Eklat in Köln: Konzert nach Publikumspöbelei unterbrochen
"Reden Sie gefälligst Deutsch!"
2. März 2016. Während eines klassischen Konzerts in der Kölner Philharmonie ist es am Sonntag zu einem Eklat und schließlich zum Abbruch einer Darbietung gekommen. Das berichten diverse Medien, darunter der Kölner Stadtanzeiger. Während der Darbietung des Stücks Piano Phase des amerikanischen Komponisten Steve Reich im Rahmen eines Abos von KölnMusik zwangen die Zuhörer die Musiker zunächst durch lautes Klatschen und Buh-Rufen zum Aufhören. Einige Gäste verließen daraufhin den Saal.
Bereits auf die in englischer Sprache gehaltene Einführung in das Werk durch den Cembalisten Mahan Esfahani hatten Teile des Publikums den Berichten zufolge mit Rufen wie "Reden Sie doch gefälligst Deutsch!" reagiert. "Wovor haben sie Angst?" habe Esfahani das Publikum gefagt. Schließlich, so der Kölner Stadtanzeiger in seiner Darstellung der Vorfälle, "als der Künstler fünf, sechs Minuten des original 16 Minuten langen Stücks absolviert hatte, erzwangen Lachen, Klatschen, Pfeifen und andere Geräusche des Missfallens den Abbruch der Darbietung".
Das seit langem angekündigte Konzertprogramm konfrontierte Alte mit Neuer Musik: Werken von Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach wurde Zeitgenössisches von Fred Frith, Henryk Mikołaj Górecki und Steve Reich gegenüber gestellt. Für Concerto Köln sei diese Konfrontation eine Strategie, so der Kölner Stadtanzeiger, die beiden im Konzertbetrieb meist säuberlich getrennten Kulturen produktiv einander anzunähern.
Am Ende sei noch das im Programm vorgesehene Bach-Stück mit Orchester gespielt worden, berichtet die Welt. "Hinterher freilich ergriff ein Hamburger Besucher das Mikro und entschuldigte sich so wortreich wie beifällig für die Rüpelei". Mahan Esfahani, habe dann noch Autogramme gegeben. "Das haben wir vom Kölner Publikum nicht erwartet", zitiert der Kölner Stadtanzeiger Jochen Schäfsmeier, den Geschäftsführer der Alte-Musik-Formation Concerto Köln: "Wir können es uns auch nicht erklären. Teile des Saals ließen jede gute Erziehung vermissen, das war schlicht unerträglich."
(KSTA / Die Welt / sle)
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Gibt es Erkenntnisse oder Berichte, warum Teile des Publikums sich bemerkbar machten? Es fällt mir schwer die Frage des "Vermissenlassens jeder guten Erziehung" ohne diese Hintergrundinformation beurteilen zu können.
bei Uraufführungen von neuer Musik. Ich habe nur die Frage: Warum hat nicht ein Musikdramaturg die Einführung übernommen?
Also: In der deutschen Konzerthaus- und Festivalrealität (wie z.B. in Stuttgart) ist es mittlerweile absoluter Alltag, dass es gerne gesehen wird, dass KünstlerInnen, wenn es ihnen ein Anliegen ist, selbst in ihre Projekte einführen. Das ist in der Regel ein Gewinn für die Veranstaltung, weil die Distanz und Fremdheit zwischen Publikum und KünstlerInnen, die sonst durch die "Sprachlosigkeit" während des Musikmachens erhalten wird, auf diese Weise abgebaut wird. Dass dies des öfteren auf Englisch geschieht, liegt an der traditionellen Internationalität von Musik und daran, dass Englisch heute nun mal eben internationale Verkehrssprache ist. Und man kann ja eigentlich von einem gebildeten Publikum, das in klassischen Konzerten zu vermuten ist, erwarten, dass es Englisch genügend versteht. Aber klar, wer in einer internationalen Veranstaltung (und um eine solche handelte es sich ja in Köln, da dort ein Künstler aus einem anderen LAnd auftrat) nicht ertragen kann, dass nicht Deutsch gesprochen wird, der hält auch nicht aus, dass man dem altdeutschen Bach-Clan einen neuamerikanischen Reich gegenüberstellt. AfD und Pegida lassen grüßen!
