Schauspiel Frankfurt soll sparen
Schauspiel Frankfurt soll sparen
Frankfurt am Main, 29. Juni 2012. Schauspiel und Oper Frankfurt sollen ein knappes Drittel der Mehrkosten selbst einsparen, die sich aus den Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst ergeben. Dies meldet die Zeitung Die Welt. "Der aktuelle Stand ist, dass die Bühnen 30 Prozent selbst beitragen müssen", sagte die Sprecherin von Stadtkämmerer Uwe Becker (CDU) der Zeitung gegenüber. Demnach kämen auf die Städtischen Bühnen Mehrbelastungen von 3,3 bis 3,8 Millionen Euro jährlich zu, was einem Einsparbetrag von zwischen einer und 1,14 Millionen Euro entspricht.
Der Hintergrund: Bei Schauspiel und Oper sind zusammen rund 1100 Menschen beschäftigt. Wie alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst erhalten sie über die nächsten zwei Jahre schrittweise 6,3 Prozent mehr Geld. Rückwirkend ab 1. März sollen 3,5 Prozent mehr gezahlt werden, weitere Tarifanhebungen gibt es zum Januar und August 2013. Bisher hatte die Stadt solche Mehrbelastungen stets ausgeglichen.
Dieser interne Sparzwang des Schauspiels steht im Kontrast zur erst vor Kurzem bekannt gewordenen Gehaltserhöhung seines Intendanten Oliver Reese: Seine jährliche Vergütung soll in den nächsten fünf Jahren von 200.000 auf 240.000 Euro steigen.
(Die Welt / geka)
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@ martin baucks: Inwiefern ist in der Formulierung "Mitarbeiter im öffentlichen Dienst" die ganze Problematik enthalten? Und zudem: Wenn beispielsweise ein Schauspieler im Vergleich zu einem Intendanten tatsächlich so wenig verdient, wie auch hier auf nachtkritik.de des öfteren zu lesen war/ist, dann finde ich schon, dass ein Intendant sich in seinem Gehalt ein wenig einschränken könnte. Die Relationen stimmen einfach nicht. Oder arbeitet Reese etwa soviel mehr als (seine) Schauspieler?
"Die Steine der Pyramiden tragen einander so ungefähr, nur in einem Punkt sind sie verschieden: die unteren Steine tragen viel mehr"
Die Demokratie, von der die meisten immer noch glauben, sie verschaffe ihnen Möglichkeiten, wird in Wirklichkeit durch das Erzeugen von Angst zusammengehalten. Daraus folgt, dass die Mehrheit einer demokratischen Gesellschaft ein Leben in Angst zu führen hat. In Deutschland hat sie Angst zu haben, den Arbeitsplatz zu verlieren. Den Leuten ist erzählt worden, dass wenn sie ihre Arbeit verlieren (wie mies bezahlt, zerstörend möglicherweise auch langweilig diese auch immer sein mag), sie ihren sozialen Status verlieren werden, ihr Leben im Grunde zu Ende sei
Die Leitung des Schauspiel Frankfurt ist entsprechend angehalten, die Angst der Angestellten und Mitarbeiter zu bedienen. Dass auch die Leitungen zuvor dieses zuverlässig getan haben, aus diesem Tun nie eine andere Kultur entstanden ist, als die, die immer noch als eine "den anderen Kulturen gegenüber als überlegen" angesehen Errungenschaft gefeiert wird, ist die tatsächliche Schuld, die Haus und Behauser auf sich laden
Welche freie Künstlergruppe, außerhalb des öffentlichen Dienstes, wäre willens und in der Lage sich solch asymetrische Strukturen zu geben?
Da komme ich heute aus dem Berliner Ensemble, habe Franz Xaver Kroetz' "Stallerhof" in der Regie von David Bösch (Gastspiel vom Wiener Burgtheater) gesehen und lese im Programmheft folgendes Zitat von Kroetz, hier zweckmäßig gekürzt. Es geht um das Leben eines Heimkinds:
"Für manche
ist der Weg ins Unglück
weit:
Die Grundstückspreise müssen sinken
und die Aktienkurse
fallen,
die Renten sehr unfreundlich
sein,
die Ertragslage geschmälert,
und die Gefahr
des Sozialismus
schon an jeder Hauswand
ablesbar.
Für andere ist er kurz:
Der Heimzögling Hubert, 111,
[...]
Kurz ist der Weg für viele
und scheinbar unendlich lang
Für einige, sodass sie ein Opernglas brauchen,
um ins Unglück zu sehen
Nachhelfn sollte man denen!"
Ja. Und möglicherweise auch den Intendanten, welche immer nur predigen, aber nur selten auch selbst danach handeln.
