Blog - Beim Lesen einer Kolumne von Mely Kiyak
Freiheit für Mely Kiyak!
von Dirk Pilz
2. März 2014. Ich lese eine Kolumne von Mely Kiyak für das Berliner Gorki Theater und denke, so ist das also bei uns. Da regt sie sich auf, dass in Deutschland Rechtsradikale vierzehn Jahre lang unbehelligt raubend und mordend durch Deutschland reisen können, dann fliegt das Mordtrio auf, und das Leben geht wie gewohnt weiter.
So ist es!
Ich denke: ja doch!, recht hat sie. Der Rassismus ist kein Randphänomen von dumpfen Biersäufern in der Uckermark, er ist im schicken Establishment zu Hause, da fühlt er sich besonders wohl. Und ich denke noch, bloß gut, dass es Leute gibt, die das hinschreiben und wir in einem Land leben, wo man das hinschreiben darf. Aber ändert das was?
Ich lese weiter und lese, dass der gesamte deutsche Sicherheitsapparat sich über ein Jahrzehnt hinweg wie ein Haufen inkompetenter Luschen verhalten hat, und anschließend machen die Herren allesamt Karriere im Apparat.
So ist es!, wie schnell immer alles vergessen wird, und danach tut man, als sei nichts gewesen und hätte es nichts zu lernen gegeben.
Hat ja auch geklappt
Mely Kiyak spricht schließlich von Thilo Sarrazin und der Einladung des Berliner Ensembles an ihn, im Theater sein neues Buch vorzustellen. Man möchte rufen, ruft sie: "Du kannst in diesem Land Muslime nicht nur als genetischen Müll deklarieren, sondern als Nazi im Hauptberuf abknallen, ja Du kannst sogar als vom Staat bezahlter Verfassungsschützer in diesem Land so unbeeindruckt vom Anblick eines Moslems sein, der gerade in seiner Blutlache krepiert, dass du anschließend felsenfest behaupten darfst, dass du den Anblick vergessen hast und weiterhin unbehelligt Dienst schieben. Wieviel Freiheit brauchst Du noch, Sarrazin?"
Ja, weg mit Sarrazin, raus aus dem Berliner Ensemble wenigstens. Es gibt schon genug Rassisten und Menschenverächter. Hat jetzt ja auch geklappt: kein Sarrazin am Berliner Ensemble. Und was ändert das?
Menschenkarikatur?
Wer ist dieser Sarrazin überhaupt? Mely Kiyak hat ihn eine "lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur" genannt, die "das niedrigste im Menschen anspreche". Sie musste sich entschuldigen für diesen Ausrutscher, sie hat sich entschuldigt dafür und über eine "gesteuerte und organisierte Beschwerdewelle" beschwert, die über sie hereingebrochen sei damals. Ist lange her und längst vergessen, war vor zwei Jahren. War überhaupt was?
Nun beherbergt also das Gorki die Autorin Kiyak, damit diese den aktuellen Zustand ihrer Hirntätigkeit öffentlich zur Schau stellen darf. Irgendwie auch ein Beitrag zum Antirassismus.
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(Sehr geehrter Einer, der Beitrag ist nicht ungekürzt veröffentlicht worden. In den Passagen, die noch dastehen, wird niemand persönlich beleidigt und niemandem etwas persönlich unterstellt, es äußert sich da m.E. eine allgemeine Wut, die als Meinung zu bewerten ist und nicht mit falschen Tatsachenbehauptungen arbeitet. Aber es ist - da gebe ich Ihnen Recht - ein Kommentar, der nahe an der Grenze operiert. Es grüßt wb für die Red.)
(Lieber Einer, wie gesagt, ich sehe das auch in einem Grenzbereich. Aber tatsächlich sagt der inkriminierte Kommentar, dass "studierte Menschen ... linksfaschistische Äußerungen ablassen", was nicht buchstäblich dasselbe ist wie die Behauptung, sie seien Linksfaschisten. Ich weiß, das ist ein äußerst erbsenzählerischer Unterschied, aber genau mit diesen Unterschieden schlagen wir uns täglich herum. Ich habe schon oft argumentiert, dass "Sie sind blöd" nicht gehen darf, aber "Sie benutzen ein blödes Argument" sehr wohl. Sie sehen, es ist eine diffizile Aufgabe, und es fällt nicht immer leicht, eine unanfechtbare Linie zu finden. Herzlich wb für die Red.)
