Presseschau vom 3. August 2016 – Shenja Lacher begründet im FAZ-Interview, warum er das Theater verlässt
"Dann tut es keiner"
"Dann tut es keiner"
3. August 2016. Im äußerst lesenswerten Interview mit Jörg Seewald in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung begründet Schauspieler Shenja Lacher, warum er am Münchner Residenztheater gekündigt hat und – zumindest vorübergehend – dem Theater den Rücken kehren wird, um sein Geld unter besseren Arbeitsbedingungen beim Film zu verdienen: "Ich liebe Theater über alles, aber die Strukturen innerhalb des Theaters sind mir zu autokratisch, fast noch feudalistisch. Das ist nicht neu, ich weiß, aber ich möchte mich diesem System nicht mehr aussetzen und zur Verfügung stellen."
Lacher erwähnt das bundesweite Ensemble-Netzwerk, das sich derzeit mit einer Theaterreform beschäftigt: "Es wurde über Gagen, Nichtverlängerungsschutz, Mutterschutz, Arbeitszeiterfassung, Mitbestimmung und den Schutz der Ensemblevertretung geredet. Das alles sind Dinge, die völlig normal sein sollten, auf die aber im Theater unter dem Deckmantel der Kunst keine Rücksicht genommen wird."
Vor allem kritisiert Lacher die Allmacht des Intendanten: "Warum hat ein einzelner Intendant das Recht, sich über alle beteiligten Künstler hinwegzusetzen und nur seine künstlerischen Interessen durchzusetzen? Warum darf bei einem Intendantenwechsel ein fast komplettes Ensemble gekündigt werden, obwohl die Leute super Schauspieler sind und sich verdient gemacht haben?" Stattdessen fordert er, einander zuzuhören und zu vertrauen. "Nur Material zu sein, das ist mir zu wenig. Ich habe auch was zu erzählen."
Außerdem hinterfragt Lacher, warum der Ton im Theater rauher ist als anderswo. "Langsam kriege ich davon Tinnitus. Du kannst mir die Sachen ja normal sagen. Ich habe so viel Feuer in meinem Arsch, das ich mich allein pushen kann. (...) Ich zerfleische mich schon selbst und mache mich genug kaputt für meine Rollen. Ich brauche niemanden, der mich anschreit." Schließlich habe die Leistung auf der Bühne auch nichts damit zu tun, dass man im Leben leide. "Ich habe in diese Abgründe geschaut und weiß zumindest, worüber ich rede. Aber ich muss ja niemanden töten, um einen Mörder spielen zu können. Dafür habe ich meine Phantasie."
(geka)
Update, 6. August 2016. Es sei mutig von Shenja Lacher, "die Probleme zu benennen und sich dafür gegebenenfalls als 'Nestbeschmutzer' beschimpfen zu lassen. Seine Kritik trifft das patriarchale System empfindlich", schreibt Christine Dössel in einem Kommentar zu Lachers FAZ-Interview in der Süddeutschen Zeitung (6.8.2016).
"Die Klage über den hierarchisch-autoritären Theaterbetrieb" sei zwar "nicht neu, aber selten kommt sie so direkt und deutlich von innen heraus. Dort herrscht nämlich Angst. Die Arbeitsbedingungen sind am Theater besonders prekär und die Abhängigkeiten groß. Selbst festangestellte Ensemblemitglieder haben in der Regel fortlaufende Jahresverträge, die jederzeit aufgrund 'künstlerischer Gründe' nicht verlängert, sprich: gekündigt werden können. Was 'künstlerische Gründe' sind, befindet der Intendant."
Martin Kušej, der regierende Intendant am Residenztheater, dürfe, so Dössel, "toben ob solcher Worte. Kušej ist ein Theaterpatriarch par excellence, der Kritik nicht duldet. Die Verfasserin dieser Zeilen hat er jüngst bei einer Premierenfeier im Hof – zu der das Publikum ausdrücklich eingeladen war – zur unerwünschten Person erklärt und des Ortes verwiesen, wegen einer negativen SZ-Kritik." (wb)
Mehr zu Shenja Lacher? Nachtkritiken zu Inszenierungen mit ihm erschienen zuletzt über Philoktet (Regie: Ivan Panteleev), Prinz Friedrich von Homburg (Regie: David Bösch), Drei Schwestern (Regie: Tina Lanik) und Peer Gynt (R: David Bösch).
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Recht hat er, sehr recht.
Auch wenn diese feudalen Strukturen, je nach Herrscher , unterschiedlich interpretiert werden können, und nicht auszuschliessen ist, das jemand auf die künstlerische Meinung von Schauspielern neugierig ist, die Grundstrucktur und die Interpretation der Position des Intendanten ist doch in den allermeisten Fällen autokratisch.
Und dieser Idee der Theaterkunstproduktion wird von der schreibenden Zunft auch in den meisten Fällen Verständnis entgegengebracht!
Fangen wir bei er stuktur an.
Ein Theater ist hierarchisch und fast schon feudalistisch aufgebaut,
da wie Herr Lacher nannte das Ensemble komplett abhängig vom Intendanten ist.
Es gibt in wirtschaftlichen Betrieben hierarchische Strukturen jedoch wird nicht ein großteil der Angestellten gefeuert, weil der Manager wechselt.
Mittlerweile gibt es einige Unternehmen die geziehlt nicht hieraschisch arbeiten.
Am Filmset ist die Bezahlung in allen Bereichen besser. Nur in Ausnahmefällen muss man zusätzlich am Wochenende arbeiten, dagegen ist dies am Theater gang und gebe vorallem auch bei Festangstellten mit 40 h Verträgen.
Von Nachtzuschlag und Feiertagszuschlag, brauch man gar nicht reden, denn durch den Arbeitsvertrag wird man davon ausgeschlossen. Das betrifft auch die festangestellten Mitarbeiter hinter der Bühne (Requiste, Kostüm, Maske, Gaderobe,...)Deren Einstiegsgehalt bei 1700 Brutto bis 2300 Brutto jenach Stadt und Land liegt.
Mittlerweile ist eine 6 Tage Woche keine Seltenheit mehr.
Personalrat und Abteilungsleiter versuchen das trotz gekürzter Stellen zu vermeiden. Jedoch wenns dann nicht so läuft wies soll gibts eins auf den Deckel.
