Fröhliches Weiterwurschteln

von Reinhard Kriechbaum

12. Juni 2012. Man hatte sich schon auseinandergelebt, noch bevor Alexander Pereira mit dem Sommer 2012 seinen Intendantendienst in Salzburg angetreten hatte: Pereira war nicht gewillt, das Festspielkuratorium (ein politisch besetztes, bis auf die Knochen unkünstlerisches und obendrein hoffnungslos un-wagemutiges Aufsichtsgremium) zu akzeptieren. Das Festspielkuratorium seinerseits, das den langjährigen Zürcher Opernchef ohne Hearing bestellt hatte, reagierte wie vor den Kopf gestoßen, als es sah, wes Geistes Alexander Pereira ist.

Ausweitung

Pereira war auf eine Festspiel-Ausweitung aus. Mehr Opernproduktionen, zeitliche Verlängerung des Festivals nach vorne und hinten. Er argumentierte: Wenn schon keine Subventionserhöhung, nicht mal Inflationsanpassung (man hält derzeit bei 13,5 Millionen Euro), dann Festspiele als wachstumsorientiertes, quasi neoliberal operierendes Wirtschaftsunternehmen. Tatsächlich: Es gab viel mehr Karten, mehr Publikum, mehr Einnahmen – alles gut für eine satte Jubelmeldung nach dem Sommer 2012.

Freilich: Es gab auch sehr viele nicht verkaufte Karten. Die Zeiten sind vorbei, da man tunlichst zu Jahreswechsel seine Bestellung abgeschickt hat, um nur ja seine sommerlichen Karten zu ergattern. Unterdessen reicht es, nach Salzburg zu fahren und an der Festspielkasse das Gewünschte zu kaufen (klappt meistens, wenn man sich nicht gerade auf eine Premiere mit der Netrebko kapriziert). Genau deshalb schwante manchem im Kuratorium Böses: Die Festspiele könnten verlieren, wenn ihnen nichts Elitäres mehr anhaftet, wenn sich die Botschaft wie ein Lauffeuer ausbreitet: Es gibt Karten in Hülle und Fülle...

Längst geplant

Nun also der Bruch: Man hatte Alexander Pereira deutlich zu verstehen gegeben, dass mit einer Vertragsverlängerung in Salzburg nicht zu rechnen sei. Daraufhin hat er die Gelegenheit beim Schopf gegriffen und bei der Mailänder Scala angeheuert, ab 2015. Sein Salzburger Vertrag (in dem eine Zweitbeschäftigung dezidiert untersagt ist) wäre bis 2016 gelaufen. Die Lösung nun: Pereira geht schon nach Festspiel-Ende 2014. Und dann springt Sven-Eric Bechtolf, Schauspielchef der Festspiele, als Interims-Intendant für die Jahre 2015 und 2016 ein.
Keine Frage: Bechtolf wird das hinkriegen. Bei den unterdessen im Opernbetrieb üblichen Vorlaufzeiten muss bis 2016 so gut wie jeder Aufführungstermin fixiert sein, Regisseure und Dirigenten feststehen, und wohl auch die meisten Sängerinnen und Sänger. Für die Detailarbeit gibt es das künstlerische Betriebsbüro. Eine künstlerisch befriedigende Sache für Bechtolf?

Neben ihm werkt die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler. Sie hat ihren Posten (der früher vor allem einer des Repräsentierens war) im Lauf der Jahre selbst aufgewertet, indem sie die Akquisition der Firmensponsoren auf ihr Banner schrieb. Seit anderthalb Jahren ist sie auch fürs Kaufmännische bei den Festspielen zuständig, also die Finanzschefin neben dem Intendanten. Ihr aktueller Vertrag läuft 2014 aus, der Job wird ausgeschrieben. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Helga Rabl-Stadler nicht wieder bestellt würde: Denn "das Kuratorium ist die Findungskommission" hieß es nach der Sitzung. Das politische Gremium wird Rabl-Stadler als Konstante im Festspielbetrieb wohl bestätigen, und das ist zur Stabilitätssicherung auch gut so. Pereira und Rabl-Stadler konnten überhaupt nicht miteinander, Bechtolf und sie werden einander wohl nicht so sehr ins Gehege kommen.

Verdächtige Ruhe

Generell fällt auf: Der Pereira-Abschied, die Interims-Lösung mit Sven-Eric Bechtolf und der Entschluss zur Neuausschreibung sind verdächtig ruhig und emotionslos über die Bühne gegangen. Gerade so, als ob es sich gar nicht lohnte, für die Festspiele Leidenschaft zu entzünden und Herzblut zu verspritzen. Es geht alles seinen Gang. Irgendwie und irgendwie routiniert. Passt ja auch alles, zumindest fürs Kuratorium als Vertreter der Subventionsgeber. Egal, wie viel sie geben (jetzt also 13,5 Millionen des Gesamtbudgets von 61 Millionen Euro) – es ist so und so eine Marginalie im Verhältnis zu Steuereinnahmen und zur Umwegrentabilität aus dem Unternehmen Festspiele.

Freilich ist das Kuratorium auch die "Findungskommission" für den neuen Intendanten (Bewerbungsfrist bis September, diesen September!). Das könnte man auch als gefährliche Drohung nehmen, denn diesem Gremium ist Perspektive und Innovation nicht mal in Spurenelementen nachzusagen.

Hinterhäuser Silberstreif

Aber da gibt es ja einen Talon, und der heißt Markus Hinterhäuser. Als langjähriger Konzertchef der Festspiele (und zuvor, in der Ära Mortier, als Mitgestalter der zeitgenössischen Festspiel-Schiene "Zeitfluss") hat Hinterhäuser Pluspunkte en masse gesammelt. Als Jürgen Flimm an die Staatsoper Unter den Linden wechselte, war er auch schon für ein Jahr Zwischenzeit-Intendant und hat sich auch da bewährt. Bei den Wiener Festwochen ist er 2014 bis 2016 als Nachfolger von Luc Bondy verpflichtet. 2017 also ist für ihn der Weg zurück nach Salzburg frei. Das sei "kein Zufall", ließ der Salzburger Bürgermeister (und Kuratoriumsmitglied) Heinz Schaden verlauten. So diese Rückkehr klappt – Hinterhäuser sollte sich seinen "Rückkauf" erstens imagemäßig gut überlegen und wenigstens gut bezahlen lassen – hätten die Festspiele nach dem fröhlichen Dahinwursteln wieder einigermaßen gute Karten. Trotz Festspielkuratorium.

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