ob die Bibliotheken von solchen Werken, in denen diese Wörter vorkommen, gesäubert worden sind?
Ich muss auch gestehen, dass ich das bei Koltès selbst nicht beurteilen könnte, weil ich seine Arbeiten nicht so besonders mag. Sie erreichen mich emotional nicht besonders durch ihre Form - zumindest nicht in den Übersetzungen, die ich bisher las, und dann ist das auch unfair, bis in diese Art der moralischen Beurteilung des Autors vorzudringen...
Auch denke ich, dass gesellschaftsgängige Sprach-Konvention und Political Correctness nicht dasselbe sind. Mich ärgert oft, dass es heute oft gleichgesetzt wird in der Bedeutung. -Wenn ich mich nicht kürzer fassen kann, ist das jetzt Ihren Einwänden geschuldet. Würden Sie mir das in dem Fall zugute halten? - Freundlichst grüßt - Dorit Rust
Negro
I am a Negro:
Black as the night is black,
Black like the depths of my Africa.
I’ve been a slave:
Caesar told me to keep his door-steps clean.
I brushed the boots of Washington.
I’ve been a worker:
Under my hand the pyramids arose.
I made mortar for the Woolworth Building.
I’ve been a singer:
All the way from Africa to Georgia
I carried my sorrow songs.
I made ragtime.
I’ve been a victim:
The Belgians cut off my hands in the Congo.
They lynch me still in Mississippi.
I am a Negro:
Black as the night is black,
Black like the depths of my Africa.
P.S.: Es gibt kein Gedicht, in dem das lyrische Ich von sich sagt: "Ich bin ein Saujud". Das Pendant zu "Neger" ist "Jude". Auch dieses Wort wurde und wird diffamierend gebraucht.
Sigmund Freud
Selbstdarstellung
Meine Eltern waren Juden, auch ich bin Jude geblieben.
Albert Einstein
Schau ich mir die Juden an,
hab ich wenig Freude dran.
Fallen mir die andern ein,
bin ich froh, ein Jud' zu sein
Warum bloß wollen die weißen alten Männer, die Nichtjuden für die Betroffenen entscheiden, welche Wörter erlaubt und wo Sternchen am Platze sind? Von der respektablen Empathie zur Bevormundung ist es nur ein kleiner Schritt. Mein Vorschlag: kümmert Euch weniger um verbale Korrekturen und sorgt dafür, dass niemand wo auch immer anders, schlechter behandelt wird als andere.
"Gerade weil er ihr ephemeres Schicksal fürchtet, weil er sie als etwas Unveränderliches, einmalig Bleibendes erträumt, sucht der Mann im Antlitz der Frau, an ihrem Leibe und ihren Gliedern die klare Linienführung einer Idee. Bei primitiven Völkern ist diese Idee nur die des Nationaltyps in vollkommener Form: eine Rasse mit Wulstlippen und platter Nase bildet auch ein Schönheitsideal mit Wulstlippen und platter Nase aus; auf späteren Entwicklungsstufen wendet man dann auf die Frauen kompliziertere ästhetische Wertungsmaßstäbe an. Auf alle Fälle aber erfreut die Frau mit ihrem Anblick den Mann um so mehr, je harmonischer ihre Züge und ihre Proportionen gebildet sind, weil sie ihm dadurch den Unzulänglichkeiten der Dinge der Natur entzogen scheint. Es kommt also zu der paradoxalen Situation, daß der Mann, der in der Frau zwar die Natur, aber eine umgewandelte Natur umarmen möchte, sie dadurch in die Künstlichkeit treibt. Sie ist nicht Physis, sondern ebensosehr Antiphysis, und das nicht nur in der Welt der elektrisch hergestellten Dauerwelle, der Haarentfernung mit Wachs, der Hüftgürtel aus Lastex, sondern auch im Lande der Negerinnen mit Lippenflöcken, in China oder wo immer auf Erden."
Kolonialgeschichte? Oder geht es nicht auch um die Kolonisierung bzw. den Besitz der Körper von Frauen und Männern? Die Schauspielerin Jana Schulz ist eine Frau. Aber warum dann als Figur gleich geschlechts- und farblos? Ich kann die Figur doch nicht vom realen Schauspielerinnenkörper trennen. Wie kommt man da auf geschlechtslos?
Ich denke nicht, dass "Jude" das Pedant zu "Neger" ist. Auch wenn beide entweder diffarmierend benutzt oder zumindest im Schriftsprachlichen ihnen eine eindeutige Diffarmierung mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Last gelegt werden kann. Weil man beim Lesen nicht den Tonfall im Zusammenhang des Sprechens wahrnehmen kann, der Ironisierungen und sogar inhaltliche Verkehrungen optional beinhalten kann.
Bei "Neger" liegt die Betonung auf der rassistischen Beschimpfung mit ihrem gesamten Kontext der Kolonialgeschichte und Unterdrückung. Er verweist in der Etymologie auf den Herkunftsort von "Schwarzen". Nämlich den eher in Afrika, um den Fluss Niger herum ansässigen und aus z.B. Nigeria stammenden Menschen. Weil man in Europa und anderswo immer Koninente schlecht differenziert denken kann, war es offenbar praktisch, alle Schwarzafrikaner einfach als "Neger" zu bezeichnen. Deshalb ist ethisch das Wort "Neger" konotiert mit "Sklave". Wegen der Geschichte der Versklavung schon zu Zeiten der frühen ägyptischen Dynastien. Und deshalb kann sogar ein weißer, junger aus Berlin stammender Mann als "Neger" beschimpft werden. Z.B., wenn er gerade gut genug ist, um für irgendwen unbezahlt zu arbeiten...