Was für ein Hochmut! Autoritarismus hat noch nie funktioniert auf Dauer. Das lehrt die Geschichte. Insbesondere, wenn man sich für gebildet hält, sollte man dies mitdenken. Die Begegnung von Kultur(en) braucht Vermittlung! Frontalentscheidungen sind da wenig dienlich. Wenn ich als Veranstalter davon ausgehen kann, dass ein hinreichend großer Teil meines Publikums nicht versteht, was in einer Einführung gesprochen wird, dann tue ich gut daran eine Übersetzung bereitzustellen.
Ihrer Argumentation zufolge müsste man in (deutschsprachigen) Sprechtheatervorstellungen voraussetzen, dass die Besucher/innen dem Gesagten folgen können und man könnte die um sich greifenden Übertitelungen weglassen. Das wollen Sie? Verkehrssprache ist da ja deutsch.
Aus dem Wahlprogramm einer sächsischen Partei:
..."IV.3.3. Weniger Anglizismen und weniger Englisch im amtlichen und öffentlichen Sprachgebrauch Etwas ganz anderes als die Verordnung von ideologisch motivierten Sprechweisen ist die Pflege unserer Sprache, wie wir sie kennen und gebrauchen. Wir fordern eine Regelung nach dem Vorbild des französischen „Loi relative à l’emploi de la langue française – Gesetz betreffend den Gebrauch der französischen Sprache“ (1994). Der Freistaat Sachsen soll Richtlinien erlassen, wonach Anglizismen im amtlichen Sprachgebrauch zu meiden sind. Sprache soll und muss für alle Generationen verständlich sein. Hierzu soll die Aktion „Lebendiges Deutsch“ der Stiftung Deutsche Sprache als Vorbild dienen. Die sächsische Akademie der Wissenschaften soll entsprechende Empfehlungen ausarbeiten. Die parlamentarischen Vertreter in den Rundfunkräten sollen sich für einen deutlich höheren Anteil deutschsprachiger Titel an den Ausstrahlungen in Rundfunk und Fernsehen einsetzen. Darüber hinaus treten wir für die Gleichberechtigung der Deutschen Sprache als zwischennationale Verkehrsund Arbeitssprache gegenüber dem Englischen und dem Französischen in der Europäischen Union ein." ...
Quelle: http://afdsachsen.de/download/AfD_Programm_Lang.pdf
"Die deutsche Sprache ist wesentlicher Ausdruck unserer reichen Kultur. Wir bekennen uns ausdrücklich zur Pflege unserer Sprache, wollen ihre Ausdruckskraft erhalten und daher auf unnötige Anleihen zum Beispiel aus der englischen Sprache verzichten sowie auf verständliche Texte achten."
https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/regierungsprogramm-2013-2017-langfassung-20130911.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=631
Es gibt viele zivilisierte Wege, um seinen Unmut aus der Welt zu schaffen.
Herr Esfahani ist 1984 im Iran geboren. Mitten im Iran-Irak Krieg.
Ist in Amerika aufgewachsen und konnte in Boston und Stanford (wo Migrantenkinder Google aufbauten) studieren.
Arbeitet in London und hat eine große Leidenschaft namens Bach.Wäre er in Deutschland aufgewachsen, wäre er wohl höchstens Taxifahrer,Teppichverkäufer oder Arzt geworden.
Das sind die bekannten Eckpunkte einer biographischen Odyssee,die die psychischen Tragödien, die mit so einem Schicksal einhergehen, völlig außer Acht lassen.
Anstatt geschmeichelt zu sein und so einen Menschen mit offenen Armen zu empfangen, wird er von der Bühne weggepöbelt.
Ist es weil er Steve Reich spielte? Weil das Publikum ausschließlich Bach hören wollte? Weil das Programm unvorhersehbar war? Weil er Englisch sprach?
Er solle gefälligst Deutsch sprechen.
Daß er die komplexe, grenzüberschreitende u völkerverbindende Sprache der Musik spricht und mit dem Deutschen Publikum seine Seele und seine Liebe zu Bach kommunizierte, vergißt und hört das Publikum gar nicht. Bach , der seine Musik als Geschenk Gottes an die Menschen empfand, wäre entsetzt gewesen. Dieses Publikum, das nur Bach tolerieren wollte, und vermutlich zu Weihnachten gerne in die Messe geht, um Werke dieses Komponisten zu hören,weiß es, woher die Inspiration für seine Musik kam? Für wen er die komponierte? Für einen gekreuzigten Juden aus dem Nahen Osten. Wenn dieser leibhaftig in Köln einem dieser Zuseher erschiene, würde er ihn wohl wegen Ruhestörung verhaften lassen, um sich dann ,vor lauter Rührung, wieder der Schönheit einer Bachmesse hinzugeben.
