Warum redet eigentlich niemand laut darüber, dass Berlin den Diskurs über die inneren Wunden der Stadt noch immer braucht?

von Christian Rakow

Berlin, 24. April 2015. Am Ende ging es dann sehr schnell, fast schon Hals über Kopf. Gestern die Bestätigung der Personalie im Abgeordnetenhaus, heute die um eine Woche vorgezogene Pressekonferenz zur Vorstellung von Chris Dercon als Intendant der Berliner Volksbühne ab der Spielzeit 2017/2018. Es galt, einen Kandidaten, den man eigentlich mit Pauken und Trompeten inthronisieren wollte, noch einigermaßen rechtzeitig aus der Schusslinie zu ziehen, bevor er restlos durchlöchert ins neue Amt wie in ein Lazarett wanken würde.

Verkannte Debatte

Denn anders als noch bei der Besetzung der Gorki-Intendanz 2013 gab es dieses Mal kein blindes Herumstochern (Nicolas Stemann, Herbert Fritsch, Namen, die man auch für die Volksbühne auf der Rechnung gehabt hätte). Der erste Leak war gut, und er ließ entsprechend honorige Kombattanten hervortreten: Claus Peymann, Jürgen Flimm, Kusej/Khuon/Lux, das Who-is-Who der Metropolentheaterlandschaft. Ihr Tenor: Schützt das Ensemble- und Repertoiretheater an der Volksbühne, schützt die Tradition des Hauses, bewahrt Berlin vor einer weiteren Gastspielstätte vulgo "Event-Bude" Marke HAU, Marke Berliner Festspiele. Diese Aufrufe als das letzte Aufflackern eines Ancien Regime abzutun oder – wie man an der Volksbühne zu sagen pflegt – zu "narkotisieren", verkennt den Wert der Debatte, die nicht nur die Grundpfeiler der Berliner, sondern der gesamtdeutschen Theaterlandschaft betrifft. Und diese Debatte wird weiterzuführen sein; man kann sie von heute an auch adressieren: an Chris Dercon.

PK Dercon 560 chr uIm Focus: Tim Renner, Staatssekretär für Kultur und Chris Dercon, Volksbühnenchef in spe, heute Nachmittag auf der Pressekonferenz im Roten Rathaus. © chr

Freitagnachmittag,15 Uhr, Pressekonferenz im Roten Rathaus

Da sitzt er, der Mann, der das Haus der Kunst München aufgepäppelt hat (2003-2011) und aktuell an der Tate Modern in London reüssiert, also auf dem Olymp der Gegenwartskunst. Gut gebräunt, das graumelierte Haar ist locker gescheitelt, das schwarze Hemd knapp über Brusthöhe geöffnet. Chris Dercon navigiert sich souverän, mit wohl gesetzter Selbstironie, zwischen den Gräben hindurch, spendet das obligate Lob für das Erbe von Frank Castorf (und Max Reinhardt und Erwin Piscator) und erhebt seinen Anspruch auf Erneuerung, Kollaborationen und auf frische Versuche, die "Stadt als Bühne mitzuinszenieren". Die Andeutungen sind zwei Jahre vor einer Spielplanpräsentation notgedrungen vage. In "Theater und Internet" (Tim Renners Leib- und Magenthema) wolle man auch machen. In der eher behutsamen Fragerunde bleibt Dercon selbst dann noch freundlich, aber bestimmt, als ein Journalist ihm vorwirft, das neu berufene Team sei ja nun alles andere als "cutting edge" (zu Deutsch: nicht gerade der letzte Schrei).

Eine Entwarnung gibt's: Auch unter Chris Dercon und seinem medienübergreifend zusammengewürfelten Team soll es mit dem Ensembletheater am Rosa-Luxemburg-Platz weitergehen, genauer: mit einem "heterogenen Ensemble mit Leuten, die tanzen, singen und schauspielern" (womöglich sogar alles in einem). Gut so. Ein Haus braucht seine Köpfe. Martin Wuttke, Sophie Rois, Fabian Hinrichs, Lilith Stangenberg, Kathrin Angerer – in Scharen haben Kritikerkolleg*innen in den letzten Tagen nachgerechnet, dass unter den prägenden Gestalten der aktuellen Volksbühne kaum noch feste Ensemblemitglieder spielen. Bitte, fängt man jetzt schon an, der Personalverwaltung nachzueifern?!

Identitätsstiftende Präsenz

Ensembles entstehen in regelmäßigen Arbeitszusammenhängen. Dafür sind Festverträge ein guter Startpunkt, weil sie vom Marktdruck entlasten und Freiraum schaffen, einen gemeinsamen Geist aufzusaugen und mitzuprägen. Wenn's läuft, dann funktioniert ein Ensemblehaus für seine Protagonist*innen wie ein mächtiger Magnet: mit Spieler*innen, die da sind (Lilith Stangenberg), die kommen und gehen (Fabian Hinrichs), die manchmal auch wegbleiben (Henry Hübchen, für immer ein Volksbühnenspieler).

Dem suggestiven Bild meines Kollegen Matthias Weigel von Ensemblehäusern als Tankstellen in den Steppen der Prekarisierung darf man getrost den Klagegesang von den Nomaden der freien Szene entgegenhalten. Mit dem Unterschied, dass viele freie Künstler erst einmal von Antrag zu Antrag ziehen, und nicht schon von Bühne zu Bühne (Jens Roselt hat von dem Leid eindrucksvoll berichtet). Dass antragsbasierte Kunst im Ergebnis zumeist spontaner, unfertiger, in allem auch reaktiver und je von der neuesten Politsau im Dorfe umgetrieben ist (NSA, NSU, whatever), liegt in der Natur des kurzatmigen Geschäfts.

Mithin meint der derzeit so polemisch verwendete Begriff "Event" nicht, dass ein Ereignis strahlt (wie zurzeit die Oper von Pollesch und Dirk von Lowtzow oder die Werke Herbert Fritschs), sondern dass es leider nur kurzzeitig verfügbar ist. Als ich Freunden das famose Before Your Very Eyes von Gob Squad nach seiner Premiere am HAU 2011 empfahl, war das Stück erst einmal für Monate vom Spielplan verschwunden, weil längst auf Tour durch die halbe Welt. Deshalb sind Repertoire-Strukturen am Ort wichtig: Sie halten Zentralereignisse präsent, sie stiften Identität und erlauben überhaupt erst ein andauerndes Gespräch über Theater. "Ich liebe den römischen Kalender, ich will 365 Tage im Jahr Theater spielen", sagte Dercon auf der Pressekonferenz. Ein klares Bekenntnis zum echten Repertoiresystem war das noch nicht.

Mit dem Rücken zum Publikum

In einem Interview, das Chris Dercon 2012 als Leiter der Tate Modern dem Journalisten Max Dax (Electronic Beats Magazine) gegeben hat, berichtet er von einer seiner liebsten Fragen an ihn: Ob das Wort "Kurator" eigentlich von "curare" (lat. heilen) oder von "taking care" (sich kümmern) herrühre. In seiner Antwort wie im ganzen Interview stellt sich Dercon überzeugend als Kommunikator vor, als jemand, der mit seinen Besuchern einen Dialog auf Augenhöhe sucht. Das Bild hat er bei der Pressekonferenz mit Leben gefüllt. Und die Haltung ist aller Ehren wert. Es fragt sich nur, ob wir in Berlin nicht schon genug sympathische Kunstvermittler in leitenden Theaterpositionen haben.

Ich habe an der Volksbühne immer einen Gedanken bewundert, den René Pollesch der Lehrstücktheorie Bertolt Brechts abgelauscht hat: dass das Theater als Bühne ohne Publikum zu erfinden sei, dass eine radikale Bretterkunst gewissermaßen mit dem Rücken zu den Leuten gespielt werde. Diese Überzeugung steckt hinter den stundenlangen Totalkunstexerzitien von Frank Castorf bis Vinge/Müller, ebenso wie hinter den kurzen, amüsanten, aber in ihren Diskursschleifen noch immer maximal deutungsschweißtreibenden Stücken eines René Pollesch. Es ist dieser Geist kompromissloser künstlerischer Autonomie, der dem Haus den lebendigen Anschluss an die Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts erlaubte, der es von der Bühnentechnik bis in die Leitungsebene durchzieht. Dass Sperrigkeit und "Unverständlichkeit" ein unverzichtbarer Wert ästhetischer Erfahrung sind, weil allein das Widerständige zur akribischen Beschäftigung einlädt, lebt kein Theater wie die Volksbühne vor. Bis dato.

Kraftwerk des Gegendiskurses

Das Scheitern der letzten vergleichbaren Großunternehmung "Centraltheater Leipzig" hat bewiesen, dass außerhalb einer Metropole wie Berlin mit einem breiten Spektrum an Alternativangeboten kaum mehr solche ästhetischen Freiräume zu kreieren sind. Eben deshalb gehen alle Blicke zum Rosa-Luxemburg-Platz. Wie viel Volksbühne steckt drin, heißt es, wenn sich Repertoire-Theater auf dem Land mal einen vereinzelten verstiegenen Hartmann, Borgmann oder Laberenz gönnen. In Zeiten der Ökonomisierung und Standardisierung aller Bildungssysteme, der Bonsaischnippelung Bologneser Art, war und ist die Volksbühne das Kraftwerk des Gegendiskurses. In ökonomischen Begriffen: ein Luxus.

Soviel zur Ausstrahlung nach außen, um die es in der Volksbühnendebatte scheinbar ausschließlich geht ("Be Berlin" lautet das Signal; die Hauptstadt will mit London, New York, was auch immer auf Augenhöhe treten; "wir sind die europäische Metropole", wurde der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller auf der Pressekonferenz nicht müde zu betonen).

An den Crossroads

Eher verhuscht spricht man über die Rolle des Hauses innerhalb Berlins. "Ost" steht in riesigen Lettern über dem Portal der Volksbühne. Das Theater hat in seinem kruden Mix aus alter und neuer linker Theorie auch eine höchst integrative Funktion. An den Crossroads zwischen Marx und Zizek, zwischen Brecht und Judith Butler konnten sich Intellektuelle Ost wie West gut finden. Warum redet eigentlich niemand laut darüber, dass Berlin diesen Diskurs über die inneren Wunden der Stadt noch immer braucht?

