Die Eröffnungsrede des britischen Dramatikers Dennis Kelly zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens 2012
Warum politisches Theater eine idiotische Zeitverschwendung ist
von Dennis Kelly
Berlin, 10. Mai 2012. Ich habe 2004 ein Stück mit dem Titel "Osama der Held" geschrieben. Ich war böse, nicht nur über die Rolle die mein Land im Irakkrieg spielte, sondern auch darüber, wie dieses Land im Ganzen so genannten "war on terror" agierte. Aber vielleicht widerte mich vor allem der beschämende Mangel an Weitsicht in den britischen Medien an. Es wurde damals als fast schon ketzerisch angesehen, wenn man andeutete, dass diese erschreckende Form des Terrorismus irgendetwas wie einen Grund oder eine Begründung hätte, dass dieser Terrorismus eine gemeinsame DNS mit jeder Form von Terrorismus dieses Planeten teilen könnte – von der IRA zum ANC, von der Boston Tea Party bis zur Französischen Revolution – und dass es möglicherweise eine verständliche Wurzel, einen nachvollziehbaren Auslöser geben könnte.
Es war schlicht verboten, diese islamistischen Terroristen als etwas anderes als eine neue Spezies von Monstern zu betrachten, ebenso wie es verboten war, die Idee zu entwickeln, dass irgendwo da in dieser Sache – wenn man vorbeikommt an all dem Hass und den Morden und den anderen Sachen, mit denen man nun wirklich absolut nicht einverstanden ist – dass dahinter ein Grund lauern könnte, dass sogar Faszination von all dem ausgehen könnte. Und der vielleicht größte Affront gegen meine gerade erst erworbene Würde als neuer Theaterautor war die Tatsache, dass so gut wie niemand im britischen Theater darüber auch nur ein Wort verlor. Es war so, als hätte das Theater sich das Thema kurz angeguckt, dann gedacht "Scheiße, das ist ne Nummer zu groß", und wäre dann schnell zurück an den Schreibtisch, um Stücke darüber zu schreiben, wie schwer es ist, mit Armut fertig zu werden.
Ich war wütend. Ich schrieb darüber. Ich schrieb diese Wut in mein Stück, vielleicht nicht so gekonnt, wie es andere Schriftsteller getan hätten – ich wusste auch nicht so genau, was ich da gerade machte – aber ich schrieb es so gut es mir möglich war. Das Stück kam 2005 raus und ich wusste, dass wenn die Leute meinen Standpunkt verstanden hätten, die Welt eine andere werden würde. Die Leute würden mir zuhören. Der "war on terror" war vorbei und ich erwartete nun den Rückzug aus dem Irak und aus Afghanistan zum Ende des Jahres. Also lehnte ich mich zurück und wartete ab.
Aber nichts dergleichen passierte. Ich bekam ein paar gute Kritiken, ich bekam ein paar schlechte Kritiken, einigen Leute gefiel es, anderen nicht und man gab mir einen neuen Stückauftrag. Irgendetwas war falsch hier, unglaublich falsch. Ich versuchte wieder zu schreiben. Ich schrieb ein Stück mit dem Titel "Nach dem Ende", ein Stück über zwei Menschen, die gefangen sind in einem Atombunker, nach einem schrecklichen Terroranschlag, nur dass der Anschlag niemals wirklich stattgefunden hat, und die eine Figur den angeblichen Anschlag als Vorwand nutzt um die andere zu kontrollieren. Ich war so begeistert von meiner Metapher, dass mir klar war, dass es sich nur noch um eine Frage der Zeit handeln würde, bis Bush aus dem Weißen Haus geworfen würde, Blair tot an einer Laterne baumeln würde, es endlich eine Zwei-Staaten-Lösung in Israel und Palästina geben würde und insgesamt das New Age of Aquarius Einzug halten könnte. Wieder wartete ich. Diesmal bekam ich eine andere Reaktion. Diesmal bekam ich viele gute Kritiken, das Stück war ausverkauft und wurde auch in einigen anderen Ländern nachgespielt. Ich glaube sogar, dass ich einen Preis für das Stück bekam. Und dann wusste ich, was das Problem war – es war der "war on terror". Niemand schaffte es darüber hinaus zu blicken. Es war der falsche Ansatzpunkt, um die Welt zu ändern.