Bemerkenswert scheint mir in dem Zusammenhang ein Text von ihm, den er am 12.2. dieses Jahrs veröffentlichte. Er dreht sich um die zunehmende Unglaubwürdigkeit unseres ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Dazu zitierte Reese aus dem Schreiben einer als „Freundin“ bezeichneten Frau: „Ich, die ich eigentlich Werte wie Moral und Anstand für erhaltenswert halte, bekomme von dieser deutschen Regierung und diesem groteskem Bundespräsidenten vorgeführt, dass ich eine Idiotin bin. Es gelten eben doch nicht die gleichen Regeln für alle.“
Interessanterweise bleibt nun über eine längere Strecke unklar, wie Reese selbst zu Wulff oder den Worten seiner Freundin steht. Er selbst findet so klare Worte nicht wie diese. („Nicht schon wieder Wulff, werden Sie jetzt denken.“) Dann bekennt er, nun doch als er selbst: „Es ist leicht zynisch zu werden.“
Leider folgt keine Ausführung, wie ein solcher, durch Christian Wulff inspirierter Zynismus in Reeses Augen aussieht. Stattdessen bleibt der Autor, der es seiner Rolle als Regional-Kolumnist offenbar zu schulden glaubte, sich ebenfalls zu Christian Wulff zu äußern, in Deckung hinter anderen Protagonisten: erst im Vergleich des Rabatt-Präsidenten mit der moralischen Autorität Marcel Reich-Ranickis, wird klar, „dass diesem Bundespräsidenten das Format fehlt. Er hat noch nichts Sinnstiftendes hervorgebracht.“ Und so erhellt sich erst zum Schluss, was der Autor zu Beginn des Texts so formuliert: „Ist der Politik eigentlich bewusst, dass sie die Bereitschaft zur Identifikation verspielt?“
Na bitte. Nachzulesen unter:
http://www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-vorletzte-bemerkungen-zu-wulff,1472602,11620178.html
merkmale
- dramaturgisch-verkopfte spielpläne
- zusammenkaufen von namen
- fehlender mut
- keine ästhetischen wagnisse
- keine reibung
- wiedererkennungswert nur aufgrund der blässe/beliebigkeit
- noch ein kleines festival mehr ranhängen
- noch eine weitere spielstätte subordinieren, statt autonom wirken zu lassen
- kleine preise werden als "auszeichnungen" vermarketingt
- stetig nur steigende zahlen (zuschauer, einnahmen, ...)
- belanglosigkeit
- noch eine zusatzveranstaltung mehr für die statistik
- brandaktuelle bezugnahme auf "news" und "tagesgeschehen"
- fehlende grundsätzliche auseinandersetzung
- denken bis zur vertragsverlängerung bzw. wechsel ans "nächstgrößere" haus
- kein profil
ja, sehr subjektiv und pauschal - aber wir können das mal durchdeklinieren
wollen wir also für Herrn Reese hoffen, dass er die Familienplanung nun vorantreiben kann. Gerade in Anbetracht der von dir aufgemachten Rechnung bezüglich Selbstausbeutung und -aufopferung von Theaterleuten, finde ich jedoch, dass wir von den Führungskräften mehr als reinen Eigennutz erwarten dürften. Insbedondere, da ja nur ein kleiner Teil aller Theaterschaffenden irgendwann Intendant wird. Darum sollten gerade diese (aus ihrer langen Kenntnis des Systems) einen besonderen Sozialinstinkt beweisen und auf ihre Schäfchen aufpassen. Nun scheint Reese - mindestens durch sein etwas instinktloses Verhalten bei der Aushandlung seines neuen Vertrags (der die nachhaltigen Sparmaßnahmen für das Frankfurter Haus und seine Mitarbeiter ratifiziert) - eben diese Tugend nicht gerade unter Beweis gestellt zu haben.
Darum sind wir hier.
Wie es geschehen konnte, dass die Theaterkunst in die Struktur des öffentlichen Dienstes gepresst wurde?
Und warum sie sich so schwer tut, sich sinnvoll davon zu befreien?
Trotzdem bin ich schon erstaunt über die unglaubliche Zähigkeit dieses Systems. Da werden Subventionen in Tarifstrukturen geschüttet, die man so vielleicht nur noch im Finanzamt oder Bürgeramt findet. Darüber schwebt eine kleine Gruppe von Künstlern, die sich wiederum um einen hochbezahlten scharen. Der Sockel dre Tariflohnempfangenden schaut gelassen zu, wie dieses kleine Völckchen im fünfjahres Rytmus ausgetauscht wird. Mal kürzer mal länger, und alles scheint in bester Ordnung. Hin und wieder gibt es ein paar Demonstrationen, um den temporär versiegenden Geldhahn wieder zu öffnen und es funktioniert. Meißtens.
Wird einmal ein Intendant abgewählt, wie Herr Laufenberg, wächst innerhalb dieses Systems sofort jemand nach, der die Lücke schließt. Man ist fast eins mit diesem demokratisch gestifteten System des öffentlichen Dienstes. Niemand meutert wirklich.
Man pflegt keine weltsnschauliche Spannung zum Staat, auch nicht zur Gesellschaft, und wenn, dann nur im überschaubarem Rahmen. Die weltanschaulichen Kämpfe sind seit dem Niedergang der DDR weitgeghenst beendet. Ein paar Schamützel vielleicht, einige wenige Diskurse, die aber dem Gemeinwohl kaum schaden können, sonder, im Gegenteil, eher das Restbedürfniss nach Geselschafftskritik abdecken.
Auch ein künstlerisches Aufbegehren, ein neues Lebensgefühl ist kaum zu verspüren. In der Hauptsache Abgesänge auf alte Leidenschaften, die man ablegte, wie falsche Kleider.
Zurück bleibt diese lähmende Struktur, die alles erfasst und zugleich aufrechterhält und abtötet. Da müsste schon eine Pest kommen, um all dies zu beseitigen. Im Mittelalter sorgte diese schreckliche Pest zugleich für ein Wiedererstarken der Natur. Ganze Landstriche waren menschenleer, so dass sich die Natur wieder erholen konnte und neu erblühte.
Die Natur der Kunst, sich frei zu entfalten, liegt in diesem Netz aus Zwängen gefangen, und simuliert sich zugleich darin mit einer, wie schon gesagt, unglaublichen Zähigkeit. Diese Zähigkeit stiftet Sicherheit, trügerische Zuversicht. Denn selbst die darin enorme Vorteile genießen, können ja abgewählt werden. Intendanten kommen und gehen. Wir bleiben, sagt der öffentliche Dienst und simulieren Kunst so fein, dass man das Surrogat kaum vom Echten unterscheiden kann. Eine effektivere Falle hat sich die Theaterkunst nie selbst gestellt.
Natürlich ist das ne Menge Kohle. Und wahrscheinlich ist das auch zu viel. Und man muß das auch kritisieren und in Frage stellen dürfen.
