Presseschau vom 7. Mai 2015 – In der Zeit wünscht Clemens Meyer sich was fürs „Provinztheater“

Den OBM Feuer unterm Arsch machen

Den OBM Feuer unterm Arsch machen

7. Mai 2015. In der Zeit bricht der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer, dessen Roman "Im Stein" unlängst von Sebastian Hartmann am Stuttgarter Staatsschauspiel uraufgeführt worden ist, die Lanze für die Theater-Provinz. Unter den sehr unterschiedlichen Eindrücken stehend einerseits einer Götz!-Vorstellung in Dessau, wo am Ende selbst "die Rentnergruppe aus Delitzsch" applaudiert hätte, andererseits einer Kaputt-Vorstellung in Berlin in einer fast leeren Volksbühne, schüttelt Meyer die Faust gegen die Kulturpolitiker*innen, wo auch immer sie den Theatern die Mittel kürzen und pflaumt z.B. die Rostocker an:

"Latchinian raus, Latchinian rein ... alle Türen auf und wieder zu, nur die im Theater und die zu den Fördermitteln bleiben erst mal DICHT. Ja seid ihr denn alle nicht ganz dicht? Schmeißt das Geld doch gleich der NPD hin in McPomm, begreift denn dieser Mann im Rathaus nicht, dass man sich am Ende selbst beschneidet, wenn man die Kunst beschneidet."

Und wünscht sich am Ende, dass in Rostock Latchinian endlich machen und loslegen könne; im Schauspiel Leipzig "mit oder am besten ohne Intendant Lübbe" wieder der Mut einkehren und „der Neu-Biedermeier endlich durch die sich öffnenden Türen geweht“ werden möge; (…) "dass Heiner Müller in allen Provinzen erklingt", (…) "dass wir in die Provinzen ziehen, das wir den OBM (Mehrzahl, you know) Feuer unterm Arsch machen", (…) "dass, wo Zeiten des Aufruhrs dran steht, auch ein bisschen Aufruhr drin ist".

(sd)

Kommentare  
Clemens Meyer für die Provinz: versteht nix von Theater
Ein lächerlicher Beitrag. Wie das, was Meyer hier fordert, funktionieren soll, verrät er nicht. Dass es Gründe hat, warum Menschen nicht ins Theater gehen und die immer mehr Bedeutung verlieren, ist hier nicht zu lesen. Schuld sind für ihn Oberbürgermeister, unfähige Intendanten, blöde Zuschauer. Was qualifiziert Meyer eigentlich zu einer solchen Analyse? Dass sein von ihm hier einmal mehr in den Himmel gehobener, aber nicht namentlich genannter Freund Sebastian Hartmann (Motto: Werft Lübbe raus, früher war in Leipzig alles besser.) regelmäßig einen seiner Romane auf die Bühne und ihm Mehreinnahmen bringt, kann es ja wohl nicht sein. Der Beitrag passt damit zu den Diskussionsrunden auf dem aktuellen Theatertreffen, die so ziemlich alle drängenden Fragestellungen ausblenden. Eine spannende und im Gegensatz zu der Meyers fachkundige Innensicht dieser Verhältnisse war dagegen letzte Woche im "Freitag" zu lesen, hat es aber rätselhafterweise nicht in Eure Presseschau geschafft (Warum eigentlich?). Hier zu finden:

