Einblick in den Maschinenraum

22. November 2023. Haben Sie sich schon mal gefragt, wie die nachtkritik-Redaktion arbeitet? Wie der ganze Laden funktioniert? Und wie nachtkritik.de sich eigentlich finanziert? Hier geben wir Ihnen einen kleinen Einblick in den Maschinenraum.

Von Anne Peter und Silvia Schober

22. November 2023. Liebe Leser*innen, als nachtkritik.de ins Leben gerufen wurde, haben wir Henry James zitiert: "We work in the dark – we do what we can – we give what we have. Our doubt is our passion and our passion is our task. The rest is the madness of art."

Wir arbeiten im Dunkeln, des nachts, um Ihnen am Morgen nach der Premiere ganz frisch und ereignisnah die Kritik zu lesen zu geben – und zur Diskussion zu stellen. Nun möchten wir für Sie ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen, in dem wir mit so viel Herzblut herumfuhrwerken, und Ihnen einen Einblick in den Maschinenraum von nachtkritik.de geben.

Monatliche Premierenauswahl

Wir lieben das Theater. Deshalb schreiben wir darüber. Unverändert sind die Nachtkritiken, 50 pro Monat, das Kernstück unserer Seite, unser journalistisches Rückgrat, um das herum sich über die Jahre immer mehr Inhalte gesammelt und ausdifferenziert haben.

Wir versuchen dabei, jeden Monat stets eine gute Mischung zu wahren, übers Jahr gesehen: in alle Regionen von Deutschland, Österreich und der Schweiz zu schauen, auf alle Genres, nicht nur auf die bekannten Regienamen, sondern jeweils auch auf ein paar, die noch kaum jemand auf dem Zettel hat. Und ja, wir schauen – was wir auch erst lernen mussten – mittlerweile darauf, dass wir möglichst viele Premieren von Regisseurinnen im Plan haben, ohne uns dabei eine konkrete Quote aufzuerlegen.

Diesen Premierenmonatsplan, für den die Autor*innen ihre regional fokussierten Vorschläge machen, entwerfen jeweils zwei der zehn Redakteur*innen und haben dabei die schwere Aufgabe, aus rund 350 in Frage kommenden Premieren auszuwählen. Und auswählen müssen wir, aus redaktionellen, aus finanziellen, aus aufmerksamkeitsökonomischen Gründen. Anschließend wird der Plan von der gesamten Redaktion diskutiert und beschlossen. Dann gehen die Schreibaufträge an unsere Autor*innen in den Regionen raus: 60 Kritiker*innen schreiben regelmäßig für uns.

Erweitertes Programm & Ziele

Um diesen Kern von 50 Premieren im Monat hat sich über die Jahre ein immer umfangreicheres Programm aus aktuellen Meldungen, Debattenbeiträgen, Interviews, Kolumnen, Newslettern, Podcasts, Kommentaren und Streamings entwickelt. Unser Archiv umfasst mittlerweile über 22.000 Texte und 105.000 Leser*innenkommentare. Dazu veranstalten wir Konferenzen und digitale Panel-Diskussionen.

Wir berichten aus allen Ecken der deutschsprachigen Theaterlandschaft: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der Regional-Rubrik finden Sie alle Nachtkritiken nach Ländern, Regionen und Städten sortiert.

Unser Ziel ist es, 1. das deutschsprachige Theater in seiner Breite und Vielfalt sichtbar zu machen; 2. das Gespräch über das Theater anzukurbeln, weil es eine umfassende Kunst ist, die, wenn sie gelingt, aber auch, wo sie misslingt, der Zeit einen Ausdruck verleiht; 3. dabei mitzuhelfen, das Theater als Institution und als Kunstform im deutschsprachigen Raum (in Deutschland, Österreich und der Schweiz) zu erhalten und in breit angelegten Debatten weiterzuentwickeln.

