Presseschau vom 16. März 2017 – Die "Zeit" über die Absage der Diskussion mit dem AfD-Politiker Marc Jongen am Zürcher Theater Gessnerallee
Frei zu reden
Frei zu reden
16. März 2017. In Zürich wurde nach hundertfachem Protest aus der Kulturszene die Diskussion abgesagt, bei der Marc Jongen mit auf dem Podium sitzen sollte. In der Zeit macht sich Elisabeth von Thadden im Aufmacher des Feuilletons Gedanken über das Für und Wider liberaler Redefreiheit.
In Zürich sei es wieder passiert: "Eine ungeschickte Bewegung nur, und die Demokratie ist sich auf ihre Achillesferse getreten. Erneut auf den schmerzhaftesten Punkt: die grundgesetzlich garantierte Rede- und Meinungsfreiheit." Man könne es offenbar gerade – um nicht zu sagen: in diesen Zeiten – als öffentliche Institution nur falsch machen: "Mit den Rechten zu reden ist verkehrt, weil es sie aufwertet, aber es nicht zu tun hat denselben Effekt." So etwa, als jüngst das Theater Magdeburg den den rechten Wortführer und Chef des "Instituts für Staatspolitik", Götz Kubitschek, wieder auslud.
Manches Dilemma ließe sich ohne diskursive Aufrüstung vermeiden, so von Thadden: "Eine selbstbewusste Institution sollte niemanden wieder ausladen, den sie zuvor eingeladen hat. Dann trägt man den Streit eben aus, solange er sich im Rahmen der Legalität und der Brandschutzordnungen bewegt."
Aber das Dilemma gehe längst in Serie, und die Gelassenheit schwinde, weil sich die liberale parlamentarische Demokratie vor aller Augen selbst abwähle, in Polen, in Ungarn, Fortsetzungen können folgen. "Nun ist ein Theater kein Parlament. Nein, niemand, der eine öffentliche Institution wie eine Bühne oder eine Universität verantwortet, muss sich in seinem Haus einem vermeintlichen Miteinanderredegebot beugen. Der Zensurvorwurf läuft hier ins Leere."
Von Thadden nennt dann als Beispiel zwei derjenigen, die das Gespräch mit den Rechten suchen, den Essener Politologen Claus Leggewie und den Münchner Soziologe Armin Nassehi, die ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht hätten. Und plädiert indirekt, via der Aachener Karlspreis-Rede des argentinischen Konservativen Papst Franziskus, fürs Miteinander reden.
"Die Kultur des Dialogs impliziert einen echten Lernprozess sowie eine Askese, die uns hilft, den anderen als ebenbürtigen Gesprächspartner anzuerkennen", zitiert sie Franziskus und schreibt weiter: "Dialog: mit einem anderen sprechen, der trivialerweise tatsächlich anders ist. Askese: mithin einmal kurz nicht das eigene Selbst zu umkreisen. Lernprozess: Das Eiapopeia des Einvernehmens ist nicht gemeint. Genau diese Offenheit für bisher Fremdes will die neue rechte Elite nicht. Denn damit würde ihre Dramatisierung des Eigenen gefährdet."
(sik)
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