Aber wenn jetzt schon wieder die Erniedrigten und Beleidigten der ach so "freien" und "alternativen" Theatzerszene hervorkriechen, um ihren Frust am Nicht-Dabei-Sein-Dürfen zu kompensieren, indem sie in verschwurbeltem Soziologendeutsch ihren Haß auf das böse Stadtheater rauslassen, dann kommt einem das Kotzen.
Bevor man sich über die vermeintlich so "lähmenden Strukturen" anderer mokieret, sollte man vielleicht die lähmende Struktur im eigenen Kopf einmal hinterfragen.
Nur so als Tipp.
Herr Baucks, Ihre Pauschalurteile und arroganten Abgesänge nerven kolossal. Und dann auch noch dieses Geraune von der Pest als reinigender Kraft, meine Güte, haben Sie´s eine Nummer kleiner? Es macht einfach keinen Spaß mit Ihnen in eine Diskussion zu treten. (Sie wollen ja auch gar nicht diskutuieren, Sie wollen recht haben.) Sie nölen da heraus aus Ihrem Dünkelbunker ohne Rücksicht auf Differenzierung und Abwägung. Stattdessen wird alles plattgemacht mit einer Walze aus Ressentiments und giftgrüner Missgunst. Mannmannmann.
@ martin baucks: Was genau verstehen Sie unter einer "weltanschaulichen Spannung zum Staat/zur Gesellschaft"? Inwiefern sind diese Kämpfe Ihrer Meinung nach seit dem Niedergang der DDR weitestgehend beendet? Sie wünschen sich jetzt aber nicht den Kalten Krieg bzw. den staatlich sanktionierten Antifaschismus der DDR zurück, oder? Und warum wollen Sie dem Gemeinwohl unbedingt "schaden"? Geht es nicht vielmehr darum, das Gemeinwesen über die Form des kreativen Widerstands zu verändern?
Den "Pest"-Diskurs entnehmen Sie sicher den Thesen Artauds. Aber Artaud zielt nicht auf materielle/körperliche Zerstörung ab - das wäre das Vulgärverständnis von seinem "Theater der Grausamkeit". Sondern Artaud geht es um das BEWUSSTWERDEN der "perversen MÖGLICHKEITEN" des Geistes, und zwar über den Weg der (Theater-)KUNST. In einem realen und dauerhaften Pest-Zustand möchten Sie sicher auch nicht leben. Auch Artaud schreibt davon: "[...] das Gute ist gewollt, es ist Ergebnsi eines Tuns, das Böse dauert fort." Oder in den Worten von Camus:
"À la fin, c’est trop bête de ne vivre que dans la peste. Bien entendu, un homme doit se battre […]. Mais s’il cesse de rien aimer par ailleurs, à quoi sert qu’il se batte?"
(Albert Camus, "La Peste")
ich finde Ihren Beitrag bemerkenswert in all seiner Verblendung.
Wie wollen Sie denn auf die Seite des ehemals Gescholtenen wechseln?
Warum fühlen Sie sich dort so wohl?
Haben Sie den irgendwelche Qwalifikationen oder eine künstlerische Laufbahn vorzuweisen, die es Ihnen ermöglichen würde, sich auf dieser Seite zu bewegen? Oder kompensieren Sie eventuell Ihre eigene Talentlosigkeit durch dieses Sehnen?
Steckt dahinter nicht ihr ureigenster Wunsch Dabei-Sein-zu-Dürfen?
Über meine Person hätten Sie sich leicht informieren können. Nun ja. Ich versichere Ihnen: Mein Kopf ist eine Oase der Freiheit. Sie ahnen nicht einmal, was ich mir alles erlaube zu denken.
Auch hasse ich das Stadttheater nicht. Ich würde jederzeit dort arbeiten. Aber eben mit jener kritischen Haltung im Kopf. Warum nicht?!
och nö. Mit Reese stellen Sie sich also auf eine Seite, angesichts der Kommentare dieses Threads kommt Ihnen jedoch bei Nr. 18 "das Kotzen"?
Warum? Welchen Flurschaden soll dieser Kommentar anrichten? (...)
Finde ihren Anmerkungen ganz schön arrogant. Übrigens nicht zuletzt gegen die freie Szene.
Schönen Gruß
Reese hat nen Haufen Geld für sich herausgeschlagen. Womöglich half ihm dabei, dass die Politik beim schauspielfrankfurt kürzen wollte, und dafür auf seine Zustimmung angewiesen war. Damit machte er sich aber bei den Frankfurter Politikern nicht nur Freunde. Und von denen muss das einer an die Frankfurter Lokalpresse durchgestochen haben, die dem guten Mann die Hosen runterließ.
Dabei kam zum Vorschein: aktuell verdient er E 200.000 jährlich sowie E 17.000 für eine eigene Inszenierung. Mit Vertragsverlängerung wird dieses Gehalt sukzessive aufgestockt zu E 240.000 plus zwei eigene Inszenierungen, a E 17.000 und E 25.000 – je nach eigener Wahl. Außerdem wird er auswärts inszenieren.
Um das Geld, ich geb es zu, finde ich’s ein bisschen schade. Der Imageschaden für das schauspielfrankfurt ist bedauerlich. Und dass der Intendant (eigentlich ein Regieanfänger) jetzt ständig große Inszenierungen versehen soll, unnötig.
Ich denke, dass ein Moliere oder Schiller von sich aus nie auf die Idee gekommen wäre, den öffentlichen Dienst und die Theaterkunst in einem Atemzug zu nennen. Und das aus dieser Liaison eine Schwierigkeiten erwachsen, die man durchaus kritisch sehen kann. Unter anderem der Umstand, dass dort in Frankfurt ein Intendant eine fragwürdig hohe Bezahlung bekommt, wenn man sie mit den Gagen abgleicht, die sein Umfeld erhält.