https://www.freitag.de/autoren/martin-eich/sportlich-gesehen-jetzt-erst-recht

So sieht es aus. Meyer sollte sich darauf beschränken, seinen literarischen Nachruhm zu verwalten. Vom Theater und seinen Strukturen versteht er wenig.
Clemens Meyer für die Provinztheater: auch nicht mehr
Man könnte natürlich auch meinen, dass Meyer auch nicht weniger versteht als diejenigen, welche Lachtinian ein-, ab- und wieder einberufen. Und dass er abseits von den Dingen, die über Leipziger Intendantenfindungsprozesse allgemein bekannt sind, auch gar nicht viel mehr wissen muss, als dass er sich im Schauspiel Leipzig langweilt, wie so viele Andere auch, Personal inbegriffen, und dass diese Umstände selbstredend ihre Schuldigkeit bei entsprechenden Entscheidungsträgern finden.
Clemens Meyer für die Provinz: die Post kann noch abgehen
@susi montag: was haben Sie denn für einen besen an clemens meyer gefressen bzw. haben Sie den artikel überhaupt gelesen? ihr zitierter artikel im freitag und den klugen aussagen der damen sagt doch ähnliches aus, was meyer wieder einfordert. und meyer sagt eben nicht, dass die zuschauer blöd sind, sonder eher die leute, die ihre zuschauer für zu blöd halten... und meyer schreibt auch, wie anna bergmann auch sagt, dass die post noch abgehen kann und muß, sogar in der provinz oder eben gerade dort... mir hängen diese opportunen und ohne not hörigen kulturverwalter genauso zum halse raus, wie das fürstengetue und machtgeraschel von stadtoberhäuptern, die so tun, als gäben sie ihr privates geld aus... theatersubventionierung ist aus dem gedanken heraus entstanden, damit die kunst frei bleiben kann, sich reiben kann, eben nicht unter wirtschaftlichen bzw. politischen aspekten agieren muß... kurz, damit die funken sprühen können, die nötig sind, eine gesellschaft wache zu halten... ich habe den eindruck, Sie verstehen weniog von den strukturen, die theater in deutschland haben (sollten)... alles was meyer beschreibt, sind umstände, die diese strukturen zerstären werden... zu ihrer aussage zum literarischen nachruhm äußere ich mich nicht weiter, Sie können ihn scheinbar nicht leiden...

(Preise Clemens Meyer: Shortlist Dt. Buchpreis 2013, Bremer Literaturpreis 2013, Stahl-Literaturpreis, 2010 TAGEWERK-Stipendium der Guntram und Irene Rinke-Stiftung, 2009, Preis der Leipziger Buchmesse, 2008, Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg, 2007, Märkisches Stipendium für Literatur, 2007
Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen, 2007
Mara-Cassens-Preis, 2006, Rheingau-Literatur-Preis, 2006, Einladung zum Ingeborg Bachmann-Wettbewerb, 2006, Nominierung zum Preis der Leipziger Buchmesse, 2006,2. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2003
Literatur-Stipendium des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, 2002, 1. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2001)
Clemens Meyer für die Provinz: alle Romane
Gut, daß hier öfter mal Leute mit Fachwissen schreiben. Ich hätte sonst gar nicht mitbekommen, daß Sebastian Hartmann regelmäßig Meyers Romane auf die Bühne bringt. "Im Stein" wäre mir zwar sofort eingefallen, aber dann ... ich gestehe meine Bildungslücken. Nach ein wenig Studium der einschlägigen Journale weiß ich nun, daß Hartmann mit Zauberberg, Der Trinker, Der Schneesturm, Dämonen, Krieg und Frieden und Der geteilte Himmel noch etliche Meyer-Romane auf die Bühne gebracht hat, die allerdings allesamt unter Pseudonym veröffentlicht wurden. Diese Liste macht auch deutlich, daß Meyer tatsächlich mit der Verwaltung seines literarischen Nachruhms genug zu tun hätte und sich nicht für den Erhalt der sowieso dem Untergang geweihten deutschen Theaterlandschaft widmen müßte.
Clemens Meyer für die Provinz: Korrektur
Sorry, es muß natürlich heißen: "sich nicht dem Erhalt... widmen müßte" bzw. "sich nicht für den Erhalt ... einsetzen müßte".
Clemens Meyer für die Provinz: spendet Blut
@ #3: Dann können wir qua Preisliste wohl festhalten, dass Herr Meyer zumindest in Leipzig und westsächsischem Umland weltberühmt sein muss.

Zum Blutspenden fürs deutsche Theater hat ja auch schon Christoph Schlingensief seinerzeit aufgerufen, seine nicht vollständig begeisterte Meinung zur Volksbühne schon damals dürfte ja ebenfalls hinlänglich bekannt sein.