Früher war man als Mitarbeiter quasi unkündbar, heute gibt es einen Arbeitsvertrag der jedes Jahr ein Jahr im vorausgekündigt werden kann sprich man fängt die Spielzeit im September an und weiß spätestens im Oktober das man nicht verlängert wird.
Und ja Herr Lacher wird bei Regissueren/-innen Mitspracherecht haben, den er kann selbst entscheiden mit wem er arbeitet und bestimmt melden sich die Produktionen die auch gerne mit ihm arbeiten. Das nennt man freien Markt.
Am Theater hat man als festes Ensemblemitglied nur ein gewisses Mitspracherecht.
Ja es gibt überall Probleme und dennoch steckt das Theater in einer alten festgefahrenen hieraschischen Struktur fest.
Und wer sich etwas in der Theaterwelt auskennt, weiß auch das der Intendant nicht immer den besten Ton erwischt,
Geschweige den die Mitarbeiterpflege
Natürlich: Es ist völlig unverständlich, dass ein Einzelner, ein Intendant ein komplettes künstlerisches Ensemble austauschen kann, wenn er an ein Haus kommt, dass er alles über den Haufen wirft, als wäre das, was er vorfindet nichts. Dabei hat er in seiner Bewerbung - die im übrigen ausgehängt werden sollte, damit jeder im Theater weiss, woran er ist - doch mehrfach betont, wie sehr er gerade dieses Ensemble des Theaters dieser Stadt schätzt, und wie ausschlaggebend dies für seine Bewerbung war.
Warum das ganze nicht genau anders herum denken:
ein Ensemble macht sich auf den Weg, den besten und passenden Künstlerischen Leiter an Bord zu holen. Dabei geht es nicht um ein Roulette (oder Karussel) großer Regisseursnamen, sondern darum, wer wirklich passt und gerade die Fähigkeiten mitbringt, die sie ein Ensemble wünscht. Ein Intendant bewirbt sich für ein Ensemble!
Und dieser sollte nicht mit allen Funktionen und Verantwortungen ausgestattet werden, sondern die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die ein Einzelner gar nicht mehr bewältigen kann, sollten einem Leitungsteam, einem Direktorium übergeben werden, in dem der künstlerische Leiter ein Vertreter sein kann.
Die Idee des allmächtigen und unantastbaren Intendanten stammt aus einer Zeit, in der Fürsten den Theatern vorstanden oder Vorsteher, Intendanten, eingesetzt haben, um ihre Rechte zu sichern, die vor allem in der Auswahl von Künstlern und Stücken, Autoren und Komponisten bestanden. Heute, 150 Jahre später, hat sich die Welt um das Theater herum stark verändert, die Aufgaben, ein Theater zu leiten, sind komplexer, vielfältiger und deutlich verantwortungsvoller geworden.
Um ein Theater leiten zu können, bedarf es einer profunden Ausbildung. Der weg durch die Institution und eine gute Positionierung in wichtigen Netzwerken und Verteilern reicht hierfür längst nicht mehr. Aber nur wenige Gesellschafter haben die Zeichen der Zeit verstanden. Und so vertrauen die Entscheider noch dem Alten und alles geht weiter seinen Gang, als hätte sich die Welt nicht in so vielem, auch für das Theater wichtigem geändert.
Deshalb ist es auch völlig logisch, dass die Theater, so sehr sie auch auszubrechen versuchen, in ihrer alten Struktur verharren und nicht in der Lage sind, ein neues Modell zu entwerfen, dass die Zuschauer, vor allem aber die eigenen Ensembles viel stärker in die Entwicklung einer Linie, eines Konzeptes, eines Programms und einer Struktur einbindet.
Ein Theater dass ein Programm ohne sein Ensemble macht, macht Programm gegen das Ensemble. Bei der Entwicklung eines Programmes, eines Spielplanes, von Besetzungen, sind die Vertreter der Ensembles einzubinden. Der Brechtsche Gedanke des Theaters als kollektiver Form ist völlig untergegangen, anstatt diesen weiter zu entwickeln, hat sich das Intendantenmodell in den letzten vierzig Jahren zu einem höfischen Modell in postmodernem Gewand pervertiert.
Das Verhalten von Intendanten, die auf der einen Seite wie Sonnenkönige (es sind zumeist Könige) herrschen, auf der anderen Seite eine peinliche Duz- und Kumpelkultur pflegen ist, ist kaum noch nachzuvollziehen.
Am Horizont ein Silberstreif: das ensemble-netzwerk, das für bessere und gerechte Arbeitsbedingungen der Bühnenkünstler kämpft, aber auch ein neues Team an der Spitze der Intendantengruppe, mit Hasko Weber als Vorsitzendem, und einem hoffentlich zugänglicheren Geschäftsführer des Bühnenvereins. Der Gehende hat mit seiner harten Haltung seinen Beitrag dazu geleistet hat, dass der Stundenlohn eines jungen Schauspielers deutlich unter dem des Kollegen an der Frittiermaschine bei MacDonalds liegt. Postfeudalismus versus Neoliberalismus?
Die Aufgabe ein Theater zu leiten ist heute nicht komplexer als vor vielleicht 200 oder 2000 Jahren.
Sie ist k o m p l i z i e r t e r, weil mehr Kommunikationsmittel als früher bei ihrer Bewältigung angewendet werden müssen. Nicht komplexer. Das ist ein Unterschied. Und zwar ein sehr großer.
Ein Theater oder ein Ensemble, das denkt, die Aufgabe sei komplexer als früher, hat die Suche nach einer geeigneten Führung bereits verloren.Als Interimslösung und Lösung für Ensembles, die gar nicht (mehr) diesen starken Ensemblewillen haben, finde ich Ihren Vorschlag, Cotard, sehr sehr gut, dass ein neuer Intendant sich beim Ensemble bewwerben sollte. So, dass seine schriftlich fixierten Vorstellungen für alle Mitarbeiter einzusehen sind und theaterintern öffentlich gemacht werden. So, dass er dem Ensemble Rede und Antwort stehen kann und sollte nach einer Interimszeit, in dem das Ensemble seine konkreten Fragen an ihn überlegen und zu einem festgelegten Termin stellen kann.
