Tarifchaos statt Tarifeinheit

5. Mai 2015. Für die Bahn wäre es die Erlösung im Streit mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL, für die Theater würde es Chaos bedeuten: Die Künstlergewerkschaften GDBA und VdO warnen vor dem geplanten Gesetz zur Zwangstarifeinheit, das von den Mitgliedern des zuständigen Bundestagsausschusses in diesen Tagen beraten wird. Wenn an einem Haus die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auch für das künstlerische Personal anwendet werden, was theoretisch die Folge sein müsste, würde in der Folge das Solopersonal – also Schauspieler, Solo-Sänger, Dramaturgen, Theaterpädagogen oder Regieassistenten – nur noch kurzfristige Gast- oder Stückdauerverträge erhalten, heißt es in der Pressemitteilung.

Denn klar sei, dass keine Intendanz das künstlerische Personal auf kunstfernen Verträgen beschäftigen würde - in diesem Fall  verdi-Verträge. Allein die Ankündigung des Zwangstarifeinheitsgesetzes habe an manchen Häusern ausgereicht, einen "Häuserkampf" der Gewerkschaften loszutreten – auf dem Rücken der Beschäftigten. "Die Personalfluktuation
an Theatern ist besonders hoch, folglich ändern sich die Mehrheitsverhältnisse jährlich." Die Folge wäre Tarifchaos statt der angeblich gewünschten Tarifeinheit.

Die Künstlergewerkschaften GDBA und VdO fordern die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales deshalb dringend auf, das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Zwangstarifeinheit zu stoppen.

Der Deutsche Bühnenverein hat den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Tarifeinheit bereits als "konfliktträchtig und nicht praktikabel" kritisiert.

(sik)

 

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Kommentare  
Warnung GDBA und VdO: Irritation
Ich bin irritiert: Ich denke, der Konflikt am Berliner Staatsballett ist darin begründet, dass die Tänzer*innen von verdi vertreten werden wollen?
Warnung GDBA und VdO: pro und contra Tarife
Muss ich jetzt daraus schliessen, dass ich mich als NVler gegen einen Tarif wehren soll, der mir mehr Geld verspräche, das das Theater aber nicht zahlen kann? Denn die, die momentan in einem anderen Tarif sind, verdienen alle mehr als ich, incl. derer, die mich schminken bzw. nur das Podest hinstellen, auf dem ich auftrete. Oder hab ich da was falsch verstanden? Erklärt´s mir!
Warnung GDBA und VdO: wäre Klarstellung
Ich finde die Meldung auch abstrus. Vor allem weil sie eine Meinung intendiert, die erstmal nichts mit dem Gegenstand zu tun hat. Die Tarifeinheit würde endlich mal klar stellen, dass diese Häuser nur noch auf Kosten derer laufen, die man unterbezahlen kann.
Warnung GDBA und VdO: Hinweis zur Tarifeinheit
Die GDBA/VdO weist auf unsere Nachfrage nochmal darauf hin, dass das Tarifeinheitsgesetz nicht für den Kulturbereich ausgelegt ist, dessen Verhältnisse wurden nicht mitgedacht. Würde das Gesetz wie geplant verabschiedet, würden an den Theatern die Gewerkschaftsmehrheiten ausgezählt, die vermutlich fast überall bei verdi liegen. Fraglich aber, ob die Intendanten mit Schauspielern, Tänzern und anderen überwiegend künstlerisch arbeitenden Mitarbeitern Verträge zu verdi-Konditionen abschließen würden. Die Realität wären Teilspielzeit-, Gast- oder Stückdauerverträge, für die es keine Mindestanforderungen mehr gibt, auch nicht die des NV Bühne. (Redaktion nachtkritik / sik)
Warnung GDBA und VdO: worum geht's?
Ich verstehe ehrlich gesagt auch nach #4 nicht, worum es eigentlich geht. Kann das jemand erklären?
Warnung GDBA und VdO: mehr Erklärung
Folgendes zur weiteren Klarstellung:

An den deutschen Theatern in öffentlicher Trägerschaft bestünde die Gefahr, dass dann für alle Beschäftigten Verträge des öffentlichen Dienstes angewendet werden müssten, da der nicht-künstlerische Bereich in der Regel den größeren Anteil an den Beschäftigten stellt. In der Folge würde speziell das Solopersonal – also u. a. Schauspieler, Solo-Sänger, Solo-Tänzer, Dramaturgen, Theaterpädagogen, Regieassistenten – keine Jahresverträge auf Basis des Normalvertrag Bühne mehr erhalten, sondern nur noch kurzfristige Gast- oder Stückdauerverträge. Keine Intendanz würde die künstlerisch Beschäftigten auf kunstfernen Verträgen des öffentlichen Dienstes arbeiten lassen, da sie dann nicht mehr frei entscheiden könnte, wie ihr geplantes künstlerisches Konzept in der Praxis umzusetzen ist. Das Jahresengagement auf NV Bühne mit automatischer Verlängerung und der entsprechenden sozialen Sicherheit würde es nicht mehr geben - etwa was Arbeits- und Ruhezeiten oder Mindestgage angeht - und große Teile des künstlerischen Personals wären dauerhaft auf kurzzeitige Gastverträge zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes angewiesen – spätere Altersarmut vorprogrammiert.

Und sollten in einem Theater die Künstler die Mehrheit stellen, wären die Nachteile nur auf andere Schultern verlagert: Welcher Arbeitnehmer mit bisher klar geregelter Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr fände einen von nun an zweigeteilten Arbeitstag wohl begrüßenswert?

Außerdem: Die Personalfluktuation an Theatern ist besonders hoch; die Mehrheitsverhältnisse zwischen den Gewerkschaften ändern sich jährlich. Ein „Häuserkampf“ um Mitgliedermehrheiten wäre die Folge – Tarifchaos statt der erstrebten Tarifeinheit.

Nach dem Tarifeinheitsgesetz sollen im Konfliktfall die beteiligten Gewerkschaften ihre Mitgliederzahlen offenlegen. Hiergegen haben wir erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Eine gerichtsfeste Auszählung der Mehrheiten ist außerdem kaum vorstellbar.

Zur weiteren Info:
http://www.buehnengenossenschaft.de/tarifeinheit-niemand-braucht-ihr-gesetz-frau-nahles
http://www.buehnengenossenschaft.de/pressemitteilung-tarifeinheitsgesetz-bedroht-theaterschaffende
http://www.buehnengenossenschaft.de/leitartikel-februar-2015
Warnung GDBA und VdO: Was ist da los?
Gesetzentwurf:
http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Arbeitsrecht/entwurf-gesetz-tarifeinheit.pdf?__blob=publicationFile

Und interessant ist folgende Passage:
"Der Arbeitgeber kann nach (...) an mehrere Tarifverträge unterschiedlicher
Gewerkschaften gebunden sein. Soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarif-
verträge), sind im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis
stehenden Mitglieder hat."

Ich verstehe den Warnruf der beiden Gewerkschaften nicht, denn die Geltungsbereiche der Tarifverträge überschneiden sich nicht. In §1 Satz (2) Buchstabe n des TVöD steht ausdrücklich: "Der Tarifvertrag gilt nicht für (...) künstlerisches Theaterpersonal, technisches Theaterpersonal mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit und Orchestermusikerinnen/Orchestermusiker". (Im TVL die gleiche Formulierung). In den Tarifverträgen für die künstlerisch Beschäftigten stehen die entsprechenden Einschränkungen, so dass es aktuell keine Kollision von Tarifverträgen gibt.

Also was ist da los? Liebe GDBA, liebe VDO bitte erklärt mir das.