Aber warum um Himmels Willen sollte Heiner Müller jetzt plötzlich das Allheilmittel sein?

Aufruhr und "Feuer unterm Arsch"? Gerne, aber dazu braucht es lebende und lebendige Theatermacher, nicht einen Kult um einen toten Dichter. So ehrwürdig dieser auch sein mag.
Clemens Meyer für die Provinz: nachvollziehbares Nachtrauern
Natürlich hat Hartmann - ob als Regisseur oder als Intendant, ist nebensächlich - wiederholt und schon vor der Stuttgarter Produktion "Im Stein" dafür gesorgt, dass Meyer gespielt wird.

1.) "Als wir träumten" wurde im April 2008 in Leipzig aufgeführt.

2.) "Die Nacht, die Lichter" wurde im März 2010 in Leizig aufgeführt.

3.) "Sirk the East" wurde im Mai 2012 in Leipzig aufgeführt.

4.) "Gewalten" wurde im April 2013 in Leizig aufgeführt.

Und bis zum Intendantenwechsel von Hartmann zu Lübbe wurden Meyer noch mehrere Versuche seines Talkshow-Versuchs ermöglicht.

Dass Meyer vor diesem Hintergrund den Leipziger Hartmann-Zeiten nachtrauert, die für ihn mit erheblichen Mehreinnahmen verbunden waren, ist sogar nachvollziehbar.
Clemens Meyer für die Provinz: Wutrede
als wir träumten wurde im april unter engel realisiert.
und was hat das mit dem text meyers in der zeit zu tun?
sie sollten den erst mal lesen. da geht es nicht um hartmann (selbst wenn, warum auch nicht?), sondern um dessau, um visionen, die theater haben kann und soll. um meyers eindrücke. eine wutrede, steht im titel des zeit-textes. subjektiv. glosse. provozierend. klappt ja anscheinend.
Clemens Meyer für die Provinz: Verteidigung des Theaters
zum Beitrag #7:
1. "Als wir träumten" kam unter der Intendanz von Wolfgang Engel auf die Bühne.
2.-4. Die genannten Stücke sind nun mal keine Romane und sind von Sebastian Hartmann nicht als Regisseur zu verantworten gewesen. Soviel Korrektheit sollte schon sein, wenn man hier Einträge macht, die durchaus als persönliche Angriffe gewertet werden können. "Sirk the East" hatte im übrigen im Mai 2011 Premiere.
Die Absurdität der Behauptung, Herr Meyer würde den Leipziger Hartmann-Zeiten wegen der erheblichen Mehreinnahmen nachtrauern, die er damals gehabt hätte, wird jeder verstehen, der die tatsächlichen Gegebenheiten kennt. Daß er diesen Zeiten genau wie einige andere Leipziger Theaterfreunde inklusive meiner Person nachtrauert, ist zwar korrekt, hat aber ganz andere Gründe, die in der künstlerischen Ausrichtung liegen, die die Intendanzen Hartmann und Lübbe unterscheidet.
Was ich aber nicht verstehe: Daß hier gegen Meyers Äußerungen argumentiert wird, obwohl es ihm im Grundtenor doch um den Erhalt der Theater (z.B. in Dessau und Rostock), um die Verteidigung der Theater gegen die blindwütige Sparpolitik gewisser Kommunalpolitiker und um die Nutzung des Theaters für aktuelle politische Auseinandersetzungen und nicht allein zur Bewahrung klassischer Texte geht. Seltsam, daß offensichtlich kleinliche Beißreflexe wichtiger sind.
Clemens Meyer für die Provinz: spielt ihn
Ein Jahr nur noch Meyer Clemens spielen, überall und nirgendwo und alles wird gut.
Clemens Meyer für die Provinz: Nominierungen
@6 stimmt: ich habe die nominierung für den deutschen drehbuchpreis (lola) des staatsministeriums für kultur und medien 2014 (zusammen mit thomas stuber für "herbert") und die verleihung des deutschen drehbuchpreis (goldene lola 2015) zusammen mit thomas stuber für "in den gängen" vergessen... das sind natürlich alles wie die Shortlist Dt. Buchpreis 2013, Bremer Literaturpreis 2013, Stahl-Literaturpreis, 2010 TAGEWERK-Stipendium der Guntram und Irene Rinke-Stiftung, 2008, Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg, 2007, Märkisches Stipendium für Literatur, 2007 Mara-Cassens-Preis, 2006, Rheingau-Literatur-Preis, 2006, Einladung zum Ingeborg Bachmann-Wettbewerb usw. rein westsächsische bzw. leipziger preise, deshalb ist er auch nur dort, wie sie schreiben berühmt...