Die Betonung liegt auf FRAGEN, nicht auf Meinungsäußerungen.
Das gehört zur kommunikativen Disziplin in solchen Fällen.
Und dann kann es sehen und erleben, ob der Bewerber dann seine, des Ensembles konkrete Fragen konkret beantwortet. Oder ob er hilflos in Gelaber und Phrasiologie ausweicht.
Ein Ensemble mit einem eigenen, ausgeprägten Ensemblewillen wird seinen Weg zu einer ihm adäquaten Führung finden. Der Rest der Ensembles muss das halt proben.
Schlecht ! Sehr schlecht . Lassen Sie das in Zukunft . Schadet Ihnen nur ,es sei denn , Sie wollen in Zukunft was ganz anderes machen .Film und Theater sind mittlerweile verknüpfter als früher . Man kann nicht ins eine Nest scheissen und davon ausgehen , dass die anderen das nicht riechen . Und ja , das Metier ist nicht fair . Keineswegs . Aber welches ist das schon ? Und , ganz ehrlich , im Gegensatz zu anderen Jobs geht's Ihnen doch ganz gut .Auch im Gegensatz zu manchen Kollegen an kleineren Häusern . Passen Sie in Zukunft bisschen auf mit dem öffentlichen Genöhle . Das kommt gar nicht gut an . Bei Kollegen nicht , bei Intendanten und Regisseuren nicht ,und vor allem nicht beim Publikum .
Gruß und viel Glück!
Das bestätigt genau das, was Shenja Lacher da beschrieben hat. Mir scheint, es wird Zeit, dass auch die Bühnenschauspieler das Maul aufmachen. Der BFFS führt diese Debatte für die Schauspieler bei Film und Fernsehen schon länger. Ich finde es mutig und traurig zugleich, dass das so nötig scheint. Es macht einen Unterschied, sich als Arbeitnehmer sichtbar zu machen und nicht als Promi.
Abhauen ist sicher die ultima ratio.
Es geht doch um die Summe der "Widrigkeiten", und wer ab und sn einen Film macht, hat mehr Zeit für das Kind und das eigene Wohl- es gibt außerdem verhältnismäßig mehr Geld etc.
Ich bedaure und betraure Lachers Abschied. Ein sehr lustiger und besonderer Mann.
Danke ! Und @ 17 : Sie haben recht ! Ich schäme mich überhaupt auf diesen Quatsch eingegangen zu sein . Ist keines Kommentares würdig . Bin auch im Sommerloch .
Gruß
Hinsichtlich der hierarchischen Allmacht eines Intendanten bleibt leider festzuhalten, dass es - wie in jedem größeren Unternehmen - nun mal einen (politischen) Verantwortlichen geben muss. Ethisch fragwürdig bleibt jedoch sicherlich das nicht unübliche Procedere, das komplette Ensemble einfach einmal auszutauschen. Letztendlich sollte doch der Zuschauer im Theater über Erfolg bzw. Misserfolg eines Stückes bzw. der daran beteiligten Personen entscheiden. Der Mikrokosmos "Theater" scheint diesen jedoch als zunehmend störend zu empfinden, Hauptsache man kann auf Kosten der Steuerzahler exzentrisches Regietheater in allen nur denkbaren Varianten inszenieren. Vielleicht wäre es sinnvoll, die Theatermacher zukünftig wieder mehr ins unternehmerische Risiko zu nehmen, um die zahlreichen Exzesse zu limitieren. Denn nur ein spielfreudiges Ensemble mit Top-Schauspielern, einem gleichermaßen anspruchsvollen wie ansprechenden Repertoire sowie effizienten Strukturen darf langfristig auf den Applaus des Publikums hoffen und wird somit in der modernen Welt überleben können. Ansonsten bleibt nur noch der Rückzug in den vielzitierten Elfenbeinturm, welcher aber für die Mitarbeiter am Theater sicherlich nicht mit monetären Verbesserungen einhergehen dürfte.
Sie fangen hier jetzt gerade damit an, den kulturellen gegen den sozialen Bereich auszuspielen. Genau das, dieser Abgrenzungsdiskurs, ist aber in meinen Augen ein ganz falscher und treibt die Menschen bloß ins Gegeneinander, nicht ins Miteinander. Berufliche Tätigkeiten, die ein jeder immer nur für sich selbst wählt, sollten Sie nicht von aussen als sozial "besser" oder "schlechter" bewerten, sondern immer nur unter dem Gesichtspunkt der fairen Bezahlung. Sonst beginnen Sie lieber zu fragen, warum z.B. soviele öffentliche Gelder in Flughafenprojekten, Rüstungsprojekten und dergleichen, ebenso dem Gemeinwohl nicht dienlich, verschleudert werden.
Kunst lässt sich nunmal nicht an ihrer sozialen Relevanz messen, da können Sie dann ja gleich von oben planen, was "das Volk" im Theater lernen und mitnehmen solle. Lieber nicht.
Schließlich, ich empfinde es als absurd, dass Shenja Lachers persönliche Einzelentscheidung hier so hochgepusht wird. Ob ihm das gut tut?
Peters Aussage (#10) ist nun der Dank dafür. Die empfinde ich als total überheblich, mit so einem Menschen möchte ich auch nicht im Theater zusammenarbeiten. Sei stark, Mann/Frau/whatever, oder du bist nicht mehr dabei. Nein, danke. Da kann kein gutes Theater bei rauskommen. Ekelhaftes, patriarchales Machotum und Herrschergehabe!
Habe schon öfter gehört, dass Theater versuchen, die Auswahl der Kritiker zu beeinflussen (und manchmal mag es auch dafür berechtigte Gründe geben). Gibt es dazu von der NK-Redaktion oder anderen Journalisten Erfahrungen?
Zum anderen kann ich aus der Erfahrung mit Theaterhochschulen (die teils ebenso geleitet werden wie Stadttheater, nämlich durch ein Klima der Angst) sagen, dass eine junge, selbstbewusste Künstlergeneration sich nicht davon wird abspeisen lassen, dass die Strukturen eben "so sind wie sie sind". Dieser Fatalismus, der in manchen Kommentaren hier durchscheint, kann nicht mit Kunstmachen Hand in Hand gehen.