Beim Wort "Jude" ist die Diffarmierung anderer Natur. Es werden Leute "Juden" geheißen, die gar keine Juden sind, wo immer sie in der Diaspora leben. Sie werden trotzdem für ihr vermeintliches "Judentum" diffarmiert. Selbst dann wenn sie selbst überhaupt nicht jüdischen Glaubens sind, sondern nur familienhistorisch zu der Gruppe der für ihre Religion diffarmierten Menschen gehören. Und es werden auch solche Menschen beschimpft als "Juden", die z.B. Muslime sind, weil sie im Äußeren Menschen ähneln, die aus dem Gebiet des uralten ehemaligen Doppelreiches Judäa/Israel stammen. Ein christlicher Israeli darf jederzeit gern damit rechnen, dass er "Jude" geheißen wird. Und ein gläubiger, weißrussischer Jude darf jederzeit gern damit rechnen, dass er "Ungläubiger" geschimpft wird, weil er aus einem religiös christlich-orthodoxen und politisch atheistisch beherrschten, organisierten Staatsgebiet stammt... Das Pedant zu "Neger" als Schimpfwort ist metaethisch betrachtet eher "Mulatte" als "Jude".
zu Inga in#15
Bei allem Respekt vor und für Beauvior dürfen und müssen wir von heute aus gesehen bedenken, was sie zum Zeitpunkt ihres Schreibens gesehen hat und was sie durchaus in der Lage gewesen wäre zu sehen und zu beschreiben und es nicht getan. Das ANDERE Geschlecht, ist ja für jedes Geschlecht das andere. Für Männer ist das andere Geschlecht das weibliche und für Frauen ist das andere Geschlecht das männliche. Auch Männer stehen unter dem Druck dem Anderen, dem Fremden gefallen zu wollen. Sie hadern mit ihren Bäuchen, mit dem häufig schnell schütter werdenden Haar, mit ihrer im Verhältnis zu zarten Gefühlen eventuell ungelenk wirkenden im Allgemeinen größeren Körperkraft, mit ihrem schnell sprießenden Bartwuchs, der mal zu kratzig, mal zu grau, mal zu lang und eventuell ungepflegt wirken könnte, nähern sie sich dem Anderen genauso skeptisch und dessen Vorurteile und Schönheitssideal fürchtend wie umgekehrt...
Koltès großes Anliegen ist, den Afrikanern zur Präsenz auf den Bühnen zu verhelfen. Er schreibt natürlich aus einer europäischen Sicht. Und da sind Vorurteile über Schwarze zunächst mal das, womit man sich auseinandersetzen muss. Die Vorurteile werden im Stück thematisiert: Mit der Figur der Léone wird der Exotismus, die unreflektierte Projektion von Wünschen auf sie, kritisiert. Die Figur des Cal ist deutlich genug als verabscheuungswürdiger Rassist mit entsprechenden Vorurteilen über die Wert- und Würdelosigkeit der Schwarzen gekennzeichnet (Über die Bewertung der deutlich überzogenen Spielweise Max Mayers kann man sich tatsächlich streiten). Mit Horn wird auch die konzessionsbereite Dialogstrategie als Herrschaftsmittel entlarvt. Daher kann man dem Stück keinen Rassismus vorwerfen. Die Verwendung des Begriffes „N****“ im Titel dient der Nennung des Themas, Kritik an rassistischen Vorurteilen, nicht deren Bestätigung. Koltès’ Sympathien sind klar: die Weißen sind die Hunde.
Das Stück ist aber auch nicht auf dem heutigen Reflexionsstand. Es ist noch sehr vom Pathos des französischen Existenzialismus geprägt, vom Vorbild Jean Genets („Les Nègres“).
Bei der Bewertung des französischen Titels „Combat de nègre et de chiens“ muss man auch die Tradition des Begriffes „nègre“ im Französischen bedenken. Mit dem Begriff „Nègritude“ versuchten afrikanische und karibische Autoren seit den 30er Jahren eine selbstständige, französischsprachige Literatur der Schwarzen zu schaffen. Frantz Fanon und Jean-Paul Sartre benutzten den Begriff „nègre“ rein deskriptiv in ihren Analysen des rassistischen Kolonialismus. Koltès war sich in den 80er Jahren aber der rassistischen Konnotationen des Begriffs „nègre“ bewusst, im Personenverzeichnis wird Alboury „un Noir“ genannt.
Zu Inga und dem „freundlichen Dunkelhäutigen“: Diese Formulierung diente dazu, die Extreme zu benennen, die sich bei der Besetzung der Figur Alboury stellen. Koltès hat ja zeitlebens auf der Besetzung mit einem Schwarzen bestanden. Das hat aber die Aufführbarkeit seines Stückes behindert und so hat der Verlag mittlerweile die Durchsetzung dieser Besetzungsbedingung aufgegeben (siehe Stellungnahme des Verlages im Programmheft der Bochumer Aufführung). Um allen möglichen Vorwürfen zu entkommen, könnte man auf die Idee kommen, die Rolle mit einem bewusst durch Freundlichkeit gekennzeichneten „Dunkelhäutigen“ zu besetzen. Eine Bremer Inszenierung 1990 scheint diesen Weg gegangen zu sein (von einem Äthiopier mit „zu Herzen gehender Schlichtheit und Würde“ gespielt). Dies ist der Extremfall einer „authentischen“ Besetzung, d.h. einer Besetzung mit einer der Rolle entsprechenden Hautfarbe und positiver charakterlicher Konnotation. Eine weniger extreme authentische Besetzung wäre z.B. ein rätselhafter oder verschlossener Dunkelhäutiger.
Ingas Verdacht, dass die Besetzung Albourys mit Jana Schulz die Probleme, die Koltès aufwirft, umgehe, halte ich grundsätzlich für richtig. Sie wird etwas aus dem Spiel genommen. Dadurch kann man die heikle Frage, ob man Alboury als bedrohlichen Wilden, als antikolonialen Kämpfer, als moralisch aufrechten Antigone-Nachfolger o.ä. spielen soll, vergessen. Die Textpassagen in der senegalesischen Sprache Wolof sind gestrichen. Die Rolle wird in diesem Sinne „neutralisiert“. Das ist eine Entscheidung, die man verstehen kann. Sie ist weder frauenfeindlich noch rassistisch.
In meinem Text sind vielleicht einige Gedankengänge zu komprimiert und syntaktisch verkürzt formuliert. Ich hoffe, ich konnte nun nachträglich etwas zur Klärung beitragen.
