Politisch, aber verspielter als früher

2. März 2012. Zu Beginn ihres Artikels in der Berner Zeitung Der Bund (28.2.2012) beschreibt die Zürcher Theaterkritikerin Alexandra Kedves eine Szene aus Anna Mendelssohns "Cry me a river", in der die Performerin sich mittels eines Tränenstiftes selbst zum Weinen bringt, "die längsten und schmerzlichsten anderthalb Minuten, die man im Theater seit langem erleben konnte": "Künstlich fabrizierte Tränen, aber nichts ist authentischer als dieses Spiel."

"Cry Me a River" sei engagiertes Theater (Thema: Klimakatastrophe), ein "Glanzstück in einem ganzen Haufen aktueller Produktionen, die sich um politische Relevanz bemühen". Das "Fun-and-Trash-Theater" der Jahrtausendwende sei genauso vorüber wie "das Fest des Erzähl- und Fabuliertheaters" mit seiner "narrativen Wende". Lange habe man die "politischen Qualitäten des postdramatischen Theaters" darin gesehen, dass es "einerseits die Funktionsweisen von Theater an und für sich freilegte und andererseits die Rolle des Publikums thematisierte". Mittlerweile habe man auf den Bühnen "die Bedeutung des Stoffs neu entdeckt und die Kraft des Dokuments". Theater und Gesellschaft(skritik) würden wieder "enger geführt".

Als "gemeinschaftlicher Kanal" (Schiller), in dem "von Umweltschutz bis Umverteilung alles verhandelt" werde, bekäme das Theater einen neuen Wert.

Doch sei das Theater der neuen Dringlichkeit selbstreflektierter und verspielter als frühere Fanfarenaufführungen oder Lehrstücke. Ein Tränenstift und die Frage, was der Einzelne zum Klimaschutz beitragen kann, gehören nun zusammen. Als Beispiele nennt Kedves die Reenactments von Milo Raus "International Institute of Political Murder", Lukas Bärfuss Stück "Zwanzigtausend Seiten" und die Dramatik von René Pollesch.

(jnm)

 

 

Kommentare  
Presseschau, Revival politisches Theater: Was denn nun?
Sieht sie es oder beschreibt sie es, Herr Merck?

(Sie sieht es. Sehen sie es auch?
Gruß
merck)
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