Theater machen heißt gestalten, und es ist allerhöchste Zeit, dass das nicht nur auf der Bühne stattfindet. Sondern auch darumherum. Kein Theater, kein/e IntendantIn, kein/e RegisseurIn ist glaubwürdig, wenn er/sie/es zwar liberale, kapitalismuskritische Parolen raushaut, aber nach innen munter hierarchische und neoliberale Arbeitsbedingungen deluxe zementiert. Keiner kann Kunst machen, ohne zu wissen, was es heißt, zu leben, und das geht bei einer 90-Stunden-Woche in black cubes nicht. Vielleicht wird das Theater deswegen zunehmend weltfremd.
Man kann einem Schauspieler, der seit zehn Jahren im Beruf ist, nicht anlasten, dass er "wegrennt", oder "naiv" sei. Wer das behauptet, kennt die Realität nicht, möchte sie nicht sehen, oder ist für sie verantwortlich.
Ich persönlich sollte noch nirgendwo ferngehalten oder besonders dringlich hinzugezogen werden (zumindest gibt das meine Erinnerung nicht her). Allerdings kam es schon vor, dass man als nachtkritik-Redakteur von Intendanten (an Intendantinnen erinnere ich mich hierbei nicht) angesprochen wurde, ob nicht xy mal über das Theater schreiben könne. Und ein Fall ist mir auch erinnerlich, in dem ein Intendant massiv versuchte, einen Kritiker bei der Redaktion zu diskreditieren. Diese Situationen sind sehr ärgerlich, weil sie einen nolens volens in eine Befangenheit hineinmanövrieren. Man fühlt sich bei der Beauftragung einer Autor*in sofort unfreier.
Hat nicht Hans Neuenfels mal Gerhard Stadelmaier an der Freien Volksbühne mit Hausverbot belegt?
frage mich, warum man die bedingungen, wie theater gemacht wird und den umgang mit den menschen für irrelevant halten könnte.
„Es geht einfach nicht mehr.“ sagt Lacher. Das ist absolut nachvollziehbar. Und das war es dann auch schon. Niemand wird darauf wirklich Rücksicht nehmen. Niemand geht hier wirklich darauf ein.
Allerdings wäre es schön, wenn diese drei Grundforderungen innerhalb des Theaterbetriebes ausgefochten würde. Und nicht zu einer Flucht führten. Hierzu fehlen aber die Partner auf allen Seiten. Es fehlt die Solidarität. Das muss man begreifen.
Man wartet bis die Kinder groß und erwachsen sind, und dann versucht man eventuell, falls es einen immer noch interessiert, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Doch am Ende bleiben immer noch zwei unerfüllte Ziele, die sich am Theater nur schwer realisieren lassen als Mann.
Lacher sagt, er brauche mehr Zeit für sich und seine Kinder, es ginge einfach nicht mehr. Heult er nur für Sie rum? Wo sehen Sie da den Schwanzvergleich? Jetzt flippen Sie mal nicht gleich aus, nur weil es mal nicht um ihre "Eier" geht, sie weiblicher "Macho".
Die Arbeitsbedingungen an Theatern sind bekannt und hier hinlänglich seit Jahren diskutiert. Die Machtfülle der Intendanten und die quasi "feudalistischen" Hierarchien in den Theatern genauso.
Was hat sich nun geändert? Ein einzelner Künstler bekommt die Möglichkeit das System aus seiner persönlichen Sicht zu beschreiben und zu erklären, dass er nicht mehr mitmachen will.
Und sobald die Diskussion vom Allgemeinen ins Konkrete wechselt sammeln sich die Verteidiger des Systems und rechtfertigen es. Gemeinsamer Tenor: Heul doch Pussy. Das ist schon ziemlich armselig.
Lachers Interview ist wichtig, weil es Bekanntes an extrem prominenter Stelle wiederholt und weil es erneut ein krankes System in Frage stellt.
@37+41 Lieber Sam. "Feudalistisch" ist eine Metapher. Und sie beschreibt die Arbeitsbedingungen im Bereich des NV-Bühne, die Macht der Intendanten und das herrschende Geflecht aus Beziehungen, Gefälligkeiten und Abhängigkeiten ganz gut. Wenn Ihnen die Metapher nicht passt, wie wäre es mit "vormodern", "patriarchalisch", "Manchester-Kapitalismus", "lobbygesteuert" oder "ausbeuterisch". Oder schlagen Sie uns bitte eine andere vor.
Und die Doppelspitzen? Wo ist der Widerspruch? In der Regel haben die Intendanten ein Alleinentscheidungsrecht in künstlerischen Fragen. Also sie allein bestimmen endgültig über Engagements, Spielpläne, Gäste, Disposition, Inhalte ... also über alles das, was ein Theater zu einem Theater macht. En Kaufmännischer Geschäftsfüher /Verwaltungsdirektor o.ä. kann eventuell finanzielle Schieflagen und derbe Verstöße gegen herrschende Gesetze verhindern. Aber die Macht eines Intendanten über die Kunst und Künstler schränkt er nicht ein.
Und ihr vergleich mit der Wirtschaft hinkt. Dort ist Erfolg quantifizierbar. Ihr Vergleich mit der Politik hinkt ebenso. Dort entscheiden Wahlen (intern und öffentlich) über Personen. Aber über die Situation in Wirtschaft und Politik spricht hier ohnehin keiner. Oder wollen Sie uns sagen, dass solange es Probleme in irgendeinem Bereich des menschlichen Zusammenlebens gibt, sind die Bedingungen innerhalb der Theater nicht zu kritisieren?
Werter J.A., werter Sam,
den Euphemismus des modernen Nomadentums kann ich nicht mehr hören.
Der NV Bühne Vertrag ist vor über Hundert Jahren erfunden und weiter entwickelt worden, auch um die Schauspieler klein zu halten, und ihnen nicht die Möglichkeit einzuräumen, zu einem richtigen Ensemble zusammen zu wachsen.
Wer das toll findet, alle zwei, drei Jahre ein neues Theater suchen zu müssen, kann das weiterhin tun, aber allen anderen wird es auch künstlerisch besser ergehen, wenn Spieler, Sänger, Tänzer länger zusammen arbeiten.
Erst wenn man zwei, drei Jahre zusammen gearbeitet hat, entwickelt sich doch das, was man Ensemble nennt. Und dann wird beim nächsten Intendantenwechsel gleich wieder alles auseinander gerissen? Warum?