Nebenbemerkung: der Organisationsgrad der Solo-Beschäftigten ist so miserabel, dass ich schon verstehen kann, warum die GDBA ihre Mitgliederzahlen nicht offenlegen will.
Warnung GDBA und VdO: Berufswahl überdenken
@1-3
Kinder! Ihr arbeitet am Theater? Mal eben Beispiele:
1) geteilte Dienste: wenn die Künstler die Verträge des öffentlichen Dienstes haben, sind zum Beispiel Proben morgens und abends (geteilter Dienst) nur noch schwer möglich. Das ist aber die Regel am Theater, weil es dem normalen Arbeitsrhythmus entspricht - Vorstellungen sind nämlich auch am Abend.
2) Arbeitszeiten: Künstler haben extrem flexible Arbeitszeiten. Müssen sie haben, denn mal spielen sie große Rollen, mal kleine, dann uaben sie mal zwei, drei Wochen gar keine Proben, nur Vorstellungen, dann eine intensive Endprobenwoche. Der öffentliche Dienst sieht aber eine recht unflexible Wochenarbeitszeit vor. Wie soll das gehen? Das heißt, auf den Hamlet verzichtet der Schauspieler gern, denn die Gefahr besteht, das er in der Zeit mit Vorstellungen mehr als 38.5 Stunden arbeitet?
3) Dienstpläne. Die Angestellten im öffentlichen Dienst haben Dienstpläne, ich glaube, 14 Tage im Voraus. Das heißt: der Regisseur muss 14 Tage im Voraus festlegen, wann er welche Szene wie lange probt?! Wie soll das gehen?
Diese Liste ließe sich endlos verlängern... Gibt es nur einen Tarifvertrag, setzen sich die Bedürfnisse der größeren Gruppe automatisch durch, das heißt: da die Nichtkünstler Dienstpläne etc fordern, und sie mehr Leute sind, ist es automatisch für alle so. Das macht aber einen künstlerischen Theaterbetrieb unmöglich, also müssten die Theater zwangsläufig davon Abstand nehmen, Künstler fest ein zu stellen. Das ist die Logik. Es geht nicht darum, dass man Euch die wahnsinnigen Löhne, die zum Beispiel die Maskenbildner kriegen (vor allem die, die nun bekanntermaßen schlecht verdienen, vorenthalten will. Oder die Bühnentechniker, auch so ein echt total super hochbezahlter Job! Solltet Ihr jetzt immer noch der Meinung sein, dass diese Tarifeinheit erstrebenswert ist, bitte doch mal die Berufswahl überdenken. Danke.
Warnung GDBA und VdO: unerträglich
@8: ich arbeite am theater, künstlerisches personal und meine berufswahl ist überdacht. alle dinge, die Sie da so schön beschreiben, sind veraltete, verkrustete und nicht mehr tragbare strukturen, die überhaupt keinen sinn mehr machen und die künstler in sittenwidrige (auch zeitliche) abhängigkeitsverhältnisse bringen bzw. die künstler aus den festanstellungen treiben, weil man vielleicht doch noch die welt, über die man auf der bühne reflektiert irgendwie mit familie usw. kennen möchte... keine ahnung, warum sich das so stabil hält, diese regelungen stammen aus einer zeit, als man tatsächlich im festengagement wenigstens noch eine mehrjährige sicherheit hatte und ensembles wirklich gebildet wurden... und wenn das dann nun schon noch so ist, dann sollten wenigstens alle am theater tätigen unter diesen bedingen arbeiten... wie kann man so ein schwachsinnssystem überhaupt verteidigen. und natürlich kann ein regiesseur mal eine probenplanung machen... das ist in anderen ländern oder aber auch beim film total normal, weil zeit da eben doch noch geld kostet. dieser inflationäre umgang mit der zeit der ausführenden künstler ist unerträglich und resultiert meiner erfahrung nach oft aus angst, unvorbereitet sein und unvermögen (auch auf seiten der auf der bühne stehenden)
Warnung GDBA und VdO: alte Version
@7:

Sie zitieren eine alte Version des TVöD. Aktuell steht in § 1 Absatz 2
Buchstabe n des TVöD: "Der Tarifvertrag gilt nicht für (...)
künstlerisches Theaterpersonal, Orchestermusikerinnen/Orchestermusiker
sowie technisches Leitungspersonal und technisches Theaterpersonal nach
Maßgabe der nachfolgenden Protokollerklärungen, ....". Und in den
Protokollerklärungen steht dann eine Auflistung von Berufen. Und im TVL
gibt es seit März 2015 die gleichen Regelungen.

