Nachtkritikstream mit Livechat - Nicolas Stemanns Corona-Passionsspiele vom Schauspielhaus Zürich
Corona-Passionsspiele
28. November 2020. Noch bis 18 Uhr zeigen wir die "Corona-Passionsspiele" im Nachtkritikstream. Im ersten Lockdown im Frühjahr inszenierte Nicolas Stemann die "Corona-Passionsspiele" als Online-Serie in elf Folgen. Zwischen Lockdown und Sommerpause wurden sie Ende Juni im Schauspielhaus Zürich auf die Bühne gebracht. Im Nachtkritikstream gibt es nun eine Aufzeichnung des szenischen Konzerts zu sehen.
Hier ein kurzes Einführungsvideo von Nicolas Stemann, der am 27.11. im Livechat zum Nachtkritikstream zu Gast war:
Aus einem Interview mit Nicolas Stemann auf der Webseite des Schauspielhauses Zürich:
Wie kam es zu der Idee eines Corona-Passionsspiels?
Nicolas Stemann: "In der Vergangenheit wurden Epidemien ganz konkret mit Theater bekämpft – und offensichtlich recht wirksam, wenn man sich etwa den Gründungsmythos der Oberammergauer Passionsspiele vor Augen führt: als Reaktion auf die Pest taten die Bürger Oberammergaus 1633 den Schwur, ein Theater zu gründen und alle zehn Jahre bis an das Ende aller Zeiten ein Passionsspiel aufzuführen. Sofort war die Pest beendet und fortan kein Toter mehr zu beklagen. Der Schwur wurde eingelöst – bis zu diesem Jahr, da die Passionsspiele erstmalig seit ihrer Gründung nicht stattfinden können - ironischerweise ausgerechnet aufgrund einer Pandemie. Vielleicht kann Theater also mehr ausrichten als man denkt."
Corona-Passionsspiele
Inszenierung & Komposition: Nicolas Stemann, Ausstattungsleitung & Kostüme: Marysol del Castillo, Bühne: Eva Willenegger, Musikalische Einstudierung & Einrichtung: Jojo Büld, Schlagzeug: Christian Szyska, Video & Kamera: Emma Lou Herrmann, Videomeister: Andi A. Müller, Licht, Carsten Schmidt, Dramaturgie: Fadrina Arpagaus.
Mit: Alicia Aumüller, Tabita Johannes, Michael Neuenschwander, Matthias Neukirch, Karin Pfammatter, Sebastian Rudolph, Lena Schwarz, Luisa Stemann, Renzo Spotti, Lukas Vögler, Jojo Büld, Sebastian Harder, Titilayo Adebayo, Olivia Vermeulen.
www.schauspielhaus.ch
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(zur Pandemie)
So nimmt der alte Tod seine Harfe
und schreitet und singt und schreit
stadteinwärts und kaum gedämpft:
Du unheilige Nacht
bald ist`s vollbracht
bald schlaft ihr ein
in den langen Schlummer
der euch erlöst von allem Kummer!
Entlaubte Bäume rauschen dann:
Schlaf süß du guter alter Menschen-Weltmann.
Die vor-winterlichen Gräser lispeln müde schwankend fort:
Wir decken deinen seligen Ruheort.
Und mancher späte Trauervogel ruft:
O lasst sie ruhen in dumpfer Rasengruft!
Die alte Menschheit horcht
die alte Menschheit schweigt
der Bruder Tod hat sich ihr geneigt
hat ihr was Totes zu-gegeigt.
(frei nach Johann Baptist Mayrhofers "Nachtstück"
vertont von Franz Schubert)
Die Ballade "They don´t care about artists any more" folgt auf den Song zu den Lufthansa-Milliarden und kritisiert die fragwürdigen Prioritäten der Politik. Musikalisch sind Titilayo Adebayo in "Es ist nur ein Stich" und Tabitha Johannes mit ihrer NDW-Revival-Hymne an das "Plexiglas" die Highlights, politisch ist die "Nazi Hippies in Berlin"-Abrechnung im Reggea-Sound mit den "Querdenkern" das stärkste Statement.