Zum Begriff des "feudalistischen", Klaus M. hat es gut erklärt.
Es ist wahrlich auch eine Metapher, und doch hat die Regentschaft eines Intendanten schon etwas sehr feudalistisches, mit leichter Tendenz zum autoritären.
Einer entscheidet, und ein Reglement an Dienstvereinbarungen segnet das auch noch ab. Und die Angst der jungen KünstlerInnen führt dazu, dass dieser Eine immer mehr gestärkt wird. Seine Machtattribute oder Symbole, das Intendantenzimmer, sein Vorzimmer, die Unerreichbarkeit, das Strenge und zugleich das Freundschaftliche, verstärken das.
Und vor allem: es gibt kein Korrektiv:
nicht bei den Gagen, nicht bei den Nichtverlängerungen,
nicht bei den Neueinstellungen, nicht bei den Besetzungen,
nicht bei der Auswahl der Regieteams - die fünf Dinge für die sich ein Schauspieler interessiert.
Und genau dort, wo einer bzw. eine, die es eigentlich angeht, die Schauspielerin, dort, wo diese nicht eingreifen oder korrigieren kann, gibt es kein Korrektiv mehr, nur noch pure Macht.
Und diese Macht wird von Bühnenvereinssitzung zur Bühnenvereinssitzung zementiert. Jedes Gesprächsangebot ist nur eine Geste. Nichts wird sich ändern, wenn nicht ordentlich an den Grundfesten dieses wilhelminisch begründeten, öffentlich finanzierten Theatersystems gerüttelt wird, und die Schauspieler endlich etwas teilhaben und partizipieren an der Fülle von Entscheidungen.
Genau das ist das Problem unseres Theatersystems.
Und genau das hat Shenja Lacher angesprochen.
Und genau das wird Thema bleiben, bis sich diesmal etwas ändert.
Sie operieren ausschließlich mit Unterstellungen, die sie als Fakten präsentieren.
Die Erfahrungen, die Sie mit autokratisch regierenden Intendanten und Regisseuren gemacht haben, müssen tiefe Narben hinterlassen haben. Oder Sie sehen eh in jedem Chefgedanken nur das Böse?
Aber vielleicht ist es auch so:
Lacher will drehen. So geht es vielen Ensembleschauspielern irgendwann, nach meiner Erfahrung spätestens ab Mitte 30.
Sie sehen Kollegen, die mit zwei 6 Wochen Drehs pro Jahr ihren Lebensunterhalt verdienen und den Rest des Jahres viel Zeit fürs Lesen, Reisen, Familie und Freunde haben. Sie sehen Künstler, die einem riesigen Publikum bekannt sind und von diesem gefeiert werden.
Wenn es gut läuft, bedeutet Drehen viel mehr Geld bei viel weniger zeitlichem Aufwand - im Vergleich zum Theater.
Es ist Shenja Lacher zu wünschen, dass es für ihn klappt!
An welchen/ wie vielen Theatern steht kein Betriebsrat und Geschäftsführer neben dem Intendanten?
An wie vielen Theater sitzen neben dem Intendanten weiter Personen (Dramturgen, Ausstattungsleiter,....) in der Künstlerischen Leitung?
Wie viele Regisseure sind wieder gekommen nachdem das Ensemble klar und mehrheitlich gesagt hat, dass sie ihn/ sie nicht mehr wollen?
Sind schwer auszumachende Zahlen, aber vielleicht regt das konkrete Nachdenken darüber die Polemiker zur Mäßigung an. #46 nennt doch konkrete Vorgänge. Die scheinen mir aus meiner Praxiserfahrung wesentlich realistischer als die Pauschalverurteilungen in vielen anderen Beiträgen.
Hasskappen abnehmen?! Lacher sagt doch, er liebe das Theater!!! Bringen Sie doch einfach mal Castorf dazu in seiner letzten Spielzeit einen betriebseigenen Kindergarten an der Volksbühne zu eröffnen! Dann wäre der Laden schon nicht mehr ganz so rückständig. Dann schicken sie Frank noch zu einem Wutlehrgang und alles wird gut und Kusej macht gleich mit und noch ein paar andere.
Bin ich nur altmodisch oder war es nicht mal ungeschriebenes Gesetz, daß man als Kritiker auf der Feier der Premiere erscheint, die man dann am nächsten Tag - oder noch angetüdelt in der selben Nacht - bespricht? Hat man je wirklich gute Kritiker wie Benjamin Henrichs auf Premierenfeiern gesehen? Das ist halt die Einsamkeit eines Kritikers: Er kann nicht fraternisieren und dann noch objektiv sein wollen. Danke, Kusej!
Aber selbst wenn es da furchtbar wäre, Herr Baucks, sollte niemand daraus auf andere deutsche Theater schließen. Und dieser Eindruck entsteht leider (nach meinem Gefühl jedenfalls) in dem Interview. Was weniger an Herrn Lacher lag, als an dem fragenden Journalisten, der individuelle Antworten Lachers zumeist mit sehr generellen Folgefragen paarte - was den allgemeinen Gesamtaussage-Charakter des Interviews kreierte.
Und, liebe/r ICH (#51), selbstverständlich hat jede/r Intendant/in seine Dramaturginnen und Dramaturgen, die ihn/ihn beraten. An mir bekannten Häusern bildet diese Gruppe ein Leitungsteam. Wobei der Intendant dennoch das letzte Wort hätte, im (seltenen) Falle des Falles, dass man nicht zu einer gemeinsamen Haltung findet.
Auch Ihr Hinweis auf Regierückkehrer bei ablehnendem Ensemble kann ich aus meiner Erfahrung wie folgt beantworten:
Wenn ein Regisseur / eine Regisseurin so viel verbrannte Erde in einem Ensemble hinterlassen hat, das niemand mit ihm/ihn mehr arbeiten will, werden nur wenige Leitungen diese/n Regisseur/in erneut engagieren.
Alle Schauspieler, die ich kenne, sind nämlich durchaus "hart im nehmen." Will sagen: Da wirft keiner das Handtuch nur wegen einer lautstarken Auseinandersetzung oder einem anstrengenden Probenprozess.