..."Sie setzen sich auch überhaupt nicht erst mit dieser Thematik auseinander, denn Sarrazin ist per se abgestempelt."... Mit Verlaub, das ist Unsinn!
Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" war bereits bis Anfang 2012 1,5 Millionen Male verkauft worden. (Noch vor Herausgabe der Taschenbuchausgabe) Es ist das am häufigsten ausgeliehene Buch in der Parlamentsbibliothek des Deutschen Bundestages. Es ist eines der am meisten diskutierten Bücher der letzten Jahre. Dieses Buch erlebte ein enormes öffentliches Echo. - Das heißt, es wurde gelesen und diskutiert - öffentlich, nicht im Hinterzimmer.
Wenn ich Ihnen all die Stellen zitieren würde, in denen S. seine, obgleich, kruden und absolut menschenverachtenden (wie ich finde) Thesen formuliert, würde es den Rahmen dieses Forums hier um ein Vielfaches sprengen. (...).
Sich gegen S. mit Trillerpfefen, Transparenten und wütendem "Gebrüll" zu wehren, ist absolut kein Ausdruck von "Pöbelhaftigkeit" (Schon gar nicht "nazi-pöbelhaft", wie Peymann sich zitieren läßt), sondern der, fast schon verzweifelte, Versuch sich über den fehlenden Ethos (nicht Moral!) der bürgerlichen Mitte zu empören.
Und lesen Sie das nächste Mal richtig und versuchen Sie, den Unterschied zu erkennen: Monika Maron schrieb über die Muslime und ihre Verbände in Deutschland nicht über "türkische Radikale" ...
gewöhnlich beschwere ich mich nicht, wenn Kommentare hier von Ihnen moderiert werden. Da Sie aber einen für mich wesentlichen Teilsatz aus meinem vorherigen Kommentar gestrichen haben, erlaube ich mir nun doch aus zwei verschiedenen Schriften zu zitieren. Der erste Teil ist Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" entnommen und der zweite Teil stammt aus dem Korrespondenzordner von Prof. Dr. Eugen Fischer; Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik vom Sept.1929. Wer Eugen Fischer war und welche Bedeutung er für die "eugenische Bewegung" hatte, muß ich hier hoffentlich nicht erklären ...
Sarrazin:
"-Es ist nämlich zu befürchten, dass sie zur überdurchschnittlichen Vermehrung jener bildungsfernen und von Transfers abhängigen Unterschicht beitragen, welche die Entwicklungsaussichten Deutschlands verdüstert.
-Denn ganz gleich, wie die Intelligenz zustande kommt: Bei höherer relativer Fruchtbarkeit der weniger Intelligenten sinkt die durchschnittliche Intelligenz der Grundgesamtheit.
-Die innerstaatlichen Leistungsunterschiede sind aber offenbar weitgehend auf angeborene Unterschiede in der Bildungsfähigkeit zurückzuführen, anders ist ihre Stabilität bei völlig unterschiedlichen Schulsystemen nicht zu erklären.
-Unabhängig vom Thema Zuwanderung haben wir das Problem, dass die gebildeten Schichten in Deutschland unterdurchschnittlich wenig Kinder bekommen.
-Die wirklich Tüchtigen lassen sich offen¬bar auch durch ungünstige Umstände nicht abschrecken – und das ist eine durchaus trostreiche Erkenntnis."
Fischer:
"-Die erbliche Veranlagung eines Volkes ist nicht unveränderlich. Wenn die tüchtigeren Volksgenossen weniger Kinder haben als die minder tüchtigen, so ändert sich die durchschnittliche Beschaffenheit der Erbmasse in ungünstige Richtung: es tritt Entartung ein.
