Burning Issues x Theatertreffen 2022 - Die 4. Ausgabe der Konferenz für mehr (Gender-)Gerechtigkeit
Illusionslose Hartnäckigkeit
11. Mai 2022. Mit Show-Charme und Queer-Glitzer ging es ans Eingemachte: Die Burning Issues Konferenz 2022, organisiert von Nicola Bramkamp, fand diesmal wieder live und vor Ort statt. Und lieferte neben Empowerment auch ernüchternde Erkenntnisse über die Sturheit von Strukturen.
Von Simone Kaempf
11. Mai 2022. So groß und empowernd wie 2019 beim Berliner Theatertreffen war es diesmal nicht, aber auch alles andere als klein: die Konferenz Burning Issues 2022, real und präsent, diesmal wieder in Kooperation mit dem Theatertreffen, zu Gast in den Räumen der Berliner AdK am Pariser Platz. Organisiert von Nicola Bramkamp, moderiert von der Schauspielerin Lisan Lantin und der Drag Queen Dagmar Dangereux, die mit Show-Charme und Queer-Glitzer ihre Witzchen rissen, während es in den Keynotes und Panels dann durchaus ans Eingemachte ging.
Nach dem Empowering der vergangenen Jahre, dem Benennen von Missständen und Formulieren von konkreten Lösungsmöglichkeiten für mehr Gerechtigkeit im Theaterbetrieb, nach dem Einbeziehen der antirassistischen, diversen und queeren Perspektiven bei Burning Issues im November 2020, treten all die Fragestellungen in ihre nächste schwierige Phase: nicht nur die Theorie, sondern die Praxis der Veränderung. Diskussionen wurden geführt, Wissen gesammelt, Forderung aufgestellt. Aber da, wo die Strukturen wirklich verändert werden sollen, entpuppt sich die Umsetzung als schwieriger und langwieriger als gedacht.
Lost In transformation
Zwei Tage Workshops, Keynotes, Diskussionen am vergangenen Wochenende. Die Podien divers besetzt, gelebte Intersektionalität, um verschiedene Perspektiven aufzuzeigen. Und die umkreisten das Problemfeld, das große Meta-Thema dieser Konferenz: die Strukturen und ihre Transformation. Die Kulturvermittlerin und Journalistin Katie Kheriji-Watts fasste in ihrer Keynote nochmal beispielhaft zusammen, wie Machtmissbrauch und Ungleichbehandlung an Theatern entsteht: in einem Gefüge aus prekärer, abhängiger Beschäftigung, schlechtem Führungsverhalten, der Grauzone künstlerischer Arbeit mit intimen Situationen auf der Probebühne. Mögliche Lösungen sind mittlerweile bekannt: Team-Leitungen, mehr Mitbestimmung, transparente Postenvergabe, überhaupt Reform der Strukturen und bessere Kommunikation miteinander. Aber wie nun was ändern?
Ein mühsamer Prozesse, und in der Realität wird gerade an vielen Stellen mit barer Münze gezahlt. Der Status Quo ähnelt sich: "Das, was man weiß, in die Praxis zu übersetzen, ist oft nicht nicht einfach. Da zeigt sich das Beharrungsvermögen der Strukturen", brachte es Ella Steinmann auf den Punkt, Diversitäts-Agentin am Theater Oberhausen. Man habe noch einen langen Weg vor sich, glaubt auch Sandrine Micossé-Aikins, die die Berliner Kulturverwaltung beim Change Management begleitet: "Wir wissen nicht, ob wir schon die richtigen Methoden haben und merken immer wieder, dass das Umsetzen ein schwieriger Schritt ist und Zeit braucht."
Sture Strukturen
Sich in die Karten schauen zu lassen bei den Schwierigkeiten und haus-interne Probleme publik zu machen, ist nicht jedermans Sache. Organisatorin Nicola Bramkamp sagt, sie kenne kein einziges Theater, in dem es nicht strukturell bedingte Probleme gebe. "Aber die Bereitschaft, offen darüber zu sprechen, ist nicht sehr groß."
Sonja Anders, Intendantin in Schauspiel Hannover und die im Ensemble engagierte Schauspielerin Alrun Hofert gaben in einer gemeinsamen Keynote dennoch Einblick. Genauso wie Amelie Deuflhard, Intendantin von Kampnagel Hamburg, und die Coachin Christina Barandun, die das Haus seit geraumer Zeit berät, die beide kein Blatt vor den Mund nahmen – das offene Sprechen, in diesem Fall über den steinigen Veränderungsprozess ist ganz sicher eine Qualität von Burning Issues.
Elefanten im Raum
"Kampnagel ist Staatstheater geworden, ohne dessen Strukturen zu haben. In der Pandemie war das auch hilfreich. Aber die Struktur wurde immer wieder von den Mitarbeiter:innen in Frage gestellt", erklärt Deuflhard die Ausgangs-Situation als man sich auf Kampnagel entschied, Christina Barandun dazuzuholen. Sehr viele unterschiedliche Menschen arbeiten im Haus. "Viele Konflikte sind durch unterschiedliches Wissen entstanden. Ziel des Coachings war deshalb, wie man mit Respekt mit den Unterschieden umgeht." Steinig ist dieser Weg, weil man auf ganz simple Probleme trifft, erklärt Christina Barandun: Menschen haben Angst Veränderung, vor allem auch, wenn sich ihr Arbeitsplatz verändern soll. Jede Form von strukturellem Wandel, gehe deshalb mit Emotionen einher. Zu "illusionsloser Hartnäckigkeit" rät Barandun deshalb, was ein amüsantes Raunen auslöste, aber eben der Realität entspricht.
Dass die Politik ihre Veränderungen genauso mühsam geht, zeigte das Panel am zweiten Tag unter anderem mit Berlins Kulturstaatssekretär Thorsten Wöhlert auf dem Podium. "Wir tun vielleicht nicht genug, aber eine ganze Menge", lenkte Wöhlert fast schon als Fehlereingeständnis ein, präsentierte ein 5-Punkte-Programm, an dem man dran ist, berichtete über Fair Stage und den Plan für ein Reporting von unten. The elephant in the room: Dass die Posten für die großen Berliner Theater zuletzt weiterhin ohne Ausschreibung und ohne Findungskommissionen besetzt wurden. Zur illusionslosen Hartnäckigkeit gehört, darauf immer wieder hinzuweisen, auf dass sich doch etwas ändert. Wöhlerts Verweis darauf, dass der Vergabeprozess beim Theater an der Parkaue sehr anstrengend gewesen sei (die Findungskommission wurde auf halbem Weg nochmal umbesetzt), kann nach den Einblicken in die mühsamen Veränderungsprozesse jedenfalls nicht mehr Ausrede sein.
Burning Issues x Theatertreffen 2022
Performing Arts and Equity
Künstlerische Leitung: Nicola Bramkamp
Kuration: Nora Amin, Nicola Bramkamp, Yvonne Büdenhölzer, Lisan Lantin, Anna-Katharina Müller, Luca Sonnen und Lucien Strauch
Produktionsleitung: Franziska Bald, Ann-Kristin Meivers und Luca Sonnen
Mitschnitte der Panels und Keynotes sollen ab 23. Mai online abrufbar sein
burning-issues.de
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