Presseschau vom 7. Februar 2010 - FAS-Interview mit Anne Tismer

Sachen in den Kopf gebeamt

7. Februar 2010. Die Performance Hitlerine, die Anne Tismer mit Alexis Brug in der Berliner Volksbühne entwickelt hat, stellt manchen Freund geschlossener Formen vor Rätsel. So auch Volker Corsten, der sich die Sache im Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (7.2. 2010) noch einmal erklären ließ und in diesem Zusammenhang auch einiges andere erfuhr. Zum Beispiel von Anne Tismers Abneigung gegen das Aufsagen von Texten toter Männer.

Die Idee, sagt Tismer, stammt von Alexis Bug, dem Regisseur. "Er wollte ein Stück namens 'Hitlerine' inszenieren, (...) ich sollte es spielen. (...) Ich habe gesagt, dass ich nur mitmache, wenn ich selber auch schreibe." Es sei ihr Versuch, so Tismer weiter, "das bornierte Verhalten einer weißen Europäerin zu zeigen und ihr Verhältnis zu einem Afrikaner, der geprägt ist von mehr als einem Jahrhundert Kolonialpolitik." Es gehe um Machtverhältnisse, um Anziehung und Abhängigkeit.

Die Nora, ihre berühmteste Rolle der letzten Jahre, habe sie erst gar nicht spielen wollen, und die Hedda Gabler, die sie danach mit Thomas Ostermeier machen sollte, habe sie abgelehnt. "Weil ich nie eine Ibsen-Schauspielerin werden wollte. Weil ich Ibsen zum Kotzen finde! Weil seine Küchenpsychologie so spießig ist und die Probleme, die in seinen Stücken verhandelt werden, mich zu Tode langweilen."

Ihre wichtigste Arbeit sei mit  Abstand der 'Richard II.' in Stuttgart gewesen. "Es gibt ein Video von der Aufführung, ich habe mir das gerade noch einmal angeschaut - und seit langem wieder einmal gedacht: Ah, dazu ist also ein Regisseur gut. Jürgen Kruse hat mir Sachen in den Kopf gebeamt, auf die ich von selber nicht gekommen wäre. Aber das ist Jürgen Kruses große Qualität."

Inzwischen empfindet sie die Bezeichnung Schauspielerin als Beleidigung: "Ich habe damit nichts mehr zu tun. Ich war wirklich sehr lange, fast zwanzig Jahre lang, Medium. Ich habe Texte von toten Männern aufgesagt und mich so bewegt, wie Regisseure das wollten. Das reicht!"

 

Zurück zur Nachtkritik der Premiere.

 

 

 

 

 

mehr medienschauen