@26: und jetzt bloß nicht über moliere, die commedie francais und ihre privilegien nachdenken. meine namensgeberin olympe de gouges wusste über diese ungereimtheiten übrigens viel zu sagen. den unterschied zwischen intendanten und autoren schweigen wir jetzt einfach weg.
@ alle: danke für eine gute diskussion - bringt das hirn in schwung. kampf der gerontologie;-) ich melde mich hier jetzt ab.
Ach Schade,...doch, doch, man sollte schon darüber nachdenken, in welchen Spannungen Moliere zur Macht stand. Warum nicht?
Man könnte Rückschlüsse ziehen auf das heutige System. Denn lange Zeit war ja die Liaison zwischen öffentlichem Dienst und der Theaterkunst auch produktiv und fruchtbar.
Man könnte sich die Frage stellen, ab welchem historischem Moment diese Fruchtbarkeit und Produktivität allmählich verschwand? Und warum?
Aber wenn sie keine Lust mehr haben. Naja.
Lieber Eckehard, Sie legen nahe Reese habe die Frankfurter Politiker durch das Zusammenfallen seiner Verlängerungsverhandlungen mit der Verabschiedung des Haushaltsplanes unter Druck setzen können. Wenn er das denn musste und gewollt hat. Und lassen wir hinzukommen, dass die kürzlich aus dem Amt geschiedene Oberbürgermeisterin P. Roth sich ihm erkenntlich zeigen und das Haus der Städtischen Bühnen vor ihrem Abtritt noch bestellen wollte.
Das ändert alles nichts daran, dass zu einem Schildbürgerstreich wie diesem immer zwei gehören. Und dass Herr Reese sich alleine sein Gehalt nicht erhöhen konnte. Wann aber lernen die Provinzpolitker von Bonn bis Frankfurt endlich, dass ein Anruf beim Bühnenverein reicht, um mal herauszufinden, was so branchenübliche Gehälter in Häusern der gehobenen Mittelklasse sind. Und damit meine ich in diesem Falle der CDU-Kulturdezernenten Prof. Felix Semmelroth.
Und dass Reese gerade von anderen großen Häusern stark umworben worden wäre, davon kann ja keine Rede sein.
Jaaa - das will ich auch!
Aber:
„... und das Schauspiel mit einer großzügigen Spende zu unterstützen“.
Also nix für mich. Nun ist das ganze nicht etwa der Freundes-Kreis oder der, wie es in Frankfurt heißt: Patronatsverein, sondern eine Versammlung wirklich besserer Gesellschaft, die mit ihren erlesenen Namen dann auch gleich noch werben lässt: Claudia Steigenberger, Ardi Goldman, Dr. h.c. Beate Heraeus, Franziska Castell etc. pp. (Frankfurter wissen, was ich meine.)
„Die Club-Abende bestehen aus dem Besuch einer Arbeitsprobe (in der Regel nicht mehr als 15 Teilnehmer) und einem anschließenden Beisammensein zum Austausch über das Gesehene in entspanntem Rahmen bei Snacks und Drinks in der Schauspielkantine mit dem Regieteam, den Akteuren und Oliver Reese.“
Ich will aber auch mal mitreden bei den Inszenierungen in Frankfurt! Und zwar VOR der Premiere! Bitte unterstützen Sie mich: morgen stelle ich meine anonymisierte, nicht mehr rückverfolgbare Bankverbindung ein.
Ich stelle mir gerade vor Moliere stünde vor seinem Ensemble und sagte: Ab heute bekomme ich viel mehr und ihr noch weniger!
Nein, noch besser. Brecht stünde vor seinen Schauspielern und sagte: Ich will mehr Geld, und dafür bekommt ihr weniger. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Das wären lustige Gespräche nach solchen Ansagen, bei denen man gerne Mäuschen wäre.
Man könnte Dramen mitschreiben.
...dann SCHREIBEN Sie Dramen, Herr Baucks, aber gehen Sie hier bei nachtkritik aus der Leitung. Kaum bemächtigen Sie sich eines Themas geht unter Pest und Untergang des Abendlandes gar nichts mehr. Schon Ihr Privatkampf mit Steckel war peinlich und hat die Kommentarspalte blockiert. Haben Sie denn gar nichts zu tun, dass Sie hier so viel posten müssen?
So sehr ich mit Ihrem Standpunkt sympathisiere, kann ich Ihrer Argumentation – nach eingehender Prüfung meiner inneren Stimmen – wie mir scheint, nicht folgen. Gerade Herr Moliere, und Brecht noch mehr, waren Unternehmer oder wenigstens Subunternehmer, die, wie wir in Brechts Fall leider wissen, auch nicht davor zurückschreckten, ihre Schauspieler und Koautoren mal kräftig übers Ohr zu hauen. Es sei da nur an die Verhandlungstricks erinnert, mit denen Brecht Kurt Weill zum Beispiel dahingehend übervorteilte, dass er, Brecht, aus den gemeinschaftlichen Werken 75, Weill nur 25 Prozent der Tantieme abschöpfte: besonders spektakulär bei der berühmten „Dreigroschenoper“, deren Textbasis auch noch zu 80 Prozent vermutlich von Elisabeth Hauptmann zu Papier gebracht worden war (die, wenn ich recht erinnere, zwischen 10 und 15 Prozent der Tantieme kriegte).
Außerdem sträube ich mich, einen Herrn Reese mit Moliere oder Schiller (oder Brecht) zu vergleichen.
Aber weiter: ihr Thema „Öffentlicher Dienst“ versus „Freiheit der Kunst“ (einmal verknappt gesagt, bitte korrigieren Sie mich, wenn ich Sie falsch verstehe): ich bin auch hier, bei aller Sympathie, nicht Ihrer Meinung. Gerade Schiller und Moliere waren ja zutiefst in politische und Machtstrukturen verstrickt. Ihr Theater konnte sich – meinetwegen in der Spannung zu gewissen Potentaten – auf keinen Fall jedoch in Auflehnung gegen dieselben entfalten.