Chris Dercon sagt, er wolle jetzt vor Ort viele Gespräch führen, wolle "lernen". Der gebürtige Belgier wird zusehen müssen, dass er sich nicht mit seiner Landsmännin Annemie Vanackere vom HAU gegenseitig das Wasser abgräbt. Wenn die Profile nicht scharf getrennt sind, stellt das über kurz oder lang eine der Bühnen infrage. Und schlimmer als alle heutigen Sorgenträger aus Presse und Kulturleben wäre allemal der Totengräber. Vielleicht kommt auch beizeiten ein regieführender Verrückter angesprungen und reißt den nächsten freiwerdenden Tanker an sich. Alle paar Dekaden ist ja ein Genie fällig.

 

rakow kleinChristian Rakow, geboren 1976 in Rostock, ist nachtkritik.de-Redakteur und Mitkurator der Konferenz "Theater & Netz". Er studierte Germanistik und Philosophie in Rostock, Sheffield und Berlin und promovierte in Literaturwissenschaft (Deutsche Philologie) in Münster. U.a. schreibt er auch für die Berliner Zeitung und Theater heute.

 

 

Alle wichtigen Meldungen, Interviews und Pressestimmen zur Diskussion um die Berliner Kulturpolitik, die Zukunft der Berliner Volksbühne, die Nachfolge Frank Castorfs und die Personalie Chris Dercon finden sich auch in unserer Chronik zum Berliner Theaterstreit.

Außerdem hier die Polemik von Matthias Weigel wider die Ensembletheater-Nostalgie.

mehr debatten

Kommentare  
Kommentar zur Ernennung Dercons: einer der intelligentesten Beiträge
Einer der intelligentesten, umsichtigsten, aufmerksamsten Beiträge, die es in der Volksbühnen-Debatte gibt. Danke, Herr Rakow. (Ich hoffe mich demnächst en detail zu Ihren Gedanken äußern zu können.)
Kommentar zur Ernennung Dercons: Aber reicht das?
ich bin immer noch und immer wieder der Meinung, daß ein Intendant eines THEATERS vom THEATER kommen muß. Einer, der das studiert hat. Regie.Schauspiel Vielleicht auch noch Theaterwissenschaften, aber nur viellecht. Maxiimal auch Bühnenbild, meinetwegen. Alles andere geht schief. Sorry. Lange Erfahrung. Wie soll ein Intendant mit den Regisseuren und Schauspielern auf AUGENHÖHE reden, wenn er selber KEINE ERFAHRUNG mit dem Handwerk hat!!!?? Da kann noch einer so toll reden, charmant sein, belesen sein, sich im Kunstbetrieb auskennen...ehrlich, vergiß es. Die Vorlkbühne wird sich langsam auflösen. Ganz langsam. klar, es gab bisher auch shon Konzerte und Filmabende dort, aber das war nicht die Priorität, eher Zusatz.In meinen Augen auch nur eine Verlegensheitslösung , da zu wenig Eigenproduktionen. Aber garantiert nicht der wesentlich Inhalt!! Ich bin sehr skeptisch. Und traurig Karmakar ist ein netter Filmregisseur, aber will er jetzt etwas Theaterstücke fabirizieren?? Monologe auf der großen Bühne.Susanne Kennedy ist eine junge, talentierte Regisseurin, ok, aber REICHT DAS!!! Und was sol Alexander Kluge dort? Ist ja nett als Berater..aber reicht das?? Und okay, Pollesch Fritsch bleiben, warum hat man dann nicht denen gleich die Leitung übertragne und den Decron als Berater genommen?? (...)
Kommentar Dercon-Intendanz: kleinmütiger Konservatismus
Diese 'Schuster bleib bei deinen Leisten"-Politik ist von unfassbarerem kleinmütigem Konservatismus. Man fragt sich, was ist los in dieser Kulturmetropole. Woher kommt diese Besitzstandswahrung, diese panische Angst vor Veränderung? Soll wirklich alles bleiben, wie es ist? Nicht euer Ernst?!? Bin sehr gespannt auf die Volksbühne 2017!
Kommentar Dercon-Intendanz: Schutz des Theaterhandwerks
das hat nichts mit Kleingeisterei zu tun, sondern mit fundierter Erfahrung. Niemand würde einen fachfremenden Heilpraktiker ohne passendes Studium und ohne praktische Erfahrung als Chef einer chirurgischen Operationsmaßnahme in einer Spezialklinik einstellen. Man würde sagen, der Mann ist ein selbsternannter Hochstapler. Jemand, der seine Theatererfahrungen von 1990 herauskramt (siehe Interview Morgenpost) ist an leitender Stelle der Volksbühne 2015 am falschen Platz. Aber im Theaterbereich geht das ja...unter dem Vorwand der Modernität...sorry, das geht nicht......... das ist einfach realistischer Schutz des Theaterhandwerks und keine Angst. Sorry.
Kommentar Dercon-Intendanz: Streik-Wiederholung
... ja Herr Zisch - ist der Artikel tatsächlich - Danke Herr Rakow

und trotzdem (und ich wiederhole mich an dieser Stelle)
braucht es einen Generalstreik unter den Theaterleuten - endlich mal -
am 30.4.2015 - wär doch ein gutes Datum - sollte doch an diesem Tag die Ernennung des zukünftigen Intendanten der Volksbühne bekannt gegeben werden
Kommentar Dercon-Intendanz: Handwerk ändert sich
Timo, Ihr Problem (und vom Autor des Textes) ist, dass Sie ein feststehendes "Theaterhandwerk" voraussetzen. Dabei ist dies nur ein Synonym für den kleinmütigen Konservatismuss, wie es in 3. Heißt. Theaterhandwerk ändert sich, zum Glück. Nur gibt es halt immer leute, die das nicht wahrhaben wollen, weil sie es sich in der Vergangenheit bequem eingerichtet haben. Wie es auf Spiegel.de so schön heißt: das ist "so provinziell, wie es Berlin nie mehr sein sollte"
Kommentar Dercon-Intendanz: studieren und praktisch üben
TTheaterhandwerk muß man studieren und praktisch üben. Aus . Punkt.
Wenn einer das nicht gemacht hat, hat er kein Handwerk , sondern ist fchfremd.So einfach ist das. Das hat nichts mit Konservatismus zu tun, ja!! Das Theater soll sich weiterentwickeln! Aber bitte nicht mit Menschen, die das Theater zuletzt als Neunzigerperformancekunst defnieren, die immer noch meinen, Digitalismus sei modern und denken, Vernetzung ist alles!! Das Theater ist nämlich schon wieder weiter!! Hat Herr Decron aber noch nicht mitgekriegt.Wie sollte er auch. War ja nicht da, sondern im Museum....
Kommentar Dercon-Intendanz: zur Verantwortung ziehen
"Der gebürtige Belgier wird zusehen müssen, dass er sich nicht mit seiner Landsmännin Annemie Vanackere vom HAU gegenseitig das Wasser abgräbt. Wenn die Profile nicht scharf getrennt sind, stellt das über kurz oder lang eine der Bühnen infrage. Und schlimmer als alle heutigen Sorgenträger aus Presse und Kulturleben wäre allemal der Totengräber." Das sind die entscheidenden Sätze. All jene, die mit viel Elan beteuern, dass wir Ensembles, Autoren, Texte und, genauer betrachtet, feste Häuser eigentlich nicht brauchen, und so den Politikern die Vorwände liefern, um das zu tun, was sie am liebsten tun, nämlich bei der Kultur einzusparen, sollten sich ihrer Kollaboration bewusst sein. Wir werden uns ihre Namen merken und sie zur Verantwortung ziehen. Es gibt keine Bestandsgarantie für das Theater. Man kann seine Abschaffung wollen wie der Intendant des SWR die Abschaffung eines Symphonieorchesters wollte und erreicht hat. Aber man soll sich darüber klar sein, dass man sich damit in die Riege der Banausen und Vernichter einreiht. Aus einem Hebbel am Rosa-Luxemburg-Platz wird ebenso wenig wieder eine Volksbühne werden wie aus einem Metropol oder einem Goya eins Neues Schauspielhaus oder die Piscator-Bühne.
Kommentar Dercon-Intendanz: genuin deutsche Form
Warum will man eine genuin deutsche Kunst-Produktionsform, nennen wir sie mal "das stehende Ensemble" (im Gegensatz zum vagabundierenden Ensemble), abschaffen, nur damit man sich internationalisiert? Das ist provinziell und verkennt die Qualitäten dieser Produktionsweise. Die Kulturpolitik, die in kurzen Aufmerksamkeits-Zyklen denkt, reduziert die Kosten, erhöht die Schlagzahl der Medienereignisse und schönt die Statistiken. Denn drei ausverkaufte Aufführungen einer Event-Inszenierungen tragen mehr zum Gloriolen-Schein des modernen Kulturpolitikers bei, als 100 Aufführungen einer gelungenen Repertoire-Produktion. Und die kaufmännische Abteilung ist auch zufrieden, weil die Künstler nur einige Wochen beschäftigt werden.
Kommentar Dercon-Intendanz: nur noch Schauspiel-rein?
Wovon redet ihr denn alle?? Keiner fähig zu lesen, inklusive T. Rothschild?
"Ausgangspunkt ist ein Ensemble aus Schauspielern und Tänzern. Das Herzstück werden Eigenproduktionen sein. Die Volksbühne hat immer wieder, in Gestalt von Castorf, Schlingensief, Pollesch und sicherlich Bert Neumann, die Stadt inszeniert. Diese Inszenierung möchte ich weitertreiben. "
Darf nur ein arier-deutscher und schauspiel-reiner das Ensembletheater führen? ich werde sie alle zur verantwortung ziehen...
Kommentar Dercon-Intendanz: Gegenfrage
@10
Aber welches künstlerisch prägende Ensemble wurden von Auswählenden/Kuratoren/Agenten/Buchenden und nicht von Akteuren/Mitspielenden geführt?
Kommentar Dercon-Intendanz: Stadttheater haut schnell zusammen
"Dass antragsbasierte Kunst im Ergebnis zumeist spontaner, unfertiger, in allem auch reaktiver und je von der neuesten Politsau im Dorfe umgetrieben ist (NSA, NSU, whatever), liegt in der Natur des kurzatmigen Geschäfts."

