"Ein Sommernachtstraum" vom Theater Basel - Der Shorty zum Theatertreffen-Gastspiel
Ein Fest des gekonnten Dilettantismus
22. Mai 2023. Da hat die AG Darstellendes Spiel sich was vorgenommen. Aber sie meistern ihre Aufgabe bravourös, Shakespeares Komödie in der Schulaula zum Leben zu erwecken. Kein Wunder, ist's doch das wunderbare Ensemble des Theaters Basel, das hier in der Regie von Antú Romero Nunes dem Affen Zucker gibt. Und dem Theatertreffen einen Hit beschert.
Von Simone Kaempf
22. Mai 2023. Im Vorverkauf des Theatertreffens war der "Sommernachtstraum" als erstes ausverkauft. Denn einerseits ist das Berliner HAU1 als Spielstätte des Gastspiels natürlich viel kleiner und fasst weniger Plätze. Andererseits eilte der Inszenierung bereits ihr Ruf voraus: Shakespeares Komödie mit all ihren Verwechslungen und Wirrungen, dazu Regisseur Antú Romero Nunes, der waghalsige Zugriffe und vordergründigen Humor beherrscht. Und der hier mit einem besonderen Kniff auffährt: Wir erleben ein Lehrerkollegium, das den "Sommernachtstraum" probt und in der Schulaula auf die Bühne bringt.
Lehrer- und Theaterklischees
Sieben Pädagog:innen der biederen bis schrulligen Art begrüßen erst einmal das Publikum, blinzeln ins Scheinwerferlicht. Einige scheu wie Ethiklehrerin Patrizia (Gala Othero Winter), die sich fast in Luft aufzulösen scheint. Schuldirektor Fabio (Michael Klammer) gibt lockere Stimmung vor, seine Frau Vroni (Aenne Schwarz) klammert sich an ihre Teetasse und wischt sich nervös die Hände am Pullunder, Deutschlehrerin Cordula (Anne Haug) wedelt gute Energie herbei und motiviert notorisch die anderen. Oder der langhaarige Geschichtslehrer Dominik (Fabian Krüger), der schrulligste von allen, der stocksteif-verklemmt den Beginn einläutet: "Vielleicht erstaunt euch unser Spiel. Am Ende stellt die Wahrheit alles richtig."
Das wirklich Erstaunlichste des zweieinhalbstündigen Abends ist, dass er all das hat, womit sich eine AG Darstellendes Spiel einen "Sommernachtstraum" vorstellt: Flucht in den Wald bei Mondlicht aus einer Taschenlampe, eine bunte Zauberblume, Kostüme und Helme wie aus einer Sandalenkomödie für Hippolyta und Theseus, Gesang und Musik, Esel- und Löwenköpfe, aber auch den hohen Ton, das Pathos der idealisierten Liebe, die ganze Shakespeare'sche Tragik der unvernünftigen Natur.
Große Unterhaltung ohne Zeigefinger
Immer wieder sind Pannen ins Spiel eingebaut, und was schief gehen kann, geht schief: Oberon stäubt sich den Zaubersaft ins eigene Auge, einer stolpert fluchend im Bühnenbild oder Vroni spricht beharrlich die Regieanweisung vor, statt sie auszuführen, also dem Kollegen einen Kuss zu geben. Als verzauberte Titania dreht sie dann jedoch im Glitzerkleid so richtig auf, so wie alle in ihren Rollen über sich hinaus wachsen.
Theater zeigt sich hier als Inbegriff der Verwandlung, aber ohne Zeigefinger, sondern als ganz große Unterhaltung, samt einem liebevoll arrangierten Dilettantismus. Das Liebenden-Quartett leiert holprig die Verse, dass es unter anderen Umständen eigentlich weh tun müsste, und manchmal tut es das auch. Und doch offenbart sich, welcher unkaputtbarer Kern und Anziehungskraft in ihnen steckt.
Riesengroßer Jubel
Ein großes Kostüm- und Bühnenfest liefert der Abend, mit vielen staunenswerten Details und einem Ensemble, das hier nach und nach alle Klischees – einer Lehrer-Schauspieler-Truppe wie des Theaters selbst – durchspielt, ihren Spaß damit treibt und dem Stück auf ganz eigene Weise nah kommt. Nach eher verhaltenem Applaus für "Nora" am vergangenen Freitag gab's nun wieder riesengroßen Jubel, und das völlig zu Recht.
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Hier geht es zur Nachtkritik der Premiere am Theater Basel im Dezember 2022, hier zu unserer TT-Festivalübersicht.
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Und so ist es nur folgerichtig, dass die Auflösung des Liebeswirrwarr gestrichen wird, der Abend endet mit der Lehrer*innen-Aufführung, mit dem Theater als Selbstzweck und Inhalt, seinem Triumph im Scheitern. Ernsthaft und voller Hingabe pflügt sich das nun wider sehr angespannte Kollegium durch den lächerlich banalen Tragödientext, die plumpen Reime, die fahlen Gesten. Auch das ist Spiel, auch dies Theater. Und plötzlich passiert etwas seltsames: In das Gelächter mischt sich Rührung, in die Lächerlichkeit Würde, in die Parodie Wahrhaftigkeit. Die Lehrenden werfen sich mit allem, was sie haben, in das Desaster und gewinnen sich damit diesen Raum und unsere Blicke. Ein Fest des Theaters – nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger.
Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2023/05/22/er-kusst-sie/