-Gegenwärtig hat die Gesamtheit der tüchtigen Familien in allen Völkern europäischer Kulturen eine ungenügende Kinderzahl.
-Die wichtigste Grundlage für das Gedeihen eines Volkes ist gute Qualität seiner Erbmasse.
-Wenn die tüchtigen Volksgenossen dagegen mehr Kinder haben als die minder tüchtigen, so hebt sich die Tüchtigkeit der Rasse.
-Wirtschaftliche und kulturelle Tüchtigkeit führt gegenwärtig in der Regel zum sozialen Aufstieg. Mit dem sozialen Aufstieg aber nehmen die Motive der Geburtenverhütung zu.
-Um den tüchtigen Volksgenossen die Hemmnisse, die der Gründung einer ausreichend großen Familie entgegentreten, aus dem Weg zu räumen, ist ein Ausgleich der Familienlasten nötig.
-Die Wiedergeburt des Abendlandes kann nur aus der Erneuerung der Familie erwachsen."
Sie sehen die Ironie nicht. Auch ein bestimmter Zustand der Hirntätigkeit.
Und was schreibt eigentlich Alexander Kluge zum Thema in "Das fünfte Buch. Neue Lebensläufe"? Er erfindet eine ehemalige Philologin/Lehrerin deutscher Herkunft in London, welche einem Vortrag von Sarrazin beiwohnt und diesen folgendermaßen beschreibt: Wenn "anatolische Familienclans" nach Berlin-Kreuzberg zögen, müssten zugleich 300.000 zusätzliche Lehrer mit Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache eingestellt werden. Zudem müssten die Sozialausgaben herabgesetzt werden, um diese als Attraktor für den Zuzug auszuschalten. Zugleich müsste vor allem der Produktionssektor der Berliner Wirtschaft angekurbelt werden, weil Arbeit integriert. Die Philologin vergleicht das mit der Gründung des "Schmelztiegels" der USA. Alexander Kluge fährt fort:
"Falsch sei es dagegen, so nahm sie in ihrem erlernten Englisch später Stellung, die verkorkste Volkswirtschaft Berlins und auch der Bundesrepublik mit Haushaltsmitteln zu stabilisieren. Das Unglück der Republik Hellas sei angerichtet worden durch Schlampigkeiten einer Oberschicht, eines politisch merkantilen Klüngels, durch Korruption und nicht durch die Griechen selber. Ihnen, den Menschen, solle man helfen, nicht der Republik. Nach ihren Forschungen wurde nämlich der Staat Griechenland dem Osmanischen Reich, einem toleranten Vielvölkerstaat, widerrechtlich abgetrotzt. […] Anatolien, so fuhr sie fort, sei seit römischen Zeiten eine Provinz, die zum 'Salz der Erde' gehöre. Die anatolischen Bauern seien gewiß nicht industrialisiert, aber keine Okkupation ihres Landes seit den Perserzügen habe sie je zähmen oder überfremden können. Noch immer gehörten sie als römische Provinz zur älteren Intelligenz. Das habe der Vortragende vielleicht nicht genügend betont. Ein ererbtes Intelligenzdefizit kenne sie, bezogen auf Anatolien, überhaupt nicht."
@18: sehr zu empfehlen auch "ladybird" von ken loach. Einer frau werden die kinder weggenommen, das nennt der staat soziale sicherung, die frau bekommt ein kind und schwuppdie wupp steht die polizei in der tuer. Im thatcher-england ist sozial ein synonym fuer staatlichen terror. Loach zeigt sehr gut, wie biologistische selektion im neoliberalismus geht, naemlich huebsch warm eingepackt, so niedlich wie ein kleiner kolateralschaden beim drohneneisatz. Liebe inga, lassen sie uns doch zusammen mit herrn kluge den arbeitsmark, neuerdings heisst es ja "markt", in berlin, brandenburg, ja in deutschland reformieren! Wir loesen alle nsu-beteiligten staatlichen organe wegen der pannenserie auf und lassen alle mitarbeiter sozialstunden in den asylheimen un x-bergs unseres landes machen! Alle damit einverstanden?