Alles für alle kostenlos

Alle unsere Inhalte stellen wir kostenlos für alle zur Verfügung. Träger von nachtkritik.de ist die Nachtkritik Kulturnetz gGmbH. Als gemeinnützige Gesellschaft erwirtschaften wir keine Gewinne und werden auch in Zukunft keine Paywall vor die Texte schalten: um möglichst viele Menschen an dem Gespräch über Theater teilhaben zu lassen und dieses Gespräch möglichst offen und wenig elitär zu halten.

nachtkritik.de hat keinen finanzstarken Medienkonzern oder Verlag im Rücken, hat kein Büro und unterhält keinerlei Infrastruktur. Jede*r in der Redaktion arbeitet im Home Office am eigenen Rechner. Unsere wöchentlichen Sitzungen finden wechselweise in den privaten Wohnzimmern (oder in Pandemie-Zeiten eben per Videokonferenz) statt. Wir geben unser Geld ausschließlich für die bei nachtkritik.de arbeitenden Menschen und den Betrieb der Website aus.

Kein*e Redakteu*in bei nachtkritik.de ist fest angestellt. Alle arbeiten frei und die meisten auch noch für andere Medien, knapsen Zeit bei anderen Arbeitsstellen und Projekten ab, um ihren Teil zum Unternehmen nachtkritik.de beizusteuern.

Finanzierung: Einnahmen, Ausgaben und offener Betrag

Unsere jährlichen Ausgaben belaufen sich (mit Blick auf die Jahre 2021 und 2022) durchschnittlich auf rund 360.000 Euro. Monatlich geben wir im Schnitt 21.000 Euro für die Texte von Autor*innen und die Arbeit der Redaktion aus. Dazu kommen Betriebskosten von ca. 9.000 Euro, darin enthalten sind Kosten für Technik, Webdesign, Verwaltung, Künstlersozialkasse und Steuern.

Durch Werbung und Kooperationsprojekte (wie mit dem Heidelberger Stückemarkt) werden jährlich Einnahmen von rund 240.000 Euro erzielt, wobei die Werbeeinnahmen fast 90 Prozent ausmachen. Die Werbeagentur United Talents, die für den Verkauf der Anzeigenplätze auf nachtkritik.de zuständig ist, arbeitet auf Provisionsbasis unabhängig von der Redaktion.

Der offene Betrag von ca. 120.000 Euro ist jedes Jahr neu durch Spenden zu finanzieren. Jeder Beitrag hilft uns; regelmäßige Unterstützung durch monatliche Spendenbeiträge jedoch gewähren uns Planbarkeit und Sicherheit. Langfristig sind wir genau auf diese dauerhaften Spenden angewiesen. Die Spender*innen sind nur der Geschäftsführung bekannt, bleiben der Redaktion gegenüber anonym und haben selbstverständlich keinerlei Einfluss auf redaktionelle Belange.

Diagramm Finanzierung Kampagne23

Die genannten Summen beziehen sich auf den laufenden Betrieb der Website. Um nachtkritik.de weiterzuentwickeln oder unser Programm ausdehnen zu können, bräuchten wir zusätzliche Ressourcen.

Schreibaufträge und Redaktionsdienste

Lange waren wir auch auf Idealismus und ein Stück Selbstausbeutung der an nachtkritik.de Mitarbeitenden angewiesen; das sollte und kann aber nicht unabdingbarer Bestandteil des Finanzierungsmodells von nachtkritik.de sein.

Unsere Autor*innen erhalten pro Nachtkritik in etwa das Honorar einer gut zahlenden Regionalzeitung. Dafür bereiten sie sich vor, lesen etwa den Stücktext oder die Romanvorlage, besuchen die Premiere und schreiben über Nacht ihre Kritik. Wenn sie für uns in andere Städte fahren, müssen die Autor*innen die Fahrtkosten bezahlen – leider sind wir immer noch nicht so weit, diese übernehmen zu können. Oft genug liegt das Honorar nicht über Mindestlohn.