Also versuchte ich es 2006 zum wirklich allerletzten Mal – ich schrieb ein Stück mit dem Titel "Liebe und Geld". Es handelte von unserer Beziehung zu Geld und über Schulden. Das, dachte ich, wird die Welt verändern. Dieses Stück bedeutet mal wirklich etwas. Aber 2008 kam die Finanzkrise und jetzt sind wir alle am Arsch. Hättet ihr Scheißkerle doch nur auf mich gehört.
Und schließlich dämmerte mir, dass es möglicherweise notwendig sein wird, meine Erwartungen an die Realität anzupassen.
Ich hoffe, dass ich jetzt nicht wie ein zynisches Arschloch rüberkomme. Ich hasse das. Ich hasse Zynismus, ich finde diese Geisteshaltung faul und unehrlich. Eigentlich, glaube ich wirklich aufrichtig, dass Theater die Welt verändern kann. Ich denke, dass Theater diese Veränderung in einem kleinen Maßstab schafft bei den Leuten, die mit dem Theater in Kontakt kommen. Ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen – auch wenn ich kein Autor geworden wäre, hätte das Theater mein Leben dadurch verändert, dass es für mich da war. Das Theater hat meinen Geist freigesetzt, es hat mir neue Denkweisen gezeigt und die Freude am Denken vermittelt und dass ich überhaupt höhere Bildung bekommen habe, verdanke ich dem Theater. Aber ich glaube, dass Theater die Welt auch in einem weiterführenden Sinn verändert, einem politischen Sinn, wenn man denn so will. Ich glaube einfach, dass es dies tut zusammen mit anderen Gegebenheiten. Ich glaube, dass Theater subtiler wirkt, und ein Publikum wohl nicht dazu bringt direkt vom Zuschauerraum aus auf die Barrikaden zu stürmen, und dass jede Erwartung an eine solche direkte Wirkung von Theater einfach unfair ist.
Ich habe immer gedacht, dass eine der großen unterschlagenen Geschichten des britischen Theaters der neunziger Jahre, die Geschichte der Homosexualität auf der Bühne war. In den Achtzigern war Sexualität (zumindest öffentlich thematisierte Sexualität) etwas Politisches. Sexualität war Teil der Politik, musste einfach politisch verhandelt werden. Aber in den Neunzigern änderte sich etwas; homosexuell zu sein, wurde etwas, das man einfach war. Ich glaube, dass das Theater einen großen Anteil daran hatte. Stücke wie "Angels in America", "Beautiful Thing" oder "Shoppen und Ficken" zeigten normale Leute mit normalen Sorgen, die ihr Leben bewältigten, und das manchmal explizit politisch, manchmal aber auch nicht. Diese Verschiebung des Fokus wurde bald vom Film aufgegriffen, fand seinen Weg ins Fernsehen und schließlich ins öffentliche Bewusstsein. Es stört uns nicht, dass Personen in der Öffentlichkeit mit Menschen des gleichen Geschlechts verheiratet sind, und selbst mein Premierminister von rechts-außen David Cameron (der, nebenbei bemerkt, ansonsten eine ziemliche Fotze ist) hat eine Gesetzesvorlage eingebracht, dass eingetragene Partnerschaften oder Homo-Ehen den exakt gleichen Status genießen sollen wie heterosexuellen Ehen. Diese Entwicklungen wären undenkbar gewesen in den Achtzigern. Ich glaube, dass das Theater eine Rolle in diesem Prozess gespielt hat, vielleicht sogar eine Hauptrolle.
Edward Bond schreibt in seinem Buch "The hidden Plot" sehr schön über Gerechtigkeit. Ich wollte etwas für Euch daraus zitieren, aber als ich anfing diese Rede zu schreiben, habe ich gemerkt, dass ich das Buch jemandem geliehen habe, der es mir beschissenerweise immer noch nicht zurückgegeben hat. Deswegen befürchte ich, dass alles was wir heute von Edward Bond lernen können, darin besteht, dass man niemals seine Bücher verleihen sollte. Aber im Ernst, kauft Euch das Buch. Es ist wirklich fantastisch. Auch Ihr solltet es einfach besitzen. Ich erinnere mich daran, wie ich es gelesen habe und davon beeindruckt war, wie er über Gerechtigkeit schreibt, dass sie etwas anders ist als juristische Gerechtigkeit, und dass diese Gerichtssaal-Gerechtigkeit ein unveräußerliches Menschenrecht darstellt, und dass sich jeder Mensch um diese bemühen sollte. Ich habe diese Idee in meinem Herzen bewahrt und leicht verändert, und meiner Meinung nach ist das, wonach ein Autor wirklich tasten und suchen sollte – Wahrheit.