Deutsch soll er also sprechen.
Wenn es nach diesem Zuseher ginge, gebe es die Deutsche Sprache gar nicht. Wir wären noch in der Steinzeit,weil jeder, der anders aussieht, von anderswo kommt, anders klingt,aggressiv angegrunzt worden wäre.Keine Handelsbeziehungen, kein Austausch.
Sir William Jones wäre belustigt gewesen. Für ihn ist die Deutsche Sprache ein Zweig der Indo-germanischen Sprache,dem Sanskrit, mit einer sehr grossen Portion Latein,Griechisch und Französisch.Sprachfamilien entstammen aus derselben Quelle.
Wovor also diese Angst? Ist das Selbstbewusstsein dieses Zusehers so fragil, daß er sich in seiner Deutschen Identität, durch einen englischsprechenden, iranischen Bachliebhabers, bedroht sieht?
Wo ist die Großzügigkeit? Oder zumindest die Knigge-Manieren auf die das Deutsche Bürgertum sonst so stolz ist? Kann man sich nicht 20 Minuten zusammenreissen?
Ganz zu schweigen von der Herzensbildung. Da sitzt ein Mann am Cembalo, mit so unorthodoxen Startbedingungen, und spielt mit Leidenschaft Bach.Er ist der lebende Beweis, daß Nationalismen,Religion, Herkunft oder Biographien, in der Kunst völlig unbedeutend sind.Daß wir alle Teil eines grossen Ganzen sind. In welche Gestalt wir auf die Welt kommen, völlig nebensächlich ist.Anstatt, bescheiden und dankbar beglückt dieser Schönheit beiwohnen zu können, wird gemeckert.
Ich glaube dieses Auflösen von Grenzen, ist der wahre Grund für diese Angst. Wenn ein "dahergelaufener" Iraner Bach spielen darf, wer ist dann wirklich Deutsch?
Ja, Europa verliert an Bedeutung und davor fürchten sich sicher viele Deutsche.Der Verlust von Wohlstand u Relevanz.Das Gefühl,daß einem ein besseres Schicksal, als das von Milliarden anderer Menschen, zusteht. Warum? Mit welchem Recht?Anstatt sich zu freuen, daß mitten in einem, vom Westen unterstützten, Krieg, ein Junge zur Welt kommt, der Bachs Musik liebt und sie mit seiner Seele lebendig hält, als Fackel für zukünftige Generationen u andere Kulturen, wird gezischt.
Ohne Herzensbildung ist Kultur nichts als dröhnendes Erz.
Eine dekorative Schicht für Bestialität u Stumpfsinn.
Zunächst mal: Rüpeleien gehen nicht. Gar nicht. Punkt.
"Es gibt niemals einen Grund unfreundlich zu sein. Niemals. Auch dann nicht."
Wir sollten uns aber auch vor einer Arroganz des Bildungsbürgertums hüten.
Es wäre eine gute Idee gewesen die englischsprachigen Ausführungen zu übersetzen oder mit einer Übertitelung, wenn auch nicht wörtlich dann sinngemäß, eine Hilfe zu geben.
War es nicht immer Ziel von uns die Bildungsschranken zu überwinden und die Kunst jedermann zugänglich zu machen?
Das Publikum abzuholen und mit zu nehmen?
Dann müssen wir uns schon ein wenig mehr Mühe geben.
Die Gegenüberstellung von Alter und Neuer Musik an einem Abend ist eine gute Idee.
Esfahani ist ein exzellenter Musiker und hat uns sicherlich auch viel zu sagen.
Hier hätte der Veranstalter helfen können. Dem Publikum und Herrn Esfahani.
Mit der Verharschung auf "Bestialität und Stumpfsinn" kommen wir leider nicht weiter. Es sei denn, wir wollten uns unserer Überlegenheit selbstvergewissern.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass jemand Musik liebt, Alte wie Neue, dass jemand Biografien - insbesondere in Kriegszusammenhängen - achtet, dass jemand eine/n Musiker/in bewundert und dass dennoch so jemand einem längeren und vermutungshalber relevanten Monolog in einer Fremdsprache mit dem Hinweis versieht, dass doch bitte in der Landessprache monologisiert oder wenigstens eine Übersetzung bereitgestellt werden soll. Das schließt sich keineswegs aus, wie Sie zumindest nahelegen. Aus einer gruppendynamischen Gemengelage dann derart zielstrebig zu schlussfolgern wie Sie es tun (u. a. "Ich glaube, der wahre Grund ist Angst ...") ist - gelinde formuliert - kühn bis nassforsch.