Das ist derartig schlampig argumentiert, dass man sich die Haare raufen möchte. Wer schnell zusammengehauenes zu NSA und NSU sehen will, ist im Stadttheater wesentlich besser aufgehobenen. Die Autorentheatertage am DT haben einen NSU "Schwerpunkt". Wer linke Plattitüden zu aktuellen Themen in SAT1 Ästhetik sehen will, geht an die Schaubühne.
Kommentar Dercon-Intendanz: Pollesch sperrig?
Hab ich das richtig verstanden: Pollesch kompromisslos und sperrig? *hüstel, hüstel*
Kommentar Dercon-Intendanz: auf Befürchtung reagiert
Verehrte lesefähige #10: Ich habe auf eine von Christian Rakow formulierte Befürchtung reagiert. Wer ein Theater führen darf - davon war in meinem Kommentar nicht die Rede. Ich finde es aber aufschlussreich, welche Bedingungen Sie mir in Ihrer rhetorischen Frage unterstellen. Wie kommen Sie darauf? Wie wohl? So etwas nennt man Projektion.
Kommentar Dercon-Intendanz: eine Mauer übern Küchentisch
Seit über die Personalie Dercon diskutiert wird, führt bei uns zuhause eine Mauer quer über unseren Küchentisch. Auf der einen Seite sitzt meine Liebste, Ensembleschauspielerin, im all-inclusive-Staat DDR sozialisiert. Sie hat sich Peymann zwar noch nie nahe gefühlt, aber jetzt verteidigt sie ihn unerbittlich. Auf der anderen Seite sitze ich, von Haus aus Schweizer und langjähriger Freiberufler in der Kreativwirtschaft. Ich bin zum Beispiel überzeugt davon, dass die Volksbühne grade unter Dercon das bleiben wird, was sie ist: Ein weltweit prägendes Haus. Stilprägend einerseits, aber auch prägend in Hinblick auf das Theater in seiner gesellschaftlichen Funktion und Bedeutung.
Wir essen das Gleiche, wir trinken denselben Wein, die Mauer hat uns auch nicht daran gehindert, ein gemeinsames Kind zu zeugen und überhaupt eine weitgehend glückliche Partnerschaft zu führen. Jahrelang war es nämlich, als ob es diese Mauer gar nicht gäbe. Doch jetzt steht sie plötzlich da, massiv, feindlich, unüberwindbar.
Ich bin allerdings zuversichtlich. Ich werde alles dafür tun, aus dieser Debatte beziehungstechnisch sowas wie Progression zu machen. Gemeinsam werden werden wir uns neue Territorien erschließen, von deren Existenz wir noch gar nichts wissen. Aber natürlich kann ich da nur für mich und meine Liebste sprechen.
Kommentar Dercon-Intendanz: neue, spannende Theaterepoche
Lieber Thomas Rothschild,
Deine Kommentare gehören für mich hier immer zu den besten, interessantesten, anregendsten. Aber jetzt,fürchte ich, hast Du Dich vergaloppiert: Zur Verantwortung ziehen ...
Wir sind ungefähr gleich alt. Ich gehe seit etwa 1950 ins Theater. Kortner war der erste große Eindruck. Aber das Theater blieb nicht bei ihm stehen, es waren spannende Jahrzehnte mit immer wieder neuen Entwicklungen. Wollen wir Alten, zu denen ich Peymann rechne, der als Regisseur auch einmal sehr jung war (TAT in Frankfurt), wollen wir, dass alles so bleibt wie es war, wie es jetzt ist? Ich weiß,das klingt recht pathetisch. Aber ich bin wirklich neugierig, wie es in Berlin weitergeht. Wenn die Volksbühne sich ändert, die sich ja auch schon dauernd geändert hat, dann ändern sich auch die anderen Theater. Ich freue mich auf die neue, spannende Theaterepoche.
Wilhelm Roth
Kommentar Dercon-Intendanz: kein Gebet für den Rosa-Platz
Wir lesen hier so viel zentralistischen Quark aus Germania - doch wir sehen nicht fern, sehen nicht zum Rosa-Platz, sehen nicht auf diese Stadt.
Und kein täglich Gebet geht von uns gen OST.
Kommentar Dercon-Intendanz: gegen Krampfbeutel-Angst
Castorf hat die letzten Jahrzente mit seinen Mitarbeitern von Hegemann via Lilienthal bis Neumann den bürgerlichen Theaterbegriff systematisch aufgebrochen und erweitert.Von Musiktheater bis Kunst-Performance bis Postdramatik.Dercon ist letztlich die konsequente Weiterführung dieser Moderne. Ich empfehle Offenheit, Bekenntnis zum Abenteuer und weniger Krampfbeutel-Angst, dass das Abendland untergeht. Auch von Seiten der "alten" Volksbühne-Fans
Diese Verspießerung im Denken führt Castorf ad absurdum und braucht auch eine offene Hauptstadt nicht wirklich.
Kommentar Dercon-Intendanz: gegen Verdoppelung und Verschwinden
Lieber Wilhelm Roth,
mein Kommentar bezog sich auf Rakows Befürchtung, dass Totengräber durch eine bloße Verdoppelung des HAU eine Bühne infrage stellen könnten. Ich wünsche mir nicht, dass alles so bleibt wie es war, sondern lediglich, dass Institutionen und Möglichkeiten nicht ersatzlos verschwinden, weil sie jene, die dafür verantwortlich sind, verraten - wie das Kommunale Kino in Stuttgart, wie das Schillertheater in Berlin, wie zahllose Jazzkeller in ganz Deutschland etc. Aber wem sag ich das.
Kommentar Dercon-Intendanz: und die Doppelung BE und DT?
Lieber Thomas Rothschild, wieso haben sie diese Überlegungen nicht schon erwogen, als Oliver Reese ans BE berufen wurde. Sein Programm deckt sich mit dem von Khuon am DT sogar in der Liste der dort arbeitenden Künstler. Glauben sie auch, dass die Existenz eines der beiden Häuser in Gefahr ist? Wohl kaum.
Kommentar Dercon-Intendanz: die Ära der freien Szene
Man gestatte mir eine Nachbemerkung zum "Klagegesang von den Nomaden der freien Szene". Es lohnt sich, das Blickfeld geographisch und historisch auszuweiten - nicht aus Gründen der Nostalgie, sondern um daraus zu lernen. Berlin ist nicht der Nabel der Welt. Was jetzt aus Anlass der Volksbühne diskutiert wird, steht in einem größeren Zusammenhang, der auch und gerade in der "Provinz" stattfindet. Denn wenn etwas existiert, was Deutschland gegenüber, sagen wir, Frankreich oder England auszeichnet, dann ist es der (wiederum historisch begründbare) Föderalismus der Kulturlandschaft. Es gab ja bereits eine Epoche, nämlich die späten sechziger Jahre, als landauf landab Spielstätten entstanden, die der "freien Szene", die man damals noch nicht so nannte, eine Heimat boten, der szenischen wie der musikalischen (das Tanztheater spielte damals noch keine besondere Rolle). Sie verdankten sich der Gleichzeitigkeit von Politisierung und Interesse an Alternativen zur Repräsentationskultur, an "Underground", "Counterculture" und Experiment. Allein in der näheren Umgebung des Ortes, an den mich das Schicksal verschlagen hat, entstanden die Manufaktur in Schorndorf, die Bastion in Kirchheim unter Teck, der Club Alpha in Schwäbisch Hall, später das Theaterhaus in Stuttgart. Dort, aber auch im Staatstheater, traten das Bread and Puppet Theater, die New York Street Theatre Caravan, die San Francisco Mime Troup, das Teatro Campesino, die 3 Tornados, das Karl Napps Chaos Theater, Hannelore Kaubs Bügelbrett und viele andere auf. Die Namen der Spielstätten existieren meist noch, aber ihr Charakter hat sich geändert - und zwar nicht, um Platz zu schaffen für Neues, Besseres, sondern weil sie den tatsächlichen und vorgeschobenen Zwängen der Kommerzialisierung nachgegeben haben. Man kann das als Sieg des Events bezeichnen, aber damit ist noch nichts erklärt. Wer es ernst meint mit der freien Szene wie mit dem Ensembletheater und im übrigen: mit den Arbeitsplätzen, die dieses wie jene zur Verfügung stellt, muss eine flächendeckende Einrichtung und Finanzierung von Institutionen wollen, nicht bloß ein zweites, teures HAU in der Hauptstadt. Warum erwähnt niemand in diesem Zusammenhang die Sophiensaele? Wäre dort, was nun für die Volksbühne angepeilt wird, nicht gut aufgehoben? Ich bin ein Verehrer von Aexander Kluge und betrachte es als eine Beleidigung, wenn in den Nachrufen auf Günter Grass stand, mit ihm sei der letzte Intellektuelle gestorben, aber was dürfen wir uns von Kluge an der Volksbühne erwarten, was er nicht, wenn er denn wirklich wollte, anderswo hätte verwirklichen können? Kluge steht wie kaum ein Zweiter für das Widerständige, das Fordernde. Ob er just in diesem Kontext reüssieren wird? Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Allerdings auch für Schorndorf, Kirchheim Teck und Schwäbisch Hall.
Kommentar Dercon-Intendanz: zwei Handschriften möglich
Irgendwo in Berlin muss es ein imaginäres Konstruktionsbüro für von Blindheit geschlagenen Argumenten geben. Doppelung?! Reden sie wirklich hier von Doppelung und Verschwinden?! Das BE ist doch auch unter Peymann in seiner ehemaligen Form ebenfalls längst verschwunden und zu einem Retropopschuppen verkommen,, wo man Goethe-Musicals fabriziert.