Und zum „öffentlichen Dienst“: außer in den Metropolen zu Zeiten aufkommender Massengesellschaften, so in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert, oder in London und Paris ab dem 16. Jahrhundert, waren Theater meist nicht wirtschaftlich zu betreiben. Ein großer Teil unserer Klassik, so die Griechische, wurde von subventionierten Theatern hervorgebracht. Und wenn wir den Begriff der Subvention ein bisschen weiter fassen: wenn geliehener Rechtsschutz durch adlige Befürworter oder die Selbstausbeutung der beteiligten Künstler als versteckte Subvention erkannt würden, dann gab es nicht mal in den oben genannten Epochen der Massengesellschaft, also für Shakespeare, Brecht oder Max Reinhardt ein Theater ohne offenere oder verstecktere Subventionen. Es gab höchstens einzelne Künstler, für die sich ihre Kunst trotzdem ausgezahlt hat.
Es ist dies, wie ich glaube, gerade das Kennzeichen des Mediums Theater: dass es durch einen kollektiven Willensakt oder als Machtrepräsentanz zustande kommt. Der Schauspieler ist geradezu die Metapher für den abhängigen Künstler, der mit jeder Regung, jedem Wort das er spricht, sichtbar Teil eines Kollektivs, Teil einer Inszenierung ist. Er ist nie ein freies und alleiniges Genie – ein Ding, das es vermutlich auch in anderen Gattungen nicht gibt, auch wenn unser Genie-Begriff uns eine solche Vorstellung zuweilen nahe legt.
Darum glaube ich auch nicht an eine Formel, derzufolge deutsche Stadttheater heute naturgemäß unorigineller oder unproduktiver sind als die Dionysien im klassischen Athen. Ich gebe aber zu, dass die Theater heute – in Konkurrenz zu den elektronischen Medien – keine solche Dominanz in der öffentlichen Auseinandersetzung mehr behaupten.
sie haben nartürlich völlig recht damit, ihre Sicht an meinen flappsigen Kommentaren zu schärfen. Und natürlich wende ich mich nicht gegen die staatliche Finanzierung von Theatern an sich. Nur schauen sie doch nach Augsburg. Da sollen Unternehmen Geld geben, damit ihre Führungskräfte in der Stadt bleiben.
Das Theater als reine Repräsentanz einer Stadt und seiner Unternehmen. Das ist doch eine Aufforderung zur Flappsigkeit.
Wenn die sagen würden, gebt uns endlich euer Geld, damit wir euch mal so richtig in den "Arsch treten" können, dann wäre zwar eine recht grobe Spannung zwischen Theater und Stadt gegeben. Aber immerhin.
Oder wenn die Stadtväter von sich aus gemeinsam mit den Unternehmen sagen würden, ich habt ihr einen Batzen Kohle, und nun ärgert uns mal richtig. Wir brauchen eure Kritik, um lebendig zu bleiben. Ja dann.
Aber dieses mehr an Geld wird mit Konditionen verknüpft, die schauerlich sind. Und selbstverständlich sind einige Kommunen und Städte so klamm, die können nicht einfach so mehr ausschütten. Aber sie könnten ihr Verlangen, ihre Wünsche an das Theater ganz anders gestalten. Theater als weicher Standortfaktor. Meinetwegen. Aber das reicht doch nicht zu einer wirklich lebendigen Streitkultur.
Hübner zog solche menschen wie Fassbinder magisch an und als er alt war beschwerte er sich bei mir darüber, dass er immer mehr Lust an Auseinandersetzung hat als alle anderen. Darunter litt er. Er wollte streiten. Und das konnte er ganz gut. Auch er ist Klinken putzen gegangen und hat Zadek überredet am Wochenende mit FDP Mitgliedern segeln zu gehen, um mehr Geld zu bekommen. Aber die wollten was anderes von einander.
Sie hatten Lust auf Auseinandersetzung. Auf weltanschaulichen Streit. Auf neue Menschenbilder. Ich rede ungern über Reese und sein Gehalt. ich bin kein Neider. Und natürlich ist Reese als Schatten von Wilms belächelt worden. Aber hat sich aus diesem Schatten herausgearbeitet. Eine erstaunliche und bemerkenswerte Laufbahn.
Darüberhinaus hat er mir leider immer noch nicht viel zu sagen. Er wird das ganz anders sehen. Er hat sich da in Frankfurt gut eingerichtet. Diese Gagenerhöhung ist natürlich eine kühne Frechheit. Aber sie wird ihm gewährt, weil er dafür genau dies Mass und unauffälliger Auseinandersetzung garantiert, dass niemandem weh tut.
Tja, da kann man schon mal zu Spott aufgelegt sein.
Für mich ginge es darum eine neue Spannung zu kreieren. Eine Frechheit ganz anderer Art. Aber mir geht es ähnlich, auch meine Lust an Auseinandersetzung und Reibung ist wahrscheinlich zu hoch.
Auch glaube ich nicht an einen Geniekult. Ich höre einfach nur zu oft, dass sich Theaterschaffende im Theater als Zuschauer langweilen, sie gestehen es einem hinter vor gehaltener Hand, dass sie oft sogar drohen im Zuschauerraum einzuschlafen. Und das muss ja nun nicht wirklich sein. Da gibt es andere Lösungen. Ob die in solchen Strukturen geboren werden können, daran zweifle ich.
Alles schön und gut. Aber Ihr überseht das Wichtigste:
In einer Zeit der finanziellen Krise, verursacht durch die Gier von Managern, durch triebgesteuerten Kapitalismus, hat ein Theatermacher, der sich so verhält, einer Stadt wie der Bankenmetropole Frankfurt nichts zu sagen.