Wo war da der Veranstalter? Warum hat sich nicht akut jemand bereitgestellt zu übersetzen, zu vermitteln? Totalversagen! Es hätte der Beruhigung (und auch des Schutzes des Einzelnen gegenüber den Vielen) bedurft. Soweit ich erkennen kann, ist diesbezüglich nichts erfolgt.
By the way: Dem Ängstlichen seine Angst vorzuhalten führt üblicherweise nicht zur Bewältigung der Angst. Außer vielleicht auf dem Schulhof oder unter Substanzeinfluss.
Was aber gar nicht geht ist die Reaktion darauf, Pöbeln, Rufe, Unterbrechungen...? Was soll das? Die Leute hätten auf der Stelle rausgeschmissen werden müssen. Hilfosigkeit der Veranstalter? Angst das Publikum zu verlieren?
Der Veranstalter und der Musiker seien selber schuld, da sie mit dem Programm und mit Englisch provoziert hätten.
Gut, dem kann man nichts hinzufügen.
18
Ihre herablassende Kritik, befasst sich also mit der Art der Einführung des Künstlers. Technisch können Sie ihm nichts vorwerfen, also muß jetzt Ihre subjektive Empfindung über die Interpretation des Spielers, als Maßstab für die Berechtigung Herrn Esfahanis als Künstler herhalten.Er möge Nachhilfe bei Steve Reich nehmen.
Natürlich spielt die Herkunft eines Künstlers keine Rolle. Das schrieb ich ja!
Aber es ist so verlogen zu behaupten , daß die Deutschen so weltoffen seien, daß dies nie und nimmer eine Rolle spielen würde.
Halten Sie mich bitte nicht zum Idioten.Gerade für viele Deutsche spielt doch die Herkunft, Rasse etc eine sehr wichtige Rolle. Hier auf einmal nicht? Dieser ganze Esoterikgeschwurbel getaufter, abergläubischer germanischer Heiden, eines Waldorfschulgründers (Rudolf Steiner), der von Wurzelrassen spricht, dem Zuschreiben von Charaktereigenschaften je nach Phenotyp, bis hin zur Sarrazinschen pseudowissenschaftlichen Eugenik.
Ja, das ist polemisch von mir.
Die Herkunft sollte keine Rolle spielen. Es ist aber zynisch zu behaupten, daß sie es nicht tut.
Ich habe Hochachtung für so einen Menschen, der weit mehr Hindernisse zu bewältigen hatte, als sich einer der pöbelnden Zuseher vorstellen kann. Man könnte meinen, die Zuseher wären gefoltert worden. (...)
19
Wovor haben diese Menschen so furchtbar Angst?
Haben auf der Schwierigkeitsskala des Lebens, den Idiotenhügel erwischt. Wie ein dickes, verwöhntes Kind, das eine Schramme am Daumen hat, einen Tobsuchtsanfall bekommt, wenn ein anderes Kind kurz Aufmerksamkeit bekommt, weil er von einer Lawine angespült wurde.
Dass das Kölner Publikum kein Englisch spricht, können Sie Ihrer Tante Frieda weismachen. Auf der ganzen Welt werden Konzerte in englischer Sprache eingeführt. Das als Begründung und Rechtfertigung für dieses Benehmen zu verwenden, ist nicht sehr aufrichtig und unwürdig. Man hätte in Ruhe aufstehen u gehen können.
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Herr Esfahani hat auch nicht seine Lebensgeschichte mit dem Publikum geteilt, wie Sie so verächtlich tun. Er braucht auch keine Therapie. Sein künstlerischer Werdegang hängt zum Glück nicht von der Gnade des deutschen Publikums ab. Er hat Klasse u Eleganz bewiesen, als er diesen Vorfall mit Gelassenheit u Humor nahm. Er wird nach London zurückkehren u diesen Vorfall, als lustige Anekdote in Erinnerung behalten.
Auf die Zuseher in Köln wirft es das grelle Licht einer verpassten Chance : sich offen u vornehm, ohne Vorverurteilung, in eine unbekannte, unvertraute künstlerische Dimension einzulassen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe die Deutsche Kultur, vor allem die Musik, und ihre Menschen. Eine Handvoll Kretins wird dem kein Abbruch tun.
Kunst unterliegt dem Wandel. Sie lebt und wächst mit den Menschen, die sie ausüben. Shakespeare würde heute auch anders inszenieren als damals. Mozart, der Rebell, anders komponieren.