Diese Neuregelung lässt durchaus Raum für die Konstruktion von
Überschneidungen der Geltungsbereiche.
GDBA und VdO warnen vor der Zwangstarifeinheit: Fragen offen
@10
Sie haben natürlich Recht, mein Fehler. Hier der Link zur aktuellen Version:
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/Oeffentlicher_Dienst/TVoeD/Tarifvertraege/TVoeD.pdf

Aber eigentlich erfordert diese Neufassung erst Recht eine Erklärung durch die Gewerkschaften. Denn 1. fällt das künstlerische Personal weiterhin ausdrücklich nicht in den Geltungsbereich des TVÖD/TVL, damit bleibt es mir ein Rätsel, inwiefern das Tarifeinheitsgesetz Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse von Sängern, Schauspielern, Tänzern, Dramaturgen etc etc. haben sollte. Und 2. würde eine Übernahme der in der Protokoll-Erklärung angegeben technischen Abteilungen in den TVÖD/TVL eine leichte Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine eventuell deutliche Verbesserung des Verdienstes für diese Kolleginnen und Kollegen bedeuten. Warum eine Gewerkschaft nun allerdings den Beschäftigten die Chance einer Verbesserung von Arbeitsbedingungen oder Gehalt verweigern will, bleibt mir verschlossen. Auch hier geht die Warnung vor unsteter Beschäftigung meines Erachtens in die Irre: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Theater Bühnenmeister / Gewandmeister / Tonmeister / Beleuchtungsmeister etc. mit Stückverträgen anstellen würde, erscheint mir echt sehr konstruiert. (Aber wer weiß, vielleicht bin ich da zu blauäugig). Außerdem 3. bedeutet die jetzige Situation, dass in Theatern je nach Vetrag heute Kollegen und Kolleginnen für die identische Arbeit unterschiedlich vergütet werden können. Wieso dass von den Gewerkschaften akzeptiert und als zu verteidigende Errungenschaft beschrieben wird, verstehe ich ebenso nicht.
Und schließlich 4. nach meiner Erfahrung versuchen Theater seit Jahren so viele Kolleginnen und Kollegen der technischen Abteilungen mit NV-Verträgen anzustellen, wie nur irgendwie möglich. Angeblich erhöht das die Flexibilität und kommt den künstlerischen Abläufen zu Gute. Ich zweifle das an. Und glaube: Das senkt die Personalkosten, nicht mehr - aber auch nicht weniger.

Wahrscheinlich bekomme ich auf die hier gestellten Fragen aber wieder keine Antwort durch die GDBA oder die VDO in diesem Forum. (Warum warnt eigentlich die DOV nicht auch?).
GDBA und VdO warnen vor der Zwangstarifeinheit: ausführlich nachlesbar
@ 11:

Nr. 10 hat die Sachlage schon ganz richtig erfasst. Wenn Sie die ganz ausführlichen Erklärungen nachlesen möchten, geht es hier zu den an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übersandten Stellungnahmen zum Tarifeinheitsgesetz von:

GDBA
http://www.buehnengenossenschaft.de/wp-content/uploads/2014/11/GDBA_Stellungnahme_Tarifeinheit.pdf

VdO
http://www.vdoper.de/system/files/tarifenheit.pdf

DOV
http://www.dov.org/pressereader/items/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-tarifeinheit-tarifeinheitsgesetz.html

Deutscher Bühnenverein (ab Seite 89)
https://www.bundestag.de/blob/364850/ac1343545b15f33e1fc621f0da6da258/stellungnahmen-data.pdf

BFFS
http://www.bffs.de/files/2014/12/20141115-BFFS-Stellungnahme-zum-Referentenentwurf-Tarifeinheitsgesetz.pdf

Und selbstverständlich sprechen wir uns gegen eine tarfvertragswidrige Anwendung von jedweden Tarifverträgen aus - also auch gegen die Anwendung des NV Bühne auf technisches Personal ohne Vereinbarung der überwiegenden künstlerischen Tätigkeit.
Warnung GDBA und VdO: bitte erklären!
@9Bitte erklärem Sie mir, wie ein Regisseur eine Inszenierung machen soll, wenn er 14 Tage im Voraus angeben muss, wann welcher Schauspieler Probe hat?
Bitte erklären Sie mir, warum geteilte Dienste sittenwidrige Abhängigkeitsverhältnisse. Und wie sich ein 9-5 Probenrhythmus mit dem abendlichen Spielbetrieb vereinbaren lässt.
Bitte erklären Sie mir, wie sich in einem normalen Theaterbetrieb mut wechselnden Produktionen und Rollen eine gleichmäßige wöchentliche Stundenzahl für Schauspieler realisieren lässt.
Bitte erklären Sie mir, warum das eigentlich so erstrebenswert ist. Ich schätze die Unregelmäßigkeit des Theateralltags, die einerseits Einschränkungen, andererseits auch Freiräume bietet, die viele Angestellte nicht haben.
Dankr.
Warnung GDBA und VdO: Widersprüche in den Begründungen
@11
Danke für die Links, aber ich bin noch immer nicht überzeugt.
(Vorallem weil es sehr interessante Widersprüche in den Begründungen gibt, warum das Tarifeinheitsgesetz abgelehnt wird.)