Und da fürchtet sich niemand. Doppelung?!

Oliver Reese war zunächst Dramaturg am Gorki. Dann Chefdramaturg am DT und danach für ein Jahr Interimsintendant am selben Haus. Nun kehrt er als Intendant an das BE zurück. Keine Doppelung? Oh doch! Wie grenzen sich denn demnächst das BE und das DT von einander ab?

Haben sie da keine Sorgen. Selbst wenn man die Volksbühne herausrechnet, bleiben noch vier Sprechtheater, die in Berlin nebeneinander existieren und versuchen eine eigene Handschrift zu kreieren. Sehen sie da in Zukunft keine Doppellungen? Und das alte DT ist auch längst verschwunden.

Glauben sie nicht, das auch zwei interdisziplinäre Theater zwei verschiedene Handschriften entwickeln können? Halten sie das für unmöglich? Und nicht notwendig? Das sehe ich ganz anders.

Sie sitzen doch hier dem Vorurteil auf, dass interdisziplinäre Theater eh immer nur den selben Eintopf verzapfen, weil sie denken, alles der selbe Mist. Dem ist nicht so. Auch diese Theater können durchaus eigene Handschriften entwickeln und sind darin genauso viel oder wenig gefährdet, wie die vier Sprechtheater auch.
Kommentar Dercon-Intendanz: Schweinsteiger für Hertha
Die Manager des pausenlosen Betriebs
Es sind die Zwischensätze, die aufhorchen lassen: Dercon will, dass 365 Tage im Jahr was los ist. Aber selbst wenn jede Nacht Beliebigkeitsfeuerwerke in den Metropolenhimmel geschossen werden, kommt das „Burnout“ nach dem Verlöschen umso intensiver zur Geltung. Die Leere infiltriert den Betrieb.
Die Causa Volksbühne ist wesentlich eine Causa Castorf. Ich empfehle das unterhaltsame Interview „Der Künstler braucht ein Feindbild“, bis jetzt nicht gerade ein Hit auf YouTube. Zur Erinnerung: Castorf hatte 2013 den Ring in Bayreuth inszeniert. Nach dem Ende der Götterdämmerung entlarvten sich die reichlich anwesenden, unerlöst unter dem Bann des Nibelungenfluches stehenden Knechte des Ringes und machten den „Weiheort“ zum Viehstall. Sie waren offenbar nicht gewillt, das Interpretationsangebot Castorfs in Erwägung zu ziehen. Aber auch 2014 lief der Ring, Castorf fühlte sich ganz offensichtlich wohl und sagte: „ Der Künstler braucht ein Feindbild, wenn er das nicht hat, kann er nicht arbeiten.“ Er müsse sich alles bezahlen lassen und dann richtig undankbar sein, ja sich wieder in eine Wut hineinbringen. „Sonst bin ich nur ein Arrangeur."
Zweifellos, die Manager des Politikbetriebes wählen die Selbstähnlichkeit. Sie wollen die Arrangeure in der Kunst. Die Volksbühne soll Teil der Fanmeile Berlin werden. Der „Volksfeind“ Castorf (hat er selbst, glaube ich, nie inszeniert) wird ausgemerzt. Christian Rakow hat es schön beschrieben, nur muss man es zugespitzter formulieren: den überarbeiteten Hamsterrad-Managern sind „stundenlange Totalkunstexerzitien“, „in ihren Diskursschleifen maximal deutungsschweißtreibende Stücke“ und insgesamt der „Geist kompromissloser künstlerischer Autonomie“ verhasst, sie brauchen keine Sperrigkeit und "Unverständlichkeit" als „unverzichtbaren Wert ästhetischer Erfahrung“. Wenn Sie den Weg in eine Kultureinrichtung finden, suchen sie alles Andere (zum Beispiel Entspannung, Bestätigung) als „das Widerständige“, schon deshalb, weil sie keinerlei Kapazität „zur akribischen Beschäftigung“ haben. Aber sie wachen auf bei der Frage, ob sie alles bezahlen müssen für eingebildete undankbare Kunstgenies und sagen „Nein“, wenngleich nicht ohne sich aufwändig zu winden und zu verstellen, denn in diesen akribischen Beschäftigungen sind sie Meister. Aber eigentlich brauchten Sie sich gar nicht winden und verstellen, die übergroße Mehrheit der Berliner Bevölkerung würde ihnen zustimmen, wenn sie der Volksbühne den Geldhahn abdrehen und stattdessen den Bastian Schweinsteiger für die Hertha einkaufen.
Kommentar Dercon-Intendanz: "me Too"-Produkt?
Sehr guter Kommentar. Die Auswahl des Teams (für jeden was dabei, aber nichts, das aneckt) lässt kein scharfes Profil erkennen. ausser das es tatsächlich ausgerechnet in die Richtung des neuen HAU geht. Die Volksbühne als "me Too" Produkt? Enttäuschend.
Kommentar Dercon-Intendanz: Unkenntnis praktischer Notwendigkeiten
@20, 22 glaube, da gab es auch genug Verlautbarungen, die diese Doppelung beklagten. Aber Khuon hört 2019 auf, also ist es nur eine Übergangsphase.
Was Herrn Rothschild Sorge macht, ist die Auflösung der Ensemble-und Repertoirestrukturen. Zu Recht. Da kann Dercon sagen, was er will, wenn Charmatz' Truppe wochenlang durch die Welt tourt, wird er sie nicht im Repertoire disponieren können, nur in en suite-Blöcken. Und wenn er große Koproduktionen macht, muss das Ensemble auch in den koproduzierenden Städten und Ländern Zeit verbringen - das ist keine Glaubensfrage, sondern eine praktische Notwendigkeit. Weder Dercon noch Ingvartsen noch Charmatz kennen das spezielle deutsche System, Kennedy nur ein wenig und Piekenbrock auch nur aus ihren Anfangszeiten. Das ist schon etwas sehr Besonderes, unser System - das Merkwürdige ist, dass wir weltweit darum beneidet werden, nur hier will man es verändern. Denn es ist eine Veränderung: die eigentliche Idee eines Stadttheaters als Ort, an dem sich ansässige Künstler mit der Stadt und dem Publikum intensiv auseinander setzen, wird mit diesen international agierenden Künstlern nicht zu realisieren sein - das sieht man doch bei Festivals wie der Ruhrtriennale (die toll ist, ohne Frage) - die Projekte, die sich dann angeblich mit der Region beschàftigen, bleiben meist an der Oberflàche und feigenblattartig. War auch zu beobachten bei Leysens Theater der Welt.
Kommentar Dercon-Intendanz: nix zu tun mit Berliner Freier Szene
Nachsatz: Und bitte nicht immer diese Illusion: die Volksbühne wird sich ohne Dercon noch mehr der freien Szene Berlins öffnen! Das was hier gemeint ist, ist doch nur eine Handvoll im internationalen Festivalzirkus längst etablierter Gruppen. Das hat mit der Realität der Mehrzahl der unter prekären Bedingungen arbeitenden freien Theaterleute Berlins nichts zu tun.
Kommentar Dercon-Intendanz: Feinde basteln
Wenn es sie nicht hier gäbe, man müsste sie erfinden Herr Claus Günther. Da versammeln sie alle Klischees auf einmal in einem Post. Pausenloser Betrieb ist auch das Wesen des Repertoiretheaters. Es werden täglich Vorstellungen gespielt, tatsächlich. Der Kampf um das Publikum ist für alle gleich. Und doch muss der Spielplan weder bei Khuon noch bei Dercon oder jemand anderem zu einem Beliebigkeitsfeuerwerk verkommen. Nur Chris Dercon, der noch gar nichts gemacht hat an der Volksbühne, unterstellen sie gleich, er infiltriere die Leere in das Theater, und sie diagnostizieren ihm einen baldigen Burnout. Das greifen sie einfach so aus der Luft heraus, ohne jede Grundlage, so wie ein Ertrinkender nach jedem Strohhalm greift, der ihn retten soll. Schnell wird bei ihnen aus der Weihestätte ein Viehstall, und so jonglieren sie mit heftigen Vorurteilen immer fort. Selbstähnlichkeit wollen sie entdecken und reihen Dercon bei den verhassten Politikern ein. Allesamt für sie Hamsterradmanager. Wie vermessen, wie niederträchtig ist das?! Das müssten sie belegen, um es halbwegs glaubwürdig machen zu können. Stattdessen führen sie ein Video aus der Bayreuther Kantine mit Castorf an, wo sich der Intendant und der Reporter weinselig in aller hässlichster Koketterie ein paar unausgegorene Flausen zu werfen. Es ist ja schön, dass sich Castorf eher als Wagner und weniger als Nietzsche sieht, und das geht ja auch ganz reibungslos so runter, so dass man nicht weiter darauf eingehen möchte.

Aber wo sehen sie da das Widerständige, die Wut, und all die anderen Tugenden, die sie bei Castorf vermuten?

Nein. Castorf´s Arbeit ist längst im Mainstream und bei den Managern angekommen. Vor dem Youtube Video eine Bierwerbung, am Ende die vier Ringe von Audi und Frank verplappert sich zwischen diesen beiden clips.

Ein Feindbild braucht man also, so die Behauptung. Wer keine Feinde mehr hat, wie Castorf, schafft sich ein Feindbild. Und dies soll nun Dercon heißen. Wo keine Feinde mehr sind, bastelt man sich künstlich welche. Dies ist einem, der sich eher für einen Wagner hält recht würdig, möchte man meinen. Auch, ich wiederhole mich, wird Castorf nicht ausgemerzt. Aber er und sie projizieren wild zum Selbstzweck herum, und da bietet sich für sie Chris Dercon als Kampffläche an, denken sie. Man kennt diese Vorgehensweise aus anderen, sehr schauerlichen Zusammenhängen.