Wenn eine große Anzahl von Ensembleschauspielern sagt, nie wieder mit mir, dann passiert das meiner Erfahrung nach nur, wenn die Proben ungut liefen UND das Ergebnis künstlerisch völlig unbefriedigend war.
Was mir in dem Interview total fehlt, ist der Blick jenseits des Resis.
Es gibt durchaus gute Leitungen, wo der/die Intendant/in
kein keifender Alleinherrscher ist. Wo er/sie sich mit seiner/ihrer Dramaturgie im ständigen Gedankenaustausch befindet, und genauso mit seinem/ihrem Ensemble, und dieses wiederrum mit der Dramaturgie. Wo Schauspieler/Innen von tollen Regisseuren/innen sprechen, von tollen Inszenierungen, die sie gesehen haben, Dramaturgen/innen diese dann anschauen fahren, und der Intendant sie engagiert. Wo Schauspieler/Innen Stücke empfehlen, die mit in die Spielplanauswahl einfließen.
Und das, weil genau so eine Gesprächskultur nicht nur menschlich, sondern auch inhaltlich-künstlerisch sehr viel Sinn macht!
Vielleicht hat Herr Lacher das nie erleben dürfen. Andere hier auch nicht. Ich aber habe genau sowas erlebt, und zwar an zwei verschiedenen Häusern.
Also gibt es zumindestens beide Varianten.
Ich habe es so erlebt dass meine Intendantin nach jedem Premierenrunde mit dem ganzen Ensemble und allen Dramturgen über künstlerische wie athmosphärische Belange der Produktion geredet hat. Vorschläge, Zustimmung oder Ablehnung wurden zur Kenntnis genommen und sind in die Entscheidung der Leitung eingeflossen.
Als Regisseur habe ich es auch so erlebt, dass man keine Inszenierung tatsächlich gegen das Ensemble machen kann. Wenn man sich einfach autoritär durchsetzt, war das sicher die letzte Inszenierung an dem Haus. Zumindest in meinen Proben sitzt ja auch regelmäßig ein Dramturgen des Hauses. Der plädiert doch intern auch nicht mehr für mich, wenn ich alle Schauspsieler gegen mich aufbringe.
Womit ich nicht sagen will, dass Theaterproben konfliktfrei sein müssen oder sind, oder dass man diesen gar ausweichen sollte um dort einen weiteren Job zu bekommen. Das wär sicher falsch.
Noch einer abschließend: Ich geh Uni jede Probe mit der Haltung dass alle Beteiligten prinzipiell in die selbe Richtung wollen und geomeinsam was tolles machen wollen. Dieses Vertrauen intern scheinen im Moment viele in der Branche zugunsten eines prinzipiellen Misstrauens und Einer grundsätzlichen Konfrontation aufgegeben zu haben. Als hätten Intendanten, Regisseure und Ensemble grundsätzlich unterschiedliche Interessen.
Ich spreche über die Arbeitsbedingungen, die -ich- kenne. Herr Lacher spricht über seine, und daraus wird geschlossen, dass er für alle spricht.
Und ich vermute laut: Nein, tut er nicht.
(Aber: Machen Sie sich aber doch bitte keine so großen Sorgen. Auf die Motive und Beweggründe von Lacher sind doch nun viele viele andere schon ausführlich eingegangen, wirklich.)
Und mein Beitrag dazu ist: Ich arbeite seit 18 Jahren sehr gerne am Theater.
Ich arbeite sehr viel, ich verdiene nicht viel.
Dass das so sein würde, wusste ich seid meiner ersten Hospitanz. Theater ist viel arbeiten für wenig Geld.
Und ich bin dennoch dabei geblieben, habe mich dafür bewusst entschieden und das nie bereut. Denn das Theaterleben macht mir (die meiste Zeit) sehr sehr viel Freude. Und das ist mir sehr wichtig.
Es ist und bleibt mein Traumjob.
http://www.deutschlandfunk.de/dlf-audio-archiv.2386.de.html?drau:broadcast_id=146
sie sprechen gar nicht über Arbeitsbedingungen . Sie sprechen über ihr Arbeitsklima, ihre Arbeitsatmosphäre . Arbeitsbedingungen sind Verhältnisse, auf die ich mich im Zweifelsfall berufen kann, die sogar einklagbar sind, die durch Regeln, Verträge und Gesetze festgeschrieben sind. Sie wollen sich einfach nur in ihrem Job wohlfühlen , deshalb verweigern sie eine Debatte über Arbeitsbedingungen , das könnte nämlich unangenehm werden und ihr subjektives Empfinden stören. Was Lacher indirekt fordert, sind allgemein verbindliche Arbeitsbedingungen . Und dem wollen sie sich nicht stellen. Sie setzen ihre Empfindungen gegen die seinen. Und das reicht eben nicht. Es gibt aber eine nachvollziehbare Forderung nach einer Erneuerung der Arbeitsbedingungen für Schauspieler und Schauspielerinnen. Dieser Entwicklung sollten sie sich unabhängig von ihrer persönlichen Befindlichkeit stellen.
Es kömmt drauf an, sie zu verändern. (nach Marx)
ich weiß nicht, ob man gleich zu Marx greifen muss, aber wer Theater wie folgt definiert:
"Theater ist viel Arbeit für wenig Geld."
der hat echt den Schuss nicht gehört.
Und ungenau zuzuspitzen.
Ich sagte "Theater ist viel Arbeit mit wenig Geld" + "mit sehr sehr viel Freude"
Und offenbar haben Sie das ja auch gelesen.
Wenn ich so polemisch agieren würde wie Sie, würde ich jetzt schreiben: Ich verstehe, dass es für einen durch-und-durch-Theatermenschen wie Sie ungut sein muss, derzeit nicht am Theater zu arbeiten, sondern es nur noch per nachtkritik-Debatten begleiten zu können.
Kein Grund aber, jemanden anzugehen, der sehr sehr gerne am Theater arbeitet, und zwar seit vielen Jahren. Lachen Sie mich ruhig aus, dass ich den -persönlichen- Wert oder Nicht-Wert meines Berufes nicht primär über die Gage definiere, sondern darüber, wie er zu meinem persönlichen Lebensglück beiträgt.
