Presseschau vom 10. August 2016 – Der Schauspieler Ulrich Matthes im Gespräch mit der Berliner Zeitung

"Ich überlege sogar, in eine Partei einzutreten."

"Ich überlege sogar, in eine Partei einzutreten."

10. August 2016. "Ich versuche grundsätzlich, dem allgemeinen Alarmismus, den ich bei erschreckend vielen Leuten wahrnehme, eine Gelassenheit entgegen zu setzen, die zu meinem Charakter gehört," sagt der Schauspieler Ulrich Matthes im Gespräch mit der Berliner Zeitung. "Mich beunruhigt natürlich der weltweite islamistische Terror. Mich beunruhigt aber auch das Aufkommen einer Partei wie der AfD, die sich teilweise erfolgreich bürgerlich verkleidet, sowie anderer rechter europäischer Parteien und damit die Gefahr einer Erosion der Demokratie in Europa."

Diese Erosion der Demokratie beunruhige ihn auch mehr als die Geflüchteten. "Dass unter der Mehrheit von über einer Million Flüchtlingen eine Minderheit einen schlechten Charakter hat, kriminell oder psychotisch ist, liegt in der Natur der Sache und wäre bei über einer Million Deutschen auch so. Ich muss aber gestehen, dass ich wahnsinnig oft auf mein Smartphone gucke, um zu sehen, was in diesen schrecklichen Zeiten vor allem international vor sich geht. Deutschland ist da noch ein Eiland."

Das Gefühl, als Bürger dieses Landes eine Verantwortung für den Zustand dieses Landes zu haben, habe sich deutlich intensiviert. "Ich überlege hin und her, wie ich diesem Gefühl der Verantwortung auch Ausdruck verleihen könnte. Ich überlege sogar, in eine Partei einzutreten."

(sle)

Kommentare  
Presseschau Ulrich Matthes: simplifizierende, beschönigende Äußerungen
Darf ich es hier sagen, daß ich es für sehr bedenklich halte, wenn der Direktor der Sektion Darstellende Kunst unserer Akademie (der Künste!) der Bundeskanzlerin bescheinigt, sie „mache insgesamt einen guten Job“, den Spitzenpolitikern („egal, welcher Partei“) „höchsten Respekt“ erweist und behauptet, daß „wir in Deutschland absolute Qualitätsmedien haben“? Ich meine, ein als Sektionsdirektor seiner Zunft amtierender Großschauspieler ist verpflichtet, die - nicht unbedingt in den „Qualitätsmedien“ - in Bezug auf diese Fragen entfaltete Debatte so weit zu verfolgen, daß simplifizierende, beschönigende Äußerungen dieser Art sich ihm verbieten. Der „gute Job“ der neoliberalen Kanzlerin hat, kurz gesagt, Europa an eine ökonomische und soziale Zerreißprobe geführt, die es vermutlich nicht überstehen wird, hat z. B. Griechenland einem Bankendiktat ohnegleichen unterworfen, hat die Bundesrepublik Deutschland zu einem der größten Waffenexporteure der Welt gemacht und sorgt ungerührt dafür, daß Armut und Ungleichheit in dem Land, von dem Schaden abzuwenden der Amtseid gebietet, wachsen. (Daß sie es ablehnt, Edward Snowden Asyl zu gewähren und die US-Überwachung ihres eigenen Telefons als Bagatelle behandelt, sei hier nur am Rande angemerkt.) Auch die weiteren Auslassungen Matthes’ weisen diese wirklichkeitsverweigernde Einseitigkeit auf. Was soll die Ablehnung des „stammtischhaften Politikverdrossenheitsgequatsches“ besagen? „In manchen Großstädten der Bundesrepublik beträgt die Differenz zwischen der Wahlbeteiligung in Nobelvierteln und abgehängten Quartieren, wo die sozial Benachteiligten wohnen, mittlerweile über 40 Prozentpunkte“ (Chr. Butterwegge, jW, 26.7.16). „Stammtischhaft“? „Verdrossenheitsgequatsche“? So kann man der AfD nicht widersprechen. Und daß „wir“ - wer ist das? - „absolute Qualitätsmedien haben“ - in der FR-Version des Interviews (FR, 8.8.16) findet sich noch die Zusatzbemerkung „Das ist einfach so“, die, nach einer deprimierten Bemerkung eines Lesers, in der hier wiedergegebenen Version (BZ, 10.8.16) fehlt -, diese aberwitzige Leugnung des bedauerlich hohen Gleichschaltungsgrades der sog. Leitmedien inklusive der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten (mannigfaltig und genau dokumentiert und analysiert, nur eben nicht von ihnen selbst) grenzt schon an einen ideologisch-dogmatischen Liebesdienst gegenüber dem Status quo. Für Theatermenschen aber sind, meine ich, derartige - obendrein freiwillige - Liebesdienste Gift, zumal dann, wenn sie sich, als kunstakademische Sektionsdirektoren, ohnehin in der Nähe der Macht bewegen.
Presseschau Ulrich Matthes: Armutszeugnis
Treffend, Steckel! Dem ist nichts hinzuzufügen. Man kann davon ausgehen, dass Matthes noch nie den Blick über den Tellerrand gewagt hat. Ein Armutszeugnis. Jedoch nicht wirklich überraschend. (...)
Presseschau Ulrich Matthes: Verschwörungstheorien
Lieber Steckel, bloß weil du mal irgendwann Intendant warst, und bloß weil du sonst ja auch alles besser weißt, heißt das noch lange nicht, dass nicht sogar ein Schauspieler mal eine andere Meinung haben darf, und schon gar nicht, dass diese schon deshalb falsch sei, weil sie sich nicht mit deinen Vorurteilen deckt. Im übrigen sind die hier ventilierten Verschwörungstheorien allerfeinste AFD-Werbung.
Presseschau Ulrich Matthes: erschreckend deutlich
In diesem Gespräch hat Markus Decker den Schauspieler Ulrich Matthes sehr aufmerksam sich selbst darstellen lassen, was Frank-Patrick Steckel im Detail gnadenlos und erschreckend deutlich belegt und analysiert. Da plaudert ein Schauspieler selbstgerecht, befindlich und überheblich daher und zeigt sich dieser Rolle nicht gewachsen…
Presseschau Ulrich Matthes: Danke
#3 Danke, genau das wollte ich auch gerade schreiben.
Presseschau Ulrich Matthes: Sprechkunst
"...ein als Sektionsdirektor seiner Zunft amtierender Großschauspieler..."