Der einzige Punkt, bei dem Konsens besteht, ist dass die verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage gestellt wird. Das kann gut sein, das wird Karlsruhe dann entscheiden. Oder der BP verweigert deshalb seine Unterschrift.

Aber zur Erinnerung, bis 2010 galt der Grundsatz "Ein Betrieb ein Tarifvertrag", also für alle Beschäftigten einer Beschäftigungsgruppe in einem Betrieb galt derselbe Tarifvertrag. Im Theater: Künstlerische Beschäftigte NV / Nichtkünstlerische Beschäftigte TVÖD bzw. TVL / Orchestermusiker TVK. Soweit so einfach. Das Tarifeinheitsgesetz soll diesen Zustand wieder herstellen.

Solange sich die Beteiligten Gewerkschaften einigen können, wer welche Beschäftigten Gruppen vertritt, gibt es keine Probleme. Und hier scheint doch der Knackpunkt zu sein. Bislang konnten die Vorstöße von ver.di auch die Künstler in ihre Tarifverträge einzuschließen abgewehrt werden (zuletzt 2012). Vielleicht klappt das in Zukunft nicht mehr so gut, wer weiß?

In anderen Branchen verlieren die großen Gerwerkschaften Mitglieder an Spartengewerkschaften, weil diese die Interessen der Beschäftigten scheinbar besser durchsetzen können (Cockpit / UFO / GDL). Im Theater ist es anders (jedenfalls für die Solo-Beschäftigten). Während die Chormitglieder und die Orchestermitglieder sehr ordentliche Tarifverträge haben, mit zum Teil völlig absurden Regelungen (Arbeitszeit/Pausen/Zulagen), arbeiten die Solo-Beschäftigten mit dem wahrscheinlich schlechtesten Tarifvertrag den man finden kann:

1. keine maximale wöchentliche Arbeitszeit festgelegt, also gilt nur das ArbZG (48 Stunden / in "Notfällen" 70 Stunden möglich).
2. Nur die Mindestgage ist festgelegt, alle Gehaltsverbesserungen müssen indivduell verhandelt werden. Wenn ich richtig gesehen habe wurde die Mindestgage in der Tarifrunde 2014 nicht erhöht. Wenn man nun die theoretischen 48 Wochenstunden zu Grunde legt, erreicht man einen Stundenlohn, der knapp über dem Mindestlohn liegt. Nimmt man dagegen die 60 Stunden, die für die meisten Dramturgen und Assistenten und etliche Schauspieler/Tänzer/Sänger zutreffender ist, liegt der Stundenlohn deutlich unter dem Mindestlohn, und das ist eindeutig rechtswidrig.
etc. etc. Es wird schwer werden einen arbeitgeberfreundlicheren Tarifvertrag zu finden.

In der verlinkten Erklärung der GDBA wird allen Ernstes angeführt, dass befürchtet werden kann, dass das Tarifeinheitsgesetz die Errungenschaft der Unkündbarkeitsregelung zertören könnte. Das ist zynisch, denn welcher Solo-Beschäftigte erreicht überhaupt die 15 (bzw. 19) Jahre an einem Theater ...
Weiterhin wird befürchtet, dass die Theater zukünftig das künstlerische Personal nur noch mit Stückverträgen beschäftigen würde, und damit die Regelungen eines Tarifvertrags unterlaufen könnten (das passiert jetzt schon in großem, schwer steigerbaren Ausmaß). Die GDBA könnte sich darum bemühen, den NV als nach §5 TVG für allgemeinverbindlich erklären zu lassen, dann unterlägen alle Solo-Beschäftigen auch mit Gastverträgen dem NV. Ist aber meines Wissens bislang nicht passiert.

@13
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte ebenso nicht, dass die Möglichkeiten zu künstlerischer Arbeit eingeschränkt werden. Aber mich überzeugen die von der GDBA vorgebrachten Argumente in keiner Weise.
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