Wenn Englisch schon so ein Problem ist, wie wird es erst sein, wenn die Chinesen das neue Imperium bilden?
Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, das chinesische Zuseher einen anblaffen, man solle gefälligst Mandarin sprechen!
Ob ich es in Ordnung finde, wie sich dem Vernehmen nach einige(!) Zuschauer verhalten haben, kann ich schlicht nicht sagen. Empfehle dazu meinen Kommentar #1. Ich kann mir sowohl sehr popelige und verwerfliche und rückständige als auch sehr gut begründbare, mehrheitsfähige Motivationen dazu vorstellen; und auch Mischungen daraus. Aber hier digital zu verurteilen zeugt eben nicht von einer nötigen Gedankentiefe/Geduld und führt eher zur Selbstvergewisserung auf der "richtigen" Seite zu stehen als dazu, gesellschaftliche Phänomene (wenn dieses Ereignis einen solchen Abstraktionsschritt zulässt) zu verstehen und ihnen *versöhnend*, *konstruktiv*, *aufklärerisch*, *empathisch* zu begegnen.
Würden Sie Ihr (gedanklich angenommenes) "dickes, verwöhntes, tobsüchtiges Kind" auch an meine (gedanklich anzunehmende) "Tante Frida" verweisen? Oder hätten Sie nicht den Anspruch, diesen Menschen mit der Schramme ernst zu nehmen und mit ihm einen Weg zu gehen, an dem die Tobsucht nach und nach in Einfühlung/Selbstkontrolle/Bewusstsein übergeht?
Ich jedenfalls nehme bestimmte Ängste ernst (ergo, begegne Ihnen mit Nachsicht, versuche Gedanken anzuregen) anstatt ihnen zu spotten. Wollen Sie mir folgen, klara?
Ich habe Sie bezüglich Reich Nachhilfe mißverstanden.Verzeihen Sie.
Geduldsfaden hin o her, macht es das Verhalten nicht besser u auch nicht ungeschehen.Aber gut,es ist nicht tragisch.
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Ich verurteile das Verhalten, das eine Momentaufnahme ist. Keinesfalls die Menschen.
Ich versuche jeden Menschen ernst zu nehmen und seine Ängste. Allerdings nehmen sich diese Menschen selbst schon so ernst, daß kein Platz mehr für meine Anteilnahme ist.Für Sie scheint es viel wichtiger zu sein, wie sich die pöbelnden Zuseher fühlen. Ob sie nicht mißverstanden sind,bevormundet wurden,überrollt wurden etc, daß die Position des Gastkünstlers völlig nebensächlich wird.Völlig egal mit welchen Eindrücken er von diesem Vorfall erzählen wird.
Und nein, ich denke nicht in Seiten, geschweige denn, daß ich mich überlegen fühle.
Wir leben in einer Welt, in der die "verwöhnten,dicken Kinder mit Schramme" ohnehin Versorgung 1. Klasse bekommen. Alles dreht sich um sie u ihre Ängste u Wehwehchen. Manchmal kann man mit Humor oder Spott mehr erreichen, um die Dinge in Perspektive zu rücken.
Sollten sie zu zerbrechlich sein, bitte ich ebenfalls um Verzeihung. Solche Menschen sind vielleicht Hindernisse, wie ein Herr Esfahani nicht gewohnt u leicht beleidigt.
Folgen möchte ich Ihnen gerne.Möchten Sie auch versuchen, meine Position nachzuempfinden?
Aus der Distanz betrachtet, entbehrt dieser Vorfall nicht einer gewissen Ironie. Den Ayatollahs im Iran hätte der Abbruch dieses Konzerts "entarteter" Musik, aus anderen Gründen, vermutlich gefallen.
Es ist durchaus üblich , daß internationale Künstler, der Einfachheit wegen, Englisch sprechen. Es handelt sich dabei nicht um Dissertationen, wie 18 behauptet, sondern nur um die steife Schranke zwischen Musiker u Publikum aufzulockern, mit ein paar Worten
Davon abgesehen, klingt hier in meiner Wahrnehmung vieles ziemlich absurd. Es geht einerseits um MUSIK - ja, und die kann man tatsächlich nicht interpretieren, siehe Susan Sontags "Against interpretation". Andererseits geht's um Menschen, die kein Englisch verstehen, auch, wenn sie gebildet sind (hä, hängt das denn zusammen?). Und wenn sie kein Englisch verstehen, dann sind sie gleich paranoide AfDler, die die deutsche Sprache am Verschwinden sehen? Wie passt das "dicke, verwöhnte Kind" da rein? Sind Dicke etwa schlechtere Menschen? Und was sollen die dicken Kühe auf der Weide dazu sagen?