Wahrheit ist aber eine verzwickte Sache. Sie sieht sich selbst manchmal gar nicht ähnlich und versteckt sich sehr gern. Ich glaube, dass niemand weiß, ob er gerade die Wahrheit sagt – in dem Moment, wo Dir irgendwer sagt, dass er Dir jetzt definitiv die Wahrheit sagt, glaub ihm um Himmelswillen bitte nicht. Aber jeder kann versuchen, sich der Wahrheit zu nähern. Es gibt die Möglichkeit in Richtung Wahrheit zu streben und die Hoffnung in die Nähe von ihr zu gelangen. Was die Reise zur Wahrheit schwierig macht, sind die Schichten von anderem Zeug, welches sich uns dabei in den Weg stellt – unsere Egos und Vorurteile, unsere Wut, unsere Liebe, unser Hass und unser Wunsch etwas gut zu machen. Aber unter all diesen Schichten gibt es Wahrheit. Es ist oft sehr schwer für einen Theaterautor zu wissen, ob er nun gerade wirklich die Wahrheit schreibt. Aber unglücklicherweise, für uns arme Autoren, weiß ein Publikum sehr oft, wenn wir es nicht schaffen, etwas Wahres zu sagen. Ich bin dahin gekommen an Wahrheit als etwas Reales zu glauben, etwas nicht Relatives, etwas nicht Abstraktes, etwas, was stark ist und existiert. Und ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass es die Aufgabe von Theatermachern ist – von solchen die wirklich an das Theater glauben – dass sie versuchen sollten, Wahrheit nahe zu kommen, wie schwer das auch sein mag.
Eine Sache, die mir aufgefallen ist, wenn ich mich mit jungen Autoren in Großbritannien unterhalten habe, ist, dass sie sehr auf ihre Karriere acht geben. Das ist verständlich; wir leben in einer schwierigen, unsicheren Welt und in einer Welt, die uns sagt, dass wir bis zu einem gewissen Alter etabliert sein müssen, und wenn wir das nicht schaffen sollten sind wir einfach nur ein Haufen Scheiße. Aber dieses große Karrierebewusstsein ist auch ein wenig deprimierend. Es scheint so, als würden sich in Großbritannien zwei Arten von Theatermachern herausbilden. Der erste Typus ist ehrgeizig und versucht bewusst die richtigen Schritte zum Erfolg zu gehen. Und das ist auch nicht unbedingt falsch – in einer kleinen Dosis. Aber solltest Du Dich zu diesem Typus von Theatermachern zählen, ist diese Rede wahrscheinlich nichts für Dich. Ich sage nicht, dass diese Leute verkehrt oder böse oder etwas Ähnliches sind; es ist nur so, dass für mich persönlich, wenn ich im Zuschauerraum bin, ausschließlich Stücke interessant sind, die von Leuten gemacht wurden, für die Theater eine Art Glauben ist und nicht eine Karriereplattform. Und wenn Du nun jemand bist, der wirklich an dieses Medium glaubt, und Du möchtest etwas über die Welt aussagen, dann wirst Du früher oder später mit dieser Frage konfrontiert – diene ich der Sache oder dient die Sache nur mir?
Das ist eine sehr schwere Frage, und ich kann sie niemals ganz beantworten. Ich versuche jetzt, ehrlich und direkt zu bleiben, ich versuche jetzt, sicher zu gehen, dass ich nicht gerade eine große Sache einfach so in meine Rede hineinschmuggele, damit sie besser klingt, oder ich cool dastehe und Frauen dann mit mir schlafen wollen (und das ist, nebenbei bemerkt, wirklich niemals passiert – Stücke schreiben ist die Beschäftigung am Theater, welche am wenigsten sexuelle Anziehungskraft entwickelt). Aber ich weiß, dass es in mir Anteile gibt, die ziemlich niedrig, oberflächlich und selbstverliebt sind. Ich weiß, dass ich die Fähigkeit habe, mich klug erscheinen zu lassen, indem ich in einem Gespräch einfach so Fakten einstreue, um andere Menschen zu beeindrucken. Aber das Besondere an Stücken ist, dass sie durchsichtig sind: Wir können meistens, ab einem gewissen Punkt, direkt durch sie durchschauen, hinein in das Herz der Theatermacher. Und es ist sehr wenig erbaulich, wenn man einen Autor oder einen Regisseur erlebt, wie er oder sie den Völkermord in Ruanda oder den Arabischen Frühling aus den falschen Gründen in ihren Theaterabend zerren, zum Beispiel deswegen, um ihr Stück gut aussehen zu lassen. Also, wie gehen wir sicher, dass wir so etwas nicht tun? Wie gehen wir sicher, dass wir es sind, die der Sache dienen und nicht die Sache uns?