An den Wochentagen besetzen wir in der Regel zwei Redaktionsdienste von jeweils sieben Stunden, um eine Aktualisierung der Seite von mindestens 7 Uhr bis 18 Uhr zu gewährleisten; auch an den Wochenenden sind – je nach Premierenaufkommen – immer mehrere Redakteur*innen bis mindestens 15 Uhr im Dienst.

Einzelne Zusatz-Projekte wie etwa das Netztheater-Festival “Zoom in” (2021) oder die Reihe "Play Time – Stream und Diskurs Junges Theater" (seit 2022) werden über Fördergelder aus öffentlicher Hand finanziert. Hierbei handelt es sich stets nur um temporär fließende Gelder, die nicht dazu beitragen, den Grundbetrieb der Website nachtkritik.de zu bestreiten.

Kulturberichterstattung schwindet

Theater braucht Kritik, braucht Deutung und Diskussion, braucht das öffentliche Gespräch. Und nachtkritik.de ist der Ort, wo dieses Gespräch über Theater in seiner ganzen Vielfalt geführt wird.

Die seriöse Kulturberichterstattung in den herkömmlichen Medien schwindet, Zeitungen fusionieren, Redaktionen werden zusammengestrichen, Fachredakteur*innen werden entlassen, Stadtmagazine eingestellt. Theaterkritiken sind im Feuilleton nur mehr eine selten gewordene Randnotiz. Währenddessen versuchen wir, das Theater überregional in gleichbleibender Intensität zu begleiten.

Entwicklung und wie weiter?

nachtkritik.de ist über die Jahre immer weiter gewachsen. Wir sind multimedialer geworden, haben die Seite weiterentwickelt und unser Programm kontinuierlich ausgebaut. In den vergangenen Jahren hinzugekommen sind u.a. der Theaterpodcast (in Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur), der wöchentliche Newsletter und die Streaming- und Wissensplattform nachtkritik.plus (gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien).

Hinsichtlich unserer Finanzierung war die Corona-Zeit lehrreich für uns: Sie hat auch uns die Instabilität unseres Finanzierungsmodells verdeutlicht. Die Pandemiemonate haben uns aber auch gezeigt, dass wir auf die Hilfe unserer Leser*innen bauen können. Die Spenden der Leser*innen haben zeitweilig die entstandenen Verluste fast ausgeglichen. Einmal mehr ist uns damals klar geworden: Eine stabile Zukunft hat nachtkritik.de nur mit Ihnen.

Die Werbeeinnahmen, von denen wir hauptsächlich leben, reichen nicht aus. Kooperationsprojekte sind temporär und haben nur einen geringen Anteil an der Finanzierung. Wir müssen unser Geschäftsmodell insgesamt stärker diversifizieren und die Leser*innenfinanzierung als dritte tragende Säule ausbauen. Das hält uns langfristig stabil und unabhängig. Und verpflichtet uns umso mehr Ihnen, den Leser*innen, für die wir die Seite schließlich machen. Nur mit Ihrer Unterstützung können wir unser Programm auch in Zukunft in der bisherigen Breite aufrecht erhalten.

Unser Anliegen jetzt

An unsere Spendenaufrufe der vergangenen Jahre möchten wir auch mit unserer diesjährigen Spendenkampagne anknüpfen und in den nächsten Wochen bis zum Ende des Jahres möglichst viele Leser*innen für eine dauerhafte Unterstützung von nachtkritik.de gewinnen. Konkret: Um unser vielfältiges Programm auch im nächsten Jahr für alle zugänglich machen und kostenlos anbieten zu können, brauchen wir monatlich 2.000 Euro mehr an Spenden. Deshalb bitten wir Sie heute: Unterstützen Sie nachtkritik.de mit einem Spendenabo!

 

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Dieses Update ist die aktualisierte Version eines Textes, der im Zusammenhang der Spendenkampagne 2021 verfasst wurde, damals noch gemeinsam mit Nikolaus Merck.

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