Was ich allerfings am Ende auch nicht verstehe, ist, warum Zuhörer bei alldem dann gleich "pöbeln" müssen, was im Übrigen etwas anderes als stören ist.
Ach, waren das noch Zeiten, als John Cage die Stille tönen lassen wollte und dabei zugleich das Publikum inszeniert hat! Auch in und mit seinen Störgeräuschen.
Das Allerwichtigste gleich vorneweg:
1.Dicke Kühe auf der Weide haben meine allergrößte Sympathie. Vor allem die ganz dicken.Wenn ich könnte, würde ich jede einzeln umarmen.
2.Nein, dicke Menschen sind keine schlechten Menschen.
3.Ja, man kann gebildet und des Englischen nicht mächtig sein.
(Es ist dennoch keine Entschuldigung für so ein Verhalten)
4.Es handelte sich nicht um eine Störung, sondern um ein so heftiges "Stören", daß das Konzert abgebrochen werden mußte.
5. Vielleicht kann man in Zukunft, das Verhalten des Publikums wie in Köln, bei dem nächsten Bach/Reich-Konzert mitinszenieren.
Warum eigentlich nicht?
6.Ich habe bewußt die Berufsklischees von Auslandsiranern in Deutschland gewählt.Ein Arbeiter ist kein dummer o minderer Mensch, als ein Akademiker.Nach solchen Kriterien bewerte ich gar nicht.
Oft sind Arbeiter gebildetere und feinere Menschen, als sogenannte Intellektuelle.Es gibt auch genug Taxifahrer in Deutschland, deren abgeschlossene Studien nicht anerkannt werden.Teppichverkäufer sind eigentlich Kunsthändler.Es gibt sehr wertvolle, antike Stücke darunter. Ein Teppichhändler verdient oft weitaus mehr, als ein Arzt. ich habe diese Berufe nicht genannt, um mich lustig zu machen.
Es ist auch nichts an irgendeinem Beruf auszusetzen. Es ist nur schön, wenn jemand seine wahre Leidenschaft zum Beruf wählen kann. Dass Herr Esfahani davon träumte Cembalist zu sein und es in die Tat umsetzen konnte.Wenn er davon träumte Rauchfangkehrer zu sein und dies ausüben könnte, wäre das auch großartig.
Klischees sind mentale Gefängnisse.Wir sind bewußt o unbewußt alle davon betroffen.Wieviele, mit leichteren Startbedingungen, als Herr Esfahani, limitieren sich nicht von Anfang an? Ich bezweifle,daß Herr Esfahani an eine Musikhochschule in Deutschland aufgenommen worden wäre.Er hätte den einfacheren Weg gewählt u wäre vielleicht Immobilienmakler geworden.
Natürlich sind nicht alle Deutsche Rassisten. Aber versuchen Sie ein Experiment: Lassen Sie sich von einem guten Maskenbildner zu einem Schwarzen,Türken,etc verwandeln. Oder binden Sie sich ein Kopftuch um. Halten Sie das eine Woche durch.Wenn Sie nicht anders behandelt werden als sonst, dann werde ich ein Liebesgedicht an die Deutschen schreiben u mit einer Kuhglocke um den Hals einmal um den Kölner Dom laufen.
Ich hoffe etwas zur Entwirrung beigetragen zu haben,
klara
4. muss das alles innerhalb von 3 - 5 Minuten feststellbar sein beim Bewerbungsvorspiel. Länger dauert es nämlich offenbar nicht mehr. Da an den großen Hochschule ungefähr 200 bis 300 Bewerber aus aller Welt auf einen Bachalor-Studienplatz kommen. Das führt dazu, dass nicht mehr Repertoire in der Studienvorbereitung angesammelt wird, sondern DAS Tschaikowski-Konzert, DER Mozart oder genau die Bach-Sarabande aus DEM Bach geübt wird, bis genau das perfekt klingt, dass allgemeine Technik-Übungen so vernachlässigt werden, dass die instrumentale Allgemeinfertigkeit krankt und die jungen Leute sich mehr damit beschäftigen, wie sie am telegensten rüberkommen könnten, wenn sie automatenhaft Einstudiertes in drei Minuten überzeugend leidenschaftlich musikantisch packen, als mit Bach, Mozart oder Penderecki zum Beispiel. Im Prinzip hätte auch jeder Iraner, Iraker genau so eine Chance wie jeder Chinese, Koreaner oder Russe z.B. Er muss nur die Punkte 1-3 erfüllen und hätte bei Punkt zwei einen Bonus für Exotik. Die Deutschen müssen im Moment nur noch besonders schön aussehen, um die Exotik zu toppen.