Die Antwort ist, wir können wahrscheinlich niemals sicher sein. Aber etwas, was uns wirklich helfen kann, ist Wahrheit und die Suche nach Wahrheit. Wenn wir nach Wahrheit suchen, wenn wir mit uns selber so wahrhaftig sind, wie es uns unsere fehlbare menschliche Seele zugestehen will, dann sind wir wahrscheinlich auf der richtigen Fährte. Einige der Themen, über die Du und ich schreiben werden, sind zu groß, als dass man mit ihnen herumspielen könnte, zu groß um sie zu benutzen oder zu missbrauchen. Nimm Wahrheit mit auf die Reise. Du wirst sie brauchen.
Vor kurzem habe ich für ein Stück recherchiert, das heißt, ich habe zwei Gruppen von Menschen interviewt, die sich auf der jeweils anderen Seite einer Streitfrage befanden, also absolut entgegengesetzte Meinungen vertraten. Interessant war, dass ich in dem Moment, in dem ich mit der einen Seite sprach, davon überzeugt war, dass sie recht hatten, und in dem Moment, in dem ich mit der anderen Seite redete, genauso sicher war, dass nun die anderen recht hatten. Ich wurde gleichermaßen von jeder Seite überzeugt, was in mir den Verdacht nährte, dass ich dumm und leicht verführbar bin, und ich hatte schließlich nichts Bedeutungsvolles mehr zu dem Stoff zu sagen, so dass ich das Vorhaben zu dem Stück fallen ließ. Aber was mir eigentlich interessant erschien, war, dass ich anfing zu verstehen, dass es keine Chance gab, dass eine der beiden Seiten von ihrem Standpunkt abrücken könnte. Die Argumente, die mich vollkommen vom Einem überzeugt hatten, zeigten keine Wirkung auf der jeweils anderen Seite. Vielmehr war es so, dass die eine Partei die exakt gleichen Fakten, die ihr von der anderen entgegengehalten wurden, umstandslos entgegennahm, sie umdrehte und für ihre Sache einspannte. Ich begann mich zu fragen, wo und wann ich dieses Verhalten in Angelegenheiten zeigte, die ähnlich wichtig für mich waren, wie diese für die beiden Streitparteien: Und tief in mir drin weiß ich, dass ich mich immer wieder genau so verhalte. Wir alle machen das. Wir werden uns nicht klar über eine Frage, indem wir Fakten und Argumente sammeln, sondern wir benutzen Fakten und Argumente, um das zu rechtfertigen, was wir längst für wahr erkannt haben. Wir drehen und quetschen uns die Realität in eine Form, die dass unterstützt was wir fühlen. Unsere Gefühle regieren uns und nicht unser Verstand.
Und genau hier setzt die Wirkung von Theater ein. Theater funktioniert über Gefühle, Theater ist ein emotionales Medium, und sicherlich kein besonders intellektuelles. Aber wie versöhnt ein Theaterautor nun seine Suche nach Wahrheit mit der fundamentalen Einsicht, dass Fakten und Argumente grundsätzlich unzuverlässig sind, und dass so etwas wie Plädoyers etwas sind mit dem Anwälte Menschen ins Gefängnis schicken, egal, ob sie nun schuldig sind oder nicht. Vielleicht versuchen es diese Autoren einfach gar nicht. Vielleicht sagen sie einfach „Leck mich!" so fühl ich es nun mal – und stehen dann ehrlich genau dazu. Theater ist im Wesentlichen, dann wenn es gut ist, genau das – eine einsame Stimme, die in einem abgedunkelten Raum anhebt und sagt "Ich sehe es so." Diese Stimmen sagen Dir nicht unbedingt, das ist das Richtige oder Wahre oder Du solltest das oder jenes denken oder tun, diese Stimmen sagen: "Ich sehe es so. Sieht es noch jemand anders so?"
