Karin Henkels Münchner "Macbeth" - Der Shorty zum Gastspiel beim Theatertreffen 2012
So schöne Gefühle
von Dirk Pilz
7. Mai 2012. Die dritte Premiere des 49. Berliner Theatertreffens, das Gastspiel des "Macbeth" von den Münchner Kammerspielen, wurde vom Publikum mit einigem Beifall für die fünf Schauspieler Katja Bürkle, Benny Claessens, Stefan Merki, Jana Schulz, Kate Strong und mehreren deutlichen Buhs für die Regisseurin Karin Henkel aufgenommen. Ob den Zuschauern die Bühne (ein schlichtes Häuschen auf einem schlichten Podium) und die Musik (vornehmlich saftiger Sound, zuweilen auch leises Dräuen) gefiel, ließ sich nicht ermitteln. Vermutlich werden sie weder größeren Ärger noch heftige Zustimmung ausgelöst haben. Auch die teilweise schrill bunten, vor allem aber kunstblutverschmierten Kostüme hinterließen keine erkennbaren Reaktionen.
Rasch strömten die Menschen aus dem großen Saal im Haus der Berliner Festspiele hinaus unter die hohen Kastanienbäume, aus denen in diesem Jahr Kunstvogelgezwitscher zu vernehmen ist. Hier und da war ein achselzuckendes "Och ja" oder erleichtertes "Ganz schön" zu vernehmen. Eine einzelne Dame kam mir zu Gehör, die ihren Gatten (vermutlich war es ihr Gatte) anherrschte, er möge demnächst doch bitte nicht so was Langweiliges aussuchen. Ja mei.
Es war halt ein Abend, an dem alles irgendwie O.k. ist. Eine Frau spielt den Macbeth? Macht nix, denn der Macbeth ist ja einer, den die Machtlust zum Bösewicht werden lässt, der die ganze schlimme Mordsschweinerei anrichtet, weil da so ein Zwang in ihm ist, und das kann schließlich irgendwie jedem passieren, Mann oder Frau hin oder her.
Der Text wurde zusammengestrichen? Als ob das eine Rolle spielen würde. Es geht doch um einen, den die Machtlust zum Bösewicht werden lässt, weil da die Sache mit dem Zwang ist, was sich ja nun nicht ändern lässt, ein paar mehr Verse hin oder her. Außerdem: Wenn man eine Umfrage im Premierenpublikum gemacht hätte, mit der Bitte: Bitte sagen Sie in jeweils drei Sätzen, was in Akt eins, zwei, drei, vier, fünf passiert – wer hätte es wirklich gewusst? Eben.
Insofern hat sich die gesamte Debatte über Text- oder Werk- oder was für eine Treue auch immer sowieso erübrigt. Es kommt halt darauf an, dass man eine Story erzählt, mit der die Leute etwas anfangen können, was bedeutet, dass es eine sein muss, die halbwegs glaubwürdig ist und möglichst auch ein bisschen aktuell daherkommt. Die man gut versteht. Die in jeder Hinsicht unterhält. Die einem das schöne Gefühl gibt, man verstünde ein bisschen mehr die Welt, die Menschen und sich selbst. Und die einen ansonsten in Ruhe lässt.
In diesem Sinne ist dieser Abend prima Theater für die Mehrheitsgesellschaft: Er ist ziemlich bunt, er ist ein bisschen krass, er ist kurz (zwei Stunden), alles ist bestens verständlich und einfach nachvollziehbar, vor allem aber glaubwürdig und aktuell. Man darf, wenn man will, an Kriegsheimkehrer denken, die es heute ja auch noch gibt, zum Beispiel. Oder an Irre. Gibt es auch viele. Oder aber man erfreut sich an den schauspielerischen Darbietungen.
Und wem es nun gar nicht gefallen hat – nicht schlimm. Es wurde ja gekürzt, nach zwei Stunden ist alles vorbei.
Hier geht's zur Nachtkritik der Premiere am 18. Juni 2011 an den Münchner Kammerspielen. Weiter zur tt-Festival-Übersicht geht es hier.
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was meinen sie bitte mit forum-folklore? spielen sie damit auf die vielen nationen an, aus denen die beteiligten des jungen forums beim theatertreffen kommen? meinen sie das dann wirklich ernst? sind sie also eine respektloser mensch? rassist gar?
(Lieber Sascha Krieger, der Beitrag ist wirklich verloren gegangen. Posten Sie doch noch einmal eine Abbreviatur Ihrer Ausführungen. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow)
Ich habe meine Bemerkung gar nicht so sehr an Karin Henkel beim Theatertreffen festmachen wollen, sondern bemerkte wie Sie erschrocken, dass es wohl eher eine Männerquote am Theater gibt, die weit über 90 % liegen dürfte. Wenn Sie sich den gerade frisch veröffentlichten Spielplan der Münchner Kammerspiele ansehen, werden Sie feststellen müssen, dass Karin Henkel die einzige Regiefrau dort bleibt. Auch am Deutschen Theater Berlin sieht es eher finster aus. Hier werden nur drei Frauen in der kleinen Box Stücke inszenieren. Immerhin was, aber für diese großen Häuser, auf die alle schauen, ist das doch finster. Die deutschen Regiefrauen tummeln sich in der vermeintlichen Provinz. In Dresden z.B. sieht es da nämlich wesentlich besser aus. Ob da eine Quote abhelfen könnte, wie immer diskutiert wird, ist für den Bereich Kunst wohl eher zu verneinen. Aber wenn es so bleibt, werden Karin Henkel oder Karin Beier beim nächsten Theatertreffen wieder die allein die Regiefrauen vertreten, unabhängig von der tatsächlichen Leistung womöglich. Und schauen Sie nach Cannes, wo es einen Protest der französischen Regiefrauen gegen die Übermacht der männlichen Kollegen gibt: „Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme". Oder im Pressebereich die Rüge der Journalistinnen-Initiative ProQuote gegen die Nichtberücksichtigung beim Henry-Nannen-Preis, der leider wegen des BILD-Eklats etwas untergeht. Und jetzt erklären Sie mir mal, wie Mann/Frau das ändern kann, ohne auch ernsthaft über eine Quote nachzudenken. Einfach nur an die Einsicht zu appellieren, hilft da wohl kaum.