Lassen wir das. Wie der Zufall es will, war heute Abend mein Sohn zu Gast, und unser Thema war beim Essen die Vorstellung „Straight white men“ von Young Jean Lee aus New York. Eine Vorstellung, die gestern Abend am Hau1 zu sehen war. Eine dieser schrecklichen internationalen Veranstaltungen, die ich ihnen aber wärmstens empfehlen möchte. Dort können sie etwas über männliche Identitäten erfahren, das könnte ihren Blick schulen. Ist aber nur eine Empfehlung.

Und liebe Dramaturgin, ich teile ihre Sorgen nicht. Denn Castorf selber war in letzter Zeit nur selten vor Ort und seine Schauspieler zu disponieren, wird für jeden Disponenten eine hohe Kunst sein, denn auch sie sind viel unterwegs. Das ist in Berlin so, da lebt man nicht nur von ansässigen Künstlern und das ist gut so. Sonst würde mein Sohn so anregende Abende aus New York nicht so schnell kennenlernen. Und glauben sie, man kennt die praktischen Notwendigkeiten in Berlin, sie sind nur etwas anders gelagert. Auch Dercon und seine Mitstreiter dürften da nicht völlig unbeleckt sein, wie kommen sie darauf?

Allmählich bekommt die Debatte einen so feindlichen, abwegigen Zug, es könnte einem ein wenig übel werden, wenn einen Berlin nicht schon längst abgehärtet hätte gegen solche Attacken. Um so wichtige sind die internationalen Einflüsse, damit nicht alles auf dem Ansässigen sitzen bleibt.
Kommentar Dercon-Intendanz: Zitatschau - am Puls der Zeit
Dem Puls der Zeit auf den Fersen

„Die Tate Modern ist ein Museum, das dem Puls der Zeit inzwischen dicht auf den Fersen ist.“ [A. D. Dabrowski, ARTINVESTOR Kunst. Und was sie uns wert ist. 03/2015]

”... im Spannungsfeld zwischen territorialen Institutionen und einer neuen Netzwerkwelt geht es darum... einer anderen Welt in unseren Häusern Asyl zu geben, die ein anderes Regime von Zeit, Ressourcen und Bewusstsein erlaubt.” (Th. Oberender, Tagesspiegel, 26.04.2015)

„Mit Unterstützung des großen Autoherstellers aus München entstand schon 2012 der „BMW Tate Live Performance Room“... Ab November soll das Live-Act-Programm noch dichter werden. Direktor Chris Dercon plant Performances im Wochenrhythmus.“ [A. D. Dabrowski, ARTINVESTOR Kunst. Und was sie uns wert ist. 03/2015]

„Was Dercon vorhat, könnte man als Runderneuerung der Tradition fürs 21. Jahrhundert beschreiben. So sieht es auch der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller... Müller ist neu auf diesem Gebiet, und so will er auch das Neue.“ [Rüdiger Schaper, Tagesspiegel 24.04.2015]

„Natürlich, zu sagen, etwas ist neu, das hat heute absolut keinen Sinn mehr! Sehen Sie auf die Mode. Mode ist ein konstantes Recycling. Es geht nicht mehr um etwas total Neues, es geht um das Teilen von Erfahrungen. Ich kenne jedenfalls nichts Neues.“ (Lacht). [Chris Dercon im Interview mit A. D. Dabrowski ARTINVESTOR Kunst. Und was sie uns wert ist. 03/2015]
Kommentar Dercon-Intendanz: Kollektivität statt Interventionismus
Es ist grotesk, dass in der Debatte mal wieder die Unterscheidung Alt/Neu in den Vordergrund gespielt wird - das müsste doch nach 30 Jahren neoliberaler Agenda mal langsam auffallen. Was soll denn eigentlich "zeitgemäß" sein? Dass die Künstler genauso sprechen, handeln und denken wie der Rest der Eliten? Das interessante an der Volksbühne ist, dass es dort anders ist und zwar nicht, weil es "alt" ist, sondern weil das an dem Haus um Kollektivität geht. Die ist aber etwas anderes als das "Netzwerk", aber nicht, weil dieses "offen" und jene "geschlossen" wäre - Kollektivität ist eben nur verbunden mit einer Programmatik und deswegen auch wirklich politisch, denn ihr geht es ja um das Langfristige, das ganze Leben. Ein Netzwerk - wie es nicht nur die Piraten lernen mussten - kann das nicht, es kann das Kollektiv nur mit anderen Kollektiven verbinden.
Für mich zumindest ist die Alternative Volksbühne oder HAU auch die zwischen autonomer Kollektivität und Interventionismus. In ersterer gibt es Machtfragen, für letztere gibt es die nur als äußeren Gegenstand (schematisch gesagt). Es ist wichtig, dass gesehen wird, dass die Produktionsformen sehr eng mit den künstlerischen und politischen Möglichkeiten eines Hauses zusammenhängen und ich finde es gut, wenn Dercon dazu gezwungen wird, sich zu dieser Frage zu verhalten.
Kommentar Dercon-Intendanz: Spießrutenlauf-Organisation
Kollektivität ?! Das ich nicht Lache. Hier organisiert das scheinbare Kollektiv einen Spießrutenlauf für Chris Dercon und wir alle dürfen Zeugen sein.
Kommentar Dercon-Intendanz: die Sponsoren kommen
@baucks: "Man sollte Schritt für Schritt einen Mix von öffentlichen und privaten Mitteln anstreben. Der Staat hat die Verpflichtung, Kultur zu präsentieren, aber es gibt auch andere Möglichkeiten.
- Sie brauchen erheblich mehr Geld für Ihre Volksbühnen-Ideen, zum Beispiel die Bespielung des Hangar 5 in Tempelhof.
-Um dieses Geld werde ich mich kümmern, natürlich. Da werde ich auch mit Sponsoren sprechen, die schon Interesse signalisiert haben." (Zitat Interview Dercon Tagesspiegel 27.4.15)
Kommentar Dercon-Intendanz: Castorf-Weiterentwicklung
Könnte mir irgendeiner der von "Doppelung" Schwadronierenden bitte erklären, wo zwischen dem jetzt vorgestellten Konzeptentwurf der Volksbühne und dem HAU Doppelungen entstehen, wo sie womöglich die Konzepte überschneiden? Ich kann da nichts erkennen. Letztlich ist das, was Dercon vorhat, eine Weiterentwicklung und Neuninterpretation des Castorf-Modells, der ja die Interdisziplinarität und die Entgrenzung des überkommenen Theaterbegriffs seit 25 Jahren lebt. Daher wächst bei mir die Verwunderung über eine Diskussion, die mit dem, was an der Volksbühne geplant ist, immer weniger zu tun hat.
Kommentar Dercon-Intendanz: Eine Frage der Reisegeschwindigkeit
Weniger Lufthansa, mehr British Airways
Die Ensemble aus Wien, Zürich, Berlin und Hamburg leben heute schon in den Lüften und bilden von oben das mobile deutsche Stadttheater, viel Etat dieser Häuser und Festivals ernährt die Fluggesellschaften. Morgens Probe hier, abends Aufführung dort, die Kritiker sind auch an Bord, eigentlich sind die Flughäfen die praktischeren Bühnen. Das wird jetzt mit Dercon internationaler, jetzt wird das Publikum auch noch mitreisen. Das ist eine Chance aus dem höfischen Erbe endgültig auszubrechen und einen demokratisch-kulturellen Modellbetrieb aufzubauen, der auf mehr künstlerische Ressourcen Zugriff hat, als die Lufthansa. Blöd natürlich, wenn irgendeine slow-travelling Verordnung aus der Kulturverwaltung dazwischen kommt.
Kommentar Dercon-Intendanz: Weiterentwicklung, wo?
Lieber Herr Krieger - Mette Ingvartsen tritt beispielsweise vom 28. bis 31. Mai 2015 im HAU 3, und vom 9. bis 11. Dezember im HAU 2 auf. Informieren Sie sich einfach, dann legt sich Ihre Verwunderung. Boris Charmatz ist bereits im Haus der Berliner Festspiele (vordem Freie Volksbühne) in Erscheinung getreten. Haben Sie je eine Inszenierung von Frank Castorf gesehen? Dann sagen Sie uns, wo Sie in dem Programm von Herrn Dercon - soweit es uns angedeutet worden ist - "Weiterentwicklung und Neuinterpretation" erblicken. Nicht umsonst hat Castorf OST auf das Dach der Volksbühne setzen lassen.
Kommentar Dercon-Intendanz: kurz vorm Infarkt
Mon Dieu liebes Sell Out, auch Theater können Sponsoren haben. Das hätte ich nie gedacht. Da steht man ja kurz vor einem Infarkt. Haben sie denn auch den Rest des Interviews gelesen, in dem sich Dercon zum Ensemble und zum Repertoire bekennt? Allmählich glaube ich, man kann die Debatte hier getrost ignorieren.

Ich wünsche Dercon auf jeden Fall viel Glück und Kraft und vor allem Geduld mit einigen Berlinern.
Kommentar Dercon-Intendanz: was verloren geht
Ich zitiere hier gern noch mal Katrin Bettina Müller aus der taz:
"Was einer Volksbühne unter Dercons Leitung höchst wahrscheinlich verloren zu gehen droht, ist ihr Status als Grabungsstätte tief in die deutsche Geschichte hinein, die Castorf'sche Versessenheit auf die Sümpfe des Verdrängten und der Blick nach Osten." Und da ist mitnichten nur die DDR oder der Blick durch die Heiner-Müller-Brille gemeint. Castorf hat auch immer wieder gen Westen geschaut. Es war eine Mischung aus provokanten Ansichten, mit der er deutsche Themen behandelt und mit der großen Weltpolitik und Geschichte kurzgeschlossen hat. Auch wenn vielen dieser Ost-West-Blick nicht gefällt. Das ist von Dercon nicht zu erwarten, diese kritische Auseinandersetzung mit Diktatur, Freiheit und Demokratie. Der hat doch ein ganz anderes Grundverständnis davon. Und viele haben das schon so verinnerlicht, dass da ein Castorf nur noch nervt. Na er wird noch ein wenig weiternerven und vielleicht nach 2017 auch weiter in Berlin.
Kommentar Dercon-Intendanz: Postengeschacher
....der eigentliche Stein des Anstoßes (wir können es auch Skandal nennen) ist, einen (...) Museumskurator, ohne öffentliche Ausschreibung, "per odre de mufti" zum Theaterintendanten eines wichtigen Theaters zu berufen, welches angesichts der in den letzten Jahrzehnten arg gerupften Theaterlandschaft in dieser Stadt,einen gewissen Stellenwert erlangt hat, damit eine wichtige Gegenposition zu den Event- und Festivalbühnen darstellt und eine Kontinuität in der Entwicklung des modernen Theaters verkörpert, die gerade nicht durch Festival und um die Welt tourende Theaterprojekte abgedeckt werden kann.