Ich für meinen Teil habe keine Lust mehr darüber zu reden, ob ein Stück politisch ist oder nicht (vielleicht aufgrund meiner früheren Niederlagen). Stattdessen ist es mir lieber, darüber zu reden, ob ein Stück eine Bedeutung hat oder irgendwie nicht. Ich nehme an, dass es für mich so ist, weil ich glaube, wenn wir weiter so fixiert bleiben auf „das Politische" in Stücken, irgendwann vielleicht jemand ermutigt wird, das Stück, welches er über seine Familie schreiben wollte, in den Mülleimer zu werfen, um stattdessen über die Wahlen in Frankreich zu schreiben. Und das Stück über seine Familie hätte großartig sein können, und wir müssen stattdessen die letzten Tage von Sarkozy ertragen. Aber wie können wir eigentlich Stücken eine Bedeutung verleihen? Ich weiß, dass ich jedes Mal, wenn ich mich wieder hinsetze, um ein Stück zu schreiben, wirklich absolut keine Ahnung habe, wie ich das jetzt wieder machen soll. Ich weiß nie, was ich schreiben soll, worüber ich schreiben soll. Aber ich glaube mittlerweile an ein Prinzip, dem ich mich anvertraue, wenn ich ein Stück schreibe; es lautet so: Wenn das hier das Letzte wäre, was ich einem anderen Menschen sagen könnte, wenn in dem Moment, in dem ich das letzte Wort schreiben würde, mein Leben beendet wäre– was würde ich dann wohl sagen? Es ist nicht immer einfach oder überhaupt möglich ein Stück auf diese Weise zu schreiben, oder überhaupt diese Sache zu finden, die Du jetzt wirklich mehr als alles andere sagen möchtest, aber dieser Ansatz ist doch mal ein guter Startpunkt.
Eine letzte Bemerkung. Und dann, ich verspreche es, gehe ich wirklich.
Ich glaube, junge Theaterleute brauchen vor allem eine gesunde Portion "Leck mich!" Ich glaube, dass es nützlich sein kann für junge Theatermacher, sich die Sachen anzuhören, die man Ihnen sagt, über diese Sachen einmal nachzudenken, sie zu bewerten und dann – wenn nötig – "Leck mich!" zu sagen. Mein Eindruck ist, dass dieses gesunde Verhalten hier in Deutschland momentan verbreiteter ist als in Großbritannien. Ich bin mir sicher, dass jetzt gerade einige im Publikum sind, die sich das hier anhören und "Leck mich!" denken, und das ist sicher angebracht, und ich wünsche euch ehrlich weiterhin viel Glück. Ihr müsst es mir trotzdem nachher nicht unbedingt sagen – nehmen wir einfach mal an, dass ich mich auf die eine oder andere Art schon irgendwie selber in die Scheiße reite. Aber wenn Ihr im Verlauf der nächsten Tage, Wochen, Monate oder Jahre mal wieder denkt "Leck mich!", dann ist das wohl nicht das Schlechteste. Versichert euch nur, dass es aus der richtigen Ecke kommt. Schaut genau drauf, dass es nicht von Eurer Arroganz kommt oder aus Eurer Unfähigkeit, Eure eigenen Fehler zu sehen, sondern daher, dass Ihr den Wunsch in Euch tragt, etwas zu verändern, aus dem Glauben an die Kraft des Theaters, die größer ist als all die Autoren, Regisseure, Intendanten oder Dramaturgen zusammen, dass das Theater uns allen gehört, aber niemals für umsonst zu haben ist.
Also, sollte es zwei Dinge geben, die man aus dieser Rede mitnehmen kann, dann wären es wohl "Die Suche nach Wahrheit" und "Leck mich!". Darüber hinaus, habe ich nun wirklich nichts mehr zu sagen.
Übersetzung aus dem Englischen von Maximilian Löwenstein. Das englische Original der Rede finden Sie auf dem Theatertreffen-Blog.
Mehr über den Dramatiker Dennis Kelly steht im nachtkritik-Lexikon.
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