Glaubhaft, dass er Frankfurt erst mal ein Theater bieten kann, in dem die Stadt sich ganz gern wiedererkennt.
Hier müssen Taten her. Hier muss Reese selbst mal etwas sagen.
Er hat ja einen kulturellen Auftrag. Den erfüllt er nicht, indem er die Debatte aussitzt.
als Sie nach Frankfurt kamen, sagten Sie (in der Rundschau vom 30. August 2008), Ihnen sei wohl bewusst, dass ein Intendant auch "Nehmerqualitäten" haben muss.
Sie alter Schlingel!
Ihre
Wie funktioniert ein solches Gespräch?
Da gibt es doch wieder nur eine Lösung. Die Stadt Frankfurt muss auch die Tariferhöhungen zuschießen. Frankfurt ist dies sicherlich zuzumuten. Aber das Ganze stellt keine Gesamtlösung dar. Eine Finanzstadt kann sich eine solche Auseinandersetzungen vielleicht ohne größeren Schaden leisten. Aber für eine Stadt wie Oberhausen ist dies eine indirekte Ohrfeige.
Jeder Intendant geht eben in seiner Stadt seinen eigenen Weg. Da ist kaum Solidarität. Wilms und mit ihm Reese bekannten sich ja immer zur Konkurrenz. Jetzt lernen wir die Spitzen dieser Haltung kennen.
zuerst eine in die fresse - dann kommt die moral.
besonders dann, wenn es die eigene fresse gewesen ist.
Nachdem Herr Reese meines Wissens zu der Spardebatte um sein Haus nie etwas anderes hat verlauten lassen, als dass sich diese Diskussion erübrige, da man hier so erfolgreich wie noch nie sei, wollte ich dieser Tage ins Schauspiel Frankfurt gehen, was sich als nicht so leicht erwies: Neben einer Reihe von komplett spielfreien Tagen, spielt das Schauspiel Frankurt diesen Monat an elf Tagen in seinem großen Haus gar nicht. Das war zu Beginn der Ära Reese anders und klingt ehrlich gesagt gar nicht nach einer der größten Erfolgsgeschichten seit Beginn der Aufzeichnungen. Kommen nicht mehr soviel Zuschauer oder liegt es an den einsetzenden Sparzwängen? Vielleicht ist das der Augenblick, in dem ein Intendant mal mit dem Kampf beginnen müsste. Auch wenn er sich zuvor stets auf seine hervorragenden Zahlen festgelegt hat. Kämpfen Sie, Herr Reese.
Sie fragten sich am 9. Juli 2012 – das war in den Sommerferien des letzten Jahrs – ob das Betriebsklima an einem Theater unter Bedingungen wie denen in Frankfurt (der Intendant hatte sich sein Gehalt sehr stark erhöht, dafür aber Einsparungen im Gesamtetat akzeptiert) nicht sehr leiden müsste.
Die Frage blieb im Raum, meist erfährt man wenig davon, was hinter den Mauern der Theater und in den Ensembles vor sich geht. Nun erhalte ich das neue Spielzeitheft des Schauspiels Frankfurt und mir fallen gleich die vielen neuen Gesichter auf. Ich frage mich, warum es da so viele Neue gibt und schaue auf die Website, wo noch das Ensemble der laufenden Saison abgebildet ist.
Und hier das Ergebnis: statt zuletzt 32 Ensemblemitgliedern hat das Schauspiel Frankfurt ab dem nächsten Jahr noch 27.
9 Schauspieler verlassen das Ensemble, nämlich:
Valery Tscheplanowa
Sandra Gerling
Stephanie Eidt
Henrieke Johanna Jörissen
Marc Oliver Schulze
Michael Goldberg
Mathis Reinhardt
Felix von Manteuffel
Nils Kahnwald
Man könnte es eine Abstimmung mit den Füßen nennen. Oder mit dem Möbelwagen. (Kleiner Trost: Constanze Becker bleibt uns erhalten.)
Ich weiß, dass solche Dinge wahrscheinlich immer so oder so ähnlich ablaufen. Bedauerlich empfinde ich trotzdem die Wortlosigkeit, mit der diese Abgänge geschehen. Nicht nur seitens des Intendanten, auch seitens der Presse und des Ensembles. Wir haben in Frankfurt auch andere Zeiten erlebt. Als theater-interne Spannungen offener und konfliktfreudiger ausgetragen wurden.
Schon die Gehaltsdebatte wurde vom Schauspiel Frankfurt bloß schamhaft beschwiegen. Nun verändert sich das Ensemble sehr stark. Um viele der das Haus Verlassenden ist es schade. Was man dazu in der Zeitung lesen kann, ist: „Viele neue Gesichter sind zu entdecken.“
In meiner Laufbahn als Pädagogin habe ich gelernt: Wortlosigkeit ist ein Virus, der sich ausbreitet. Die Leitung des Frankfurter Schauspiels sollte achtgeben, dass nicht auch seine Kunst eiens Tages davon infiziert wird.
(http://www.oliverkluck.de/mosaic/_M_userfiles/Autorenvertrag-frankfurt.pdf)
...in meinem neuen Spielzeitheft ist Marc Oliver Schulze dabei.... Stephanie Eidt ebenso
du hast Recht: es gibt im Spielzeitheft Fotos von Marc Oliver Schulze und Stephanie Eidt. Hinten im Mitarbeiterteil stehen sie allerdings nicht mehr im Ensemble, sondern bei den Gästen.
Auch so ein komischer Brauch. Manche Gäste vorn auf Fotos abzubilden, andere nicht. Schließlich gibt es ja noch mehr Gäste, die dem Haus durch frühere Ensemblemitgliedschaft lange verbunden sind, wie Traute Hoess, Joachim Nimtz etc.
