Blog - Alle wollen Charlie sein
Unvollkommene Vorläufigkeit
13. Januar 2014. Inzwischen ist also auch das letzte Theater aus dem Winterurlaub zurückgekommen, um noch – husch, husch – seine Solidarität mit Charlie zu entdecken. Sogar die Intendantengruppe des Bühnenvereins dröppelt in einer Pressemitteilung nach – andere Theater haben schon früher stolz darauf hingewiesen, dass man doch mal auf ihre Premieren-Leuchttafel schauen solle... denn: Überraschung! Statt "20 Uhr: Michael Kohlhaas" steht da jetzt auch "Wir sind Charlie"! Danke für diesen Mut, denn allein so konnten schon fünf Attentäter von ihrem Plan abgebracht werden, den Applaus durch Buhrufe zu stören.
Ja, die Theater retten durch ihre blitzartigen Reaktionen mal wieder das Abendland, pardon, die Gesellschaft. Dass selbst die Intendanten in ihrer Pressemitteilung eine "unvollkommene Vorläufigkeit" der Reaktionen der Theater vermuten, ist natürlich reines Unterstatement. Denn dieser Aufwand, dieses Risiko, wenn der Social-Media-Manager ein Charlie-Foto postet, ich meine: Der könnte sich ja eine Blase am Finger holen! Oder die ganze Terrorgruppe IS gegen sich aufbringen! Ein waghalsiges Unterfangen!
Es wäre auch das total falsche Signal, Aufführungen abzusagen, die Türen aufzumachen, Pegidisten, Verschwörungstheoretiker und AfD ins Haus zu holen, um zu reden, zu diskutieren, zu streiten. Nein, gerade in solchen Zeiten muss man beweisen, dass man auch einfach so weitermachen kann! Sonst hätten die doch gewonnen! Spielplan ist schließlich Spielplan!
Außerdem wird die Jelinek schon irgendwann ein Stück darüber schreiben. Das kommt dann 2017 auf den Spielplan. Gut, bis Milo Raus von 37 Regierungsvertretern finanziertes Reenactment der Charlie-Morde am Originalschauplatz irgendwann auch bei uns als Gastspiel landet, darauf muss man vielleicht noch ein bisschen warten. Aber hey – alle geben ihr Möglichstes. Bis dahin taugt #jesuischarlie als Beweis fürs gesellschaftliche Interesse und Sinn für PR-Momente allemal.
(mw)
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Vielleicht ist er aber auch zwischen 10.1. und 13.1. marktschreierischer geworden, so dass man ihn als reine PR lesen kann. Manche lasen ihn auch als Anmaßung - als sei er nicht im übertragenen Sinne gemeint, sondern wolle sagen: Ich bin genauso mutig, ich riskiere auch ständig was.
Wie im Theater gilt wohl auch hier: Der Subtext ist entscheidend.
Für mich bleibt es ein guter, ein leiser Satz.
http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-den-anschlaegen-von-paris-deutschland-muss-vielfalt-akzeptieren-und-nicht-nur-ertragen-1.2296770
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/theater/Je-suis-Charlie-also-bin-ich-/story/18439596?dossier_id=2930
https://m.youtube.com/watch?v=FMR8NNdkIX4
Lohnt sich anzugucken ... auch um mehr über die Hintergründe des "Civil Wars" Stück zu verstehen.