Und natürlich handelt die Debatte sowohl von Arbeitsbedingungen als auch vom Arbeitsklima, da haben Sie recht. Aber auch Lachers Interview handelte von beidem, ohne dass Sie -ihm- dieses vorwarfen.
Er fühlt sich offenbar seit längerer Zeit am Theater nicht mehr wohl. Das hat durchaus viel mit dem Arbeitsklima zu tun. Wir debattierten weiter oben über "feudalistisch" oder "rückständig" herrschende Intendanten, "Macho Regisseure", usw. Sie schrieben "Im Grunde ist es ganz einfach. Wenn man als Mann drei Dinge erreichen möchte: Gewaltfreiheit. Karrierefreiheit. Und freien Zugang zu seinen Kindern. Dann ist das mit dem Theaterbetrieb so gut wie unvereinbar."
So wird Ihre Erfahrung gewesen sein, und sicher auch die anderer, und es ist eine schlimme Erfahrung.
Und ich sage: Natürlich gibt es Theater, in der das Ensemble in gewaltfreier Umgebung arbeiten kann! Natürlich gibt es Theaterleitungen, die alles geben werden, damit ihre Ensemblemitglieder gastieren können oder drehen. Natürlich gibt es Theaterleitungen, die sich bemühen, per Freirunden, Probenplanungen usw Rücksicht auf Eltern nehmen.
Sie kennen diese Theater nicht, okay, und ich habe das Glück, sie kennengelernt zu haben.
Selbstverständlich sollten Schauspieler/Innen mehr verdienen. Und vor allem Assistenten. Auch viele andere Forderungen finden meine volle Unterstützung.
Aber Sie zeichnen mit immer herzhafteren Strichen ein Bild des deutschen Theaters, dem ich weiterhin widersprechen werde: Nein, das deutsche Theater ist keine große Sklavenanstalt mit vielen Filialen, in denen Oberaufseher sadistisch lächelnd mit der Peitsche um sich schlagen.
Also: Ja, Arbeitsbedingungen verbessern! Aber ohne falsche Polemik.
ich habe genau soviel Zeit am Theater verbracht, wie sie und natürlich habe ich auch positive Erfahrungen gemacht. Aber darum geht es überhaupt nicht. Und es ist auch schön und fein, dass es nette Intendanten gibt. Aber! Es geht nicht darum, ob jemand am Theater nett sein kann, sondern darum, dass man bei seiner Arbeit nicht abhängig von den guten oder schlechten Launen eines Vorgesetzten sein sollte. Es geht darum, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die einen unabhängig vom Wohlwollen oder Missfallen der Leitung machen. Solche Arbeitsbedingungen zu definieren ist wahrlich schwierig . Zu dem, sie Verteidigen nicht das Theater, sie verteidigen ihre Haltung zum Theater. Mehr nicht. Und wer diese ihre Haltung nicht unmittelbar teilt, wird verdächtig gemacht. So auch Herr Lacher. Sie verlangen indirekt Gehorsam gegenüber ihrer Haltung, ansonsten droht Ausgrenzung. Da hilft dann auch kein guter Umgangston mehr, denn im Streitfall abonnieren sie das Theater für sich und die anderen und Herr Lacher sind die Schwarzen Schafe. Das ist der fast immer übliche Ablauf von kritischen Debatten an Theatern, in denen die sogenannten Verteidiger als die eigentlichen Eigner auftreten wollen, was sie nicht sind. Lacher's Entscheidung soll auf dem Wege zum Einzelfall degradiert werden, den man nicht weiter beachten muss, weil innerhalb der Definitionshoheit der selbsternannten Eigner eigentlich alles in Ordnung ist und man nur, allerdings zögerlich, einige Zugeständnisse zu machen braucht. Das Ziel aber sollte sein, die Kreativen unabhängig von kleinen Zugeständnissen, Launen und Wohlwollen zu machen.
Gruß
Baucks
Warum sollte jemand zwischen einer Theaterkritikerin und einem Intendanten schlichten? - Die haben sich offensichtlich doch gar nicht gestritten! Sondern sich nur durch beruflich unpassende Anwesenheit bzw. einen möglicherweise unpassenden Ausdruck über die Empfindung einer unpassenden Anwesenheit gegenseitig beleidigt.
Warum soll jemand konkretes als Einzelperson Mittel bereithalten, die es jemandem, der selbst gekündigt hat, ermöglichen würden am ehemaligen Arbeitsort wieder eingestellt werden zu wollen???
Warum sollte sich im konkreten Fall Kusej zu diesem Interview öffentlich verhalten?? Er ist schließlich nicht namentlich angegriffen worden und Regiekollegen des Hauses sind ebenfalls nicht namentlich angegriffen worden?
Seit wann verlangt jemand "Gehorsam" gegenüber seiner eigenen Haltung dadurch, dass er diese als explizit eigene Haltung formuliert?? - Ein echtes Sommerloch-Rätsel - wäre das, wären wir nicht dergleichen haltlose, trollige Vorwrüfe unter diesem Signum hier gewohnt
2. Frage: Ja. Tut er. Wenn er trotzdem auf dem Wege Stimmungs-Interna einholen will - weil das sein Job ist - muss er alternativ einen guten Freund hinschicken, der ihm alles brühwarm erzählt. Ansonsten muss er sich eben mit den offiziellen Reden und Kommentaren und deren sachlicher Auswertung begnügen und sich seinen Reim darauf machen. Und zu diesem seinen selbst darauf gemachten Reim journalistisch und rein argumentativ stehen.
Hoffnungsvoll,
L.
Wenn Sie wieder einmal verlesen, was ich vielleicht meine, empfehle ich Ihnen Beitrag #67
wann würden Sie denn überhaupt einen Handlungsbedarf anerkennen wollen? Wie weit müssen sich Arbeitsverhältnisse verschlechtern bis sie Anteil daran nehmen?
Wenn einer der besten Schauspieler das Haus verlässt , weil er die Arbeitsbedingungen nicht mehr erträgt, und er dies öffentlich macht, dann sollte das einen Intendanten bewegen und er sollte sich dazu verhalten. Was schützt ihn denn davor, dass Lacher andere folgen.
Was für eine Zuspitzung muss denn erreicht werden, damit sich etwas tut?!
