Theater Bad Lauchstädt untersagt politische Äußerungen bei Gastspielen
Hier gilt's der Kunst!
Bad Lauchstädt / Halle, 1. Juni 2016. Das Goethe-Theater Bad Lauchstädt untersagt politische Äußerungen im Rahmen von Gastspielen. Das geht aus einer E-Mail hervor, die René Schmidt, Geschäftsführer der Historischen Kulturanlagen Bad Lauchstädt, an das Theater Halle verschickte und aus der Halles Theaterchef Matthias Brenner in einer Erklärung anlässlich der Spielplanvorstellung 2016/17 zitiert. Das Theater Halle bestätigte auf Nachfrage von nachtkritik.de Existenz und Wortlaut der Mail.
Demnach teilte Schmidt mit, dass er "keinerlei politische Kundgebung oder Manifestationen weder für noch gegen die aktuelle Politik, politische Gruppierungen oder Parteien dulden werde", so fasst Brenner den Inhalt der Mail zusammen. "Das Goethe-Theater Bad Lauchstädt steht strikt unter dem von Richard Wagner geprägten Motto 'Hier gilt's der Kunst'."
Weiterhin heißt es in der Mail von Schmidt: "Mit Rücksicht auf die individuell naturgemäß unterschiedlichen politischen Überzeugungen und religiösen Gefühle der Besucher, die ich persönlich nicht kenne und die mich im Einzelnen auch nicht interessieren, bestehe ich darauf, dass außer im Rahmen der Kunstausübung Ansprachen oder schriftliche Äußerungen (beispielsweise in den Programmheften) oder auf Handzetteln zu politischen Themen während der Gastspiele in Bad Lauchstädt zu unterbleiben haben."
Pikant ist, dass die Mail am 16. März versendet wurde, drei Tage nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der die rechtspopulistische AfD mit 24,3 Prozent der Stimmen zweitstärkste Partei wurde. Die Programmheft-Passage ist wohl als Anspielung auf das Jahresheft des Neuen Theaters Halle zu lesen, für das Matthias Brenner Fotos mit Schutzsuchenden in der Flüchtlingsunterkunft des ehemaligen Maritimhotels Halle machen ließ.
Update vom 2. Juni 2016: Auf Nachfrage von nachtkritik.de gibt René Schmidt an, dass er sich in dieser Angelegenheit zur Zeit nicht äußern kann, "da es sich in dieser Angelegenheit um eine dienstliche Angelegenheit handelt und die Sache zur Prüfung Juristen vorliegt." Dabei geht es dem MDR zufolge um die Frage, ob die Veröffentlichung seiner E-Mail durch Brenner anfechtbar ist.
(Theater Halle / geka/ sae)
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nachdem ich das Haus vor über zwanzig Jahren kennengelernt hatte.
Jetzt will ich nicht mehr.
Da kann man ja nicht mal mehr Loriot spielen.
"Frühstück. Und Politik", "Aufbruch" oder "Das Wahlplakat".
Na, Gut' Nacht!
Wer sich nicht äußert, sich nicht einmischt, steht auf der Seite einer restaurativen Kunstauffassung, die wir alle hier uns nicht wünschen dürfen. Herr René Schmidt sollte sich schämen. Und man kann ihn nur auffordern, diesen Maulkorberlass wieder zurück zu nehmen. Eine Einschränkung der Kunst. Ein Eingriff in die Grundrechte.
Ich freue mich, dass ein Intendant wie Mathias Brenner genau das ans Tageslicht bringt.
Entweder will er sein Theater bedeutungslos werden lassen oder mit neuen Parolen interessant. Verbieten würde ich mir als Künstler nichts. Und: es wird nicht zum Eklat kommen. Das wäre nämlich schädlich für Herrn Schmidt
Da ist das Theater doch auch manchmal Vorreiter der Misstände. Oder Spiegel der Gesellschaft?
Nein, ich hänge mich nicht an das Opferbild Halle.
Ich sehe Halle in einer gefährlichen Mischung aus inkonsequentem Handeln und Verallgemeinerung der Gegenseite.
Herr Schmidt verbittet sich also Aussagen außerhalb des Kunstwerks. Wie sehen die denn aus bei dem sich angegriffen fühlenden Herrn Brenner?
'Auch wir wollen nicht länger untätig bleiben' tönt da das Neue Theater durch Schauspieler nach jeder Vorstellung auf Geheiß und Vorformulierung der Leitung. Gemeint ist eine Spendenbox, in die der Zuschauer einwerfen kann. Liegt da eine Tätigkeit, Geld einzusammeln? Nun denn.
Nachdem zwei Tage nach der Wahl Herr Schmidt sich unter anderem solche Auswüchse, wie es sein Recht ist, verbittet, donnert Herr Brenner nun nach. Nein Moment. Das ist beinah drei Monate her. Warum erst jetzt?