wunderbar, dieses lautmalerische Paradebeispiel deutscher Sprechkunst.
Es lebe das Sommerloch!
Presseschau Ulrich Matthes: Welche Gleichschaltung?
Ich lese die Einlassungen von Herrn Steckel sonst ja durchaus gerne. Umso überraschter bin ich, dass er sich hier tatsächlich des AfD- und Pegida-Jargons bedient. «...diese aberwitzige Leugnung des bedauerlich hohen Gleichschaltungsgrades der sog. Leitmedien inklusive der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten...» Was soll das bitte sein? Welche Gleichschaltung? Wer schaltet hier gleich? - Ich möchte mich in diesem Punkt (und einigen anderen) entschlossen hinter Uli Matthes und seine Wortwahl stellen. Wenn man ein wenig über die Grenzen Deutschlands hinaus blickt, dann kann man durchaus von Qualitätsmedien sprechen. Mit dem Zusatz: «Das ist einfach so!»
Presseschau Ulrich Matthes: Studie
Die mit der offiziellen Politik und dem entsprechenden Wording “gleichgeschalteten“ Medien waren kürzlich Thema einer Studie, die allerdings von den meisten Medien ignoriert wurde.
Presseschau Ulrich Matthes: sachgemäß
Realitäten zu Ansichtssachen, Tatsachen zu Vorurteilen, Zusammenhänge zu Verschwörungstheorien zu erklären - das ist die Hauptbeschäftigung unserer „Qualitätsmedien“. Erfolgreich, wie die Beispiele zeigen. Und „Gleichschaltung“, lieber Felix, bedeutet, dass auf sachliche Fragen wohin man blickt die gleichen sachfremden Antworten gegeben werden, und zwar so lange, bis sie für sachgemäß gehalten werden. (Ich ermuntere zur Lektüre der „Nachdenkseiten“ (www.nachdenkseiten.de) von Albrecht Müller und Jens Berger. Und zum Studium der Vorträge von Heiner Flassbeck auf youtube.) Und für die AfD gilt, dass sie recht hat, wo sie recht hat. Nur: Wo hat sie recht?
Presseschau Ulrich Matthes: Varoufakis Volksbühne
Und, nicht zu vergessen, die Webseite von Yanis Varoufakis, der die Gründungsversammlung seiner europäischen Demokratisierungsbewegung DiEm25 immerhin in Castorfs Volksbühne abgehalten hat (https://www.volksbuehne-berlin.de/praxis/diem_25 - weil gelegentlich gefragt wurde, wann sich die Volksbühne denn zuletzt politisch "hervorgetan" habe): yanisvaroufakis.eu
Presseschau Ulrich Matthes: gemietete VB
Lieber Herr Steckel,
die Gründungsveranstaltung als eine politische Äußerung der Volksbühne zu werten, könnte auch ein falscher Zusammenhang sein. War die Bühne nicht lediglich gemietet ?
Presseschau Ulrich Matthes: mehr als Vermietung
Zu #11: Varoufakis war am 7.10.2015 schon einmal in der Volksbühne - anläßlich einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Im Zentrum des Übels/Plan B für Europa?“ (https://vimeo.com/141686195). Teilnehmer waren Franco Berardi, Srecko Horvath und Guillaume Paoli. Die Volksbühne kündigte die Veranstaltung folgendermaßen an: „Der von Medien und Politik meist verleumdete Mann des Jahres 2015 kommt zurück nach Berlin, in die Höhle des Zuchtmeisters, ins "Zentrum des Übels". Gescheitert an seinem Versuch, sein Land vom Diktat der Gläubiger zu befreien. Und doch erfolgreich: Yanis Varoufakis hat gezeigt, dass Intelligenz, Mut und Integrität zur politischen Praxis gehören können. Genau das wird ihm nicht verziehen. Die Unnachgiebigkeit der griechischen Bevölkerung war nicht umsonst. Sie offenbart, in welch desolatem Zustand sich das europäische Projekt befindet... Gegen die von nicht gewählten Institutionen auferlegten "Spielregeln" wird keine demokratische Wahl geduldet.“ Sie können getrost davon ausgehen, daß die Volksbühne mehr war, als nur die Vermieterin eines Raumes.
Presseschau Ulrich Matthes: Verschwörungstheorie
Klar, alle gleichgeschaltet (auch nachtkritik) - und als Beleg werden wie üblich obskure Studien und Internet-Blogs geliefert. Als Journalist, der für verschiedene Qualitätsmedien arbeitet kann man über diese Art der linken Verschwörungstheorie wirklich nur lachen. Es ist so naiv zu glauben, dass in der komplexen deutschen Medienlandschaft eine geheime Gleichschaltung überhaupt möglich wäre. Und die unterschiedlichen Haltungen zu Themen der Zeit kann jeder schon entdecken, wenn er nur einen Tag von WELT bis taz, von Deutschlandradio bis Bayrischer Rundfunk sich umhört: Nein Herr Steckel, diese Einlassungen, sind einfach nur peinlich.
Presseschau Ulrich Matthes: Grundirrtümer
Mit Verlaub, J.A. - Nein, so kann man nicht unbedingt eine themenspezifische oder themenübergreifende "Gleichschaltung" - ich halte von diesem Begriff garnichts! - entdecken. Man kann aber eine konsumentenorientierte also kapitalliebdienerische mediale Gleichschaltung der Medien entdecken. Durchweg. Und zwar an einem speziellen Ton, den die Medien, durchgängig zu einem Thema besonders gut erforschbar, jeweils anschlagen. Einem Ton und einer Leser/Hörer/Zuschaueransprache, von dem/der allein auf die Zielgruppe geschlossen werden kann, auf die dieser Ton und diese Ansprache abzielt.
Und das ist sehr sehr peinlich.
Es wäre auch den Journalisten selbst peinlich, nähmen sie es wahr und entwickelten ein Bewusstsein dafür. Da bin ich sehr sicher bei den meisten Journalisten, die ihren beruf lieben!
Der Ton und die Ansprache ist primär geworden bei der Nachrichten- und Informationsverbreitung, und die Nachricht wie Information sekundär.
Das ist das Schlimme.
Es geht den Medienkritikern auch in ihren banalsten Sätzen eventuell nicht primär um Haltungsunterschiede bei der Wahrnehmung der Medien.Nach meiner Beobachtung sind für diese Verständnis und auch Neugier immer da und wird vermutlich immer da sein. Dafür sorgt ja die Lust an der individuellen Meinungsbildung...
Es geht primär darum, dass sich jene Leser/Zuschauer/Hörer-Gruppen verarscht bis beleidigt fühlen vom jeweiligen Medium, die gerade offenbar nicht "die Zielgruppe" sind, die da eine Nachricht als Wahrheit und eine Meinung als bedenkenswert abkaufen soll...
Ich gebe gern Beispiele - aber nicht hier. Die personalisierte Nachricht ist die Anmaßung und die Beleidigung. Das ist der Grundirrtum der heutigen Werbung, dass die weitestmögliche Personalisierung von unaufgeforderter Werbung für Waren wie Informations- oder Bildungsangebote ein Entgegenkommen für den potentiellen Verbraucher darstellt. Das mag vor zehn Jahren noch gegolten haben. Da haben sich Verbraucher sozusagen noch App-geehrt gefühlt. Wir sind aber digitaltechnisch heute so weit, dass sich dieser Effekt ins Gegenteil verkehrt hat. Die Verbraucher-Kontrolle durch Appisierung von Konsumtions-Zielen wird von den personalisiert angepeilten mittlerweile durchaus als ekelerregender Misstand empfunden, der Kauflust eher bremst als weckt. Ich würde sagen, auch Wahrnehmungslust überhaupt, was für die Medien als Informations/Nachrichten-Lieferanten und Meinungs-Bildnern nachteilig sein drüfte.
Aus kapitalismuskritischer Sicht ist das freilich gut so. Es bleibt ihnen dadurch keine andere Wahl, als entschieden besser zu werden und enschieden bewusst anders als Waren-Werbung mit ihren Lesern/Hörern/Zuschauern umzugehen.
Das ist einfach so! :)
Presseschau Ulrich Matthes: von weit rechts
#13 volle Zustimmung!
Nur leider irren Sie in einem Detail:
Derartige Verschwörungstheorien mögen links wirken, kommen aber systematisch von weit rechts. Ganz weit rechts. Ganz braun weit rechts.
Presseschau Ulrich Matthes: Resultat Abhängigkeit
Zu #13: Weder die „Nachdenkseiten“ noch die Webseite „Makroskop“ des renommierten Ökonomen Flassbeck betreiben „obskure Studien“. Und die Gleichschaltung, von der nicht nur ich spreche, ereignet sich nicht „geheim“, sondern in aller Öffentlichkeit: sie ist das Resultat wirtschaftlicher Abhängigkeit, politischer Konformität und sachlicher Inkompetenz, analoger Strukturen, in denen z.B. dem Rentabilitätseffekt (über die Werbung) eine Schlüsselrolle zukommt. Naiv ist die Annahme, daß die gleichartigen Zwänge keine gleichartigen Umgangsformen mit den „Themen der Zeit“ produzieren würden. Aber Sie halten vermutlich selbst Noam Chomsky für einen Alchemisten.
Presseschau Ulrich Matthes: skeptisch
Mag sein Herr Steckel. Ich bin da skeptisch , da sich diese Haltung nicht in der künstlerischen Arbeit widerspiegelt. Sich solche Veranstaltungen an das Haus zu holen ist häufig wohlfeil.
Presseschau Ulrich Matthes: deprimierend
Lieber Ulli !
Ich gratuliere Dir ! Wie Du das immer machst ! Andere Schauspieler
machen alles was möglich ist ,um Aufmerksamkeit zu erregen und Du wirst im Sommerloch irgendwas gefragt und antwortest -sommerlochgemäss - irgendwas , und sofort kommen sie alle hinter ihrem Ferienhaus- Ofen hervor und keuchen vor Wut . (Zum Schäumen reicht die Kraft nicht mehr ). Und alles , Deine Aussagen und auch ihre Reaktionen sind vollkommen bedeutungslos. Das ist schon stark !
Wie machst Du das bloß immer wieder ?
Frustriert Dich das nicht irgendwann ?
Ich konnte das nicht ! Zu deprimierend . Obwohl , wenn man es nicht
merkt , ist es auch nicht mehr so deprimierend.
Wie auch immer !
Respekt !
Gruß !
Presseschau Ulrich Matthes: übertrieben