Ausserdem: Jeder schreibt hier offenbar allein aus seiner individuellen Betroffenen-Perspektive heraus, das wird mir hier plötzlich ganz klar. Juden, N***, Frauen, mal ist es das Aussehen, mal Weltanschauungen und Religionsfragen, mal das Geschlecht, mal Partnerschaftsformen. Ich frage mich deshalb folgendes: Schimpfworte, okay, ein Thema für sich. Ich frage mich allerdings auch, wo das Schimpfwort anfängt und das andere endet. Manche Sätze tun auch ganz ohne Schimpfworte weh. Das kann und muss man über die Art des Aussprechens und über Kontextfragen klären. Ja, worum geht es denn eigentlich im Leben? Seine wir mal ehrlich. Nicht um Aussehen, Geschlecht, Weltanschauungen, Partnerschaftsformen und Religionsfragen. Dafür kann ich mir nichts kaufen. Nein, es geht um GELD. Um Fragen der Bezahlung. Wenn diese Fragen mit Geschlecht, Migrationshintergrund und/oder Religionszugehörigkeit (in der Kirche arbeitet man/frau angeblich auch für "den Lohn" der Nächstenliebe, ach so) usw. verschmolzen werden, existiert gesellschaftlich bzw. politisch eine Schieflage. Ich teile daher ihr Argument bezüglich de Beauvoir NICHT: Denn sie hat es ganz klar AUCH auf das Politische bzw. Gesellschaftliche bezogen, auf die soziale Frage (der Bezahlung). Man kann das nicht runterbrechen auf Fragen des Aussehens. Deswegen stimmt Ihr Argument da für mich auch nicht. Männer wurden schon immer und bis heute in vielen Berufen besser bezahlt. Ist eine Tatsache, kein Beziehungsdings. Ich bezog mich mit de Beauvoir auf den Begriff des N*** und vor allem auch auf das Thema "Besitz" von Körpern bzw. deren Zurichtung für den vermeintlichen "Besitzer".
Man könnte all das zusammendenken und auch die authentische Beziehung zwischen Menschen einbeziehen, wenn sie sich denn mehr kennen(lernen wollen) würden. Die Anonymität einer (Groß-)Baustelle mit ihrer Arbeitsteilung und unpersönlichen Beziehungen verhindert das aber offenbar. Sonst würden all diese Kämpfe nicht stattfinden, oder? Zeit ist Geld, aber auch Lebenszeit. Und wir haben alle nur dieses Eine. Ein Toter kann da nicht (mehr) mitreden und (leider) nichts mehr dran ändern. Wir aber könnten das. Tja. Also?
Und wenn man diese Schieflagen ändern will gibt es nur ganz genau zwei Dinge, die dafür nötig sind:
1.) die Befriedung der Welt
2.) die bedingungslose ökonomische Gleichstellung der Geschlechter weltweit.
Weil das so einfach und übersichtlich ist, gibt es zuhauf Leute, die einem die Schieflagen zunächst zu begradigen empfehlen. Sozusaegn als nicht zu bewältigende Herkulesaufgabe. Primär. Und dann, das 1. und 2. als Bonus einer erstrebenswerten Vorstellung zu bewahren. Als das schön persönlich Sekundäre.
Das ist eine zweckdienliche Lüge, die von der Forderung 1. und 2. ablenkt. Man kann übrigens für die Formulierung solcher einfachen Forderung sehr viel Erfahrung mit lauten, leisen und sogar geschwiegenen Beschimpfungen, Diffarmierungen sowie reichlich Spott ernten. Und man hat dann wirklich sehr viel Erfahrung damit gesammelt und eine sehr spezielle Betroffenheitsperspektive.
Und Sie haben natürlich recht mit der "Bezahlung" gegen Liebe, ich gebe gern zu, dass ich mir die Freiheit zu schreiben, was ich will und wann und wie ich will, redlich erschlafen und erputzt und er-mitgefühlt habe. Und wissen Sie was?: Ich hab es gern getan. -
War das deutlich genug.
Sie schrieben: "Warum bloß wollen die weißen alten Männer, die Nichtjuden für die Betroffenen entscheiden, welche Wörter erlaubt und wo Sternchen am Platze sind? Von der respektablen Empathie zur Bevormundung ist es nur ein kleiner Schritt."
Kann ich nicht auf mir sitzen lassen.
Alter, weißer Mann ja okay. Aber dann macht der eine alte, weiße Mann den anderen alten, weißen Mann drauf aufmerksam, dass die Forderung des, ich nenn' es mal, "bewussten" Sprechens nicht gerade von mir aus Lust und Laune ersonnen wurde, sondern von aktivistischer Seite gefordert und von einer etwas informierteren Öffentlichkeit akzeptiert worden ist. Wenigstens was das N****-Wort betrifft.
Mit herzlichem Gruß
jnm
(...)
die informierteRE Öffentlichkeit ist jener Teil der Öffentlichkeit, der weiß, was man wissen kann. Jener Teil der Öffentlichkeit, der Entwicklungen verfolgt und versucht mitzuvollziehen und nicht darauf besteht, immer alles weiter so zu machen, zu sagen, zu benennen wie der alte, weiße Mann es in seiner Kinderzeit, Jugendzeit und Jungerwachsenenzeit gemacht, gesagt oder benannt hat und dann auch noch behauptet, alles andere sei unnormal, unnatürlich, Meinungsdiktatur et cetera bla bla.
(Liebe/r #24,
man ist dann sicherlich Schlimmeres :). Mich würde Ihre andere Meinung und die Begründung interessieren.
Grüße
jnm)
1.Bernard-Marie Koltès: (-)
Der Kampf des Negers und der Hunde
Regie: Roger Vontobel
Bochum, Schauspielhaus Bochum
"des Negers"???????? Im Ernst? Des Negers???????????????? Das steht da, in der Nachtkritik? Da frage ich mich doch angesichts der obigen politisch korrekten ***-Diskussion insbesondere von N.Merck: Welche rückwärtsgewandten alten weißen männlichen Rassisten in der Nachkritik-Redaktion habe diesen rassistischen Text-Titel heimlich eingestellt?
Überhaupt frage ich mich angesichts der politisch superkorrekten Feststellung der Nachtkritik, daß ""bewusstes Sprechen" "nicht gerade von mir aus Lust und Laune ersonnen wurde, sondern von aktivistischer Seite gefordert und von einer etwas informierteren Öfrfentlichkeit akzeptiert worden ist" - also, ich frage mich demnach: wenn "politaktivistisches Sprechen" einer "informierteren Öffentlichkeit" neue generelle Sprachstandards und Sprachverbote absolut einfordert: Wieso wird dann nicht endlich auch ein grundsätzliches Verbot dieses schon im Titel rassistischen Stückes selbst gefordert? Wie kann es politisch erlaubt sein, eine Differenz zwischen afrikanischen und nichtafrikanischen Menschen zu etablieren, wie es dieses Stück inhaltlich tut? Schließlich sind doch alle Menschen gleich. Oder?
Reine politisch korrekte ***-Oberflächen-Sprachkosmetik kann es dann ja nicht sein, denn bei N*** denkt doch jeder erst recht - na was schon?. Nein, da muß man doch schon Butter bei die Fische tun und auch politisch inkorrekte Inhalte, also das Stück selber, politisch korrekt verbieten.
Oder?