Gerahmt werden die Songs von einer sakralen Prozession durch den Schiffbau, die live vor Ort sicher eindrucksvoller wirkt als im Mitschnitt. Als Bonus-Track hat Karin Pfammatter noch einen denkwürdigen Rock-Lady-Auftritt im "Züri brännt"-Stil, in dem sie sich wie schon im Schweizer Tatort von einer ganz anderen Seite zeigen darf als in ihrer "Der Mensch erscheint im Holozän"-Elegie.
Alles Böse wirft man hin
denn es stört bei der Nacht
zerreiß das lose menschliche Band
reich mir zuletzt zu letztem Abschied keine Hand
denn meine könnte verseucht und tödlich für dich sein.
Weinen muss ich gänzlich totenbleich im Abendrot
im tiefsten Abendrot (mein Abendbrot) bin ich schon tot.
Zum letzten Mahl trinke ich Glut
schlürfe noch einmal purpurnes Licht.
Irresein an der Welt und an mir:
Willkommen in der Neuen Realität!
dafür ist es niemals zu spät
oder, es ist immer zu spät
der Himmel stürzt ein
und alles alles wird wie früher seyn.
Die Zeit ist ganz (Corona)verrenkt
und uns wird jetzt nichts jetzt geschenkt.
Klassischer und sicherer: diese Zeit ist aus den Fugen.
O vergiss mich schnell wenn ich jetzt sterbe.
Ich war gewesen ein Roboter
und ich war auch ein Menschenschrotter
und ich sang schöntraurige Schubertlieder.
Ich will lachend heut untergehen
will die von Sünden verseuchte Welt
nimmermehr wiedersehen.
So viele schöne Herzen
klopfen jetzt in Schmerzen
und keiner möchte gern
in sein dunkles Grab entfliehen.
Ganz lichterloh und ho
bleichet meine Jugend
O wie die Jugendschönheit
schnell verblühet.
Und alles alles wird wieder gut
als Reaktion auf die Seuche.
Pandemie ruft Pandemie!
vergiss mich nie.
Wenn ich jetzt sterbe
sei du mein unendliches Erbe
und mein letztes Ende
wenn ich mich wende (wandle).
Du bist das Licht
in dieser zerbrochenen gläsernen Scherbe
und sieh zu dass nichts an dir verderbe.
Ich b i n willkommen in der Neuen Realität
nein nicht hier aber im Jenseits
welches nicht existiert
weil es sich
in sich s e l b s t verliert
Early this mornung
When you knockes upon my door
Early this morning
When you knocked upon my door
And I say "Hello Satan
I believe it is time to go"
Me and the Devil
Walking side by side ...
(Soap and Skin)
da weiß man wenigstens woran man ist
wenn nichts gut geht
Ich und der Teufel nebeneunander gingen
And I`gonna see nobody (bleiben Sie zu Hause)
so nobody gets sat(an)isfied
So see, I don`t see why
That Satan would dog me`round
Said I don`t see why
Police dogging me `round
It must be that old evil fascist spirit
so deep down in the ground of their soul
You may burn my body
Down by the miserable highway side (stumpfen Autobahnseite)
So my insane old evil spirit (der Samen des gleichen alten bösen
Geistes)
Can get a bloody Greyhound bus and ride
so I can get out of here
aus der verseuchten Welt
euch gegeben,
Suchet, so werdet
ihr finden,
Klopfet an, so wird
euch aufgetan.
MT.7,7
An so eine Möglichkeit denkt hier keiner mehr.
Warum eigentlich nicht?
Aus Gottlosigkeit?
Düster beginnt die neue Version: „Ich kann nicht mehr – Da ist kein Horizont“ klagt Stemann in seinem sehr persönlichen Intro, einem von drei neuen Songs, mit dem er sicher vielen nach 10 aufreibenden Pandemie-Monaten und zu wenig Licht am Ende des Tunnels aus der Seele spricht. Auch der zweite neue Song „Die Mutation“ im Gruft-Rock-Stil macht wenig Hoffnung: „Sie kommt herbei! Sie kommt heran! Sie fasst Dich an! Sie hat Dich schon!“, röhrt es aus Zürich auf die heimischen Tablets und Laptops.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2021/01/21/corona-passionsspiele-schauspielhaus-zurich-kritik/