Also bitte, das ist das älteste Windowdressing. Natürlich will der Reese, dass der Erdrutsch in seinem Ensemble nicht so krass daherkommt. Darum mogelt er die beiden Profiliertesten unter denen, die sein Haus verlassen, als Gäste mit Ensemblefotos nochmal in sein Spielzeitheft.
So what?
Da kennt sich aber jemand gut aus unterm Sofa des Frankfurter Schauspiel. Ich finde die Kritik greift aber leider zu kurz und rechnet eher auf der persönlichen Ebene mit einem vielleicht unliebsamen Intendanten ab. Man darf aber die Person mit der Institution nicht verwechseln. Schöner wäre es, auf dieser Ebene sich mal über das Haus Gedanken zu machen.
Sicher ist erkennbar, dass durch Reeses finanzielle Eskapaden – zusammen mit seiner zur Schau getragenen Uneinsichtigkeit – dem Schauspiel Frankfurt etwas von dem Nimbus, den es in den ersten Jahren seiner Intendanz hatte, abhanden kam.
Deshalb finden die Nörgler nun in Frankfurt ein Haar in jeder Suppe. Ich bestreite nicht, dass diese Haare wirklich da sind. Aber Ähnliches kann man auch anderswo und überall finden.
Die plötzliche Empfindlichkeit gegenüber Frankfurter Umtrieben hängt ja eher mit der überzogenen Wahrnehmung der Reese-Intendanz in ihren ersten Jahren zusammen. Damals konnte kein Attribut zu hoch gegriffen sein, handelte es sich beim Schauspiel Frankfurt gar bereits um das Stadttheater der Zukunft. Klar, dass der Fall danach umso tiefer sein musste.
Zugegeben: ein Drittel des Ensembles verlässt das Haus von einer Spielzeit auf die nächste, so etwas ist nie besonders schön. Aber Reese ist (wenn man den Hoeneß-Faktor einmal außer acht lässt) auch nicht schlechter als Joachim Lux oder Hasko Weber. Oder Ähnliche.
Hier soll man jetzt einmal ein Stadttheater in Ruhe zu sich selber kommen lassen. Und in ein paar Jahren wollen wir schauen, was wirklich dabei rauskam.
Immer wieder lese ich hier Anmerkungen wie die Ihre: "Da kennt sich aber einer gut aus im Theater soundso" oder "Sie sind wohl selbst Ensemblemitglied" etc. pp.
Wenn ich bedenke, dass wahrscheinlich einige, die hier posten, wirklich Angestellte der betreffenden Häuser sind, dass aber - wie ebenfalls in dieser Diskussion erkennbar - die Hausangehörigen eher wenig dazu beitragen - vielleicht aus Rücksicht auf sich selbst und andere - will sagen: dass es hausangehörigen Künstlern eher schwer fällt, sich zu Wort zu melden, dann finde ich diese Bemerkung reichlich überflüssig. Sie scheint mir sogar einschüchternd.
Stephanie Eidt, Marc Oliver Schulze, Valery Tscheplanowa, Sandra Gerling ... die wird er wohl nicht alle gefeuert haben. Immerhin waren das die Protagonisten (neben Constanze Becker), die er in den letzten Jahren aufgebaut hat.
Becker hingegen war ja vorher schon ein Star. Insofern wird man sich schon fragen dürfen, ob Reese da alles "richtig gemacht" hat. Ich denke, das ist eher eine inhaltliche Frage, als eine von Stellenprozenten.
"Da kennt sich aber jemand gut aus unterm Sofa des Frankfurter Schauspiel."
Lieber Comfort, alle von mir angesprochenen Tatsachen finden sich im aktuellen Spielzeitheft des Schauspiels Frankfurt.
Dass der Weggang von wunderbaren Schauspielern wie Traute Hoess und Felix von Manteuffel von dir als "unterm Sofa des Frankfurter Schauspiels" qualifiziert wird, lässt sich nur dadruch erklären, dass du in Frankfurt nicht viel im Theater warst.
Wenn diese Schauspieler nicht das Gesicht des Schauspiels mitgeprägt haben, dann wüsste ich gerne wer oder was sonst?
Was aber ist, jenseits von richtig oder falsch, eigentlich die Nachricht?
Neun von 32 Schauspielern verlassen das Ensemble, vier Stellen davon werden neu besetzt.
Das scheint immerhin einen Paradigmenwechsel anzukündigen: Reese hatte doch nach Schweeger angekündigt, den Schauspieler wieder in den Mittelpunkt seines Hauses zu stellen. Ausdruck davon sollte sein, das Ensemble, das am Ende der Schweeger-Zeit noch 30 Mitglieder hatte, auf 40 Schauspieler aufzustocken.
Was – bei gleichbleibender Subvention - bedeutet hätte, dass er nicht so sehr mit Stargästen arbeitet, sondern sein festes Hausensemble nach vorne schiebt.
Nun ist das Frankfurter Ensemble noch kleiner geworden, als es am Ende der Ära Schweeger war. Was entweder bedeutet, dass da wirklich schon der Sparzwang in der Ensemble-Politik angekommen ist, oder, dass das Experiment sich aus dem Stargästebetrieb herauszuhalten als beendet angesehen werden kann.
Ich tippe auf das zweite, glaube auch, dass sich der Wechsel mit Andrea Breth und dem Faust-Projekt im letzten Jahr in Frankfurt schon angekündigt hat.
Dass aber neun Schauspieler auf einen Streich ein Haus verlassen, ist nicht ganz so normal. Es schafft, wie man hier sehen kann, Erklärungsbedarf.