Kam das nicht sogar kurz zuvor erst wirklich in Umlauf ohne Brenners zutun? Und nachdonnern ist auch falsch, er nutzt wie ein Politiker die Strömung. Das ist der Kapitalismus der Information. Brenner weiß, ihn zu nutzen, aber ist das eines Theaterleiters würdig?
Maulkorb für Halle titelt Deutschlandradio Kultur. Bitte? Halle darf im eigenen Haus sagen, was es will. Tut es aber nicht. Es wälzt auf den Zuschauer ab und nutzt dazu geschickt Formulierungen Tatkraft. Oder Halle lässt Reden gleich ganz bleiben, wenn sie zum Programm gehören sollten.
Wäre ich Herr Schmidt, und erkannte das, ich würde auch sehen, ob ich legale Wege weiß, mich davon zu distanzieren. Oder es in meinem Haus zu umgehen. Den hat er gefunden. Schade, dass Herr Brenner nicht die Größe hat, sich über das Warum zu unterhalten. Er prangert lieber das wie an und alles verliert sich in der Belanglosigkeit. Untätig ist er nicht. Folgenreich aber auch nicht.
Man darf schon etwas sagen. Aber doch bitte gefällig.
Es sollten doch alle Seiten beäugt werden, nicht nur Herrn Schmidts Reaktion.
Eben auch die sehr anmaßende Nutzung von Aktivität suggerierenden Formulierungen, die maximale Bequemlichkeit gefahrlos erlauben.
Und bitte lesen Sie doch die Erklärung von Herrn Schmidt richtig: er will keine belanglose Kunst! Er will nur keine Statements nach oder vor der Vorstellung, um dem belanglosen Abend dann doch noch politische Brisanz zu verpassen. Das kann ich nachvollziehen, weil es widersprüchlich ist. Trauen Sie sich das Ganze doch mal IN einem Abend, dagegen hat Herr Schmidt, wie mir scheint, auch nichts.
Nehmen wir die 35-Jahr-Feier des Nt: "hier gibt es keine Reden, wir sind ein Theater." Was folgt, sind gefällige Ausschnitte aus Stücken, mal etwas gelungener, mal weniger. Was fehlt, sind eigene Gedanken. Eigene Formulierungen. Die hat sich Herr Brenner selbst nicht gestattet. Warum genau dieser Intendant sich jetzt angegriffen fühlt? Es deutet doch sehr viel auf Aufmerksamkeit als Motivation hin.
Und die Leser gehen dieser Verschiebung der Deutungsmöglichkeiten auch noch Bereitwillig nach. Es ist halt grad Mode.
Vielleicht ist die Äußerung Schmidts aber auch als Angst vor Protest der besorgten Bürger zu deuten und gar nicht so sehr auf Brenner bezogen?
bitte bleibt dran. Ich will wissen, was Herr Schmidt bei seiner juristischen Prüfung herausgefunden hat. Ich will wissen, ob in der Provinz anfängt, was sich dann wie eine gefräßige Schlange durch das Land schlängelt. Ich will wissen, ob Berliner in der Lage sind, aus ihrem hippen Wohlfühlkosmos heraus auf dieses Land zu blicken. Ich will wissen, ob jemand seinen Job behalten kann, der so verkennt, was Kunst bedeutet. Ich will wissen, was einen studierten Musiker wie Schmidt dazu bringt, sich so zu äußern.
Mir wird langsam Angst.
Ich finde deine Herleitung an und um mich als Medienfuchs sehr abenteuerlich aber sicher dusskutierenswert!
Als ich René Schmidts Anschreiben 3 Tage nach dem Einzug der AFD in den Landtag las, indem er eben auch Programmhefte mit politisierenden Inhalten (frei zitiert) nicht duldet und das alles als Kooperationspartner im militanten Befehlston, da blieb mir schon der Atem stehen! Aber ich beruhigte mich und wollte keine Brandfackel aus dem Schreiben machen, sondern bei Gelegenheit mit Schmidt darüber reden!!! Als aber in unserem Ensemble Anfang Mai eine Debatte, die sich gewaschen hatte, um unsere Fotoaktion für das Jahresheft entbrannte, weil wir im Asylbewerberheim im ehemaligen Maritim-Hotel uns mit den Schutzsuchenden gemeinsam oder in Beziehung mit ihnen fotografieren wollten und das zu pro und contra führte, ob wir uns da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und die Menschen dort zu politischen Statements instrumentslisieren! Erst das Foto-Ergebnis für das Jahresheft einte unsere Meinung darüber, dass es richtig und an der Zeit ist sich pro Asyl zu manifestieren! Und da fiel mir Bad Lauchstädt wieder ein und ich war mir nicht mehr so sicher, ob wir das erkämpfte Jahresheft dort noch auslegen können, da das ja schon eine politische Meinungsäußerung außerhalb des Kunstwerkes bedeutet! Deshalb meine Erklärung zu Pressekonferenz zur Absage an Begehrlichkeiten, die von uns Neutralität verlangen! Übrigens interessierte das keine Sau von der Presse! Außer einem Nebensatz in der MZ ereignete sich nichts! Wie die Debatte 10 Tage später an das Portal der Nachrkritik gelangte, das weiß ich nicht! Und seit dem ist ein unangemessener Medienrummel entstanden, den Schmidt und ich heute morgen via getrennter Interviews bei MDR Kultur mit gegenseitigem Respekt beendet haben!!!