PS: Angesichts des Diktums "Auch wenn es in Titeln von Kunstwerken aus Epochen auftaucht, in denen die Menschen keine Idee davon hatten, dass ein Wort, das ihnen völlig gebräuchlich ist, ein Wort ist, das das Unrecht bezeichnet, an dem sie mitwirken und von dem sie profitieren" müssen dann auch unbedingt die Texte von Martin Luther King von solchen Wörtern wie "negro" gereinigt werden: Der offenbar rassistische M.L.King hatte offenbar noch keine Idee davon, daß er mit diesem Negro-Wort "ein Unrecht bezeichnet", an dem er mitwirkte und von dem er profitierte - sonst hätte er es in seinen berühmten Reden und Aufsätzen nicht ständig wiederholt:
"»But 100 years later, the Negro still is not free. One hundred years later, the life of the Negro is still sadly crippled by the manacles of segregation and the chains of discrimination. One hundred years later, the Negro lives on a lonely island of poverty in the midst of a vast ocean of material prosperity. One hundred years later, the Negro is still languished in the corners of American society..."
Das muß doch politisch korrekt mit N*** ersetzt werden!!! Racist Martin Luther King is to be corrected!!!
Oder?
warum wir Titel und Text von "Kampf des N*** und der Hunde" unterschiedlich behandeln, hat Gerhard Preußer weiter oben in einem Kommentar ausgeführt.
Man könnte aber auch andersherum argumentieren und sagen, rassistische Sprache, so sie in die Öffentlichkeit lappt und nicht als Figurensprache im literarischen Kontext bleibt, wird politisch zensiert. Dann hätten wir den Titel in der Ankündigung und in der Dachzeile mit *** schreiben müssen. Auch dafür gäbe es gute Gründe.
Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, der Tonfall ihres Kommentars erweckt Zweifel, aber ich habe das an dieser Stelle kurz ausgeführt, weil ich darauf hinweisen möchte, dass die Veränderung von Sprache, die der Veränderung der Weltwahrnehmung folgt oder vorausgeht, ein Prozess ist, der immer im Gange ist.
Angesichts einer derartigen Umwälzung suchen alle nach dem angemessenen Wort. Die Forderungen, Benennungs-Praktiken zu hinterfragen, gehören zu diesen Suchbewegungen. Neue Praktiken werden ausprobiert, gegebenenfalls auch wieder verworfen.
Denken Sie an die Versuche, das Partriarchat aus der Sprache zu entfernen? Zunächst war das "man" verpönt, später gab es das große Binnen-"I" bei SchauspielerInnen, inzwischen sind wie bei den Sternchen angekommen: Schauspieler*innen. Weitere Versuche werden folgen, bis sich ein neuer Konsens herausgebildet haben wird.
Wir nehmen nicht für uns in Anspruch, superkorrekt zu sein, wir nehmen an einer allgemeinen Suchbewegung der "informierteren" (also der nicht völlig ignoranten) Öffentlichkeit teil. Nicht mehr und nicht weniger. Wir diskutieren jedes Mal neu, wie wir mit Titeln wie "Kampf des N*** und der Hunde" umgehen sollen. Wir sind 10 Redakteur*innen, also zehnmalklug, aber noch immer nicht klug genug.
Was Ihren spöttischen Hinweis auf Martin Luther King betrifft, glauben Sie, MLK oder einer seiner Nachfolger in der Bürgerrechtsbewegung würde heute weiter das Wort "N***" gebrauchen? Nein, oder? Da ist etwas passiert, was wir in seiner Tragweite zu verstehen und aufzunehmen versuchen.
Denn das spricht 1.) für Feigheit = offensichtliche Eingeschüchtertheit durch die Aktivisten von Bühnenwatch. Diese Angst ist ja auch an Berliner Theatern virulent und, wie sich soeben zeigte, besonders ausgeprägt bei der Leitung des Theatertreffens (Oberender/Büdenhölzer) - man lese zu dem geradezu dümmlichen Verbot des "N.-Wortes" beim Leipziger TT-Gastspiel "89/90" den mutigen "TT-Blog" junger Journalisten!
Und 2.) zeigt es die Arroganz, mit der hier die selbsternannte "Diskurselite" von Nachtkritik für sich in Anspruch nimmt, die politisch "informiertere" Theateröffentlichkeit zu repräsentieren.
Was für ein Komparativ! Der ist ja so was von entlarvend.
kommen Sie halt wieder runter von Ihrem Empörungsbaum.
"von aktivistischer Seite gefordert und von einer etwas informierteren Öffentlichkeit akzeptiert", bezieht sich nicht auf unser deutsches Theaterwasserglas. Sondern eben darauf, das sich seit den Zeiten, in denen Martin Luther King selbstverständlich von Negroes sprach, ein Wandel vollzogen hat, der in den USA es selbstverständlich nicht mehr zulässt, von Negro zu sprechen. Dieser Wandel wurde von Aktivisten in Gang gesetzt, nämlich von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Und von der liberalen Öffentlichkeit (= der "etwas informiertere Teil der Öffentlichkeit", = der nicht rassistische-fundamentalistische-reaktionäre Teil der Öffentlichkeit - okay?) akzeptiert. Sie können auch sagen, dieser Wandel wurde der liberalen Öffentlichkeit abgezwungen von den schwarzen Bürgerrechtlern.
Sie wissen doch selbst, dass das Vermeiden des "N-Wortes" keine deutsche Erfindung ist. Okay?
Ansonsten stimme ich Ihnen allerdings zu. Selbstverständlich sind wir
1. feige
2. arrogant
3. die Diskurselite
und
4. jetzt von Ihnen entlarvt. Endlich.
Mit freundlichem Gruß
jnm
Ich würde sagen, an Merck anknüpfend, Sprachveränderung geht Veränderungen voraus UND hinterher. Und zwar immer gleichzeitig. Man kann durchaus durch sprachliche Eingriffe schlechte Zustände dadurch ins verändern, indem man sie erst einmal durch die Eingriffe mutig gegen den Strom der Sprachkonventionen schwimmend ins Bewusstsein bringt. Und man ändert natürlich gleichzeitig durch Änderung von Zuständen auch die Sprache, die diese Zustände beschreibt! Sprache und Verhältnisse sind keine Einbahnstraßen!
Es geht wohl nicht darum ein ehemals vorhandenes Bewusstsein, auf dessen Grundlage ein Werk wie z.B. "Herrmannsschlacht" entstand, als "falsch" offen zu legen. Sondern eher darum, es als heute auf Zustandsbeschreibung von Gesellschaft partout nicht mehr oder leider wieder/immer noch zutreffend offen zu legen.