Und die Diskussion darüber , ob ein Kritiker auf eine Feier geht oder aber nicht ist so altbacken , einfach lächerlich. Interessant wird es erst in dem Zusammenhang , wie kritikfähig Kusej ist, und da sind seine Grenzen wohl sehr eng gezogen. Wenn das gegenüber Lacher ebenso war, kann man ihn nur allzu gut verstehen.
Sie brauchen offensichtlich einen richtig harten Arbeitskampf, bevor sie aufwachen. Viel Spaß dabei.
Ich erkenne ja auch seinen handelnden Schreibbedarf hier an. Z.B. Ich habe eigenen Anteil an schlechten Arbeitsverhältnissen und muss deshalb nicht Anteil nehmen an den ebenfalls schlechten Arbeitsverhältnissen anderer, sofern sie nicht ersichtlich noch schlechter als meine sind.
Niemand schützt irgeneinen Intendanten davor, dass seine besten Leute ihn verlassen, wenn nicht er sich selbst.
Herr Lacher hat nicht öffentlich gemacht, dass er diese Arbeitsverhältnisse nicht mehr erträgt und deshalb kündigt, sondern dass er lieber andere Arbeitsverhältnisse undoder ein anderes Arbeitsklima besser veträgt als das welches er nunmehr gekündigt hat.
Ich weiß nicht, ob er damit Filmleuten einen wirklich kollegialen Gefallen getan hat...
Die Zuspitzung die erreicht werden muss, damit sich in den Theatern etwas in Richtung künstlerisch für Programmatik relevante Mitbestimmung grundsätzlich tut, ist, dass niemand mehr ins Theater geht, weil das Leben unterhaltsamer und kunstvoller und emotional befreiender ist als Theater.
Einschließlich des Performance-Theaters.
Vorher wird sich gar nichts tun. Ich meine Grundsätzliches. Das liegt in der Natur der Sache Theater.
Wenn Premierenfeiern öffentlich sind, kann jeder, auch ein Kritiker hingehen. Theaterpremierenfeiern sind aber meiner Erfahrung nach für Freunde,Verwandte und sensible Kollegen eingeschränkt geöffnete Betriebsfeiern. Und da sollte ein Kritiker geflissentlich vermeiden dort hinzugehen, weil er spürbar liebgehabt werden will auch wenn er mal Verrisse schreibt... Bei einer internen Betriebsfeier darf Herr Kusej so kritikunfähig gegenüber zuvor erlittener Kritiker-Schmach sein wie er will. Und es steht bei so einer Feier auch nichts dem im Wege, dass die Frau Dössel, wenn er ihr allzu frech kommt, ihm eine runterhaut wegen Unverschämtheit in Anwesenheit anderer. Wenn sie das nicht gemacht hat, hatte sie vermutlich irgendwie so ein Gefühl, dass sie eben doch deplaziert dort war. Das ist doch gut, wenn sie darüber nachdenken kann im Zusammenhang mit ihrem Beruf! Ohne, dass ihr wirklich wehgetan wurde. Und das ist doch gut, dass wegen dieser Dössel-facebook-Indiskretion von (…) Baucks hier über Feierzulassungen von Kritikern diskutiert wird seither...
Ich brauche gar keinen Arbeitskampf. Ich schlafe, wenn ich schlafe. Und dann weckt mich kein noch so harter Kampf auf. Um ehrlich zu sein, würde mich ein richtig harter Kampf sogar so sehr langweilen, dass ich, falls ich gerade wach wäre, einschliefe über ihm. Wenn ich wach bin, versuche ich mich so gut es geht gewaltfrei zu beschäftigen und scheue dabei auch nicht vor eigener Lächerlichkeit zurück. Meist durch Schreiben und vor allem Lesen ohne Rücksicht auf Herkunft des Geschriebenen. Es darf auch gern das Kleingedruckte von Fahrscheinen oder Jahresprogramm-Ankündigungsheften von Theatern oder sonst was sein-
Könnte das bitte hier jemand auf sich nehmen, das dem Baucks auszurichten? - Danke.
sie haben Humor, das gefällt mir. Ich werde am Dienstag an sie denken, wenn ich wieder als Schauspieler beim Re-Call vor der Kamera stehe und die Set-Photographin abermals zu mir sagt:
„Hände aus den Taschen, gerade stehen, Arme neben dem Körper locker hängen lassen.“ was sie tatsächlich jedes mal betont, als stünde ich in einem Polizeirevier beim Ablichten eines Verbrechers. Dann werde ich denken, der Mann braucht tatsächlich keinen Kampf.
Es sind die Schauspieler und Schauspielerinnen die einen Arbeitskampf brauchen, nicht die Zuschauer.
Und, lieber Lutschmer, es wird ihnen nicht gefallen, was ich ihnen nun zu sagen habe. Es ist der stille Gehorsam vor der „Theaterliebe“ den sie fordern. Diese Theaterliebe ist die Währung mit der sie handeln. Aber von dieser Art von Liebe bezahlen sich keine Windeln, keine Miete für eine Wohnung und auch keine Babysitter. Diese Art der Theaterliebe ist das Herzstück der rückständigen Theaterbetriebe. Sie so alles abgelten, was andernorts anständig bezahlt wird. Sie ist die Ausrede für alle Missstände. Daher kommt das „Feudale“. Man soll den Betrieb lieben. Das ist die Eintrittskarte. Liebe zum Theater. Sowie die Liebe zu Mutter und Vater, eben die Liebe zur Theaterfamilie. Aber diese Familie vergisst sie ebenso schnell, wie sie sie auch „missbraucht“ hat. Wer der Familie kündigt, ist schon fast eine Unperson und kann, wenn überhaupt, nur auf den Knien heimkehren.
Die Theaterliebe und der Gehorsam und die Dankbarkeit ihr gegenüber sind der Herzschlag dieses „feudalen“ und rückständigen Systems.
Wenn es so etwas wie Platzhalter in feudalen Systemen gibt, dann sind es solche verschwurbelten Moralauffassungen von Liebe und Theater oder dergleichen, die nicht berichtigt oder wenigstens infrage und damit der Klärung anheim gestellt werden.
Bei Herrn Baucks liest sich das so ("wer der Familie kündigt usw."), als sei der Theaterbetrieb identisch mit der Mafia oder ähnlichen auf Zynismus gründenden Organisationen.