@ Steckel: Etwas dramatischer und pathetischer formuliert: Das erste Opfer jedes Krieges ist die Wahrheit. Verschiedene Ereignisse in unserem Land und darum herum haben die Gegenwart von Kriegen in unsere Mitte und in unsere Köpfe geholt. Die Flüchtlinge sind nur ein Teil davon. Wir erleben grade eine in weiten Teilen irrationale geistige Mobilmachung, wie es sie wahrscheinlich seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Da hat es jede Stimme, die zu Mäßigung aufruft, schwer. Die Verächtlichmachung der freien Presse und der demokratischen Strukturen und Organe ist Teil dieser Mobilmachung und folgt durchaus einer Strategie. Jenseits aller - auch obskuren - Studien müssen doch Fragen wie: Was soll das? Was wird damit bezweckt? Wo soll das hinführen? - unbedingt gestellt werden. Bildlich gesprochen: Sie, Herr Steckel, sitzen bereits in einem Schützengraben auf der anderen Seite und richten die Waffe auf unser gegenwärtiges System, das immerhin 70 Jahre ein einigermaßen friedliches Miteinander in Europa ermöglicht hat. Neben Ihnen sitzen die aufrechten Recken von AfD, Pegida und einige Leute mehr, und rasseln mit ihren Säbeln. Wann geht's endlich los, das große Reinemachen? - Vielleicht übertrieben, aber ganz bestimmt nicht weniger als die These einer allumfassenden Gleichschaltung.
Presseschau Alvis Hermanis: Miteinander?
Lieber Felix, Ihre Ahnungslosigkeit entlarvt das Problem aufs Schönste. Ich zitiere: "Sie, Herr Steckel, sitzen bereits in einem Schützengraben auf der anderen Seite und richten die Waffe auf unser gegenwärtiges System, das immerhin 70 Jahre ein einigermaßen friedliches Miteinander in Europa ermöglicht hat." Auf welche Kosten dieses "friedliche Miteinander in Europa" stattfindet, das schon lange kein Miteinander mehr ist, das fragen sich dabei die wenigsten. Und gerade darauf zielen Herrn Steckels Einwürfe bezüglich der Rolle von Frau Merkel und der von Ulrich Matthes so hochgelobten Qualitätspresse. Vielleicht beruht die Gleichschaltung der meisten bürgerlichen Medien ja nicht so sehr auf dem, was sie berichten, sondern eher auf dem, von dem sie nicht berichten. Darüber sollten Sie bitte erst mal nachdenken, bevor Sie Kritik von links in rechte Schützengräber einsortieren. Und kommen Sie mir bitte nicht wieder mit linken Verschwörungstheorien. Ich bastele mir gleich einen Alu-Hut. Vielleicht sollte man Künstler einfach mehr zu ihrer Kunst und nicht ständig über ihre Meinung zur aktuellen Politik befragen. Was da raus kommt, hat man bei Alvis Hermanis gesehen.
Presseschau Ulrich Matthes: nicht gut informiert
Die Medien sind die vierte Gewalt der Demokratie. Sie bilden die demokratische Öffentlichkeit. Gleichzeitig sind sie Wirtschaftsunternehmen, auf der Jagd nach Profiten. Es gestaltet sich also zunehmend schwierig, dass die Medien ihre demokratische Funktion in wirtschaftlich klammen Perioden noch zuverlässig ausüben können. Demokratien sind aber auf die Existenz von Qualitätsmedien angewiesen, die es der Bevölkerung ermöglichen, sich breit zu informieren, und die Raum geben für die politische Willensbildung abseits von Wahlen und politischen Parteien. Doch in Zeiten knapper Kassen haben immer weniger Redakteure und Korrespondenten die Spalten der Zeitungen zu füllen. Qualität und Umfang der Berichterstattung sinken, und die Möglichkeiten der politischen Beeinflussung durch Eigentümer, Lobbygruppen und Unternehmen steigen. Beispielsweise werden 40% aller "News" von Presseagenturen verfasst. Fragmentierung und Dekontextualisierung der Nachrichten sind viel zu oft der Fall. Wer diesen Tatsachen nicht Rechnung trägt, so wie offenbar Herr Matthes, der ist... nun ja, nicht gut informiert.
Presseschau Ulrich Matthes: Verschwörung
Zu #19: Wenn der Kollege Laufenberg einen „Thread“ weiter feststellt: „...leider haben sich große Teile des etablierten Feuilletons in ein geschlossenes System begeben, das die unvoreingenommene Betrachtung eines Theater- oder Opernabends nicht mehr zulässt. Es wird nicht das Gezeigte an sich wahrgenommen, weitergedacht und kritisiert, sondern es wird nur überprüft, ob das Gesehene ebenfalls ein geschlossenes System anzubieten hat. Wenn das in Frage steht, wird mit Panik und übelsten Beleidigungen draufgehauen...“ - entpuppt er sich dann als Verschwörungstheoretiker? Und glaubt jemand ernstlich, daß das, was sich hier, gesetzt, Laufenberg hat recht, als Gleichschaltung des Feuilletons manifestiert, vor dem Wirtschaftsteil haltmacht? Felix, Felix!
Presseschau Ulrich Matthes: zu weit
Lieber Steckel, nur weil du die Ausdünstungen eines abgehalfterten Politikers oder sonstiger rechter Nachtreter als "renommiert" belaberst, sind sie doch nicht plötzlich sinnvoll, oder realitätsbezogen, oder gar relevant! Das muss dir doch klar sein! Und dass du neben der Gesamtpresse und eigentlich der Gesamtgesellschaft (ausser dir natürlich, und ausser einiger weniger erleuchteter Ausnahmen, die du trotz belegbarer Sachferne so gerne zitierst) jetzt auch noch die Alchimisten beleidigst, geht nun wirklich zu weit.
Bekanntlich hat sich Kortner auch bei den Hottentotten entschuldigt.
Presseschau Ulrich Matthes: kein Großmeister
Ich kenne Frank – Patrick Steckel persönlich und wüsste keinen Schützengraben, in den er sich hineinkommandieren ließe, in jene der AfD passt er auf keinen Fall. Seine Ausführungen sind zutreffend und wer sich dazu weiterbilden will, kann dem Link https://www.youtube.com/watch?v=LnNjGZDuuIs
folgen und an einer sehr erhellenden Vorlesung an einer deutschen Universität teilnehmen.
In einem Punkt allerdings muss ich Herrn Steckel widersprechen: für mein Empfinden ist Herr Matthes kein Großmeister seiner Zunft. Herr Matthes kommt aus dem Theater und das deutsche Stadttheatersystem, welches derzeit in vielen deutschen Standorten seinem Ende entgegensiecht, hat in unserer heutigen gesellschaftlichen Kultur praktisch keine politische Bedeutung mehr. Es erfüllt da, wo es existiert, allenfalls noch seine Funktion als städtische Dekoration, wozu es sich leider in der Regel auch selbst anbietet. Denn diese Existenz als städtisches Möbel ist nicht ausschließlich durch die sicherlich mangelhaft ausgestatteten kommunalen Haushalte begründet, sondern auch durch das Theater selbst, welches sich über die letzten Jahrzehnte nicht mehr als moralische und damit politische Anstalt verstand, sondern auf dem allgemeinen Kurs in die kulturelle Ratlosigkeit mitsegelte. Mir ist unbegreiflich, wie ein Schauspieler, zudem noch ein „großer“ Theaterschauspieler, heute die reale Lebenssituation von Millionen Menschen in Europa nicht mit der herrschenden Politik, die diese Lebensverhältnisse herbeigeführt hat, in Verbindung bringen könnte. Es mag ja bequemer sein, beim Tee mit der netten und tüchtigen Kanzlerin zu plaudern, doch sollte man dann seine ambitionierte Ignoranz gegenüber der millionenfachen Armut, den katastrophalen Zuständen in der Jugendhilfe, dem prekären Arbeits – und Wohnungsmarkt nicht mit seinem Recht auf „freie Meinungsäußerung“ kaschieren, sondern freimütig gestehen:“ Ich bin ganz oben angekommen und da will ich bleiben, da kümmert mich gar nicht, wie es weiter unten aussieht!“ Nur, wie gesagt, für mein Empfinden ist das nicht die Haltung eines Großmeisters seiner Zunft!
Presseschau Ulrich Matthes: was in den Zeitungen steht
Zu #21: Es erhebt sich die Frage, wie ein Künstler, von dem es in der Einleitung zu dem in Rede stehenden Interview heißt „Der Schauspieler Ulrich Matthes ist seit jeher politisch interessiert. Ein Wunder ist das nicht. Sein Vater war politischer Journalist. Matthes selbst ist durch intensive Zeitungs-Lektüre immer auf Ballhöhe – und das nicht allein in den Feuilletons, sondern auch im Sport und eben: in der Politik“ - wie also ein Künstler, von dem sich solches sagen läßt, zu den Aussagen gelangen kann, die in dem Interview folgen. Die auf der Hand liegende Antwort lautet: er gelangt zu diesen Aussagen, eben weil sie in den Zeitungen stehen, die er so intensiv liest - und zwar in allen Zeitungen - von der „WELT“ bis zur „taz“.
Presseschau Ulrich Matthes: Verschwörungstheorie
Und Sie Herr Steckel werden grün vor Neid weil Ihren Senf keiner druckt.
Dss tut uns aber leid.
Nur eines: Dass Ihre Einlassungen hier auf nachtkritik.de publik werden und sicherlich auch bleiben BEWEIST den Unfug Ihrer Gleichschaltungsverschwörungstheorie. Hätten Sie recht wäre das längst zensiert worden. Seien wir also froh dass die Presse hierzulande frei ist. In England zum Beispiel ist das nicht garantiert. Was meinen Sie was zu meiner Zeit da los war
Presseschau Ulrich Matthes: nicht zugelassen
Zu #23: Wen meinen Sie mit "abgehalfterte Politiker" bzw. "rechte Nachtreter"? Zu #26: In den Medien des Internets sind Verständigungen möglich, die in den "Qualitätsmedien" nicht mehr zugelassen werden. Allerdings auch das Gegenteil, wie die Beiträge zeigen.
Presseschau Ulrich Matthes: Tacitus lesen
@26: Seien Sie unbesorgt, lieber WS. Es geht nicht darum, in irgendeinem unbedeutendem Forum einer theateraffinen Peripherie seine Meinung kund zu tun. Das juckt nun wirklich niemanden. Es geht auch nicht um Zensur im klassischen Sinne, es geht um Meinungs- und Deutungshoheit, v.a. in Bezug auf Dinge, wo es um viel, um wahnsinnig viel Geld und Macht geht. Nehmen Sie beispielsweise die sog. Finanz- resp. Bankenkrise. Milliarden werden (zum Hohn redlicher Steuerzahler und zum Schaden sämtlicher Sozialsysteme) an die Verursacher des Übels ausgeschüttet, da ja das System, wie uns Politiker, Spitzenfunktionäre und einige "Qualitätsmedien" glauben machen, alternativlos sei. Man nennt es dann Rettungsschirm, anstatt Kriminalitätssubvention. Wie auch immer, es gibt kein Leitmedium, das massiv darauf hinwirken oder nachhaltig dafür plädieren würde, dieses System grundlegend zu ändern/abzuschaffen, während sich der nächste Börsencrash schon am Horizont abzeichnet. Mehr als ein wenig frotzeln wird nicht gemacht. Empfehle hierzu: https://www.youtube.com/watch?v=hnH10TfhkOQ
