Theater für die Reichen ?

Berlin, 10. Juli 2010. Der Berliner Finanzsenator Ulrich Nussbaum fordert die Kürzung staatlicher Zuschüsse, "von denen in erster Linie Wohlhabende" profitieren. In einem Gespräch mit der Berliner Zeitung vom 10. Juli 2010 (auf das uns gestern ein nachtkritik-Leser aufmerksam gemacht hat) fragte der Politiker: "Wieso sind Theater und Opern, die im Wesentlichen von Leuten mit besseren Einkommen besucht werden, so stark subventioniert?"

Die wohlhabenden Bürger der Stadt sollten dem Vorbild der Bremer und Hamburger Mäzenaten- und Unternehmerkultur folgen und sich stärker für ihr Gemeinwesen engagieren, ein jeglicher in seinem Bereich, "ob für Kinder, für ein Krankenhaus, für ein Orchester, für eine Stiftung oder ein Pflegeheim".Zwar gebe es in der Stadt bürgerschaftliches Engagement, aber vornehmlich für Initiativen, die sich gegen etwas stellen oder vom Staat etwas forderten.

Nach Angaben der Berliner Zeitung gibt es in der Hauptstadt rund 500 Einkommensmillionäre, die "gut 1,4 Milliarden Euro Einkünfte" versteuern. Der Senator wünsche sich, schreibt die Zeitung, stärkere "Bereitschaft insbesondere Vermögender, für "gesellschaftliche Projekte etwas zu geben".

Ulrich Nußbaum, gegenwärtig Finanzsenator einer SPD-Die Linke-Koalition in Berlin, war zuvor Finanzsenator einer SPD-geführten Regierung in Bremen und ist, wie die Berliner Zeitung schreibt,  selber "reich geworden" durch einen "Großhandel mit Tiefkühlfischen".

(jnm)