Dieser Art Offenlegung hat sich das sogenannte Regietheater angenommen. Man kann das aber auch durch zeitgenössischen Text machen. Z.B. durch eine heute gänzlich neu geschriebene "Herrmannsschlacht" - Den wird das Regietheater natürlich nicht so mögen, weil sich Regie beim Inszenieren primär auf andere Dinge konzentrieren müsste als auf die Kritik eines überkommenen Bewusstsein anhand eines alten Textes...
Mit freundlichem Gruß d.o.
wir sind doch hier bei "nachtkritik", einer rezensions-seite mit wahrscheinlich halbwegs mündigen leser/innen. ich möchte nicht von Ihnen an die Hand genommen werden, wenn ich mich mit Literatur beschäftige. in der Rezension können Sie mir gerne thematisieren, ob die Künstler den Titel hätten anders wählen müssen oder wie Sie so etwas finden, aber als Redaktion hier einzugreifen, und dann noch so inkonsequent, ist paternalistisch. Werden Sie jetzt häufiger Titel zensieren, etwa die weibliche Form ergänzen? Etwa "Die Kleinbürgerinnen und Kleinbürger"? Ich finde, auch "Der Weibsteufel" könnte da mal genauer angeschaut werden.
"Was Ihren spöttischen Hinweis auf Martin Luther King betrifft, glauben Sie, MLK oder einer seiner Nachfolger in der Bürgerrechtsbewegung würde heute weiter das Wort "N***" gebrauchen? "
"denen Martin Luther King selbstverständlich von Negroes sprach, ein Wandel vollzogen hat, der in den USA es selbstverständlich nicht mehr zulässt, von Negro zu sprechen."
Wenn Sie sich da mal nicht schwer irren. Beyonce singt heute:
My daddy Alabama, momma Louisiana
You mix that negro with that Creole, make a Texas bama
I like my baby heir with baby hair and afros
I like my negro nose with Jackson Five nostrils
Oder hier, aus der Black Lives Matter - Internet- Site: "The Militant Negro":
"Many have asked why I consider myself a Negro and not a black man like most everyone else who is of my skin tone. The answer is pretty simple. The word/term Negro is derived from the race Negroid, which is one of the only 3 true races known to man...
Slave masters called us Africans, then niggers, then Coloreds, then Afro Americans followed by African Americans and finally Black. I am a Negro, from the race Negroid, and that is how I label/define myself."
https://themilitantnegro.com/a-negro/
Nicht ganz in Ihrem bevormundenden Sinn. Aber das, werden Sie mir sicher gleich erklären, ist etwas ganz anderes...
Lassen wir das Geplänkel. Die ganze Debatte läuft auf die schlichte Frage hinaus, ob historische Texte gemäß unseres derzeitigen Bewußtseinsstandes rückwirkend verändert werden dürfen. Falls ja, hätten Sie dann allerdings von Shakespeare über Schiller, Marx, Tucholsky und... bis Adorno und anderer unaufgeklärter Autoren ziemlich viel mit "..." zu ersetzen. Den sprachpolitisch korrekte, suchend- "informiertere" Eiertanz der nachtkritik zwischen "Neger" im Titel und " N..." im Text und der Debatte empfinde ich als einigermaßen lächerlich und unwürdig unter erwachsenen Menschen.
Historische Texte, also auch der Koltes-Text, dürfen nicht aus ideologischen Gründen gereinigt werden ( der Schreiber des oben zitierten MilitantNegro-Textes z.B. würde die Säuberung in einem MLK-Text als rassistische Sklavenhalter-Mentalität bezeichnen - so schnell können politisch korrekte Eingriffe in alte Texte ins Gegenteil umkippen). Was historisch war, war - und hat als Dokument der Vergangenheit zu bleiben. Daß es historisch eingeordnet werden muß, steht außer Frage.
Eine ideologische Umschreibung der Vergangenheit sollte Diktaturen vorbehalten bleiben.
Wer einen Schwarzen
öffentlich als "Neger" bezeichnet, darf
ungestraft "Rassist" genannt werden. So lautet ein Urteil des
Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom
15. Juni 2000.
Gegen Ende des Urteils äußert die Richterin unter anderem, dass es für
sie „schwer vorstellbar“ sei, dass dem Kläger (dem angeblich nicht
bewusst gewesen ist, daß es sich dabei um ein Schimpfwo
rt handelt) „der diffamierende Charakter des Ausdrucks „N****“
nicht bekannt gewesen sein soll.
Das Urteil trägt die Geschäftsnummer 6 C 154/ 00
Ich zum Beispiel fühle mich gern persönlich angegriffen, wenn öffentlich wirksam die Ansicht verbreitet wird, es gäbe heute keine Liebe oder alleseinfachalles sei käuflich unter den Bedingungen des real existierenden Global-Kapitalismus.
Auch dann persönlich angegriffen, wenn das als allgemeingültiges Zeitgeist-Gesetz durch beispielsweise Menschen, die als öffentliche Autoritäten gelten oder herbeizitiert werden, verbreitet wird.
Wenn das Politiker sind, die das verbreiten, wähle ich sie nicht.
Wenn das Künstler sind, nehme ich sie nur begrenzt ernst und werde versuchen, zu prüfen, ob die das ernst meinen oder einfach nur gesellschaftspolitisch provozieren wollen.
Wenn sie nur provozieren wollen, werde ich versuchen zu prüfen, warum mit genau dieser Behauptung. Hartnäckig. Bis ich eine antwort bekomme. Eine in Form von Kunst. Also einer, die ihrem Beruf adäquat ist.
Wenn das private Leute auf der Straße, in Betrieben oder ähnlichen Räumen sind, muss ich lächeln.
Wenn das Philosophen sind, werde ich jedoch versuchen, sie ad absurdum zu führen...
Ich würde aber niemals auf die Idee kommen, irgendwen von all diesen Menschen für diese öffentlich präsentierte Behauptung, die sie kraft ihrer Autorität oder privat subsumierten Lebenserfahrung aufgestellt haben, und die mich persönlich beleidigt, zu verklagen vor einem Gericht.
Ich würde sie auch nicht verklagen, wenn sie mich beschimpften oder dergleichen.
Denn zu jedem Schimpfwort gehört, dass man sich durch es beschimpft fühlen kann. Oder auch nicht. Und zu jedem Schimpfwort, das man von einem über einen Dritten hört, gehört, dass man offenbar gern ungeprüfte üble Nachrede glaubt.
Lieber der Nachrede glaubt, als auf ein - positives wie negatives - Vorurteil gegen jemand Unbekannten zu verzichten und das Unbekannte an seinen absolut gesichert belegbaren Handlungen zu messen.
