Mein Name sei genannt dabei

2. Mai 2024. Drama Panorama, das Forum für Übersetzung und Theater, und der Verband der Theaterautor:innen VTheA haben einen Offenen Brief verfasst, in dem sie fordern, dass alle Theaterbereiche, von der Dramaturgie über die Regie bis hin zu den Medien, mehr Aufmerksamkeit auf die Übersetzer:innen richten. Fünf Fragen dazu an die gemeinsame Arbeitsgruppe der beiden Organisationen.

Interview: Elena Philipp

Autor:innen und Übersetzer:innen beim Festival „Dramen der Gegenwart #2“ des Verband der Theaterautor:innen VTheA im Jahr 2023 am Berliner Ballhaus Ost © Tim Noack

Welche Beobachtungen im Theateralltag und in Ihrer Tätigkeit als Verein beziehungsweise Verband haben Sie zum Verfassen des Offenen Briefes bewegt?

Der aktuelle Anlass war eine Theaterkritik, bei der uns auffiel, dass die Übersetzenden in diesem Medium systematisch nicht genannt werden. Wir haben uns daraufhin unter den Mitgliedern unserer beider Organisationen ausgetauscht und festgestellt: Das ist ein kontinuierliches Ärgernis und hängt mit der Wertschätzung von geformter Sprache, also auch dem Beitrag von Autor:innen zusammen. Diese Wertschätzung wird wichtiger in dem Maße, in dem sogenannte KI das Feld betritt.

Wieso wird Ihrer Ansicht nach Übersetzungen so wenig Aufmerksamkeit geschenkt?

Das liegt in der Natur der Sache: Dass fremdsprachige Texte gut übersetzt sind, wird für ebenso "normal" gehalten wie ein funktionierendes Internet. Nur wenn es hakt, schaut man hin und ruft den Techniker. Die komplexen Voraussetzungen unserer Arbeit sind dabei kaum bekannt. Die Betonung des Regietheaters im deutschsprachigen Raum trägt wesentlich dazu bei, dass die Arbeit von Autor:innen und erst recht von Übersetzer:innen als nachrangig betrachtet wird.

Ist das Theater hierbei eine Ausnahme oder ein Extremfall?

Das betrifft im Prinzip alle literarischen Gattungen. Der Verband der Literaturübersetzer:innen (VdÜ) leistet für das Prosaübersetzen wichtige Lobbyarbeit hinsichtlich Honoraren und Sichtbarkeit, zum Beispiel mit Kampagnen wie #namethetranslator. Eine Theaterinszenierung aber ist ein Werk, an dem viele Gewerke beteiligt sind, daher arbeiten die Übersetzenden hier mit vielfältigen Aufgaben, zum Beispiel Übertiteln oder anderen Formen der Sprachmittlung, in einem komplexen System. Auch hierin unterscheiden wir uns vom Bereich Prosa. Die deutsche Theaterlandschaft ist international, das Bewusstsein über die Bedeutung der Sprachmittlung hinkt jedoch vielerorts hinterher. Das muss sich ändern.

Was sollten die Theater und die Medien ändern? Können auch die Verlage mehr für die Übersetzer:innen tun?

Die Minimalforderung ist, dass Theater und Medien unsere Namen bei den Credits immer nennen. Was die Medien angeht, wünschen wir uns, dass die sprachlichen Qualitäten von Werken in Kritiken Aufmerksamkeit erhalten. Dann kommen Übersetzungen automatisch in den Blick. Außerdem ist es wünschenswert, die Übersetzenden als Beteiligte zu Proben hinzuzuholen, wie es teilweise schon geschieht.

Welche Schritte unternehmen Sie als Vertreter:innen der Autor:innen und Übersetzer:innen über den Offenen Brief hinaus, um die Übersetzungsleistung im Theater sichtbarer zu machen?