@9 besser kann man es nicht formulieren: ich raffe auch überhaupt nicht, dass man aus neid- und beißreflexen heraus versucht, eine brandrede und seinen redner zu diskreditieren, die das einfordert, nachdem sich jeder künstler sehnt und diejenigen kritisiert, die sich aus vorauseilendem gehorsam einer (geld)macht gegenüber heraus, ihre eigen künstlerische existenz abgräbt oder eben abgraben läßt... von diesen sparpolitikern... um meyer, hartmann oder leipzig geht es doch nur am rande... und die sehnsucht, die aus meyers wutrede herausklingt (in einem nebensatz!!!), was den derzeitigen weg in leipzig betrifft, kann ich nachvollziehen...
Clemens Meyer für die Provinz: köstlich
Danke, Clemens Meyer!
Das verstehen die Biedermänner und Biederfrauen leider nicht. Ich fand es köstlich. Meine Frau auch.
Clemens Meyer für die Provinz: nur regional gedruckt
In unserer Druckausgabe fehlt der Artikel eh ganz - nur erfährt man das auf ZEIT online gar nicht: da ist er als angeblicher Artikel aus No.19 archiviert.

In Wahrheit hält man das bei der ZEIT wohl für ein Regionalthema und druckt es (vermutlich) nur in der sog. - das ist kein Witz - "ZEIT im Osten" überhaupt auf Papier.

(Etwaige Richtigstellung willkommen - die Sache ist offenbar bewusst unklar gehalten.)
Clemens Meyer für die Provinz: Langfassung
Clemens Meyers Wutrede findet sich nun in der Langfassung auf:
http://www.reihesiebenmitte.de/open-your-fucking-mind-ein-gastbeitrag-von-clemens-meyer/
Clemens Meyer für die Provinz: Vorschlag
Latchinian inszeniert Meyer bei Lübbe in Leipzig.
Clemens Meyer für die Provinz: Linke dürfen moderieren, nicht kritisieren
... man möchte halt in leipzig, dass nichts mehr über leipzigs theater geschrieben steht. ruhe soll sein. man hält sich für ein erfolgreich, weil es keine kritik mehr von den altabonnenten und linken gibt - im gegenteil, man lässt die linken jetzt sogar schon dikurse im theater moderieren. mehr gegenseitig verordneten schönheitsschlaf gobts nirgends. gönnt sich dann jemand wie meyer nur mal einen kritischen halbsatz über die derzeitige theatersituation in leipzig, wird er gleich aufs schafott geführt. so funktioniert kultur, kulturpolitik und -rezeption in unserer stadt!
Clemens Meyer für die Provinz: Latchinian schafft es?
@15: dann hätte latchinian ja endlich geschafft, was er dazumal schon mit einem hanebüchenen artikel über hartmanns centraltheater versucht hat - endlich ins schauspielhaus leipzig zu kommen. der artikel stand - von denen, die heute meyer zerrupfen wollen - offenbar unbemerkt, in der ost-ZEIT.
Clemens Meyer für die Provinz: Ergänzung
Kurze Ergänzung: Latchinian war schon einmal am Schauspiel Leipzig und hat Ende der 90er unter der Intendanz von Wolfgang Engel Canettis "Hochzeit" inszeniert. Ansonsten aber volle Zustimmung zu den Beiträgen von Mark.
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