Vielleicht macht Sie dieser Artikel hier ein wenig nachdenklicher in Bezug auf die von ihnen diagnostizierte "eurozentristische Sicht" aus der heraus das autoritäre N**** erstünde.
http://www.sueddeutsche.de/kultur/hip-hop-und-der-nigga-gruss-das-vermaledeite-n-wort-1.422839
was soll denn immer diese wortpolizei. wenn ich mit "neger" einen dunkelhäutigen menschen meine, einen schwarzen, braunen, afrikaner wie auch immer... dann ist das ein überholtes wort aus dem kolonialkontext, älter sogar, aber doch kein diffamierendes schimpfwort. es wurde aber natürlich als solches auch genutzt "neger, neger-schornsteinfeger" in den 60ern gg die Kinder amerikanischer Soldaten.
es gab ja sogar den streit um den dachdeckerbetrieb "neger", die hießen ja wirklich seit Generationen so (kommt wahrscheinlich von "näher") und nutzten seit Anfang des 20.jhrds einen kleinen stilisierten, Hämmerchen schwingenden schwarzafrikaner als firmenlogo. ja, da ging was los, shitstorm sagt man wohl heute. man sollte das wort "neger" wohl sicher nicht mehr allzu oft anwenden im Alltag, aber wenn der begriff Personensprache ist, wie in 89/90 oder bei märk twain, Faulkner etc., wenn er, wie in dem stück "Kampf des ..." oder bei einer Müller, dann muss man auch mal gut sein lassen.
Ich habe erst spät begriffen, dass es nicht irgendwer, sondern tatsächlich Thomas Oberender zum tt von Bauer und Team wollte, dass der Text der eingeladenen Inszenierung geändert würde. Und dass er im öffentlichen Gespräch darauf angesprochen, sogar noch nachlegte und meinte, er hätte, wenn er den Text der Inszenierung vorher gekannt hätte, noch mehr Änderungen verlangt, konnte ich dann kaum fassen: Sowas sagt der Oberender???? - Mich wunderte danach nur, dass die Bauer-Crew das bei diesem zensorischen Ansinnen überhaupt gespielt hat oder warum nicht einfach durchgehend stumm agiert- aus Protest gegen eine schamlos ausgesprochene Zensur im Rahmen der Kunst. Das ist eigentlich ein ungeheuerlicher Vorgang. Andere ziehen bei solchen Ansinnen vor Gericht- Oberenders Begründung mit der möglichen Verletztheit von Personen durch die Begriffsbenutzung oder auch Bilderbenutzung in der Kunst, ja? - Na prost Mahlzeit, dann bin ich durch j e d e aktuelle Inszenierung einiger konkreter Theater verletzt, die wieder einmal keinen meiner uralten und immer noch sehr aktuellen Theatertexte berücksichtigt haben oder mir nicht auf Einsendungen adäquat antworten! - Wenn es danach, also nach persönlicher Verletztheit ginge, müsste ich ja das Theater als solches verklagen und versuchen, eine gerichtliche einstweilige Verfügung gegen Theater als solches zu erwirken! -
dann hätte man ja machen wie Celine und co nie aufführen können. was für ein Blödsinn.
Für mich sind Personen Personen und Figuren erfundene undoder darstellbare Personen.
Es gibt auch Personen, die in der Art öffentlich präsent sind, dass sie einen Figurenstatus einehmen können.
Und es gibt auch Personen, die sich selbst gern zur Figur machen, wenn sie etwas sagen oder schreiben möchten, mit dem sie als Person nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort identifiziert werden wollen - das ist ja hier z.B. vollkommen üblich.
#45: Danke für die klaren Worte zu Koltés und zum sinnigen Stücktitel.
Versuche der Sprach"säuberung" haben noch nie Widersprüche beseitigt. Das wissen bestimmt auch Leute, die sich für oder gegen einen Sprachgebrauch einsetzen. Sie werden also andere Gründe haben als Angst vor ihren eigenen inneren Widersprüchen oder das Bedürfnis ihr eigenes Wohlergehen nach außen darstellen zu können?
aber ist doch eigentlich ---s-egal.
aber noch mal zur Debatte hier: "neger" nicht Gleichung negro "nigger", zum hundertsten mal!
und negro nicht gleich nigger, und neger eher die Übersetzung von negro.
meine Mutter, die seit der wende nach Afrika fährt, dort für die gemeinde arbeitet, geld hinbringt, hier in Deutschland Maasai zu gast hat, sagt manchmal, halb im spaß, "neger". und ist sie jetzt eine rassistin? ja, ganz bestimmt, im sinne einiger p.c. wütet hier.
Es geht mir um öffentliches Sprechen und um öffentliches Benennen hier auf nachtkritik.de.
Es bleiben offene Fragen:
Glauben die Diskutierenden, dass ein Martin Luther King heute noch das Wort negro benutzen würde?
Wie erklären sich die Diskutierenden, dass in USA das Wort "negro" inzwischen verpönt ist? Durch den gewaltigen Einfluss von "Sprachsäuberern" und politisch korrekten Eiferern?
Wie denken die Diskutierenden sich die offenkundig stattfindende Veränderung der gesprochenen und geschriebenen Sprache?
Wenden sich die Diskutierenden in ihrer Mehrheit wirklich gegen die Versuche der nachtkritk-Redaktion, einen angemessenen sprachlichen Ausdruck zu finden, für die Bezeichnung von People of Color in Diskussionen, Kritiken etc.?
Ich weise darauf hin, dass wir den Titel des hier diskutierten Stückes nicht geändert oder zensiert haben.
Wir haben das N-Wort in der Überschrift der Kommentare vermieden, so wie einige der Kommentator*innen mit offenbar großer Lust das N-Wort immer wieder in ihre Posts hineingeschrieben haben, wo wir es auch nicht weiter zensiert haben. Wir haben das N-Wort in unseren Diskussionsbeiträgen vermieden.
Sind wir also in den Augen der Mehrheit der Diskutierenden "Sprachsäuberer" und "Bevormunder"?
Derweil Kommentare wie etwa der oben #47 ganz in Ordnung und nicht weiter zu beanstanden sind?