Es gibt noch zig andere Themen (bsp. die NATO), die in "unseren" Leitmedien sehr, sehr glimpflich besprochen werden, wenn sie denn überhaupt kritisch angegangen werden. Das hat gute Gründe, und hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun. - Der echte Shakespeare hat Tacitus gelesen, das sollten Sie vielleicht auch tun, anstatt zu pöbeln. Doch wenn Sie glauben, alles sei tutti, dann schlafen Sie ruhig weiter. Good night. "Der schlauste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das Spektrum akzepierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben." Noam Chomsky
Presseschau Ulrich Matthes: Simulation von Kritik
# 20 Stefan B - auch Sie fügen sich bestens in die neue Diskussionskultur, wie sie im Netz unter AfD- und Pegida-Label boomt: Jede Stimme der Mäßigung, die auch etwas Verteidigenswertes an einem System findet, das in Deutschland und Europa einen nie dagewesenen flächendeckenden Wohlstand ermöglicht, von der Freiheit des Einzelnen ganz zu schweigen, der wird als naiv und schlimmeres niedergemacht. Geistige Mobilmachung, wie gesagt, auch Sie sind schon in Stellung. Um welchen Preis? - Ich finde, Sie klagen auf historisch höchstem Niveau! Ich bin dafür, sowohl die Demokratie als auch die Qualitätsmedien (ich bin unbedingt für die Wiedereinführung dieses Begriffes!!!) an dem Vielen zu messen, das gelingt. Dass auch manches nicht gelingt. das muss sein, es gehört zum Prozess, bestätigt eher das Prinzip und stellt es keineswegs infrage. Selbiges gilt übrigens auch für das vielgeschmähte Stadttheater. Wir haben alle viel zu verlieren. Was wir allenfalls zu gewinnen hätten, das leuchtet mir jedoch weniger ein. Wie ich sie verabscheue, all die Klugscheisser, die immer den einen Fall als Beispiel für das Versagen des Ganzen herbei zerren. Kritischer Verstand? Hinter die Fassade blicken? - Das bleibt für mich allzuoft bei der blossen Behauptung, bei der Simulation von Kritik. Der Gestus ist alles. - Und nein, ich arbeite weder für eine öffentlich-rechtliche Anstalt noch stehe ich im Sold eines Qualitätsmediums.
Presseschau Ulrich Matthes: Ahnung und Ex-Gegenwart
@23: Wer Heiner Flassbeck als "rechten Nachtreter" bezeichnet - und das ist aus Ihrem Kommentar zu schließen -, der hat entweder absolut keine Ahnung oder er ist absolut böswillig.
Lieber Exintendant, in Ihrem Fall begrüße ich das "Ex" vor "Intendant" zutiefst.
Presseschau Ulrich Matthes: haltlos
#27 Herr Steckel, na, wen wird der "Dichter" wohl meinen? die "Quellen", die Sie da anführen! Die ich persönlich auch für mehr als bedenklich halte.
Und was soll diese dummdreiste Behauptung des "nicht mehr zugelassen"-Werdens? Wie wäre es, vielleicht für solche Kleinigkeiten wie das Leugnen der in Kraft befindlichen hiesigen Verfassung so etwas wie einen Beleg anzuführen? WER genau lässt bitte WAS genau WO genau nicht zu? Und was, wenn die erwähnten Personen und deren Meinungen sehr wohl in den von Ihnen so beschimpften "Qualitätsmedien" auftauchen? nur halt nicht wie von Ihnen kritiklos glorifiziert werden? Zwei Minuten Recherche beweisen mühelos, dass Ihre Behauptungen völlig haltlos sind.
(…)
Presseschau Ulrich Matthes: stilles Einverständnis
@ 29
Sie machen es nicht besser, lieber Felix. Ich zitiere wieder: "...etwas Verteidigenswertes an einem System findet, das in Deutschland und Europa einen nie dagewesenen flächendeckenden Wohlstand ermöglicht, von der Freiheit des Einzelnen ganz zu schweigen,..." Wenn Sie das ernst meinen, ignorieren Sie die Wahrheit, oder Sie erklären sich mit der Unfreiheit und Armut derer, die nicht an diesem "flächendeckenden" (Wo eigentlich befindet sich diese Fläche genau?) Wohlstand teilhaben können. Die bewusste Zurückhaltung bei der Kritik an diesem System, an dem Sie, wie ich natürlich auch, partizipieren, als Stimme der Mäßigung zu bezeichnen, ist nichts weiter als ein stilles Einverständnis mit den Kollateralschäden dieses Systems (Kapitalismus=Demokratie), die man dann mit staatlicher Wohlfahrt und Entwicklungshilfe wieder aufzufangen versucht. Dass dieses System auf Dauer aus dem Gleichgewicht gerät, dürfte auch ohne die Feststellung von Qualitätsmedien seit Hartz 4 und dem globalen Finanzcrash jedem klar sein, der ein wenig mehr wissen will und sich nicht mit Schlagworten wie Freiheit und Demokratie begnügt.
Presseschau Ulrich Matthes: Existenz und Anwendung
Zu #31: Ich schließe mich #30 an. Sie können weder je einen Satz von Flassbeck gehört oder gelesen, noch einen Blick in die NachDenkSeiten geworfen haben. Und: niemand "leugnet" das in Kraft befindliche Grundgesetz. Es ist nur naiv, zu glauben, weil es existiert, fände es auch Anwendung. Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Weder in sozialer, noch wirtschaftlicher, noch ökologischer
Hinsicht findet dieser Grundgesetzartikel Eingang in die politische Praxis.
Presseschau Ulrich Matthes: wider den Alarmismus
Missstände aufzeigen ist eines. Zur Lösung beitragen etwas anderes. Kritik hat nach meinem Verständnis etwas mit konstruktivem Veränderungswillen zu tun. Den kann ich weder bei Ihnen noch bei vielen anderen erkennen. Sie bringen das Dilemma gut auf den Punkt: Ja, wir partizipieren. Sie finden, wenn wir dabei schön deutlich machen, wie schlimm alles ist, dann tun wir es mit weniger schlechtem Gewissen. Ich finde: Mit dem Finger auf alles zu zeigen, was nicht funktioniert und das große Debakel vorherzusagen, das war schon immer die bequemste Haltung, denn so bleibt man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Wenn sich die Dinge verschlechtern, dann hat man es ja vorausgesagt. Wenn nicht, dann wird es wohl daran gelegen haben, dass man so tapfer gewarnt hat.
Angesichts eines allgemeinen Alarmismus, den die hier kritisierten "Leitmedien" ohnehin schon andauernd verbreiten, stehe ich dem gesteigerten Alarmismus des alternativen Meinungsmacher-Spektrums von ganz links bis ganz rechts geradezu reflexartig skeptisch gegenüber. Ich sehe da nicht viel mehr als ein Bieterwettstreit der Krisenszenarien.
Harz IV ist nicht schön. Aber immerhin viel mehr als fast überall sonst auf der Welt. Die Fläche liegt in Deutschland. Unsere Systeme funktionieren trotz allem Unken immer noch sehr gut. Sogar üppig subventionierte Stadttheater soll es vielerorts noch geben. Ich kann mir weit Schlimmeres vorstellen. Hier verhungert meines Wissens niemand. Es leben noch Menschen unter uns, die den Hungertod im Deutschen Alltag miterlebt haben.
Presseschau Ulrich Matthes: rhetorische Fragen
Lieber Felix, ist „nicht verhungern“ genug, um unserem Verfassungsgrundsatz von der Unantastbarkeit der menschlichen Würde Realität zu geben? Kenne Sie die Regelsätze im Hartz 4?
Glauben Sie, ein Hartz 4- empfangener Vater, der am Sonntag mit seiner Familie durch eine Villenlandschaft in Bremen wandert und vor der Entscheidung steht, entweder den Geburtstag seines 6 – jährigen Kindes zu feiern oder ihm die dringend benötigten Schuhe zu kaufen, wäre angesichts dieser üppigen Villenidylle nur froh, nicht verhungern zu müssen oder könnten Sie sich noch ganz andere Gefühle vorstellen, die ihn in diesem Augenblick beherrschen? Könnten Sie sich ähnliche Gefühle bei jungen Menschen in Spanien, Griechenland, und Italien vorstellen, die, mit dem Blick auf den „flächendeckenden Wohlstand in Deutschland“, zu knapp 50% arbeitslos und ohne Perspektive sind? Oder diejenigen der jungen Männer aus einigen afrikanischen Ländern, deren Alternativen im Dasein eines Warlordsöldners oder der Flucht in den „flächendeckenden Wohlstand“ bestehen? Und sind diese Gefühle selbst verschuldet, ist jeder seines Glückes Schmied? Sagen Sie mir bitte, warum können diese Menschen ihr Schicksal nicht ändern? Kenne Sie die Gedanken des Herrn James Madison, des „Vaters der amerikanischen Verfassung“, die des seinerzeit sehr einflussreichen US – Publizisten Walter Lippmann oder die des Edward Bernays, einer der Begründer der modernen Public Relations, also lauter hochangesehener Leute, zur Notwendigkeit einer „gelenkten Demokratie“ und den entsprechenden Methoden der Systemsteuerung über gezielte In- und Desinformation? Wieso erleben Sie nach Ihrer Auffassung den permanenten „Alarmismus“, den die Massenmedien einschließlich der „Qualitätsmedien“ tagtäglich für uns veranstalten? Heute ertrunkene Kinder am Strand von Griechenland, morgen die Gefahr unter den Burkas? Fehlt Ihnen nicht wie mir der Sinn in dieser Flut? Sehen Sie nicht wie ich einen riesigen Elefant im Raum, den niemand zu bemerken scheint? Dieser Elefant der Vermögens – und Einkommensverteilung über den Globus und in unserem Land, die entsprechenden Statistiken dazu werden über die Tagesschau verbreitet? Warum