Das nur nebenbei! Über alle anderen programmatisch gemeinten Vorhaltungen Deinerseits mir gegenüber unterhalten wir uns lieber persönlich!!!
Beim Wein, ganz ruhig oder auch laut auf der Straße! Ich streite mich mit manchen Menschen nicht ungern! Gute Nacht!
Dein Matthias Brenner
... was der Herr Brenner hier veranstaltet hat. Er empört sich über eine legitime Forderung des Geschäftsführers des Goethe-Theaters in dessen interner, dienstlicher Mail (...), und zerrt diese dann Monate später verkürzt und sinnentstellt bei der Pressekonferenz zum neuen Spielplan des Theaters Halle in die Öffentlichkeit. Um das, was ihn empört, klären zu können, hätte er vorher schon wochenlang zum Telefon greifen und direkt mit Schmidt sprechen können, dann wäre das, wie er jetzt zugibt, bedauerliche Missverständnis erst gar nicht entstanden. Aber nein, Brenner, der in seiner Tätigkeit als Schauspielchef wohl schon lange keine überregional bedeutende mediale Aufmerksamkeit mehr hatte, wittert den großen Coup. Und es gelingt. Von "Mitteldeutscher Zeitung" (mit dem blödsinnigsten Kommentar von Andreas Montag, den ich je gelesen habe) über "Neues Deutschland" und "Welt" bis "3sat Kulturzeit" lässt er sich zum Retter der Kunstfreiheit hochspielen, während Schmidt ungefragt Meinungen in den Mund gelegt werden, die dieser so in keiner Weise vertritt. Brenner darf sogar auf "Deutschlandradio Kultur" darüber schwadronieren, ob der Vorstoß aus Bad Lauchstädt denn im Wahlerfolg der AfD seine Ursache hätte. Wie hier unterschwellig Rufmord an Schmidt betrieben wird, das hat "Geschmäckle". Einzig die Journalisten von MDR Kultur fragen wirklich nach, bei beiden, Schmidt und Brenner, und plötzlich ist Herr Brenner froh, dass Schmidt doch kein Kunst-Zensor ist, und bezeichnet alles als bedauerliches Missverständnis. Da hatte Brenner seine überregionalen Schlagzeilen aber schon. Und im Netz bleibt er als empörter Verfechter eines politischen Theaters hängen, während Schmidt als "Maulkorb-Verpasser" hingestellt wird. Ganz schlechtes Theater von Herrn Brenner!!! Ein paar Tage später meldet er sich dann noch einmal zu Wort und kann sich plötzlich nicht erklären, wie die ganze Debatte in die "Nachtkritik" gelangen konnte. Für wie naiv hält er die User denn? - Ein Wort zum Schluss, um Missverständnisse diesmal auszuschließen: Ich halte die Positionen der AfD für dumm und gefährlich. Punkt! Zudem zuckte ich beim Wort "Lügenpresse" bisher immer zusammen. Wie aber in diesem Fall (bis auf Ausnahme von MDR Kultur) die Medien Schmidts Äußerungen aus dem Zusammenhang rissen, ihn bewusst falsch interpretierten und damit diskreditierten, dürfte mit dem Begriff "oberflächlicher Journalismus" noch sehr fein umschrieben sein. Unternimmt Herr Brenner jetzt etwas, um die Debatte, die er gegen Schmidt ins Rollen gebracht hat, wieder richtigzustellen? Obwohl, man weiß ja, dass das, wenn überhaupt, dann immer nur ganz kleingedruckt erscheint.
Nun gelang der Inhalt der Mail an die Öffentlichkeit, die Frage ist nun, wer lancierte das?
Ich finde übrigens die Fotos des Spielzeitheft des nt und Thalia Theater zum Teil nicht gelungen. Oft findet keine Interaktion statt, die theatermenschen wirken wie Fremdkörper im Heim, die für ein Foto tun, als wenn sie sich interessieren.