In den USA lässt sich beobachten, dass für die Bezeichnung von Menschen dunkler Hautfarbe immer wieder neue Begriffe geprägt werden, da die bestehenden Begriffe rassistisch aufgeladen seien. So ging es vom nigger zum negro zu black zu african american zu (jetzt offenbar) people of color. Das Problem ist nur, dass die negative Konotiation auf die gewählten Ersatzbegriffe mitgewandert ist. Ein klassisches Spiel von Hase und Igel. Sprachregelungen sind daher sicher kein Ersatz zur Bekämpfung von Vorurteilen und ich zweifle daran, dass sie ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Vorurteilen sind. Statt einer echten Diskussion über die Sache selbst wird die Diskussion auf eine Metaebene, wie sprechen wir über eine Sache und sind wir bereit mit Leuten, die anders über eine Sache sprechen einen Diskurs zu führen, oder sind diese durch ihre Sprechweise gleich diskursunfähig?
Solche Metadiskussionen tragen zum tatsächlichen Abbau von Vorurteilen selten etwas bei.
Eine Sprache muss leben und ist damit einem stetigen Wandel unterworfen. Kaum jemand spricht noch von Oheim oder Base, aber das ist kein Grund, diese aus älteren Texten zu entfernen. Die Sprache kommt aber vom Sprechen. Daher erhebe ich an die geschriebene Sprache den Anspruch, dass sie sprechbar ist und bleibt. Bei vielen Varianten der gendergerechten Sprache ist das leider nicht der Fall.
In der Kommunikation ist immer nach einem angemessenen sprachlichen Ausdruck zu suchen. Dass dieser angemessene sprachliche Ausdruck aber in Anglizismen oder unsprechbaren Zeichenkombinationen zu finden ist, halte ich für einen Irrtum. Bei Personengruppen bietet es sich meistens an, nach einer Selbstbezeichnung zu fragen und im zweifelsfall auf diese abzustellen. Jede Art der Fremdbezeichnung birgt die Gefahr der Diskriminierung indem damit eine (signifikante) Differenz zwischen mir (uns) und dir (euch) unterstellt wird. Ob die "people of color" so glücklich sind, wenn man sie als "Personen mit Farbe" oder "Farbige" bezeichnet, wage ich zu bezweifeln, aber vielleicht haben Sie ja dazu irgendeine empirische Evidenz.
Davon zu unterscheiden ist jedoch die Wiedergabe fremder, namentlich älterer Texte. Hier sollte man sich mit Eingriffen soweit als möglich zurückhalten. Die Grenze würde ich hier bei der Weiterverbreitung strafrechtlich verbotener Texte ziehen. Im vorliegenden Fall, indem der Theaterautor und auch das aufführende Theater den Titel bewusst gewählt haben, um die negative Konotation zu adressieren und ad absurdum zu führen, leistet man den Kreativen mit dem Eingriff in den Text und dem setzen von *** aber einen Bärendienst, weil man sie der zur Vermittlung ihrer Botschaft gewählten Sprache beraubt.
Sie heben die Diskussion auf eine Metaebene, die das eigentliche Anliegen keinen Schritt weiter bringt. In meinen Augen (für eine Mehrheit der Diskutierenden kann und will ich nicht sprechen) sind Sie daher Bevormunder, die einem an tatsächlichen Lösungen orientierten Diskurs im Wege stehen.
zur
1.: Weil ich nicht glaube, dass es heute in den USA einen Martin Luther King geben könnte und er nicht mehr lebt, kann man die Frage nicht beantworten. Wenn ich aber heute ein Stück schreiben würde, in dem Martin Luther King als Figur vorkäme, würde ich ihn mit dem eigenen Gebrauch von "negro" in Personenrede seiner Figur etwa hamletmäßig hadern lassen - aber ich schreibe so ein Stück nicht.
zur
2.: Wie ist das gemessen und durch welche Studien wo nachgewiesen worden, dass in den USA das Wort "negro" inzwischen verpönt ist? Ich war noch nie in den USA und daher auch nicht in dortigen diversen sozialen Schichten zu Gast, so dass ich mir da kein eigenes Urteil bilden könnte und also nicht wollte.
Wenn es aber so sein verpönt sollte, worüber Sie offenbar kundiger sind als ich, würde ich sagen, könnte es daran liegen, dass es inzwischen Obamas gab. Und deshalb die vielen Farbigen in der Bevölkerung der USA ein anderes Bewusstsein über ihre optionale Macht erlangt haben und entsprechend damit im Alltag umgehen. - An erfolgreiche Sprach“säuberer“ glaube ich nicht. Obgleich ich denke, dass sich politische Eiferer besonders gern in Sprachsäuberung versuchen. Eiferer können politisch gar nicht korrekt handeln. Jedenfalls nicht in Demokratien. Und deshalb können sie – falls sie zufällig Politiker sind – zu politischen Sachverhalten sich auch nicht korrekt äußern. Jedenfalls nicht in Demokratien. Denke ich. Wenn wir in einer Demokratie gesichert einen Eiferer ausmachen können, ist das der Beweis, dass es sich um keine Demokratie handelt, in der dieser lebt. Das ist eine Frage der Logik.
zur
3.: Würde ich gern wegen der erforderlichen Ausführlichkeit der Antwort verschieben.
Ich halte diese Frage aber für die wichtigste und für das Nachdenken anregendste Ihrer Fragen. Sie haben die Wahl der Zeit und des Ortes, wenn Sie eine Antwort darauf von m i r wollen.
zur
4.: Nein, die Mehrheit der Diskutierenden wendet sich m.E. nicht gegen die Versuche dieser Redaktion, einen in unserer Zeit angemessenen sprachlichen Ausdruck für Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, die auf eine Rassenzugehörigkeit- bzw. Abstammung dieser verweist, zu finden.
Die Mehrheit der Diskutierenden findet die ihr hier angebotenen Alternativen nicht gut genug, oder nicht passend genug.
Und wälzt die eigene Verantwortung für eine passendere Benennung halt auf Sie ab. Also verzweifeln S i e nicht, ob der Faulheit der andern, einschließlich meiner. -
Es geht ohnehin immer am besten am Einzelfall erörternd, solange bis sich eine mehrheitlich annehmbare Regel ergibt.
Ich z.B. finde es gut, wenn Sie durch Vermeidung des N-Wortes in Ihren Kommentaren eine sprachkritische Distanz zum Wortgebrauch zeigen.
Nicht gut finde ich jedoch, wenn Sie das Wort in der Überschrift eines Artikels zu dem Stück mit diesem Titel redaktionell vermeiden. Und zwar konkret deshalb nicht gut, weil hier Ihre Aufgabe ist, ein Stück zu besprechen, das konkret diesen Titel hat.
Das ist in dem Moment Ihre primäre Aufgabe.