Was mich an der Debatte ärgert, ist, dass für dieses Phänomen alle möglichen Erklärungen bemüht werden (Karrieresprung, schönere Stadt), dass aber doch einige hier eine besonders naheliegende Erklärung gewissermaßen ignorieren: dass die Schauspieler, die aus Frankfurt weggehen aus künstlerischem Gewissen gehandelt haben könnten. Wieso zieht das niemand in Betracht? (Dich nehme ich aus, Bettina.) Glaubt inzwischen niemand mehr daran, dass Kunst auch mit Idealismus zu tun haben kann? Dabei ist das öfter der Fall, als mancher denken mag. Gerade bei den Künstlern, die nicht so hoch bezahlt sind.
Was ich an Berliners Kommentar interessant finde, ist, wie er - trotz heißlaufen der Drähte - nicht in der Lage ist, den Unterschied zwischen Erfolg und Gewissen zu bemerken. Man kann es, das Gewissen, ja auch, eine Nummer kleiner, Glaubwürdigkeit nennen. Und warum sollten nicht auch Schauspieler verstehen können, dass Stadttheater in Deutschland nicht nur Ästhetik braucht, sondern genauso Glaubwürdigkeit. Und daran ändert auch ein Thalheimer nicht viel, der in Frankfurt ebenso erfolgreich wie in andern Städten ist.
Ich gebe zu, das ist auch mir ein bisschen zu viel Moralin.
Ich würde das Problem von einem anderen Aspekt ansehen:
Frankfurt muss sparen, so lautet schon der Titel dieses Threads:
und es wird sparen, wie viele andere Theater schon in naher Zukunft auch.
Nun hat Reese mit demselben Federstrich, der seine Einwilligung in den Sparkurs klar stellte, für sich selbst zumindest klar gestellt, dass er noch ein paar Jahre lang nicht wird sparen müssen. Und das ist das Problem.
Jeder Einschnitt, der am Schauspiel spürbar wird, wird mehr auf ihn zurückfallen als auf die Politiker, die den Einschnitt anordnen. Kommt dazu: auch bei den Stadtoberen hat er seine Glaubwürdigkeit als Kontrahent und Kämpfer für sein Haus beschädigt.
Darum setzt er auf Quote, das heißt, er sucht sein Heil beim größtmöglichen Publikum.
Die Quote ist (bei der wechselhaften Gunst des Feuilletons) das einzige politische Argument für sein Theater, das ihm bleibt.
Die Auswirkungen dieser Strategie sind am Frankfurter Spielplan bereits abzulesen.
Was als nächstes droht, sind die Unterforderung des Publikums, Unterforderung der Künstler und eine zerstörerische Abhängigkeit vom Kassenerfolg.
Jeder Intendant in Deutschland sollte dieses Beispiel gut studieren.
Jedenfalls war er es nicht in einem Gespräch mit Rolf van Dick vom Center for Leadership and Behavior in Organizations zum Thema „Führung“, das seit dem 20.03. auf YouTube steht:
„…
Rolf van Dick: Sie haben gerade Werte angesprochen. Das ist meine letzte Frage: welche Rolle spielen Werte in der Gesellschaft, aber für Sie persönlich auch in dem Umfeld, in dem Sie hier arbeiten?
Oliver Reese: Je länger ich das mache, was ich mache, desto wichtiger werden mir bestimmte, sagen wir, Grundeinstellungen. Und ehrlich gesagt, das macht das Leben leichter. Also zum Beispiel, nehmen wir einen heiklen Fall wie Trennung von Mitarbeitern. Wenn man mit Menschen, mit denen man teilweise über Jahre gearbeitet hat, irgendwann der Meinung ist, dass jemand da nicht mehr optimal auf dem Posten ist, auf dem er ist, also am Theater zum Beispiel auch Schauspieler im Ensemble oder eine Öffentlichkeitsarbeiterin, ein Pressechef, ein künstlerischer Betriebsbüromitarbeiter, dann, glaube ich, fällt es unglaublich schwer, solche Entscheidungen zu treffen, auch im Falle von einer Vertragsnichtverlängerung, wenn man, wie soll ich sagen, nur in der Psychologie und im Miteinander, im täglichen Leben verwurzelt ist, statt zu gucken, welches eigentlich die Grundentscheidungen sind, Grundwerte sind, sagen wir ruhig dieses Wort, nach denen man Entscheidungen trifft. Und, wie soll ich sagen, eine Entscheidung gegen eine Nichtverlängerung, also jemanden zu behalten, obwohl man vielleicht nicht mehr von ihm überzeugt ist, das bedeutet ja auch immer, sich gegen jemanden zu entscheiden, der jetzt nicht kommen kann, weil die Stelle nun anders besetzt ist. Also die Alltagspsychologie sagt mir, das ist doch mein lieber Mitarbeiter, das fällt mir jetzt sehr schwer, den nicht zu verlängern. Fällt es auch. Aber zum Beispiel zu wissen, wie hoch stelle ich meine, sozusagen, meine Anforderungen an das Gesamtniveau dieses Hauses und wie wichtig ist denn diese Stelle für alle anderen Mitarbeiter und inwiefern wäre es jetzt zum Beispiel für die Erneuerung eines Theaters wichtig, nach, sagen wir, fünf sechs Jahren mal im Ensemble viele neue Gesichter zu haben, damit für die Zuschauer eine neue Attraktivität und ein neuer Aufbruch ist und auch, möglicherweise, hausintern. Und solche Entscheidungen dann zu treffen, nicht weil ich sage, ich mag da jemanden nicht mehr oder, O Gott, ich mag ihn so sehr, ich schätze ihn nicht mehr, aber ich kriege es nicht über mich gebracht, also bei solchen Entscheidungen hilft es doch gewaltig, sich auf einen Grundwert zu besinnen.“
Wer mehr über „Führung“ wissen möchte:
http://www.youtube.com/watch?v=n6_76G8S5Ug
http://www.fr-online.de/frankfurt/oper-und-schauspiel-frankfurt--wir-werden-noch-mutiger-werden-,1472798,22855892,view,DEFAULT.html