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Kommentare  
Theater der Reichen?: Nußbaum will Attraktivität Berlins kaputt sparen
Kultur nur für Reiche, der Hungerkünstler am Tropf der Mäzene und das Volk kann sich mit Campingstuhl und Thermoskanne auf den Bebelplatz setzen. So stellt sich der König der Tiefkühlfische wohl das neue Berlin vor. Eine Stadt die gerade durch ihr kulturelle Vielfalt und das gute Preis-Leistungsverhältnis überhaupt erst Touristen anlockt und gerade bei jungen Leuten was die Subkultur und Off-Szene betrifft, ganz groß im Trend liegt. All das will Herr Nussbaum kaputt sparen. In der Komischen Oper gibt es z.B. schon Ticketaufpreise für Leute die freiwillig mehr bezahlen wollen. Die können das auch tun, nur kann denjenigen die sich die Tickets vom Munde absparen, nicht die Möglichkeit genommen werden, am kulturellen Leben dieser Stadt teil zu nehmen. Was hat den Hamburg nun von seinen Millionären, außer einer baufälligen Kunsthalle und eines überteuerten Philharmonie-Neubaus? Die Preise in den Museen und Theatern in München und Hamburg sind tatsächlich um einiges höher, jedoch bezweifele ich, dass die Institutionen dort von der sogenannten Mäzenaten- und Unternehmerkultur tatsächlich etwas haben. Die Kulturvielfalt in Hamburg, der Stadt der Millionäre, ist nicht gerade Top und München ist so elitär und teuer, das sich das bald kaum noch ein Normalsterblicher leisten kann. Warum geht denn ein bekannter Künstler wie Daniel Richter aus Hamburg nach Berlin, bestimmt nicht weil die Kulturpolitik in Hamburg so toll ist und ihm Geld vorne und hinten rein gestopft wird. Nun ist es mit der Berliner Kulturpolitik ja bekanntermaßen auch nicht gerade weit her, aber der Kultursenator, der wohl immer noch Klaus Wowereit heißt, wäre gut beraten seinen Finanzsenator ins Sommerloch zurück zu pfeifen. Berlin ist um seine Finanzsenatoren nicht zu beneiden. Woran das wohl liegen mag? Bestimmt an der Verschwendungssucht der Berliner Millionäre, die keinen Groschen mehr für die Kultur übrig haben und der vielen Hartz-IV-Empfänger.
Theater der Reichen?: Berliner Eintrittspreise zu niedrig
Sorry, aber die Eintrittspreise sind in Berlin im Vergleich zu anderen Metropolen Deutschlands recht niedrig und sollten tatsächlich angepasst werden.
Berlin lebt seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse (was viele Zugezogene sicherlich ganz cool finden), aber dies auch zu Lasten der Rest-Republik.Denn wie die SZ schon schrieb: Geld wird woanders verdient. Und die haben auf Dauer sicher keinen Bock, hier ständig reinzubuttern. LG .- Ein Berliner
Theater der Reichen?: Wer zahlt wessen Anteil?
Wer hier was reinbuttert, das ist doch die Frage. Angesichts eines Jahreseinkommens von 9,8 Millionen Euro im Jahr 2009 (Quelle: Wirtschaftsteil der SZ vom 15. Juli 2010) muss man sich doch vielmehr fragen, ob Josef Ackermann es vom Einsatz seiner Arbeitskraft her tatsächlich verdient, soviel zu verdienen. Nur um dann zum Beispiel die Premiere von Brandauers Dreigroschenoper im Admiralspalast zu eröffnen, welche auch und gerade für Ackermann die bequeme Moral parat hält: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Ich empfinde es als problematisch, dass gerade solche Fragen hinter dem vordergründigen Ausspielen von Kultur gegen Soziales verschleiert werden.
Theater der Reichen: nicht Ackermann & Co.
Ich meinte auch nicht Ackermann und Co, sondern die normalen Steuerzahler, die seit Jahrzehnten Berlin mitfinanzieren.
Theater der Reichen: Amüsierbetrieb auf dem Vormarsch
@ Ken
Zu welchen Lasten denn bitte anpassen? Berlin hat nicht ein so Hohes Pro-Kopf-Einkommen wie München und Hamburg. Die Zugezogenen mit guten Jobs geben für mich nicht der Ausschlag, sondern die Normalverdiener, die weder Anspruch auf Unterstützung noch genügend Kohle für die Kultur haben. In München und Hamburg sieht man die kaum noch im Theater, in Wien auf den Stehplätzen, soll das in Berlin auch so werden? Die Theater ein elitären Club der Besserverdienenden, die sich dann über Rene Pollesch amüsieren, das konterkariert ja alles, was Theater heutzutage noch bedeuten könnte. Der Amüsierbetrieb ist auch in Berlin schon auf dem Vormarsch, man muss sich dann über Unterschichten keine Sorgen mehr machen, die kommen dann nicht mehr vor, nicht mal mehr hinter Glas.
Grüße zurück, auch ein jahrelanger Bärliner, der irgendwann mal zu gezogen ist.
Theater der Reichen: von vorne herein ignoriert
@ Ken: Mir ging es um das Kategorische bzw. um den kategorischen Imperativ, welcher tatsächlich FÜR ALLE als Handlungsanleitung gelesen werden sollte. Was helfen dagegen populistische Äusserungen, welche "arm" gegen "reich" ausspielen, wenn doch vielmehr das gemeinsame Funktionieren - die konkreten, über Kommunikation und Konfrontation allererst hervorgebrachten Beziehungen zwischen menschlichen Subjekten - im Vordergrund stehen sollten? Was bringt uns die Idee des Sozialen einer politischen Gemeinschaft, wenn das immer nur als universalistische Idee auf dem Theater konsumiert, aber nicht gehört, mitgedacht und (auch in den Produktionszusammenhängen) gelebt wird?
Unter diesen Voraussetzungen regt sich der "normale Steuerzahler" natürlich auf, weil er das Theater möglicherweise sowieso nur noch als nette Abendunterhaltung und Ablenkung vom "richtigen und harten Arbeitsleben" wahrnimmt. Das kritische Potential des Theaters im öffentlichen Raum wird da möglicherweise von vornherein ignoriert, das heisst, die Verbindung des Theaters mit den es umgebenden sozialen Räumen und Kontexten, welche es bedingen und auf welche es umgekehrt potentiell verändernd zurückwirken kann.
Theater der Reichen: Fragen des Senfbedarfs
Zunächst einmal empfehle ich, den Wortlaut des Artikels (über den in der Meldung installierten Link) genau zu lesen. Die Kehrseite der verbreiteten Fähigkeit, kleinen Würsten mit zu viel Senf zu kommen, besteht darin, die großen Würste - und der Artikel ist eine solche - im Hinblick auf ihren Senfbedarf zu unterschätzen.
Theater der Reichen: Joachim-Lux-Zitat
"Der Demos und der aus ihm abgeleitete Staat bezahlt das Theater, stützt es mit Subventionen, obwohl es nicht den Interessen des gesamten Volks, sondern nur denen einer Sondergemeinschaft entspricht. Spricht irgendetwas für diesen empörend anmutenden Befund? Gibt es Reformbedarf?" (Joachim Lux, Theater heute, März 2010)
Theater der Reichen: Subventionspraxis verändern
die theater- und opernlandschaft in berlin ist eindeutig übersubventioniert und das geht vor allem zu lasten der kleinen, unabhängige off-szene. es ist grade diese szene, die berlin kulturell attraktiv macht und wesentlich mehr zuschauer anzieht als komische oper & co und doch leben die menschen, die solche spielorte mit enthusiasmus und leidenschaft am leben halten, am existenzminimum.
so wird gegenwärtig die staatsoper für 240 millionen euro renoviert, die kosten zur ertüchtigung des staatsopern-ausweichobjekts schillertheater belaufen sich auf 24 millionen euro. ein bruchteil dieser summen hätte gereicht um off-theaterstätten wie z.B. das orph-theater, denen die institutionelle förderung im letzten jahr entzogen wurde, zu retten.
ein finanzsenator muss er auf solche widersprüche aufmerksam machen, auch wenn das ausspielen von arm gegen reich gar nichts nützt. viel wichtiger wäre es, diese über jahrzehnte eingeschliffene und völlig verkehrte subventionspraxis aufzubrechen und das vorhandene geld gerechter und im sinne kultureller vielfalt zu verteilen.
Theater der Reichen: Statement von Klaus Pierwoß
Als ich als ehemaliger Generalintendant des Bremer Theaters (1994-2007) gelesen habe, dass die Stadt Berlin Ulrich Nußbaum als Finanzsenator engagiert hat, ist mir der Schreck in die Glieder gefahren, obwohl ich ja nicht mehr am Theater arbeite.
Als Finanzsenator war Ulrich Nußbaum in Bremen alleiniger Gesellschafter des vierspartigen Stadttheaters.