Alle Podien, Seminare, Werkstätten, Festivals und Veröffentlichungen unserer beider Organisationen VTheA und Drama Panorama vermitteln Wert und Besonderheiten unserer Arbeit. VTheA arbeitet eng mit Verbänden und Theatern zusammen, Drama Panorama vor allem mit Förderorganisationen wie dem Deutschen Übersetzerfonds (DÜF), der ebenfalls das zentrale Ziel verfolgt, die Arbeit der Übersetzenden sichtbarer zu machen. Drama Panorama hat zudem im Berliner Neofelis Verlag eine Reihe für internationale Dramatik initiiert. Wir sind also umtriebig. Ohne Support durch Medien und Theaterleute wird unsere Arbeit trotzdem noch zu wenig gesehen.

 

Der Offene Brief und obige Antworten wurden von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Drama Panorama- und VTheA-Mitgliedern im Namen beider Organisationen formuliert. Die Arbeitsgruppe besteht aus Übersetzer:innen, Autor:innen sowie Personen, die in beiden Berufsfeldern arbeiten.

 

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Kommentare  
Interview Übersetzer*innen: Sträflich wenig beachtet
Dieser Offene Brief und seine Forderungen sind gerechtfertigt und seit langem überfällig. Allerdings implizieren sie, dass Kritiker*innen übersetzte Stücke, die sie besprechen, in der Originalsprache lesen, mit bereits vorhandenen Übersetzungen vergleichen, aber auch, dass es Übersetzer*innen und Theater aushalten, wenn das Ergebnis ihrer Anstrengungen unvorteilhaft bewertet wird. Der Kommentar von Andreas Erdmann zu Reinhard Kriechbaums Rezension des Salzburger "Kirschgartens" am 9.4.2024 lässt Zweifel aufkommen, wenn eine moderat formulierte Kritik (im gegebenen Fall: an den Schauspieler*innen) als "verletzend" und "herabwürdigend", als "Beleidigung" und "Abqualifizierung" denunziert wird. Wobei zu ergänzen wäre, dass die Arbeit von Übersetzer*innen - wie im Gespräch erwähnt: nicht nur am Theater - sträflich weniger beachtet und gewürdigt wird als die von Schauspieler*innen.
Interview Übersetzer*innen: Konkret kritisieren
Es war schon immer und ganz logischerweise Teil einer GUTEN Praxis, sich in der Theater- undoder Interpretations-/Inszenierungs-/dramamturgischen Konzeptionsarbeit mit den vermutlichen Gedankengängen konkreter ÜbersetzerInnen zu befassen und diese - zumal bei mehreren Übersetzungsfassungen ein und desselben Originaltextes - zu kennen, selbstverständlich zu nennen und durch benennend vergleichende Arbeit zu würdigen. Auf jeder Probe kann man das ohne Sonderaufwand und mit großem Gewinn machen. Gerade übersetzte Stücke, die zu einem internationalen oder spezifisch nationalen Kanon gehören, bieten hervorragendes motivierendes Unterfutter zur inszenatorischen/darstellerischen Gestaltung, wenn man die Gedanken der ÜbersetzerInnen in der Geschichte der jeweiligen Stückeübersetzung versucht zu erkennen und nachzuvollziehen oder auch kritisch distanziert mit-darzustellen!
Warum also so überhöflich briefbettelnd um eine "zukünftige" gute Praxis flehen, statt Beispiele für eine gute und weniger gute Praxis angemessen vergleichend vorstellen, also das Theater wie die Theaterkritik vollkommen zurecht KONKRET kritisieren???
Interview Übersetzer*innen: Beispiel
Ein hervorragendes, wenn auch 55 Jahre altes Beispiel: die Dissertation von Klaus Bednarz (ja, des TV-Journalisten): Theatralische Aspekte der Dramenübersetzung. Dargestellt am Beispiel der deutschen Übertragung und Bühnenbearbeitung der Dramen Anton Čechovs. Notring, Wien 1969. Das ersetzt allerdings nicht die Nennung der aktuellen Übersetzer von Peter Urban bis Angela Schanelec über unzählige Dramaturgen, seit die Rechte frei sind.
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