bleiben diese Zahlen ohne politische Konsequenzen und werden gleich wieder vergessen? Sind es nicht 500 börsennotierte Unternehmen, in deren Besitz sich auch sämtliche relevanten Medien einschließlich derer mit „Qualität“ befinden? Bestimmen diese Unternehmen, deren einzelne Jahresbudgets die ganzer Länder teilweise um ein Vielfaches überschreiten, nicht unserer globale Ökonomie? Und sollten sie nur bei den Massenmedien ihre Herrschaft nicht zu ihrem Vorteil nutzen, den Elefant nicht zu verschleiern suchen und als alternativlos wie von Gott gegeben beschreiben? Ist das realistisch? Wie lange also währt nach Ihrer Einschätzung noch unser Dasein in unserem „flächendeckenden Wohlstand“? Ist nicht unser aller Gegenwart auf einem gemeinsamen Planeten, in einer gemeinsamen Umwelt, in Kooperation wie im Konflikt, eine Realität? Stehen wir nicht in der Erkenntnis in die "Ökologie" jeglicher Lebenszusammenhänge und haben wir nicht die Grenzen eines sich diesen Zusammenhangs verweigernden, ihm zuwider handelnden Denkens erreicht? Besteht nicht in Bezug auf moralische Werte und kulturelle Ideale heute ein weltumspannendes, wechselseitiges Aufeinander-Angewiesensein, ist die Glaubhaftigkeit eines eigenen moralischen Standards nicht in dem Maße gefährdet, wie anderswo systematisch Völkermord geduldet oder Hunger und Elend einfach ignoriert werden? Und wäre nicht ein großer Theaterschauspieler, ein Menschendarsteller und Vertreter eines einstmals bedeutsamen Mediums, zur Empathie verpflichtet und müsste er nicht all seine kognitiven Fähigkeiten bemühen, diese Menschen, ihre Lebenssituation und ihr Land zu verstehen und für sie Partei ergreifen? Was meinen Sie dazu?
Presseschau Ulrich Matthes: Wunsch
#35: Das sind sehr gut gefundene Fragen, die sich eventuell als rhetorische tarnen. Warum?
Uu den letzten zwei gefundenen sage ich: Nein. Ist er nicht. Und wäre er auch nicht unter irgendwelchen anderen gesellschaftlichen Umständen. Er ist als Schauspieler genauso frei sich mit seinen Fähigkeiten oder eben nicht, zum Verständnis oder Unverständnis zur Parteilichkeit oder Neutralität wie jeder andere Mensch auch. Natürlich könnte er dergleichen Empathie, Verständnis für das Menschliche und Parteilichkeit durch Figurengestaltung und kollegiale Arbeitsweisen auf der Bühne zeigen. Ausschließlich dort, durch seine künstlerische Arbeit und durch sonst gar nichts. Und das wäre sehr interessant, wenn ihn einmal jemand danach befragte, vom Ulrich Matthes - aber auch von anderen! - zu erfahren, WARUM er seine künstlerischen, also in dem Fall seines Berufes auch politischen, Haltungen offenbar nicht ausschließlich in künstlerischer Arbeit unterbringen kann undoder will, sondern dafür Pressegespräche benötigt?? Das meine ich probentief ernst. - Vielleicht, das würde mich jedenfalls sehr freuen und meine Aufmerksamkeit durchaus jenseits der Bühnensprache fesseln, macht einmal einer der nk-Redakteure z.B. ein Interview solchen Inhalts mit Großschauspielern (männlich wie weiblich), die wir alle schätzen?? Gab es nicht jüngst einen Neuzugang in der Redaktion, der doch nach so kurzer Zeit der Einarbeitung noch unterbeschäftigt sein müsste??
Auch die Medien sind nur so gut und schlecht, wie wir ihnen gestatten zu sein.
Presseschau Ulrich Matthes: der ideale Arbeitsplatz
Zu #34: Ich habe ein Zitat von Frank Castorf aufgehoben: „Ich finde, man kann keine Kunst machen, ohne über den Skandal zu sprechen, der die Welt immer noch ist.“ Mir scheint, der Satz gilt in höchstem Maße für die Kunst des Theaters - das Theater ist der ideale Arbeitsplatz für Alarmisten und Panikmacher. ANTIGONE ist eine alarmistische Tragödie.
Presseschau Ulrich Matthes: versagt
Lieber Volker Schmidt,
das ist gut getroffen.
Liebe Anstrengung,
nein, ich habe keinen Bedarf mehr an gesellschaftspolitischen Aussagen von Herrn Matthes. Er hat m.E. nicht als Schauspieler, aber als Vorsitzender der Sektion Darstellende Kunst versagt. Ein Schauspieler darf meinetwegen völlig blöde Sachen sagen. Wenn er menschliche Leidenschaften glaubhaft verkörpern kann, hat er vielleicht auch nolens volens mehr getan für die Verbesserung der Welt als viele Andere, indem dieser Schauspieler der zentralen Fähigkeit unserer Zukunft, der Empathie, zugearbeitet hat. Wenn aber ein verantwortlicher Funktionär, und das ist Herr Matthes qua Amt und nicht nur qua künstlerischer Qualität so einen banalisierenden, selbstgenügsamen Krähwinkelkram von sich gibt, dann hat dieser Schauspieler (zugegebenermaßen auf fremden Terrain) versagt - und wenn es zum Beispiel um den von Volker Schmidt beschriebenen Elefanten ginge. Und da möchte ich ungern weiter privatistischen Stuss erdulden.
Presseschau Ulrich Matthes: mutiger, als das allgemeine Alarmgeheul
# 35 - Ja, ich sehe den Elefanten, durchaus, wie auch nicht, er wird mir ständig und von allen Seiten vor die Nase gehalten. Am Theater. In den Medien. Auf den Pegida-Demos. Beim sogenannten IS (auch eine antikapitalistische Bewegung). Im Parteiprogramm der AfD. Überall. Jeder sieht ihn. Niemand stellt in Abrede, was Sie sagen. Dieses dumpfe Gefühl, dass etwas schief läuft, teilen alle, sogar Kinder. Nur zieht fast jeder andere Schlüsse daraus.
In diesem Klima der allgemeinen Verunsicherung, wo viele in Politikern nur noch Abzocker und Versager sehen, wo allwöchentlich Menschen auf die Straße gehen und "Lügenpresse" skandieren und "Merkel muss weg", da erhebt ein kluger, besonnener Mann seine Stimme und weist darauf hin, dass wir doch noch lange nicht gescheitert sind, dass noch kein Chaos ausgebrochen ist, dass an den allermeisten Orten, auch in Politik, Justiz und Medien, engagierte Menschen stehen und von morgens bis abends tun, was sie können, und dass wir uns nicht irre machen sollten. Er bietet auch an, in eine Partei einzutreten und seinen Teil beizutragen. Das finde ich wohltuend und im Zweifelsfall sogar mutiger, als in das allgemeine Alarmgeheul einzustimmen. Denn auch von ihnen, Herr Schmidt, kommt keine Idee, wie wir diese sich türmenden, weltumspannenden Probleme denn bewältigen könnten. Bevor wir alle mit gezückten Messern aufeinander los gehen, orientiere ich mich lieber an Leuten wie Matthes. Auch das ist eine Haltung. Auch das ist politisch. Uns bleibt nichts, als in kleinen Schritten das Richtige zu tun. Es wenigstens zu versuchen. Im Privaten wie auch im großen. Da können wir uns noch so sehr aufplustern und zeigen, dass wir das Verhängnis erkannt haben.
Im Übrigen gebe ich Frank Patrick Steckel und seinem Castorf-Zitat durchaus Recht. Das ist so, und das ist gut. Nur dürfte man anerkennen, dass dieses Interview von Herrn Matthes grade deshalb, weil es angesichts aktueller Ereignisse im Deutschen Alltag nicht die Sprachregelung des Theaters als moralische Anstalt befolgt, eine eigene, durchaus berechtigte Position darstellt.
Presseschau Ulrich Matthes: nicht aus der Verantwortung
Wie wird man Vorsitzender der Sektion Darstellende Kunst an der Akademie der Künste? Wenn Matthes versagt hat, dann haben es auch jene, die ihn gewählt haben. Oder hat sich Matthes bis zu seiner Wahl heimtückisch verstellt? Oder schlimmer noch: sind die Wähler, hier wie anderswo, Idioten, die sich nicht über die Kandidaten informieren, die sie wählen? So leicht kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Presseschaum Ulrich Matthes: Tacheles mit den Kollegen
Ich denke nicht, dass die Wähler in Fachvertretungen oder auch z.B. Gewerkschaften Idioten sind, die sich nicht informieren. Sie wissen ganz genau, und je geeigneter sie selbst wären um so besser wissen sie das!, dass es einer machen muss, der unter den bestehenden! Verhältnissen halt bestmöglich ihre Interessen vertritt. Sie schieben die Veränderungen, die klug wären zu bewerkstelligen, was auch für alle ein offenes Geheimnis ist, so immer auf die nächste Wahl hinaus. Um sich selbst zu beruhigen - "wirwollenjaVeränderungenmitdemnächstengewähltenMannwirddasanders..."Und vor allem, um selbst weder Zeit und Gelegenheit zu verlieren, in dem Umfang und der Qualität beruflich tätig sein zu können, die ihnen für ihr eigenes Leben vorschwebt. Und da geht dann halt der Krug so lange zum Brunnen, bis der Kleist oder irgendein anderer tönender Gegenstand, mit oder ohne Henkel, bricht, nicht wahr...
Vielleicht redet ja der Ulrich Matthes nur in der Zeitung so genehm anpassungsfähig und dafür in der Sektion der Akademie Tacheles mit den verehrten, hochaufmerksamen Kollegen?
Presseschau Ulrich Matthes: nicht Kleist
Aha! („Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.“ Nicht Kleist, aber immerhin Marie von Ebner-Eschenbach)
Presseschau Ulrich Matthes: Verwechslung
Lieber Thomas Rothschild,
ja die Wahlleute haben versagt. Gründlich. In der Sektion Film, wäre eine derartige Unbedarftheit und Selbstbezüglichkeit - man möchte fast sagen Realitätsverweigerung in der Leitung unvorstellbar. (…) Die Verwechslung der Umstände im Betrieb mit den Ereignissen "da draussen", diese Verwechslung ist der eigentliche Totengräber des Theaters. (…)
Presseschau Ulrich Matthes: wer in der Akademie sitzt
@41: In der Akademie der Künste sitzen keine Verbandsvertreter, sondern Künstlerinnen und Künstler. Auszug aus der Satzung:

§ 5 Mitglieder
(1) Künstler und Künstlerinnen, die in besonderem Maß zur Kunst der Gegenwart beigetragen haben, können als Mitglieder in die Akademie der Künste berufen werden, ebenso Personen, die sich auf einem Nachbargebiet der in der Akademie vertretenen Künste verdient gemacht haben. Es wird von den Mitgliedern erwartet, dass sie an der Arbeit der Akademie mitwirken.
(2) Neue Mitglieder der Akademie der Künste werden auf begründeten und in der Mitgliederversammlung erläuterten Vorschlag der Sektionen oder des Senats von der Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder gewählt und vom Präsidenten beziehungsweise von der Präsidentin berufen. Die Berufung ist gültig, wenn der beziehungsweise die Gewählte sie annimmt.
Presseschau Ulrich Matthes: Unverständnis
Außer der Satzung sind auch die Aufgaben der Akademie und die Namen der Akademiemitglieder transparent. Ich verstehe die Diskussion nicht. Wir sind immer noch ein freies Land. Ulrich Matthes wird interviewt und sagt seine Meinung. Wo ist das Problem? Ist "Großschauspieler" eine Beleidigung? Wo ist sein Versagen auszumachen? Eine politische Meinung? Die falsche politische Meinung? Die falschen Schlussfolgerungen? Oder ist es seine gute Laune bei all dem?
Presseschau Ulrich Matthes: worin besteht das Problem?
Ein Künstler gibt ein Interview, in dem er sagt, dass ihn Terror und Rechtspopulismus beunruhigen und er mit jemandem, der rassistischen Gedanken zuneigt, nicht befreundet sein will. Dass er sich aber dennoch keiner „pauschalen Politikerschelte“ anschließt, sondern sich fragt, wie er selbst mehr dazu beitragen kann, das gesellschaftliche Klima zu verbessern. Das ist eine problembewusste und ehrliche Position, die erfreulich frei ist von Selbstgerechtigkeit und Hierarchiengläubigkeit. „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“, sagte Mahatma Gandhi.
Worin besteht für die meisten Kommentatoren hier das Problem? Dass Ulrich Matthes nicht alles Elend der Welt einzeln auflistet, dahinter jeweils ein Häkchen macht (Bin auch dagegen!) und dann einen Schuldigen benennt? Dass er Politiker für Menschen und Kompetenz bei anderen für möglich hält? Dass er Demokratie ernst nimmt?
Oder ist es eher die Tatsache, dass er ein Künstler ist, der nach mehr gefragt wird als nur nach seinen Rollen, der sich ehrenamtlich engagiert (in der Akademie – wo er u.a. für die finanziellen Belange Darstellender Künstler*innen eintritt) und tatsächlich den einen oder anderen Politiker persönlich kennt, ohne ihn oder sie zu wählen?
Ja, ich arbeite in der Akademie der Künste und dort mit Ulrich Matthes zusammen. Dieses reflexhafte und besserwisserische Einschlagen auf Interview-Antworten, deren Qualität genau darin besteht, auf Reflex und Besserwissen zu verzichten, hätte mich aber auch ohne diese Umstände gestört. „Misstrauen ist ein Zeichen von Schwäche“, heißt es bei - wiederum - Gandhi. Herr Steckel, Peter Ries oder Volker Schmidt hätten andere Antworten gegeben, wären sie von der "Berliner Zeitung" gefragt worden. Ulrich Matthes gab diese.
Presseschau Ulrich Matthes: Danke
#46 Tausend Dank, Frau Kohse. Endlich mal vernünftige und kluge Worte.
Presseschau Ulrich Matthes: Wahrheit
Liebe Petra Kohse, soweit ich weiß, hat Mahatma Gandhi vor allem das Konzept des Satyagraha („Festhalten an der Wahrheit“) verfolgt, oft fälschlich als passiver Widerstand verstanden. Die Umsetzung dieses Konzeptes entfaltete nämlich außerordentliche Macht, die schließlich die Befreiung Indiens herbeiführte. Nachdem wir in diesem Thread, vor dem Hintergrund der Äußerungen des Herrn Matthes, versucht haben, uns der Wahrheit über die Medien und die der herrschenden Politik zu nähern, blieb die von Felix aufgeworfene Frage offen, was jeder Einzelne mit der Wahrheit beginnt. Mir stellt sich also die Frage, ob den Einzelnen, insbesondere denjenigen in exponierter gesellschaftlicher Stellung, in Hinblick auf die Wahrheit Verantwortung für das trifft, was er als freie Meinung äußert. Meinen Sie, Gandhi hätte erfolgreich an der Wahrheit festhalten können, wenn er nicht bereit gewesen wäre, sich an seiner Meinung messen zu lassen?
Presseschau Ulrich Matthes: Rede
DAS ist das Problem, Herr Steckel beispielsweise wird nicht gefragt. Obwohl er wie er z.B. hier zeigt oft sehr gute Antworten, fachlich anregende und politisch wirklich streitbare Antworten zu geben weiß. Das Problem ist, dass man eventuell als Bühnenkünstler im Sprechtheater seine Haltungen ausschließlich über die einzustudierenden, inszenierten Texte sollte und seine theoretischen Ansichten zum Beruf dann auch am Thema entlang kundtun sollte, wenn es schon in der BZ sein muss. Auch gibt es gewiss in der Akademie-Sektion Kluges dazu zu sagen. Und über Privatbekanntschaften, gerade wenn es welche zu fürhenden Poltikern sind, sollte man doch vielleicht öffentlich in beiderseitigem Interesse eher schweigen. Wenn nicht, muss man sich doch über einen Populismus-Vorwurf nicht wundern. Ich hätte mich gefreut, wenn der Ulrich Matthes Demokratie so ernst nimmt, dass er auch im Theater streitbarer mit ihr umgeht, dass er seinen eigenen Hierarchiebegriff ebenfalls zur Diskussion stellen kann. Beispiel einer Fragestellung: Wenn eine Jury zu einer Textauswahl aus mehreren Leuten besteht, ist die Entscheidung dann z w a n g släufig demokratisch? Oder kann auch eine von mehreren Personen herbeigeführte Entscheidung über einen Bühnentext eine undemokratische sein? Ist das generalisierbar, dass Einzelentscheidungen böse hierarchische und Mehrheitsentscheidungen gute demokratische sind??? Damit man besser versteht, was ich meine, kann man eventuell hier als Kommentar-Kommentar einen mitgeschickten Rede-Anhang veröffentlichen, der gestern an Ulrich Matthes in seiner Eigenschaft als Direktor der Sektion Darstellende Kunst der Akasemie der Künste ergangen ist.
Weitere Verteiler der Rede von meiner Adresse ausgehend waren:
Dramaturgische Gesellschaft
Deutsches Theater - Intendanz
Gesellschaft für Humanontogenetik mit Sitz Humboldt-Universität, drei weitere sind von meiner Seite vorgesehen.