Es geht hier nicht um Zeitgeist, nicht um Peymänner und Flimms, die waren schon längst so klug, zu erkennen, dass als nächstes das Amt als "elder culture-man" auf sie wartet, nein es geht darum, dass sich hier Delittanten anmaßen nach Gutsherrenart kulturpolitische Entscheidungen zu treffen, die ihnen, jedenfalls in der hier vorgeführten Art und Weise, in mehrfacher Hinsicht gar nicht zu stehen.

Hier wäre angesichts der o.g. Gründe eine fachlich kompetente Findungskommission und eine öffentliche Ausschreibung, sowie Bewerber, die ein konkretes Programm vorlegen oder zumindestens aus der eigenen Praxis, bzw. in ihrer Person für einen bestimmten programatischen Ansatz (Theaterkonzept) stehen, erforderlich gewesen.

Jeder kann alles, als omnipotenter Kulturfreak daherkommend, Postengeschacher und Postenzuschieben nach Gutsherrenart, wie es hier vorgeführt wird, ist sowohl einer demokratischen als auch einer kulturellen, modernen Gesellschaft nicht würdig und dürfte in die längst überwunden geglaubte - hier passt es - reaktionäre Schublade der Vergangenheit gehören.

....dass aber dieses Postenkunkeln von Leuten angezettelt wird, die sich auf der "fortschrittlichen Straße der Kultur" glauben, ist das Neue.
Kommentar Dercon-Intendanz: profitable Ware
Dercon bewundert Castorf, Schlingensief, Neumann, Rois, Angerer und Wuttke, liest man. Die werden an der Volksbühne in Zukunft nicht mehr arbeiten. Dercon bewundert dass, was einmal im Widerstand gegen die Seh- und Hörgewohnheiten, die Konvention, entstanden ist, und jetzt durch die Integration längst profitable Ware geworden ist. Aber wie schon Peter Hacks sagte, ist die Ware seit dem Imperialismus schrecklich auf den Hund gekommen. Früher führte die Karriere zum Außenminister noch über den Steinwurf bei der Demo. Heute reichen Netzwerke und Sekundärreize, um auf sich aufmerksam zu machen.
Kommentar Dercon-Intendanz: ostdeutsches Lagerfeuer
Da steht sie wieder, die Mauer des Blickes von Ost nach West und versperrt den Weg zu europäischen Themen. Aber diesmal sperrt man sich freiwillig aus und wirft die Kulturreisepässe ins ostdeutsche Lagerfeuer der frei drehenden Kollektive.
Kommentar zur Dercon-Intendanz: Symbolsprache Castorfs und ihr Widerpart
@39: Sie machen es sich zu einfach. Wie ich in einem anderen Kommentar schon sagte, die Tatsache, dass die PEGIDA-Anhängerschaft relativ Ausdruckslos und zuweilen Autoaggressiv vor die Presse tritt, der Lügen vorgeworfen werden - mich hat das im Winter erst sprachlos, dann aber sehr nachdenklich gemacht. Dieser Wilders samt seiner Vereinnahmungsversuche sind dabei weniger interessant. Regisseur im Fach Film, Dresen, erwähnte neulich, wegen der Verfilmung von "Als wir träumten", eine Wahrheit, die ich mir als gebürtiger DDRler leider eingestehn musste, denn er sagte, die da jetzt demonstrieren, das sind ja die gleichen Leutchen, die '89 auf die Strasse gegangen sind. Das ist bitter und hier versagen die Schablonen der etablierten, zuweilen westdeutsch nennbaren Presse. Das mediale Bild der Ausdeutung von DDR und Umbruchs- wie Nachwendeerfahrungen funktioniert ja bis dato in den Kategorien des westdeutschen Gedächtnisses. Die Volksbühne unter Castorf war/ist ja so ein Anker der stabilen Identitätssuche, das Repertoire ein Gedächtnisort. Das ist zugleich immateriellen Kulturerbe und eigentlich somit ja geschützt, durch die UNESCO. Dercon bricht da Völkerrecht, wenn er seine Pläne realisieren will. Das ist die symbolische Ebene, natürlich, aber die genau etablierte Castorf durch das Ensemble, mit allen Beteiligten, bei allen Schwierigkeiten natürlich, aber der Gedächtnisort steht da im Raum, ein Flagschiff deutsch-deutscher Tugendkritik. Wenn im "Baal" Material von Carl Schmitt einfloss, dann ist das im PEGIDA-Kontext interpretierbar. Die Symbolsprache Castorfs findet Ihren Widerpart in der Sprachlosigkeit der nach Ausländer-Raus-Rufenden Wendeverlierer, Wendegewinnler, Angepassten und anderen Kleintierzüchtern. Mann sollte den "Baal" nicht beim Theatertreffen fürs theateraffine Publikum zeigen, man sollte ihn in der Semperoper in Drseden aufführen, mit freiem Eintritt für alle. Lieber Martin Baucks, ich kenn Sie nicht persönlich und mein heckenschützenartiges Kommenieren mag unsympatisch sein. Aber ich möchte Sie fragen: Wo können derzeit, im deutschen Theater, diese Konflikte ohne Visier, also heckenschützenfrei, ausgetragen werden, wenn die Volksbühne (kampflos) an Dercon verscherbelt wird? Diese Renner/Müller-Handlung, die steht der Treuhand in nichts nach und unterstreicht, wie respektlos und uneinsichtig auch 25 jahre nach der Wende mit der Erblast DDR umgegangen wird. Selbst im symbolischen Feld wird hier noch immer Triumphalismus offen ausgelebt. Zum Schluss noch, was mir Sorgen macht, wenn nämlich die PEGIDAler sich anfangen irgendwann breit zu machen in Politik, Kultur (in Armee, Polizei, Sport oder Dresdener Justiz scheinen sie laut Presseberichten schon Anhängerschaft zu haben), wenn dann die etablierten Schablonen westdeutscher Interpretationsmuster von Grüne bis CSU nicht mehr greifen, sich leergelaufen haben, bis das jeder verstanden hat, was machen wir dann? Dercon hat dann seinen Plastikrummel durchgesetzt. Der Gedächtnisort Volksbühne ist dann aufgelöst in dahindrifftenden Ausstellungskatalogen und erwerbbar für 50,-€ das Stück. Für lebhafte Konfliktverkämpfung ist es dann zu spät. Aber vielleicht ist Castorf ja dann schon Intendant der Semperoper und inszeniert auf dem Vorplatz oder in den Elbwiesen wieder "BAAL", ganz wie Max Reinhardt seiner Zeit, mit den Volksmassen im Einklang und mit einem gemeinsamen Schwimmspaztiergang in der Elbe. Ja, ich hoffe, wünsche, fordere: Castorf for Intendant of Semperoper in DD!
Kommentar zur Dercon-Intendanz: Wo geht die Reise hin?
Herr Baucks, könnten Sie mir bitte mitteilen, wo die Pässe ausgegeben werden, von denen sie da sprechen. Was ist mit dem Internationalismus der westlichen Kapitalkollektive? Wann, wo und mit wem wurden in der Geschichte die Reiseziele festgelegt? Und an welchen Lagerfeuern sitzen Sie denn so am liebsten? Das sind übrigens auch die Fragen, die Frank Castorf stellt. Wo geht die Reise hin, wenn keiner mehr kritisch nachfragt? Ich habe da so ein paar Vorschläge: Afrika, Afghanistan, Irak... Sie können nach Belieben ergänzen.
Kommentar Dercon-Intendanz: ergebnisoffen
Ich meide Lager. Und das sind exakt die Fragen, die Castorf nicht stellt, und wenn überhaupt, dann nur aus dem verkürzten Winkel eines narzistisch gestörten Colonel Walter E. Kurtz. Zudem, schreiben sie Dercon nicht die Schuld an der misslichen Lage der Welt zu, nur weil er ihnen nicht passt.

Denn Kulturreisepass können sie sich in ihrem eigenen freien Kopf ausstellen, falls sie einen haben und wohin es geht, bestimmen sie selbst. Eines ist aber klar, eine neue Reise beginnt mit Chris Dercon 2017 und das ergebnissoffen, wie es sich gehört.
Kommentar Dercon-Intendanz: Richtungen der Offenheit
lieber Herr Baucks.
(...) wieso können Sie kritische Haltungen, die nicht Ihrer entsprechen, nicht einfach stehen lassen.
Offenheit hat nicht nur eine Richtung.
Kommentar Dercon-Intendanz: nur Rückwärtsgewandtes
Lieber Herr Steckel, Herrn Dercon wurde vorgeworfen, er würde das Konzept des HAU oder der Festspiele doppeln. Nichts davon ist der Fall. Dass Künstler an mehr als einem Haus arbeiten, insbesondere, dass sie von einem Haus ans andere wechseln, soll auch in Berlin schon vorgekommen sein (übrigens auch an der Volksbühne). Im Übrigen sehe ich Castorf primär als Grenzeneinreißer, als einen, der Kunst interdisziplinär denkt. Das ist auch bei Dercon der Fall. Insofern wird es 2017 einen Bruch geben und zugleich eine Kontinuität. Ich zumindest finde das spannend.

