Westler gegen Traditionalisten?

25. August 2013. Die Bühnen in Moskau waren "immer konventionell", schreibt Ulrich Heyden in der Wochenzeitung Der Freitag (22.8.2013, 6 Uhr). Nun aber griffen sie "Themen der Protestbewegung auf". Und die "Mittel- und Oberschicht" klatsche dazu Beifall.

 

Das Tschechow-Kunsttheater (MChAT) spiele seit Februar "Ein idealer Gatte", frei nach Oscar Wilde. Darin gehe es um "die Liebe zwischen Männern, Korruption in höchsten Machtetagen, Pädophilie". Das Ganze mit "patriotischen Liedern garniert". Regisseur Konstantin Bogomolow habe die "interessierte Öffentlichkeit über ein soziales Netzwerk an der Entstehung des Stückes beteiligt". Das Theater sei voll, trotz Preisen bis 175 Euro. Die Bühnen müssten das thematisieren, "was auf der Straße passiert", so formuliere Bogomolow den Anspruch der jungen Regisseure.

In Moskau sei es "modern geworden", sich das provokative Stück anzugucken. Auch andere bekannte Bühnen, wie das Theater Majakowski, bearbeiteten Klassiker so, "dass ein Bezug zu aktuellen Problemen deutlich" werde.

Die "Kreml-nahe Tageszeitung Iswestija" behaupte, die Protestbewegung gegen Beamtenkorruption und Wahlfälschung habe 2012 zu einer Reformwelle an Moskauer Theatern geführt. Die Moskauer Kulturbehörde sei der Anstifter gewesen. Junge Regisseure mit Erfahrungen im westlichen Ausland könnten kritische Stücke inszenieren oder seien Theaterleiter geworden. Die Iswestija schreibe weiter, dass die Reform der Moskauer Theaterwelt zu einer "Spaltung und offenen Konfrontation zwischen ,Westlern' und ,Traditionalisten'" geführt habe. Dazu Heyden: Diese Spaltung spiegele den Zustand in der russischen Machtelite wieder, wo sich "die Kräfte um den patriarchalischen Putin auf der einen und um den wirtschaftsliberalen Medwedew auf der anderen Seite in etwa die Waage halten."

(jnm)

 

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