Ich habe bloß tatsächlich nicht verstanden, warum Sie meinen, dass Herr Esfahani in London als Musiker erfolgreich sein kann, in Deutschland aber nicht. Warum sollte er in Deutschland eher Immobilienmakler werden? Ich würde mich freuen, wenn Sie mir das bitte auch noch erklären könnten.
London ist weltoffener. In weltoffenen Städten wird man auch als Angehöriger einer Minderheit, erst mal als Mensch, als Individuum angesehen.In Deutschland machen Menschen ,die anders aussehen, oft die Erfahrung, entweder wie ein Maskottchen verniedlicht oder als Bedrohung wahrgenommen zu werden.So eine Haltung geht oft einher mit Klischees: die "Kanaken",der"feurige"Italiener,der "temperamentvolle"Spanier,der "rückständige" Araber.etc... Sarrazin hat in seinem Buch den Türken unterstellt geistig "wertloser" zu sein. In New York gehört die türkische Community zu den erfolgreichsten und progressivsten. Nun kann man sagen, es handle sich um "andere" Türken. Ich persönlich bin der Meinung, daß es sehr viel damit zu tun hat, wie man auf Menschen, die zu einem kommen, zugeht.Mit welcher Haltung.(Idioten gibt es natürlich überall)
Solche Klischees sind sehr destruktiv und wirken wie ein Gift, wenn sie von den Betroffenen internalisiert u so zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden.
Wäre Herr Esfahani in Deutschland aufgewachsen, hätte er mit diesen Klischees klarkommen müssen. Man hätte ihn nicht ernst genommen, mit seinem Wunsch Cembalospieler zu sein. Vielleicht bin ich auch zu pessimistisch u tue den Deutschen Unrecht. Aber ich erinnere mich an ein Interview mit der Deutsch-iranischen Schauspielerin Pegah Ferydoni, die an keiner staatlichen Schauspielschule aufgenommen wurde. Die Schauspielschulen hätten Angst, zuviele Migranten auszubilden, da es für sie ohnehin kaum Rollen gebe am Theater o im Film. In England ist es nichts Aussergewöhnliches schwarze Schauspieler in Shakespearestücken zu besetzen.(Nein, nicht nur Othello)
Gehen Sie die Wette mit mir ein, leben Sie ein paar Tage als "Außenseiter".Es ist eine Sache etwas rational zu verstehen, eine andere sie zu durchleben.
Ich bin mir ausserdem auch gar nicht sicher, ob es hier wirklich um Herrn Esfahani "als Aussenseiter"(?) geht bzw. die Tatsache, dass er aus dem Iran kommt oder nicht eher um Menschen, die ihre eigene (Englisch-)"Ungebildetheit" auf das Englischssprechen des Musikers und darüber auf den ganzen Menschen projiziert haben. Ich kann Ihre Sicht auf jeden Fall verstehen, und frage mich nun, wie Klischees eigentlich entstehen. Entspringen sie allein dem Kopf eines oder mehrerer Menschen, sind es immer nur Projektionen oder sind diese nicht zugleich verbunden mit realen Erscheinungen von Menschen? Ich weiss, das klingt jetzt richtig problematisch, aber ist ein Klischee immer nur Lüge oder steckt da in Einzelfällen auch ein Fünkchen Wahrheit mit drin? Was also letztlich heissen würde, dass man tatsächlich immer im Hinblick auf das einzelne Individuum differenzieren muss.
Ich mag Klischees deshalb voll.
Alle Menschen sind von Klischees betroffen. Und es gibt viele Überschneidungen. Herr Esfahani, ist trotz des Verlustes seiner Heimat, ein sehr privilegierter Mensch. Privilegierter, als ein prekär arbeitender Deutscher, zbp. Man kann privilegiert u ein Aussenseiter sein.Die Grenzen sind fließend u nicht statisch. Es geht mir auch nicht um ein Aufwiegen gegeneinander.
Sie wollen andeuten, daß die Menschen, gegenüber die man Vorurteile hegt, selber schuld seien an diesen Vorurteilen.Man kann aber,zbp, den Juden nicht schuld am Antisemitismus geben.