Besonders witzig finde ich den Kommentar von Nomos: Das wort von der "in den letzten Jahrzehnten arg gerupften Theaterlandschaft" zieht mir fast die Schuhe aus. Von welcher Stadt reden Sie? Doch nicht Berlin? Das kann nur behaupten, wer seit 10 Jahren seine Wohnung nicht verlassen und die Fenster abgedunkelt hat. Wobei das mit der Findungskommission noch lustiger ist. Sind Leipziger anwesend?

Ansonsten höre ich nur Rückwärtsgewandtes der Marke Castorf ist gut also behalten wir ihn. Ja, sein Blick auf Stadt und Gesellschaft wird fehlen, doch hatten wir den 25 Jahre lang. Und könnte im Jahr 28 nach dem Mauerfall nicht eventuell der Zeitpunkt gekommen sein, das "Ost" neu zu denken? Womöglich sogar von außen?
Kommentar Dercon-Intendanz: keinen Kulturreisepass
Herr Baucks
Ich brauche keinen Kulturreisepass, ich entscheide selbst. Mein Kopf ist zwar frei, aber nicht hohl. Für die Volksbühne haben Kulturpolitiker entschieden. Das heißt nicht, dass man diese Entscheidung nicht kritisieren darf. Sie haben ein persönliches Problem mit Castorf. Bitte klären Sie das dann auch mit ihm persönlich. Mich interessieren die narzisstischen Probleme von Künstlern nicht. Auch ihres ist mir egal. Was ist an Castorfs Arbeit nicht ergebnisoffen? Ich glaube Sie haben nichts von dem verstanden, worum es Castorf all die Jahre ging. Kunst ist in den meisten Fällen ergebnisoffen, darum lässt es sich auch so schön darüber streiten. Nur Sie denunzieren einen Künstler lieber als gestörten Narzissten, um sich nicht mit den Inhalten auseinandersetzen zu müssen. Sie haben weder Conrads Roman verstanden, geschweige denn den Film "Apokalypse Now". Castorfs Kunst kommt aus der Apokalypse Ost und hält mit dieser Erfahrung (auch mit mittlerweile 25 Westjahren) dem Westen seine Apokalypsen vor. Das ist für Sie natürlich zu viel des Guten, das geht nicht.
@ Sascha
Was heißt "Ost" neu zu denken? Losgelöst von den Wurzeln des Kalten Krieges, der immer noch herrscht? Verschieben wir nicht gedanklich den Osten jetzt schon hinter den Ural? Wie soll das gehen, etwas von außen zu betrachten? Wenn das die Herangehensweise von Dercon ist, dann wäre das eine für Europa momentan sehr typische Haltung. Der Künstler kann nicht von nur von außen schauen. Wenn Du meinst, von außen heißt mit neuer Sichtweise, dann würde mich interessieren, wie die deiner Meinung nach aussehen könnte. Diese Fragen kann und muss man stellen, auch 28 Jahre nach dem Mauerfall. Castorf rückwärtsgewandtes Theater vorzuwerfen, zeugt von wenig Geschichtsbewusstsein, das muss man schon sagen. Alle Achtung. Wo sich die neue Volksbühne sieht, ist bisher nicht bekannt. Eine speziell politische Ausrichtung wäre wünschenswert und entspräche auch der Tradition des Hauses. Wenn ergebnisoffen aber heißt, ich lege mich thematisch nicht fest, wohin die Überlegungen gehen sollen, mag das vielleicht eine Zeitlang ganz interessant sein, aber auf Dauer wird man sich doch eher erfolglos im Kreise drehen.
Kommentar Dercon-Intendanz: Ostberlin nicht existent
Lieber Stefan,

bitte erst lesen, dann kommentieren. Ich habe Castorf kein rückwärtsgewandtes Theater vorgeworfen, sondern dir und anderen eine rückwärtsgewandte Diskussion. Die DDR wird 2017 seit 27 Jahren Geschichte sein, der Kalte Krieg mindestens ebenso lange. Es geht mir nicht um Geschichtsvergessenheit, aber nach einer Generation halte ich eine theatrale Neudefinition des Ortes Volksbühne inmitten des dort schon längst nicht mehr existenten Ostberlin (nicht, dass es Ost und West nicht mehr gäbe, aber dazwischen existiert schon lange eine immer größer werdende Mischzone) für nicht nur angemessen, sondern notwendig. Und da kann ein Blick von außen, von Künstlern, die geografisch (Dercon) oder altersmäßig (Kennedy) nicht im Ist-West-Sumpf gefangen sind, m.E. nicht schaden. Die Innensicht hatten wir lange genug, eine Konservierung einer längst überkommenen Ostidentität (die die Volksbühne früher übrigens nie hatte, s. Besson) fände ich weniger spannend, als eine ergebnisoffene Hinterfragung der Identität dieses Ortes. Das erwarte ich von Dercon, nicht irgendein Ost-Theater (wie ja z.B. die Schaubühne schon lange kein West-Theater ist – sondern mehr Mitte als DT und BE zusammen).
Kommentar Dercon-Intendanz: Veränderung ist gut
Lieber Stefan, Castorf berührt heute viele Themen, aber führt sie nirgendwo hin, deshalb findet er auch nie ein Ende. Das ist traurig mit anzusehen und darum ist eine Veränderung an der Volsbühne gut. Castorf hat seinen Focus verloren und reproduziert, gemessen an ihnen als seinen Zuschauer, immer wieder die selben Ost West Perspektiven, während die Welt sich weiter dreht und die Volsbühne, so wie sie jetzt ist, hinter sich lässt .
Kommentar Dercon-Intendanz: unverbindliche Stukkatur des Bestehenden
Lieber Herr Krieger, wenn Herr Dercon sich in die internationale Festivalschlange der Abnehmer von Produktionen von Frau Ingvartsen oder Herr Charmatz einreiht, tut er exakt, was Frau Vanackeren oder die Festspiele tun. Daran wäre nur durch am Haus selbst entstehende Aufführungen etwas zu ändern - mit den eigenen Truppen oder dem dort verpflichteten „Ensemble“, welches ggf. aus den eigenen Truppen zusammengesetzt ist. Was ich bei Ihrer Argumentation aber noch gravierender vermisse als die Einsicht in diese Sachverhalte, ist die Anerkennung des unverwechselbaren Profils, welches ein Theater ausschließlich durch die Arbeit der an ihm tätigen Regisseure und Choreografen erhält (ich habe in Bochum neun Jahre lang mit Reinhild Hoffman zusammengearbeitet, viereinhalb Jahre mit Andrea Breth). Sagen wir es krass: Intendanten, die keine Künstler sind, sind Zuhälter (Herr Khuon und Herr Lux mögen mir verzeihen). Nur wer selbst auf den Kulturbetriebsstrich geht, kann das Bordell, dem er vorsteht, ernsthaft strukturieren - und das hat Frank Castorf weiß Gott vermocht. Da nun einen windschnittigen Kulturmanager zu plazieren, mag zwar Herrn Müller und Herrn Renner Erleichterung verschaffen, aber doch nicht Ihnen und mir, lieber Herr Krieger! Überdies war die Volksbühne, da widerspreche ich Ihnen entschieden, auch unter Benno Besson, der ein frankoschweizerischer Sozialist war, ein veritables Osttheater, und dieses Erbe spukte, in wie gebrochener oder verzerrter Form auch immer, in Castorfs Arbeit höchst vital herum. Habens Sie zu Bessons Zeit die „unfreie“ Volksbühne besucht? Haben Sie z. B. Fritz Marquardts großartige Inszenierung von AVANTGARDE von Katajew gesehen? Die „offiziellen“ DDR-Uraufführungen von DER BAU und DIE BAUERN von Müller durch Marquardt? Ohne diese Abstammungslinie ist Castorfs (oder auch Goschs oder Gotscheffs) Arbeit undenkbar. Für die wiedervereinte deutsche Theaterarbeit hat das Vordringen des „DDR-Gletschers“ (so nannte Dieter Sturm das Phänomen bei Gelegenheit) in das bundesdeutsche Stadttheater eine ungeheure Rolle gespielt, eine ebenso produktive wie zerstörerische Rolle, die wir nicht so schnell beiseite schieben sollten, insofern diese Ost-Theaterarbeit einen Zwang zum Gesellschaftsbezug kannte, der uns leider vollständig abgeht: Ihre Rede von der „ergebnisoffenen Hinterfragung der Identität“ stellt dafür den anschaulichsten Beweis dar. Weder ist die DDR als politisch-soziales Gebilde mit dieser Art von Befragung bedacht worden, noch sehe ich, woher Sie angesichts des augenblicklich in Europa grassierenden Kapitalstarrkrampfs, dem auch das händeringend nach einer durchsetzbaren Alternative suchende Griechenland unterworfen werden soll, die ästhetische Unbefangenheit einer „ergebnisoffenen“ Untersuchung nehmen wollen. In meinen Augen erhebt sich die Gefahr, daß die von Ihnen und anderen plakatierte Ergebnisoffenheit - ich zögere, sie scheinheilig zu nennen - endgültig den Weg in die unverbindliche Stukkatur am Bestehenden freimacht, den die „großen Sponsoren“ mit Vorliebe und alternativlos zu gehen wünschen. Außerdem finden wir Ergebnisse zuhauf vor: es handelt sich um die dramatische Weltliteratur, um die schönen Stücke von Pirandello, Hebbel, Claudel, Barlach, Strindberg, O’Casey, de Vega, Corneille, Valle-Inclán, Majakowski, um die 30 von den 38 Stücken Shakespeares, die, wie die Stücke der anderen hier Genannten, von unseren Spielplänen als unverkäuflich radiert worden sind.
Kommentar Dercon-Intendanz: Anmahnen einer kritischen Denkweise
Vielen Dank an Herrn Steckel, zur Tradition und Ausrichtung der Volksbühne muss man nicht mehr viel hinzufügen, außer vielleicht, dass die Theatermacher Brecht, Besson oder Langhoff vielleicht nicht ostsozialisiert waren, hier in Ost-Berlin aber glaubten ihre künstlerische und politische Heimat gefunden zu haben. Das dies für einige unter ihnen und ihre Nachfolger dann so nicht mehr zutraf, liegt an ihrem kritischen Blick, der immer Vergangenheit und Gegenwart zusammengedacht hat und sie mit den Oberen anecken ließ. Ohne dem funktioniert keine Zukunft und schon gar keine neue Sicht. Was sollte das denn auch sein? Spricht man heute im Gedenken an Dachau, Buchenwald und Auschwitz etwa von retrospektiv? Und Sascha, es ist ein großer Irrtum, zu behaupten, da es die DDR oder den Kalten Krieg nicht mehr gibt, gäbe es auch keine Gräben mehr, über die man diskutieren müsse. Es ist natürlich nicht mehr nur das einfache, duale Weltbild von Ost gegen West, links gegen rechts. Die Gräben verlaufen heute anders. Das, was Du als rückwärtsgewandte Diskussion beschreibst, ist das Anmahnen einer kritischen Denkweise gegenüber den herrschenden politischen Strukturen, was gerne auch als ein Angriff auf die Demokratie oder Freiheit des Westens verstanden wird. Dieses kritische Hinterfragen werden wir so von Dercon nicht erwarten können. Er spricht ja auch eher vom Moderieren. Dercon wirft seinen Kritikern vor (wie Du ja auch), dass die Diskussion über das Theater in Berlin retrospektiv geführt würde, was normal für die sogenannte „horizontale Linke“ sei. Nun würde ich allerdings die drei Intendanten mit dem offenen Brief und selbst Claus Peymann nicht gerade als besonders links bezeichnen. Dercon sieht sich demzufolge also eher auf der vertikalen Achse, was ein Zeichen für eine liberale Haltung sein könnte. Er bezeichnet sich dann auch nicht als Revolutionär, sondern als einen Moderator der Veränderung. Er wird also ein relativ breites Spektrum an künstlerischen und politischen Ausrichtungen schaffen wollen. Ich hoffe, dass Alexander Kluge da nicht nur als retrospektives Feigenblatt herhalten muss, und dass er hier in den nächsten Jahren noch einige Impulse setzen kann. Nun hat Dercon ja in München schon bewiesen, dass er in der bildenden Kunst und Architektur einen Sinn für Geschichte hat. Nur kann man einen Theaterraum nicht beliebig verändern oder mit Kunst voll stellen. Theater ist ein leerer Raum, durch den ein Mann läuft und ein anderer schaut dabei zu (Peter Brook). Und aus der Angst vor der Leere entstehen Magie, Rausch und Ektase. Das ist vielleicht vergleichbar mit einer leeren Leinwand, und trotzdem ist Theater kein Gemälde oder Film, sondern es entsteht unmittelbar und verschwindet dann wieder. „Am Ende ist die Bühne genauso leer wie am Anfang.“ Botho Strauß - Shakespeare war übrigens auch ein guter Hinweis von Herrn Steckel. Castorf sollte noch einen Shakespeare machen zum Schluss.
Kommentar Dercon-Intendanz: ohne Gedächtnis
WWie bitte, Herr Baucks, Ragnatson, Vinge, Gregor Schneider, Mac Carthy, ach ja und Kluge hat ja schon vor 15 Jahre an der vb mitgetan uund die Schauspieler, die sich immer noch unterscheiden, wenn Herr DDercon da mal hinkommt, mit seinem einkaufswagen...
Sie argumentieren, wie Figuren im Comic, ohne Gedächtnis.
Neue Möglichkeiten ? Ja. aber wozu?
Kommentar Dercon-Intendanz: Theaterdynastien
Herr Steckel, sie beschreiben das sehr schön die Theaterdynastieen fast wie Adelslinien. Und hier liegt das eigentliche Kernproblem. Dercon durchschneidet diese Linien und das wird am Theaterhof wie eine
Majestätsbeleidigung verhandelt. Wenn Weber auf Reese folgt, ist alles in Ordnung. Kommt ein Quereinsteiger als logische Konseqenz aus 25zig Jahren Arbeit an der Volksbühne wird er gedemütigt und steht vor ihren Augen als Zuhälter und Stuckateur da. Und das ist absolut nicht in Ordnung. Das ist Mobbing . Man überzieht einen Kandidaten solange mit Vorwürfen, bis jede weitere Äußerungen von ihm wie eine Rechtfertigung klingen muss. Ganz mieser Stil Herr Steckel.
Kommentar Dercon-Intendanz: Mann, Frau & Transcendermenschen
Ach kommen sie G54, rüsten sie ab. Ich sprach über die Regiearbeit von Castorf. Und mein lieber Stefan, wenn überhaupt , ist Theater ein leerer Raum, durch den ein Mann auf eine Frau zuläuft und viele Transcendermenschen schauen ihm zu. Auch da hat sich seit Brook etwas getan.
Kommentar Dercon-Intendanz: tot und neu
wiederhole mich gerne.

