Theatertreffen 2011 - Abschlussdiskussion der Jury
Weg mit der Charity, her mit dem Stadttheatertreffen!
von Matthias Weigel
Berlin, 22. Mai 2011. So ein Ende kann manchmal befreiend wirken. Es schlagen die letzten Tage der diesjährigen Fachmesse und Leistungsschau "tt11", und nicht nur Festivalchefin Iris Laufenberg ist nach eigenem Bekunden durchaus erleichtert, die Leitung des Theatertreffens im nächsten Jahr abzugeben (im Zuge der neuen Festspiel-Intendanz von Thomas Oberender). Auch Theaterkritiker Andres Müry ließ sich von seiner heute endenden Jury-Mitgliedschaft zu einigen befreiten Worten hinreißen. Müry und seine sechs Jury-Kollegen, die die Theatertreffen-Einladungen zu verantworten haben, stellten sich in der traditionellen Abschlussdiskussion den kritischen Fragen des Publikums – oder heute eher: den Fragen der Teilnehmer des Internationalen Forums.
Autorenblog: Als Du schliefest
17. Mai 2011. Nach dem anti-naturalistischen Manifest Der Biberpelz nun ein anti-psychologischer Ibsen: Herbert Fritsch erweist sich mit Nora oder ein Puppenhaus als Meister des Formalen und genialer Eklektizist. Im Schnelldurchlauf sampelt er visuelle und literarische Zitate über den Ibsen-Stoff. Kristine Linde und Anwalt Krogstad versinken im Kuss aus "Vom Winde verweht". Finger krümmen sich "Nosferatu"-artig, und auf der glanzpapierfarben ausgeleuchteten Spielfläche wird zombiehaft gelurcht, dass es eine Freude ist. Unterlegt ist das alles mit verzerrt hallender Melodramenmusik, die Suspense à la Hitchcock suggeriert. E. T. A. Hoffmanns Coppelia wackelt puppenhaft über die Szene, und Nora trägt zum Tüllkleidchen der verzogenen Göre das rote Haar von Munchs lüsterner Vampirin. Ihr Geschlecht zieht die Männer magisch an – schwarzes Loch, "Vagina dentata".
Redaktionsblog: Habe ich Großes verschlafen?
17. Mai 2011. Nora aus Oberhausen, gestern. Sehr fein das wieder. Erstaunlich, wenn man es gegen den Schweriner Biberpelz hält. Dort eine erdige, rohe, slapstickkomische dann eben doch Sozialästhetik, wenn auch aus dem Kaschperletheater mit Pritsche und Krokodil. Hier eine Unsere-Leichen-reiten-wieder-Spieluhr-Ästhetik, bei der man glaubte, Achim Freyers "Woyzeck", der vor gefühlten hundert Jahren auf dem Theatertreffen gastierte, und bei dem Martin Schwab als Woyzeck possierlich auf einer schräg gestellten Spieluhr-Oberfläche agierte, seien irgendwie die Federn durchgeknallt und die Figuren begönnen im mechanischen Endkampf zu rasen.
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