Damit hören Menschen auf Individuen zu sein und werden nur als Teil einer Gruppe, eines Problems angesehen. Sobald man aufhört, einem Menschen,als Individuum, zu begegnen,entmenschlicht man ihn. Sie wollen ja auch, als einzigartiger Mensch wahrgenommen und nicht mit Eva Braun in einem Topf geworfen werden, nicht wahr?
Wie Klischees entstehen, ist eine sehr komplexe u sehr gute Frage, mit der sich einige viel besser qualifizierte Wissenschafter/innen auseinandergesetzt haben. Es gibt auch ausgezeichnete Bücher zu diesem Thema. Verzeihen Sie mir, wenn ich mich ausserstande sehe dieser Frage, in einem vom Platz limitierten Thread, Genüge zu tun.
Nehmen wir mal an,9 Sudanesen wären unfreundlich zu mir. Die gewöhnliche Reaktion wäre, daß ich zum 10 meinerseits unfreundlich bin, aufgrund meiner Erfahrungen.Dennoch liegt es in meiner Verantwortung, dem 10 eine Chance zu geben. Wenn nicht, entstehen Teufelskreise. Was kann der 10, der wahrscheinlich ein freundlicher Zeitgenosse ist, für die vorherigen 9?
Oft werden Minderheiten nur als Klischees abgebildet o besprochen. Das sieht man vor allem bei Kriegspropaganda. Sehen Sie sich die Dokumentation "Reel Bad Arabs" an. Der auserkorene Feind wird nur mehr als Karikatur wahrgenommen. Sich selber sieht man in komplexen, vielschichtigen Nuancen. Wenn Sie jemanden lieben, werden Sie nach u nach mehr von ihm kennenlernen u erkennen. Dinge die für andere unsichtbar sind, sehen.
Mit anderen Worten, behandeln Sie andere Menschen so, wie Sie von Ihnen behandelt werden wollen.
Und sollten Sie schlecht behandelt werden, so gebe ich Ihnen ein jüdisches Sprichwort mit auf dem Weg: "Es ist besser Unrecht zu erleiden, als selber Unrecht zu tun."
Das ist schön gesagt, werden Sie jetzt einwenden, aber was soll das, die Opfer sollen Humor entwickeln? Ja, schwierig, das empfinde ich auch erstmal so. Aber dann fällt mir ein, selbst Tabori hat das so formuliert, dass nur ein Jude Witze über Juden machen dürfe.
Wie Sie hier nun darauf kommen, dass ich mit Eva Braun in einen Topf geworfen werde, das verstehe ich allerdings nicht so ganz. Das müssten Sie mir bitte auch nochmal erklären. Nur, weil ich deutscher Herkunft bin, bin ich nun wirklich noch lange nicht Eva Braun. Sie scherzen wohl. Und das finde ich übrigens auch sehr lustig.
Sie geben da übrigens ein gutes Beispiel mit dem/den Sudanesen. Ich würde dazu aber fragen wollen, ist das jetzt ein Problem, weil die von Ihnen so bezeichneten Menschen aus dem Sudan kommen oder entsteht das Problem nicht vielmehr daraus, für mich entstehen alle Probleme zwischen Menschen vor allem daraus, WIE sie sich (gegenseitig) behandeln? Für mich ist es total egal, woher jemand kommt, entscheidend ist, ob er mich gut oder schlecht behandelt. Bei Letzterem geht es vor allem um (gebrochenes) Vertrauen.
Davon abgesehen, ist dieser Mensch dann wohl nicht feinfühlig genug. Sowas weiss man nicht, sowas spürt man, wenn man ein wenig Einfühlungsvermögen besitzt.
Meine Rolle ist die des Fragenden. Menschen. Es tut mir leid, wenn Sie da sich in Unklarheit befanden, was mich in der Sache betrifft. Wenn ich mich schlecht behandelt fühle, das kam in der Vergangenheit sehr häufig, heute seltener, vor, dann frage ich mich eben, ob ich so a) wirklich definitiv schlecht behandelt worden bin, b) wenn ja, in welcher Weise konkret und wenn wenn ich c) die nicht benennen kann, ob ich mich eventuell nur schlecht behandelt fühle, weil der andere gar nicht weiß, wie viel konkretes Vertrauen ich ihm eigentlich in einer Sache entgegengebracht habe. Weshalb er auch nicht wissen kann, ob er es brechen könnte durch sein Verhalten oder nicht. Ich gebe zu, dass sich andere Menschen weniger Gedanken darum machen könnten, weshalb konkret ihnen das Verhalten anderer wehtut.