"das" theater ist tot!
erfinde "das "theater neu!

no fear,herr baucks,sie erhalten diese kommentarspalte für sich offen,obwohl es ja zeit wäre sich dieser zu enthalten.
oder verstehe ich sie,wie so oft,nur falsch ?

mfg
s.
Kommentar Dercon-Intendanz: aus dem Manager-Handbuch
@48 Hallo Herr Steckel, als ich meine Glosse schrieb im Stile Ihres „Nur wer selbst auf den Kulturbetriebsstrich geht, kann das Bordell, dem er vorsteht, ernsthaft strukturieren“, gab es die Kommentare von Thomas Rothschild, die ich substanziell fand, die aber weg von der Volksbühne führten. Sie aber rühren an den Kern der Volksbühne und erkennen, dass dieser Kern „radiert“ werden soll. Vielen Dank!
Ich selbst bin ja aus einem ganz anderen „Biotop“, kein Theatermensch, aber mir schwant nichts Gutes bei den geplanten Veränderungen, die wie Lehrkapitel aus einem Management-Handbuch daherkommen. Natürlich kann eine Kultureinrichtung viel Geld bekommen, wenn Sie sich elegant dem Corporate Design der Sponsoren anschmiegt und auf kreative und dezente Weise die Reichweite des Auftritts neuer Produkte vergrößert.
Aber die eigentliche Gefahr, auf die ich auch schon angespielt habe, kommt nicht vom Polit- und Kulturmanagement. Der seinerseits leitende Polit-Manager Carl August hätte gern Wallenstein, Wilhelm Tell, ja den ganzen Schiller verhindert, aber er hat sich nicht durchgesetzt, vielleicht, weil es damals einen verbreiteten Hunger nach und eine große Verehrung von Schiller-Texten und Schiller-Stücken gab. In heutigen Tagen muss das Deutsche Nationaltheater Wallenstein-Aufführungen absagen, weil sich nicht genügend Zuschauer einfinden. Die Kultur- und Bildungsnation entleert sich und wird von einem Betrieb gefüllt, der sie dann gern wieder nachäfft.
Auch Spanien ist so eine Kulturnation und den Madrilenen ist Real Madrid – in jeder Hinsicht – zehnmal mehr wert als Theater (und Oper).
Kommentar Dercon-Intendanz: Theatertreffen-Gütesiegel
Wir halten fest:
1) Die Volksbühne ist im deutschsprachigen Raum das Haus mit den meisten in der Theatertreffen-Jury-Diskussion vertretenen Arbeiten! (3 Stück; das DT auch, aber da sind zwei Koproduktionen darunter)
2) Frank Castorf ist im deutschsprachigen Raum der Regisseur mit den meisten in der Theatertreffen-Jury-Diskussion vertretenen Arbeiten! (3 Stück; vor Karin Henkel & Yael Ronen jeweils mit 2)

Und Ersteres bei achso geringer Premierenzahl. Mhhmm, da scheint wohl doch was zu funktionieren in der Leitung des Hauses, Herr Renner. Treten Sie zurück! Verpflichten Sie Herrn Dercon an ein anderes Haus. Oder holen Sie ihn später. Bis 25 können Sie zählen, aber Kunst zu erkennen, scheint schwerer zu fallen.
Kommentar zur ernennung Dercons: Die Welt bleibt nicht
Wer will, dass die Welt bleibt wie sie ist, will nicht dass sie bleibt.
Kommentar Dercon-Intendanz: keine ernsthafte Auseinandersetzung
Bericht
Konferenz
Berlins Digitale Zukunftsvision
TIM RENNER
IMPULS REFERAT
Herr Staatssekretär Tim Renner
Veranstalter: Nachtkritik

Gedächtnisprotokoll:
"Der Einzige der alte Theateraufzeichnungen heute anschaut ist Herr Bergman, der ehemalige Chef des ZDF Theaterkanals und heutige Chef von ARTE".
ca. 8 x verbale große Eier von Tim Renner (siehe Webpage Heinrich Böll Stiftung, wenn der Live Stream dokumentiert wird)
Herr Renner steht laut eigener Aussage für eine neue "Kultur der Kooperation" im Gegensatz zur einer Kultur der Konfrontation der Dick-Eier.
Obwohl viele Frauen im Saal kurz protestierten, gelang es dem Vortragenden Renner nicht den Anwesenden ein Lachen durch die Wiederholung des Wortes abzugewinnen. Er hat sich zum Politier entwickelt.
Alle hielten still, denn es gibt ja eh kein Geld für seine Ideen und keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Argumenten der bereits vergangenen wichtigen Debatte mehr. Nur noch Hohn auf diese… das nennt sich Nachtkritik...
Kommentar Dercon-Intendanz: getarnter Abbau von Strukturen
Kooperation statt Konfrontation...
Das ist doch nur Tarnung für: Abbau von Strukturen, Vernichtung von festen Arbeitsplätzen, Zerstörung des Systems, wie es im Moment existiert. Genau das gleiche Vokabular, das jeder Provinzpolitiker irgendeiner Pleitestadt im Moment im Munde führt. Erst Kooperation, dann Fusion, dann Schließung. Und Streichung der Gelder für die Kultur. Wie kann man nur so dumm sein, das nicht zu sehen? Irgendwer schrieb doch den schönen Satz: Wir merken uns Ihre Namen und ziehen Sie zur Verantwortung. Wird nichts nützen, machen wir trotzdem.
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