Die sprach- und mithin gesellschafts"erzieherische" Aufgabe als ebenfalls Teil der Aufgabe des durchaus meinungsbildenden Journalismus ist in dem Moment auf die Besprechung verwiesen - und nicht auf die sekundäre zeichenhafte Darstellung von kritischer Haltung...
Und, Herr Merck, wenn Sie schon auf der Suche sind: mich irritieren da dann do ch die drei ***. Die finde ich nämlich eher positiv besetzt.
Wie Sie schon schrieben, Schauspieler*innen.
Oder denken Sie an das 'Sternchen', das man von wohlwollender Lehrer*innen-Seite bekam.
Oder an das *), das Küsschen, das ich simse, maile ;)
Vielleicht also lieber N--- ?
Außerdem sollten wir Pipi Langstrumpf weiterhin stolz sein lassen auf ihren Papa, den Negerkönig. Oder sollte das dann so aussehen N---könig?
Lil-ja
Ja, nicht, da kommt der Roger so vorbei, bei mir als so Publikum, wie ich da so sitze und was auf meine Theaterkarte schreibe und sieht mich freundlich an und fragt: Und – hats Ihnen gefallen? Und ich sage: Naja – es gab Sachen, die haben mir richtig gut gefallen und Sachen, die hätten mir anders besser gefallen – Und da wird der gar nicht gleich frostig und sagt: Ach? – Wissen Sie auch warum? –Ja, klar. Bei den meisten Sachen, weiß ich warum. Bei einigen noch nicht. – Ja, sagt der, dafür sind wir ja da!, dafür, dass Sie was zum Reflektieren haben, was Sie so ergriffen hatte an unserer Vorstellung! – Nein, sag ich, Sie sind da, um Theater zu machen und nicht, um mich zum Reflektieren zu bringen. Wenn das nebenher abfällt – okay- Ach? sagt der. Ja. Sag ich. – Tja, Sie haben wohl was mit Theater zu tun, wenn Sie das so genau wissen, das ist ja unüblich für Publikum… – Nein, sag ich, das ist sogar sehr üblich für Publikum nach meiner bescheidenen Erfahrung! Und ich habe irgendwie nichts mit dem Theater zu tun, aber dafür das Theater als solches von Leitung bis Gewerk mit mir. Es würgt an mir wie an so Art Kotzbrocken müssen Sie sich vorstellen - Ach, sagt der – Sie sehn gar nicht so aus! – Ja, sag ich – Sie sehn auch nicht nach Theatermacher aus, solange Sie nicht den Mund aufmachen, warum soll ich da anders aussehen als Publikum, bloß weil ich den Mund aufmache?… Naja – sagt der Roger – ich hatte ja, ehrlich gesagt, auch schon überlegt, ob ich zum Beispiel diese Sache an der und der Stelle anders hätte machen sollen… Ja, sag ich, wäre aus dem und dem Grund besser gewesen – Sie hätten zum Beispiel so und so oder so und so gekonnt… – Und DAS fällt dem Publikum ein, wenn es Theater sieht? fragt der Roger Vontobel da erstaunt – Ja. Davon bin ich überzeugt, sag ich. Ihre Belehrungen über seine Moral, die es reflektieren soll, weil Sie ihm das so schön servieren – mit oder ohne Zensur mit oder ohne Selbstzensur – können Sie sich ans Knie nageln – Ja, aber ich hinterfrage doch nur für mich selbst!!! sagt er dann im rhetorischen Fallrückzieher – Ja, schön. Aber wenn DAS Ihr persönliches Hinterfragen ist, dann können das andere wirklich besser und tiefgründiger und dann ist das Ihr Privatvergnügen und dann weiß ich als Publikum nicht, warum ausgerechnet SIE das Privileg haben sollten, Theater machen zu dürfen und davon leben zu können…, sag ich-
DAS wäre dann ein Gespräch – Roger Vontobel meint aber vermutlich nur speziell solche Gespräche mit Leuten, die er entweder kennt und deren Meinung er vorab einschätzen kann oder die dafür bezahlen, dass Sie ihm etwas sagen dürfen und wo er für gegen deren Kohle zuhört. Und das macht der wie alle Theaterleute, die sich ihrer Emo-Burg Theater sicher sein können. Was aber weder echte, auf Polis gerichtete Gesprächsbereitschaft noch wirkliche Gespräche sind. Sondern entweder gefahrlose Plauderei unter Freunden oder Quasseln als Alibi für Desinteresse. Für ganz grundlegendes Desinteresse am ganz normal, erst einmal uninteressant aussehenden, unspektakulären Publikum. So eine Art geistiger Ablasshandel, auf den er sich für den Erhalt seiner gesellschaftlichen Privilegien einlässt… Mit seiner beschriebenen Art Gesprächsbereitschaft geht der Wahrnehmungs-Kelch des unzumutbar Unspektakulären an Roger Vontobel (wie auch an anderen seiner Zunft) natürlich vorüber. Weil er als puristischer Analog-Mensch z.B. mich auch Online auf Nachtkritik de. nicht treffen und zur Kenntnis nehmen muss. Wenn er so bei mir vorbeikäme, würde ich ja mit ihm auch ganz analog reden. Ich schwör, dass ich das kann, wenn ich nicht allzu sehr über/unterfordert werde. Kommt er aber nicht. Und deshalb red ich halt so wie ich will mit ihm vor mich hin. Und da hat er doch jede Freiheit, das wahrzunehmen oder nicht undoder MEINE Vorstellung von seinem Dialog-Part zu korrigieren oder nicht.
ich möchte dem noch hinzufügen, dass es sich bei nk, um eine fast rein weiße, deutschsprachige Redaktion handelt, was immer das auch bedeutet. Gemessen an den Debatten hier über die Zusammensetzungen von Ensembles recht merkwürdig. Vielleicht braucht die Redaktion mehr Diversität , mehr Migrationshintergrund, mehr People of Couleur.
Und jetzt sollen wir aufhören über diese Themen zu sprechen, ja?
Tatsächlich sind wir übrigens schon seit längerem aktiv auf der Suche, unser Autor*innen-Kollektiv in punkto Diversität zu erweitern. Das funktioniert bloß nicht von einem Tag auf den anderen.
Mit freundlichem Gruß,
sd / Redaktion
ich will sie nicht erwischen, eigentlich will ich das vermeiden. Der Gedanke kam mir schon vor längerer Zeit und ich habe ihn nicht geäußert. Nun könnte er relevant sein. Allerdings hoffe ich weiter auf Bildung und Kultur. Authentizität produziert nicht automatisch das richtige Denken. Nur gibt es Fälle, in denen man sich ohne eigene Erfahrungen erschwert zurecht findet.