Das Theater als Staat der Dichtung - Über Macht und Kommunikationsstrukturen
(Teil 2)

von D. Rust


Sehr geehrte Mitglieder der Dramaturgischen Gesellschaft, sehr geehrte Damen und Herren!


Lassen Sie mich vorausschicken, dass es möglicherweise bedauernswert ist, wenn einem Vortrag, der vor einem interdisziplinären Wissenschaftlerkollegium gehalten wurde, sein zweiter Teil in einem Abstand von sechzehn Jahren folgt. Und ferner Bedauern äußern darüber, dass er in dieser Form erfolgt: Als „Offener Brief“ in einer Zeit in der offene Briefe, so scheint es, Hochkonjunktur haben. Und in der es deshalb eine Zumutung besonders delikater Art ist für sprach- und denkaffine Menschen, wie es Dramaturgen und Theatermacher wohl ohne Ausnahme sind, einen an explizit sie gerichteten vorzufinden. Durchgereicht auf mehreren Wegen. Auch auf diesem Weg, den Sie gerade wahrnehmen. Der direkte Weg, nämlich Ihnen ins Angesicht vorzutragen, was es zu Macht und Kommunikationsstrukturen von mir zu sagen gäbe, wäre der von mir bevorzugte gewesen. Dafür hätte ich jedoch von Ihnen eingeladen werden müssen zu reden, über das, was mich gerade am meisten bewegt. So, wie es seinerzeit das, nicht mehr existierende, Interdisziplinäre Institut für Wissenschaftsphilosophie und Humanontogenetik der Humboldt-Universität getan hat; aus welchem rätselhaften Grund immer. –

Dies war eine lange Einleitung zu einer eigentlich nur sehr kurzen Rede. Einer erstaunlich kurzen Rede eines – nun ja, Erstauntseins. Eines, genau betrachtet – so viel muss als emotionaler Einbruch in die Vernunft bitte gestattet sein, GROSSEN Erstauntseins. –
Jeder Mensch macht bei großem Erstaunen, banal gesprochen, „große Augen“ und das kommt – wer unter Ihnen oft bei Bühnenproben anwesend ist, wird das bestätigen, weil der Staunende – äußerlich wie innerlich – gerade mit Fragen überhäuft ist.
Und zwar in einem einzigen Moment, in welchem sich so viele Fragen gleichzeitig in ihm verdichten, dass es ohne sein sichtbar gewordenes oder werdendes Erstaunen nicht geht. Dass es einfach nicht anders geht, als dass der plötzlich ins Staunen geratene dabei einen mitunter fast irre anmutenden Gesichtsausdruck annehmen kann. Oder zum Beispiel in Stupor fällt… Da haben Sie nun nichts zu befürchten, denn der Sinn meiner Rede besteht genau darin, Sie nicht mit Fragen zu überhäufen, sondern Ihnen nur eine einzige Frage zu stellen, auf die alles da Herumreden hinausläuft…
Ich muss mich kurz vorstellen, denn nur wenige von Ihnen werden meinen Namen kennen oder in irgendeiner Weise schon einmal mit ihm konfrontiert worden sein: Ich schreibe Stücke. Seit 1987 und einer kurzen Karriere der Erfolglosigkeit von bevorzugt verfassten Liebesgedichten, schreibe ich Stücke. Und seit 1992 biete ich diese Stücke dem Theaterbetrieb im weitesten Sinne an. Auf sehr verschiedene Art und Weise. Ich biete sie Verlagen an und Theatern. Intendanten und Dramaturgen. Lektoren und Schauspielern. Im Norden, im Süden, im Osten, im Westen des deutschsprachigen Raumes. Eines der Stücke, gleich das erste, auch in einer u.a. durch das Goethe-Institut besorgten, das ist: finanzierten, englischen Übersetzung.
Ich reiche sie in Wettbewerbe ein und beantrage Stipendien mit ihnen, solange ich das vorgegebene Alter oder sofern ich das erbetene Thema bedienen kann, oder will.
Ich biete sie sehr gezielt ausgesuchten Verlagen, Dramaturgien, Intendanten, Schauspielern und Regisseuren an. Und außerdem nach dem Zufallsprinzip… Sie kennen das, wenn Sie unentschieden sind im Lesen: Augen zu und den Zeigefinger blind geführt über Bücher, bis er irgendwie festgehalten scheint, dann Augen auf und durch. –
Dasselbe kann man auch mit Adressen von Theatern, Regisseuren, Schauspielern, Dramaturgen und mit Verlagen machen. Das ist, die Wissenschaftler unter Ihnen werden das verstehen und auch nicht für ein Unding halten, als würde man Forschung und Lehre gleichzeitig betreiben. Oder halt Theorie und Praxis gleichzeitig; Intendanz und Regie gleichzeitig - oder welche Parallelität zu eigener Erfahrung Ihnen außer dem einfiele...
Weiter biete ich an mit Vorankündigung und ohne. Mit begleitenden ästhetischen Erörterungen. Oder ohne solche. Mich berufend auf – auch prominente – Empfehlung.
Oder ohne.
Mit Namen versehen oder anonym.
Ich biete sie offiziell auf dem Dienstweg und ausgewählt eher auf privatem Wege an: dem Schauspieler, dem Dramaturgen, dem Intendanten, dem Regisseur.
Ich schicke alte undoder neuere Stücke.
In Prosaform, in Versen, in mixed Art-Form.
Mit der altmodischen Post oder der elektronischen.
Ich biete sie in Abständen den Autorentheatertagen an.
Wenn ein bestimmter Journalist gerade Juror ist oder irgendeiner.
Wenn das Motto „Innehalten“ ist oder gerade nach neuer Politisierung von Texten schreit. Oder nach dem Gegenteil. Oder wenn nunmehr nach einem Einzeljuror, ein Kollektiv Texte aussucht, in dem auch ein Schauspieler mitentscheidet, der immerhin der Sektion der Darstellenden Künste einer Akademie der Künste als Direktor vorsteht…
Ich tausche E-Mails mit durchaus prominenten Lektoren prominenter Theaterverlage. Ich kann alle ihre hervorgebrachten Einwände gegen das eine oder andere Stück argumentativ ausräumen.
Ich habe Stücke für große Besetzung und kleinere.
Solche, mit Rollen für ältere bis alte Spitzenschauspieler und für junge, die eventuell das Zeug haben, einmal alte Spitzenschauspieler, gleich in welchem Körper hausend, werden zu können.
Ich schicke an ältere und an jüngere Dramaturgen; Schauspieler, Regisseure, Lektoren…
An männliche und weibliche.
Bekannte und unbekannte.
Und trotz alledem wird keines, KEINES meiner Stücke in einem deutschsprachigen Verlag gedruckt oder in einem deutschsprachigen Theater auch nur zur Probe angesetzt…
Und ich möchte von Ihnen wissen, wie das möglich ist.
Wie das möglich ist, obwohl Sie – und Sie stehen damit – theaterwissenschaftlich betrachtet – in sehr guter Tradition ihrer eigenen Theaterwissenschaft und Dramaturgie-Lehrer!, Jahr für Jahr in Ihren Jahrestagungen, wie immer das Motto der jeweiligen Tagung lautet, zu dem Schluss kommen, dass der größte Vorteil unserer Zeit und unserer Gesellschaftspolitik genau darin bestehe, dass es so eine erfreulich große, ja, eigentlich bisher - zumindest seit dem besiegten Faschismus, nie dagewesene, Vielzahl von Bühnensprachen, Textformen und Spielweisen gibt.
Dass eben gerade dies der überzeugendste theaterkünstlerische Ausdruck unserer demokratischen Werteskala sei…
Und ich möchte bitte von Ihnen wissen, warum augenscheinlich ausgerechnet m e i n e Stücke, obwohl diese von Ihnen festgestellte und gelobte Text-Formen- und Spielweisen-Vielfalt so groß wie niemals zuvor ist und ich meine Stücke auf so vielfältige Weise dem Betrieb angeboten habe wie wohl kaum in unserer Zeit und in diesem Land eine andere Dramatik dem Betrieb angetragen wurde, nicht in diese Vielfalt integriert werden können.
Warum passe ich mit meinen Stücken und mit meinen Formen des Anbietens dieser Stücke nicht in den bestehenden Theaterbetrieb?
Das möchte ich von genau Ihnen wissen.
Jetzt. – Sie brauchen nicht mir persönlich diese Frage beantworten.
Beantworten Sie sich selbst diese Frage.
Beantworten Sie sie Ihren Oberspielleitern, Ihren Philosophiedozenten, Ihren Intendanten, Ihren Verlagsvorständen, vor allem aber: den Schauspielerinnen und Schauspielern, mit denen Sie arbeiten.
Lassen Sie sie sich von anderen beantworten, sehen Sie selbst sich nicht in der Lage: Von den Zentren für Politische Bildung zum Beispiel, die von den Innenministerien unterhalten werden. Und die so tun, wenn man ihrer bundeszentralen Website in Theaterfragen Glauben schenken soll, als sei die Kunst lediglich der verlängerte Arm der politischen Bildung von Staatsbürgern, anwartenden zukünftigen Staatsbürgern und den Gästen unseres Landes… Fragen Sie.
Jetzt.
Seien Sie bitte schneller als ich, denn über solchem Fragen kann schnell ein Leben vergehn. Ehe man hochsieht und den eigenen Stupor bricht, sind die Bäume vergangen und der gut erzogene Mob hat den ökonomischen Beistand, den er braucht, um der Dummheit die politische Macht einzuräumen die er für sein eigenes Wohlbehagen benötigt; unter unseren eigenen, ungläubig aufgerissenen Augen. Reden Sie nicht so viel von dem, was Sie wissen, stellen Sie besser Fragen.
Nehmen Sie nicht die üppig vernetzten, aber gut gesicherten Wege. Schlagen Sie sich auch durch den Dschungel der noch unbekannten Städte, wenn Sie Antworten wollen, die Ihnen entsprechen. Die nicht vorgefertigt sind. Die zu allem und allen möglichen, aber nicht zu dem passen, der oder die Sie selbst in Ihrem jeweils tiefsten Inneren sind.
Ich hätte Ihnen gern gedankt für Ihre Aufmerksamkeit, hätten Sie mich gehört. Immerhin bleibt mir so, meiner eigenen Wege gehend, Sie freundlich zu grüßen.
Presseschau Ulrich Matthes: Unabhängigkeit
Beitrag #49 gehört hier nicht hin, die Redaktion scheint das übersehen zu haben. In Beitrag #45 wird gefragt "Wo ist (Matthes’) Versagen auszumachen?". Ich antworte Frau Kammelt, daß es da auszumachen ist, wo er von den Problemen schweigt, zu denen er als Kulturfunktionär nicht schweigen darf, z. B. von der zunehmenden Bedrohung, der unsere Theaterstruktur durch die zielstrebig herbeigeführte Verarmung der Länder und Kommunen ausgesetzt wird. So ist die grundgesetzlich den Ländern vorbehaltene Vermögensteuer 1997 ersatzlos abgeschafft worden; auch andere steuerpolitische Maßnahmen wie die Absenkung der Körperschaftsteuer gehen zu Lasten der theatertragenden Städte und Gemeinden. Auf der einen Seite werden zugunsten der Unternehmen und der Wohlhabenden Steuern gesenkt, auf der anderen Seite verbietet die in das Grundgesetz eingefügte "Schuldenbremse" den kurz gehaltenen Ländern die Aufnahme von Krediten. Eine sture, hirnverbrannte Sparpolitik an der Spitze ("Schwarze Null") ruiniert von oben nach unten die Infrastrukturen des Landes von der Schultoilette über die Bibliotheken und Autobahnbrücken, Freibäder und Jugendheime bis hin zu den Staats- und Stadttheatern. Die unmittelbare Lebenswirklichkeit der Bürger der Republik wird verwüstet. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr lesen und hören wir von Kürzungen, Zusammenlegungen, Schließungen, Arbeitsplatzverlust von Künstlern und Auszubildenden, Personalmangel, der nur mit Praktikanten und Ersatzdienstleistenden notdürftig kaschiert werden kann, Ensembleverkleinerungen bei steigendem Produktionsausstoß usw. usf. Intendanten, die sich dieser Entwicklung in den Weg stellen, werden immer brutaler beiseite geschoben oder, sofern sie auch nur im Verdacht stehen, Widerstand leisten zu wollen, gar nicht erst verpflichtet. Proteste werden schwächer, bleiben aus oder werden überhört. Der Kulturföderalismus, erdacht, um eine "Reichszentrale" auszuschließen, wird zum Deckmantel etatlich begründeter Kulturvernichtung. Der Bühnenverein taktiert und färbt schön, die Verbände wursteln vor sich hin und die Akademie bekommt nicht nur das Maul nicht auf, sondern sieht offenkundig schlicht keinen Handlungsgrund. Ein unabhängiger Theaterverband wäre zu gründen, der auf ein "Federal Theatre Project" hinarbeitet, wie Roosevelt es 1935-39 ins Leben gerufen hat, eine belebende Ausstattung unserer Theater mit den Mitteln, die erforderlich sind, will die Republik über ein Theaterprofil verfügen, das sich sehen lassen kann. Statt dessen spricht Frau Merkel davon „...dass ein Land wie Deutschland, das heute 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgibt, und ein Land wie die USA, die 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, sich werden annähern müssen" (bundeswehr journal) - was natürlich nicht heißt, die USA senken ihren gigantischen Verteidigungshaushalt, sondern die BRD erhöht den ihren. Und zum Schluß: Denjenigen, die uns nach Lösungen fragen, sei gesagt, daß es solche Lösungen gibt, und zwar für nahezu alle Probleme, die uns heute in Atem halten, vom Klimawandel bis zur Rentenversicherung. Es finden sich unter den von Ulrich Matthes respektierten, angeblich ungemein fleißigen Politikern nur leider keine, die ihre Machtbefugnisse dahingehend nutzen, an diesen Lösungen zu arbeiten. Und unter den Medien finden sich keine, die sie dazu anhalten.
Presseschau Ulrich Matthes: Zukunft Europa
Eine E-Mail:

http://www.edition-staeck.de/images/big/zukunft-europa,-2015.jpg

Liebe Frau Kohse, verehrter Herr Matthes -

unter dem oben angegebenen Link finden Sie eine aktuelle Grafik Ihres letzten Akademiepräsidenten mit dem Titel ZUKUNFT EUROPA, auf die ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Sie sehen die Ostseite des Parthenon, der Giebel ist demontiert, an seine Stelle hat Klaus Staeck die Quadriga des Brandenburger Tors gesetzt. Die Quadriga bildet an diesem Platz das Symbol der Merkelschen Vormachtpolitik, die Volker Kauder mit seinem berüchtigten Parteitagssatz von 2011 "Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen" auf den Begriff zu bringen versucht hat. Die Siegesgöttin Nike, das Vorbild der Schadowschen Viktoria, kehrt in ihre Heimat zurück - als verwüstende Furie. Der Parthenon verwandelt sich in eine Kopie des Brandenburger Tores, welches doch einst den Tempel auf der Athener Akropolis zur Vorlage hatte. Die grausame deutsche Besatzungspolitik in Griechenland ist noch unvergessen, will Staeck uns sagen, da sind die Deutschen bereits wieder zurück, diesmal mit verheerenden Wirtschaftsdiktaten. Überdies kündigt der Titel (entsprechend dem Kauderschen Diktum) an, daß nicht nur Griechenland ein Opfer dieser Politik geworden ist - das griechische Los soll ganz Europa ereilen. Glauben Sie wirklich, das möchte ich Sie zum Abschluß unserer Diskussion fragen, daß die verantwortliche Kanzlerin "einen guten Job macht"?

Mit Grüßen -

Steckel.
Presseschau Ulrich Matthes: Relevanz
Herr Steckel,

ich finde ihre Analyse spektakulär falsch. Sie versuchen einen direkten Zusammenhang zwischen der „schwarzen Null“, der Kanzlerin und dem „Verfall der Theaterkunst“ herzustellen. Das ist, abgesehen davon, dass der Bund schon längst stützend in die Kulturhaushalte der Länder und Städte hätte eingreifen sollen, Überschüsse sind ausreichend vorhanden, Neuformulierungen von Gesetzen zur Stützung möglich, absoluter Unfug.

Die Theaterkunst hat stetig an Relevanz verloren, trotz jahrzehntelanger außerordentlicher Förderung, weil ihr, ähnlich der Homöopathie, Wirkungen (auch politische) zugesprochen wurden, die ihr nicht zufallen. Und über das Ausbleiben dieser Wirkungen ist eine Frustration entstanden, welche die Theaterkunst zusehends marginalisiert haben.

Wäre es der Theaterkunst gelungen, über den langen Zeitraum der hohen Förderung, sich tatsächlich in der Gesellschaft zu etablieren, wäre die Kanzlerin die Erste, die sich für sie einsetzen und sich mit ihr schmücken würde.

Es ist nun aber eben so, dass diese Kunst sich nicht mehr in der Gesellschaft verfestigen konnte, weil sie fast permanent für etwas in Geiselnahme genommen wurde, was sie nicht wirklich zu leisten im Stande ist. Das heißt nicht, dass man ihr jede gesellschaftskritische Wirkung absprechen muss, im Gegenteil, aber das Zentrum ihrer Wirkungskraft liegt in einem anderen Bereich, in der Bejahung des Lebens, ähnlich, wie es bei der Musik, verkürzt gesagt, der Fall ist.

Sie hatten ihren Anteil daran, dass die Theaterkunst um den Pathos der Gesellschaftsveränderung verkürzt wurde. Und diese Minderung ist der wahre Grund ihres Niederganges.

Ich weiß, dass gefällt ihnen nicht und sie werden bitter schimpfen. Ändern werden sie es nicht. Sie hatten jede Gelegenheit dazu.
Presseschau Ulrich Matthes: Entfaltung
Zu #52: Vom "Verfall der Theaterkunst" habe ich kein Wort geschrieben. Ich spreche von einigen recht äußerlichen, grundlegenden Bedingungen der Möglichkeit ihrer Entfaltung.
Presseschau Ulrich Matthes: Möglichkeit
@53 Die Möglichkeit zur Entfaltung ist auch heute noch gegeben.
Presseschau Ulrich Matthes: Linkhinweis
Sehr geehrter Herr Baucks,
bitte folgen Sie dem Link
http://www.nachdenkseiten.de/?p=34985

Danke
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