In der Spielzeit 2005/06 hat Ulrich Nußbaum dem Theater die Insolvenz angedroht; er ist der Erfinder des Insolvenzgedankens. Zeitgleich untersagte der damalige Kultursenator Jörg Kastendiek die Auszahlung der Gehälter an die Beschäftigten. Diese Kombination von Insolvenzandrohung (Nußbaum) und Gehälterstopp (Kastendiek) hat es an einem Theater seit 1945 nie gegeben.
Über Bremen hinaus hat diese kombinierte Aktion der beiden Politiker ein Beben ausgelöst, weil Theaterträger und Theaterbeschäftigte sich verunsichert gefragt haben, inwieweit die GmbH als Theater-Betriebsform überhaupt noch existenzsichernd ist.
Wir haben diese Situation (wieder einmal) nur dadurch überstanden,
dass ein überregionales Medienecho einhellig für uns Partei ergriffen und die Politiker erfolgreich zuückgedrängt hat. Bühnenvereins-Präsident Klaus Zehelein, Intendant Nikolaus Bachler und Peter Kümmel in der ZEIT (und viele andere mehr) haben uns unterstützt, in Bremen selbst der Parlamentspräsident Christian Weber.

Mit seiner neuesten Infragestellung der Kulturfinanzierung hat Ulrich Nußbaum auch in Berlin demonstriert, dass sich seine destruktive Haltung nicht geändert hat.

Nußbaum weiß Bescheid, wenn er von Leuten mit besserem Einkommen spricht. In Bremen attackierte er mich als Hyundai-Fahrer, er selber aber chauffiert einen Bentley und als Zweitwagen einen Maserati.
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